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Ausgabe:

April/2012

Spalte:

449–451

Kategorie:

Kirchengeschichte: 20. Jahrhundert, Zeitgeschichte

Autor/Hrsg.:

Winter, Friedrich

Titel/Untertitel:

Friedrich Schauer (1891–1958). Seelsorger – Bekenner – Christ im Widerstand.

Verlag:

Berlin: Wichern-Verlag 2011. 218 S. m. Abb. 21,0 x 14,0 cm. Kart. EUR 19,80. ISBN 978-3-88981-326-8.

Rezensent:

Gert Haendler

Der 1891 geborene Friedrich Schauer wurde im August 1914 kurz nach dem 1. theologischen Examen Soldat. Ein Kopfschuss raubte ihm 1915 ein Auge, seitdem trug er eine Augenklappe. Er wurde zum Dr. phil. promoviert, heiratete und war 1921–1928 Dorfpfarrer in Ostpreußen. 1929 wurde er in das neue Amt eines Provinzial-Jugendpfarrers in Pommern berufen, ein Bericht 1933 zeigt die Erfolge seiner Arbeit. In der Michaelsbruderschaft fand er »tragenden und geistlichen Halt« (36).
Hitlers Machtergreifung widersprach Schauer von Anfang an. Ende 1933 wurde er als Landesjugendpfarrer abgesetzt, die organisierten kirchlichen Jugendgruppen wurden 1934 dem Reichsjugendführer unterstellt. Schauer wurde Pfarrer im Dorf Pütte bei Stralsund. Der Reichsbischof wollte ihn nach Hinterpommern versetzen, aber Schauer blieb. Stralsunds Oberbürgermeister als Patron und Kurt Deißner von der Theologischen Fakultät Greifswald traten für ihn ein. Auf allen Synoden der Bekennenden Kirche (BK) war Schauer dabei, auch den Dahlemer Beschlüssen 1934 stimmte er zu. Seit 1935 sah er einen Alleinvertretungsanspruch der BK und stritt u. a. mit Bonhoeffer. Nach abfälligen Äußerungen in der BK über die Michaelsbruderschaft trat Schauer aus der BK aus. Er bedauerte das, weil »der Kampf der ganzen Christenheit auf Er­den gegen das hereinbrechende Heidentum immer ernster wird«. Die BK sollte eine »offene, tragende Gemeinschaft für weite Kreise sein« (61). Schauer setzte sich verstärkt in der Michaelsbruderschaft ein. Im Sommer 1937 wurde er – wohl durch Vermittlung des Greifswalder Superintendenten von Scheven – Leiter des Predigerseminars in Soest. Er fühlte sich der BK verbunden »trotz der schmerzvollen Erfahrungen in Pommern«, aber das »drang wenig nach außen« (73).
Nach Kriegsausbruch 1939 wurde Schauer erneut Soldat. Für das Problem »Christ und Soldat« fand er keine Formel, nur »praktisch von Fall zu Fall« will er Gerechtigkeit verwirklichen (90). 1940 holte ihn Theodor Steltzer, nach 1945 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, als Adjutanten nach Norwegen, wo er das Transportwesen leitete. Schauer hatte auch in Schweden zu tun, um deutschen Soldaten die Durchfahrt durch das Land zu ermöglichen. Schauer wurde Hauptmann, wirkte aber auch als »verkappter« Seelsorger (99). Durch Kontakte zu norwegischen Verwandten seiner Frau kam er dem norwegischen Widerstand nahe. Bei Hans Ording (Theologische Fakultät Oslo) gab es bei einem Gespräch mit dem Osloer Bischof Eivind Berggrav »eine wunderbare tiefe Übereinstimmung« (114). Schauer sieht Anfänge »für eine ganz neue, aus ewiger Kraft entstehende Gemeinschaft durch die kämpfenden Völker hindurch« (115). Im April 1942 ist Bonhoeffer bei Steltzer gewesen, vermutlich war Schauer dabei.
Nach der Erklärung »Vom Grund der Kirche« wurde Berggrav verhaftet und sollte zunächst hingerichtet werden. Nach dem 20.07.1944 wurden Steltzer und der deutsche Widerstandskreis in Oslo enttarnt. Am 25.01.1945 wurde Schauer aus der Wehrmacht entlassen, kehrte jedoch nicht nach Deutschland heim. Er floh nach Schweden, wo er u. a. bei Erzbischof Eidem, Bischof Björkvist sowie Harry Johannsson, dem Leiter des Ökumene-Instituts Sigtuna, Hilfe fand. Erst Ende 1946 kam er nach vielen Hindernissen nach Soest zurück, wo noch ein »Friedrich-Schauer-Weg« an ihn erinnert (133). Die westfälische Kirche hatte offenbar keine Verwendung für diesen Spätheimkehrer mit dem ungewöhnlichen Lebensweg.
Auf Anfrage der badischen Landeskirche übernahm Schauer 1947 den Aufbau einer Evangelischen Akademie in Bad Herrenalb. Dabei wurde er von Landesbischof Bender unterstützt. Schauer bot Tagungen für einzelne Berufe: Ärzte, Wirtschaftler, Lehrer, Juris­ten, Mitarbeiter im Hilfswerk und Jugendwerk, berufstätige Frauen, Hausfrauen, Sozialbeamtinnen, Bauern usw. Er sah u. a. die Aufgabe, »verstörte Laien, die unter ihrer Kirche litten, mit Hilfe einer offenen Gesprächskultur wieder mit Freude an der Kirche zu versehen« (148). Bischof Bender vertrat mehr eine »autoritär geprägte Art des Umgangs« (149). Aus verschiedenen Gründen wurde Schauer 1950 als Akademieleiter entlassen. Im Pfarramt Mühlbach bei Eppingen fand er eine gewisse Ruhe. Nach einem Schlaganfall 1953 schloss er im Ruhestand in Hermannsburg noch mehrere Arbeiten ab, er starb am 14.01.1958. Dokumente (166–203) berichten u. a. über seine Verwundung 1915, den Protest gegen den Arierparagraphen 1933, den Austritt aus dem Bruderrat der BK in Pommern 1936 sowie seine Jahre in Norwegen 1940–46. Fotos sind aufschlussreich.
Dem Autor Friedrich Winter sei einmal mehr herzlich gedankt für seinen Einsatz, mit dem er in seinem Ruhestand an Theologen der Generation vor uns erinnert. Nach seinen Büchern über Propst Ringhandt (ThLZ 133 [2008], 842–844) und Bischof von Scheven (ThLZ 135 [2010], 712–714) hat er wieder interessante Quellen gefunden, mit historischer Sachkenntnis aufgearbeitet und mit innerer Anteilnahme dargestellt, in die er den Leser einbezieht.