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Ausgabe:

Mai/2012

Spalte:

536–537

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wieringen, Archibald L. H. M. van, and Annemarieke van der Woude[Eds.]

Titel/Untertitel:

»Enlarge the Site of Your Tent«. The City as Unifying Theme in Isaiah. The Isaiah Workshop – De Jesaja Werkplaats.

Verlag:

Leiden/Boston: Brill 2011. X, 254 S. m. Abb. 24,1 x 16,5 cm = Oudtestamentische Studiën. Old Testament Studies, 58. Lw. EUR 103,00. ISBN 978-90-04-18729-0.

Rezensent:

Thomas Wagner

Dieser Sammelband ist die zweite Publikation des »Jesaja Werkplaats« der Universität Kampen. Er enthält elf Beiträge zur »Stadt« als dem die jesajanischen Texte verbindenden Motiv.
Eine Abhandlung zur Archäologie Jerusalems von C. H. J. de Geus leitet ein. Für das 8. Jh. v. Chr. zeichnet de Geus das Bild einer Ansiedlung, die die Davidstadt und den nördlichen Teil des Südwest-Hügels umfasste und die als Siedlungsort diente. Außer Vier-Raum-Häusern wurde nur ein größeres, vermutlich öffentliches Gebäude aufgefunden. Die Gesamtfläche der Stadt umfasste nicht mehr als 10 Hektar und bot ca. 2000 Einwohnern Platz. Erst im 7. Jh. v. Chr. wurde sie zu einem wichtigen ökonomischen und politischen Standort.
A. van der Kooij behandelt Jes 35 textgeschichtlich und zeigt, wie die Vorstellung vom Zion als städtischem Lebensort von den Übersetzern der LXX eingetragen wurde. Er untersucht den Ausdruck ἔρημος διψῶσα »trockenes Land«, der nur in Jes 35,1 als Übertragung von היצ dient. Damit spielt Jes 35,1 LXX auf den Wiederaufbau der Stadt an.
M. J. de Jong führt aus, dass durch redaktionelle Ergänzungen eine Themenverschiebung in Jes 7,1–17 bewirkt wurde. War in der Grundschicht zunächst das legitime Königtum Ahas’ Gegenstand des Textes, wird in der Erweiterungsschicht die Dynastie kritisiert, so dass die Schutzzusagen der Stadt gelten. In Kenntnis der Zions- und Davidtradition wird die Ahas-Erzählung von den Lesern so in den Kontext der Zionsverheißung gestellt.
A. L. H. M van Wieringen hebt in zwei leserorientierten Analysen Aspekte hervor, die die Einheit von Jes 1–39 sowie von PrJes und DtJes bewirken. Verbindend ist in Jes 1–39 die Schutzzusage für Jerusalem, die modellhaft in Jes 7,1–17 dargelegt und vom Leser auf die Bedrohung durch Assur und Babylon übertragen wird. Weiterhin untersucht er Jes 36–39 als erzählerische Brücke zwischen Jes 1–39 und Jes 40–66. Die Hiskija-Erzählung stellt den Übergang zwischen den beiden Buchteilen dar, da zum einen Hiskija den in Jes 7 angekündigten Immanuel partiell verwirklicht, der erst durch den Gottesknecht vollständig abgebildet wird, und zum anderen der implizite Leser, der ab Jes 40 die Rolle des Heilsboten übernimmt, in Jes 39 auf die Zeit nach der Generation Hiskijas vorausblickt.
W. A. M. Beuken analysiert Jes 17 f. redaktions- und motivkritisch. Während Damaskus und Samaria nach Jes 17 aufgrund der Verehrung falscher Götter dem Untergang geweiht sind, bekehrt sich Nubia und wird zum Vorbild der Nationen, die JHWH am Zion verehren. Auf Endtextebene ist das Motiv der Ernte bedeutsam. Die Gaben, die die Nationen zum Zion bringen, sind Erträge der Felder, die zwischen Samaria und Jerusalem liegen.
Die Bedeutung des Zion in Jes 40–55 behandeln U. Berges und P. Lugtigheid. Berges zeigt, dass die Restauration Zions als Wiedererrichtung des göttlichen Königtums beschrieben wird. Jes 51,9–16.17–23; 52,1 f.7–10.11 f. bilden dies ab: Nach dem Chaoskampf bricht die Stadtklage in eine Hoffnungsäußerung um; mit der Ankündigung der (erneuten) Hochzeit JHWHs mit Zion wird die Wiedererrichtung des göttlichen Königtums proklamiert. Lugtigheid un­tersucht die Form von Jes 44,21–46,13. Der Text ist als Ge­richtsrede zur Begründung der Wahl des Kyros verfasst. Ziel ist es, eine spätere Generation zur Rückkehr zu bewegen.
A. van der Woude betrachtet die Personifikation Zions in Jes 40–66 und zeigt, dass sie als Frau sowie als Künderin der kommenden Heilszeit in Jes 40–55 die Un­terstützung JHWHs zur eigenen, in Jes 56–66 zur Gunst ihrer Kinder erfährt.
K. D. Jenner postuliert in seiner gattungsgeschichtlichen Analyse, die Re­-daktion, die Jes 1–5; 65 f. als Rahmung einfügte, ließ das Buch zu einem religionspolitischen Manifest werden, in dem die Transformation der (religions-) politischen Gemeinde von der Königszeit bis zur nachexilischen Theokratie beschrieben wird. Zentral ist die Gestalt des Gottesknechts, der in der Krise als neue Identität dient, die viele nachahmen, um als Knecht JHWHs zu leben. Zion übernimmt die Rolle des neuen Anführers und garantiert die Reinheit Jerusalems, das zum Zentrum des theokratischen Reiches wird.
S. Borocin-Knol deutet in einer halachischen Auslegung von Jes 49,14; 50,1; 54,6–8 die Rolle Zions in der Zeit zwischen der Zerstörung und der Wiedererrichtung als Agunah (»Gebundene Ehefrau«), auch wenn der Begriff nicht verwendet wird. Zion wird als Frau dargestellt, die von ihrem Mann vorübergehend nicht beachtet wird.
Es liegt eine interessante Zusammenstellung vor, in der jedoch die wissenschaftliche Qualität der einzelnen Beiträge variiert. Ein großer Gewinn wäre ein zusammenfassender Beitrag gewesen, in dem die verbindenden Aspekte der einzelnen Untersuchungen und die jenseits der einfachen Aufnahme desselben Motivs liegende innere Zusammengehörigkeit der Beiträge hervorgehoben werden.