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Ausgabe:

April/2012

Spalte:

494–495

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

[Ebert, Udo]

Titel/Untertitel:

Rom, Recht, Religion. Symposion für Udo Ebert zum siebzigsten Geburtstag. Hrsg. v. K. Kühl u. G. Seher.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2011. XII, 653 S. m. Abb. 23,3 x 15,5 cm = Politika, 5. Kart. EUR 99,00. ISBN 978-3-16-150894-3.

Rezensent:

Helmut Goerlich

Der Band ähnelt einer Festschrift, etwa angesichts des Umstands, dass eine Liste der Veröffentlichungen des – eben durch den Band – Geehrten am Ende angefügt ist; er unterscheidet sich davon aber dadurch, dass der Jubilar selbst mitgewirkt hat, wenn auch etwas versteckt und ganz bescheiden. Sein Beitrag, der nicht von jenem Symposion stammt, handelt vergleichend von juristischen und theologischen Rechtfertigungslehren, womit er auch einen strafrechtlichen Einschlag hat. Neben wenigen, vor allem rechtshistorischen Arbeiten zum römischen Recht sind damit schon die Hauptthemen des Bandes bezeichnet. Der Sache nach erweist sich der Band dann eben doch als eine interdisziplinäre Festschrift von bundesweit verstreuten Rechtshistorikern, Theologen, Lehrern praktischer Philosophie, Strafrechtlern, Rechtsphilosophen, Kriminologen und Rechtspraktikern verschiedenster Gebiete sowie Kulturwissenschaftlern jeder Art und ihnen allen sozusagen Geistesverwandten, wie das Autorenverzeichnis am Ende ergibt.
Die Beiträge setzen nach der Laudatio auf Udo Ebert – emeritierter Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Strafrechtsgeschichte an der Universität Jena und Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig – aus der Hand von G. Jerouschek ein mit Themen zur römischen Tradition, beginnend mit R. Gröschner zum römischen Republikanismus, dann genuin historisch und sehr interessant I. Kroppenberg zu Recht und kulturellem Trauma im alten Rom – zur Sanktionierung der memoria in Republik und Prinzipat –, darauf ebenso D. V. Simon zum Einfluss des Christentums auf die Gesetzgebung Kaiser Konstantins des Großen, sodann – schon jenseits der Historie – U. Kühn zum Gesetzesbegriff des Thomas von Aquin. Danach werden Bilder des Mittelalters gezeichnet von Th. Cramer zu »Ritual und ratio – Gerichtsszenen in der deutschen Literatur um 1200 am Beispiel der Nibelungen und des Rolandsliedes« und von K. v. Rabenau zu »Recht und Gnade. Gerechtigkeitsbilder auf Bucheinbänden im 16. Jahrhundert«. Darauf folgen tiefgründig der Beitrag von H. G. Walther zum Papsttum und zu der Entwick-lung des hochmittelalterlichen Ketzerstrafrechts und von J. Zopfs zum Richterbild in der Cautio Criminalis von Friedrich Spee. Nach der Justiz fragt S. Kaufmann: »Wer bestimmt über richterliche Berufsethik?« und berichten G. Otto über Naturrechtsrechtsprechung der Nachkriegszeit sowie E. Kausch über die Analyse der Radbruchschen Formel mit der Frage, ob sich (Un-)Recht wegdefinieren lasse – wobei jene Formel sozusagen die Schwelle setzen wollte, jenseits derer auch der im Unrechtsstaat durch diesen legitimierte Täter angesichts des offensichtlichen Ausmaßes des Unrechts strafbar sein muss. Weiterhin folgen Beiträge zu Zeitgeist und Jurisprudenz von B. Jähnke sowie zu den großen Theorien des Bösen und der Rettung des Einzelnen von P. Kunzmann. Das führt zu einem keineswegs juristischen Ausflug in die Klassik, nämlich – von Interesse – zu C. M. Wieland und der leichteren Regierbarkeit eines aufgeklärten Volkes von K. Manger sowie exemplarisch zu Friedrich Schillers Republikanismus im Fiesko von J. Golz und aufschlussreich zu G. W. F. Hegels Figur des Weltgeists von O. W. Lembcke sowie endlich zu der Frage Gottfried Kellers, ob Recht Kritik sei, von H. Müller-Dietz. Daran schließen einige strafrechtliche Beiträge an: von V. Erb zu sozialethischen Einschränkungen des Notwehrrechts, aktuell von H. Schneider zu neuartigen Überwachungsgaranten in Unternehmen, von H. Jung zu Rache und Strafe, von W. Heinz zur neuen Lust am Strafen und von M. Bock zu Aspekten des Begriffs vom vollständig ermittelten Sachverhalt, unterbrochen von kriminalhistorischen Erwägungen von G. Kräupl sowie von politikwissenschaftlichen Erörterungen von M. Kodalle zum »Recht der Gnade« im Rechtsstaat. Darauf folgen vergleichende Beiträge zu Theologie und Recht – etwa von A. Kreuzer zu Religion, Verbrechen und Strafe, von F. Neubacher zu »Islamischem Terrorismus«, von E. Blumenthal zur »Rechtfertigung bei den alten Ägyptern«, dann der eingangs genannte Beitrag von Udo Ebert und darauf von K.-W. Niebuhr zur Gerechtigkeit in der Bibel, sodann von M. Haußner zu Luther und dem protestantischen Arbeitsethos und am Ende von R. Lux zu Alter und Weisheit in den biblischen Weisheitsschriften, dazwischen stehen noch die Beiträge von M. Hennen mit dem Thema der Bildung als »Idee der Universität« und von N. Knoepffler mit der Frage »Wie entsteht Leben?«.
Diese knappe Auflistung verdeutlicht, dass der Band Beiträge enthält, die ganz aus der Forschung ihrer Autoren stammen, neben solchen, die zugleich den Interessen des Geehrten entgegenzukommen suchen, und wieder anderen zu tagesaktuellen Themen des Fachs des jeweiligen Autors, die ihrerseits auch Brückenschläge hin zu dem Fach des Jubilars in seiner Differenziertheit unternehmen. Die Beiträge sind von unterschiedlicher Qualität. Es zeichnet den Band aber aus, dass er genau die kulturelle Weite der Rechtswissenschaft spiegelt, wie sie die älteren Kollegen vielfach noch repräsentieren. Damit wird die heute zunehmende Verengung – oft auf ein nur noch wirtschaftsorientiertes Fach der Rechtsanwendungstechnik – zugleich infrage gestellt. Insofern ist diese »Festschrift« ein Signal aus einer anderen Zeit und steht gewiss für eine Arbeits- und Denkweise, deren Stunde keineswegs geschlagen hat.