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Ausgabe:

Januar/1996

Spalte:

78 f

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Zippert, Thomas

Titel/Untertitel:

Bildung durch Offenbarung. Das Offenbarungsverständnis des jungen Herder als Grundmotiv seines theologisch-philosophisch-literarischen Lebenswerks.

Verlag:

Marburg: Elwert 1994. X, 339 S. gr.8o = Marburger theologische Studien, 39. Kart. DM 68,­. ISBN 3-7708-1028-7.

Rezensent:

Michael F. Möller

Spätestens seit der harschen Kritik durch Karl Barth wurde Johann Gottfried Herder von vielen Theologen der Germanistik und Literaturwissenschaft überlassen. Theologen sind nach wie vor Außenseiter unter den Herder-Interpreten. Nun hat Thomas Zippert eine tiefgehende Studie über das Offenbarungsverständnis Herders vorgelegt, die von der Theologischen Fakultät der Universität Mainz 1992 als Dissertation angenommen wurde. Z. vertritt die These, daß der Offenbarungsbegriff "der rote Faden durch das gesamte... Gebiet [der Herderschen] Begründungstheorie von der Gottes- und Schöpfungslehre über Kosmologie und Anthropologie bis hin zur Geschichtsphilosophie" sei. (297) Er begründet diese These mit dem Hinweis darauf, daß Herder seine Lebensaufgabe, die Volks- und Gesellschaftsbildung, in den Institutionen Schule und Kirche zu verwirklichen suchte. Die Offenbarungsproblematik sei in diesem Umfeld das "Hauptproblem für Theologie und Kirche" (4), das in den wesentlichen Themen der Zeit (Kosmologie, Psychologie und Geschichte) eine Schlüsselstellung einnehme. Z. expliziert diese These biographisch, indem er Herders Studienzeit, die Zeit in Riga, die Reisezeit und die Bückeburger Periode, in der es nach Z. zu einer "ersten Explikation... des Gesamtsystems" (213) kommt, untersucht. Wichtig ist hier vor allem das Problem des "Begründungszusammenhanges", das "allein aus dem Begriff von ’Offenbarung’... nicht zu klären (ist). (246) Z. führt aus, daß "die Theologie den Begründungsrahmen für die nichttheologischen Elemente abgibt und diese wiederum als deren Entfaltung, Konkretion bzw. Verifikation fungieren, die von der Theologie selbst... nicht zu leisten war." (247) Konsequenterweise analysiert Z. theologische und nichttheologische Schriften in seiner Untersuchung.

Von gelegentlichen Ausblicken in die Zeit von Weimar abgesehen, endet die Studie in Bückeburg. In einem letzten Kapitel faßt Z. die Ergebnisse seiner Untersuchung zusammen, indem er Konsequenzen des Offenbarungsbegriffes für Anthropologie und Gotteslehre aufführt. Interessant ist, daß Z. offen läßt, ob Herder "sich keiner besonderen Differenz zur theologischen Tradition bewußt ist oder daß er so starke Differenzen... verspürt, daß er sie der theologischen Öffentlichkeit noch nicht mitteilen zu können glaubt." (277) M.E. trifft gerade für die Bückeburger Zeit das erstere zu.

Der Versuch der Subsumierung des Herderschen Werkes unter ein bestimmtes Thema, in diesem Fall Offenburg, um die Einheit seines Schaffens zu postulieren, bleibt unbefriedigend, da sie nicht ohne einen gewissen Zwang in der Interpretation auskommt. Vielleicht ist es gar nicht nötig, den "eklektizistisch-dilettierenden Denker" (1) in ein Schema zu disziplinieren. Er sollte vielmehr als ein Anreger gesehen werden, dessen Ideen sich in einem weiten Spektrum widerspiegeln. Z. selbst weist darauf hin, daß für Herder "die gesamte Wirklichkeit... in den Blick genommen und für die Theologie... Weite zurückgewonnen" wird. (291). Er hat in der vorliegenden Studie einen wichtigen Aspekt des Herderschen Werkes hervorgehoben, der es zukünftigen Herderforschern leichter machen wird, diesen zuerst als einen Theologen zu sehen. Es bleibt zu hoffen, daß sich dieses auch unter Theologen herumspricht.