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Ausgabe:

Mai/2012

Spalte:

525–526

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Oegema, Gerbern S.

Titel/Untertitel:

Early Judaism and Modern Culture. Literature and Theology.

Verlag:

Grand Rapids/Cambridge: Eerdmans 2011. XVI, 236 S. 22,8 x 15,2 cm. Kart. US$ 30,00. ISBN 978-0-8028-6444-4.

Rezensent:

Matthias Morgenstern

Nach einer gediegenen und zugleich auch für Nichtfachleute gut lesbaren Einführung in die Geschichte und die grundlegenden sachlichen und methodischen Probleme der Erforschung der Literatur des antiken Judentums mit seinen apokryphen, pseudepigraphischen, deuterokanonischen und außerkanonischen Texten (5–20) schlägt Gerbern S. Oegema im vorzustellenden Band unterschiedliche thematische Schneisen in die reiche Welt des frühen Judentums vom 3. vorchristlichen bis zum Ende des 2. nachchristlichen Jh.s. Was dem Leser unter Überschriften wie »Early Judaism and the Bible« (22–37) oder »Early Judaism and Philosophy« (37–43) geboten wird, sind zuverlässige Informationen, denen O. an einigen Stellen originelle, an moderne Fragestellungen anknüpfende Gesichtspunkte abgewinnen kann, wobei zugunsten der jeweils leitenden thematischen Fragestellung auf Vollständigkeit verzichtet wird. Ausführungen, die Stichworte wie »Early Judaism and the Politics of Identity« (44–51), »Early Judaism and Gender« (80–96) – hier geht es vor allem um die Unterschiede im Frauenbild zwischen dem 1. und 2. Makkabäerbuch – und »Early Judaism and Interreligious Dialogue« (111–124) behandeln, wird vor allem zu schätzen wissen, wer in der Verlegenheit steht, die in Rede stehenden Texte einem studentischen Publikum präsentieren zu müssen.
Zu erwähnen ist, dass sich das Kapitel »Early Judaism and Rabbinic Judaism« auf die Behandlung der Frage konzentriert, warum die Apokalyptik als literarisches Genre in der Epoche des talmudischen Judentums so auffällig zurücktritt, um erst in frühislamischer Zeit wieder aufzutauchen. O. betont die Kontinuität zwischen dem antiken Frühjudentum und der rabbinischen Literatur und kommt zu der Schlussfolgerung, »that rabbinic Judaism may not have adopted the genre ›apocalypse‹ but it certainly took over quite a number of important apocalyptic patterns of thought« (149). Das Folgekapitel »Early Judaism and the Early Church« (154–172) setzt die thematische Behandlung der Apokalyptik mit Bezug auf Kirchenväterkommentare zu biblisch-apokalyptischen Texte n(Ire­näus in Adversus Haereses, Hippolyt von Rom, Eusebius von Cäsarea und Hieroymus zu Daniel, Origenes darüber hinaus auch zur synoptischen Apokalypse des Matthäusevangeliums) fort und mündet in eine sehr instruktive kleine Wirkungsgeschichte der Motive des Danielbuches im spätantiken bis mittelalterlichen Christentum (von der arabischen Danielapokalypse bis zum kop­-tischen, persischen, slavischen und syrischen Daniel etc.).
Kritisch anzumerken ist, dass der Titel des Buches »Modern Culture« etwas in die Irre führt, da die Erwägungen eigentlich durchgängig in der Antike stecken bleiben. Im Abschnitt zur Identitätspolitik etwa hätte man sich Überlegungen vorgestellt, die in die Richtung von Daniel Boyarins (dieser Autor wird im Literaturverzeichnis genannt) zeitkritisch und philosophisch inspirierter Talmudexegese und seiner kritischen Auseinandersetzung mit mo­derner jüdischer Identitätspolitik weisen. Ähnliches gilt für das Kapitel »Early Judaism and the Literary World« (52–80), wo man literarische Verarbeitungen bestimmter Texte aus der Zeit des zweiten Tempels (etwa der Makkabäerbücher oder des Judithbuches) im heutigen Israel hätte erwarten können; in der zeitgenössischen jüdischen Diskussion, gerade im zionistischen Kontext, ist die Frage der theologischen bzw. jüdisch-nationalen Bedeutung der nichtkanonischen Bücher ja sehr präsent. Auch unter der Rubrik »Early Judaism and Gender« (80–96) wären entsprechende aktuelle Reflexionen wünschenswert gewesen. Die auf das Martyrium der im 2. Makkabäerbuch (Kapitel 7) porträtierten Frauen bezogene Schlussfolgerung, es spreche nichts dagegen, diese Frauen zu »role models even for present-day people of all ages« zu erklären (177), hat beim Rezensenten jedenfalls Stirnrunzeln ausgelöst.