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Ausgabe:

März/2012

Spalte:

370–372

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Haack, Astrid

Titel/Untertitel:

Computerspiele als Teil der Jugendkultur. Herausforderungen für den Religionsunterricht.

Verlag:

Erlangen: Christliche Publizistik 2010. 543 S. m. Abb. u. Tab. 18,5 x 12,0 cm = Studien zur Christlichen Publizistik, 18. Kart. EUR 28,00. ISBN 978-3-933-992-19-2.

Rezensent:

Stefanie Pfister

Aus religionspädagogischer Perspektive bedarf die in den letzten Jahren rasante Veränderung im Bereich der Informationstechnologie und der Mediennutzung einer empirisch validen Analyse. Die Dissertation von Astrid Haack (Erstgutachter R. Rosenstock, Greifswald) stellt sich dieser Aufgabe und bietet einen differenzierten Blick auf die Computer- und Computerspielnutzung Jugendlicher in Mecklenburg-Vorpommern sowie Anknüpfungsmöglichkeiten mit dem Religionsunterricht.
H. legt die Ergebnisse ihrer 2006–2007 durchgeführten empirischen Querschnittsuntersuchung vor, die in Form von (teil)standardisierten Fragebögen unter 12- bis 16-jährigen Schülerinnen und Schülern einer Regionalschule, zweier Gymnasien und einer Integrierten Gesamtschule in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt wurde (N = 705). Ziele der Studie sind zum einen, »den Umgang Jugendlicher mit Computerspielen und ihre Einstellung zu diesen zu erfassen«, und zum andern darzustellen, »ob und inwiefern Jugendliche die Marktstrategien der Computerhersteller durchschauen und sich bewusst sind, dass Spiele Werte transportieren und religiöse Elemente enthalten« (147). Da bisher keine speziellen Daten zur Mediennutzung Jugendlicher im ostdeutschen, ländlichen Raum vorliegen, firmiert H.s Untersuchung im Status einer Pilotstudie.
Im ersten Teil werden der theoretische Kontext der Untersuchung, d. h. Begriffsklärungen, medienanthropologische Aspekte und entwicklungspsychologische Beschreibungen der Zielgruppe dargestellt. Anschließend wird die Mediennutzung Jugendlicher, der Grundgedanke des Spiels und speziell der Reiz und die Wirkung des Computerspiels beschrieben. Akribisch referierend, zugleich jedoch eher deskriptiv, wird so der zweite Teil der Studie vorbereitet und religionspädagogisch der Aspekt der Symboldidaktik entfaltet.
Der zweite Teil bietet das Untersuchungsdesign der Studie (Gestaltung des Fragebogens, Auswahl und Beschreibung der Stichprobe, Datenerhebung, statistische Datenanalyse) und stellt die Ergebnisse dem Aufbau des Fragebogens folgend dar: »Allgemeine Angaben/technische Ausstattung und Möglichkeiten« (fünf Fragen), »privater Umgang mit Computerspielen (21 Fragen) sowie »Schule, neue Medien und Computerspiele« (sechs Fragen), ohne Genese und Hypothesen der Fragebogenkonzeption zu skizzieren. Insgesamt fällt auf, dass lediglich zwei der 32 Fragen tatsächlich auf religionspädagogische Sachverhalte rekurrieren: die Frage 19 des zweiten Teils »Kennst du Computerspiele, die Bezüge zu Religionen haben (in denen z. B. Priester, Engel oder Schamanen auftreten)?« (504) und die Frage 6 des dritten Teils »Hast du eine Idee, wie man in Fächern wie Religion oder Philosophie Computerspiele mit in den Unterricht einbinden könnte?« (506). Eine religionspädagogisch akzentuierte Auswertung bleibt von daher knapp, die Vorschläge für den Philosophie- (45,5 %) und Religionsunterricht (36,4 %) der Schülerinnen und Schüler zum Einsatz von PC-Spielen jedoch lesen sich anregend: »Denkspiele, LAN-Partys zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls, Spielszenen in den Unterricht einbauen, … selbst Spiele/Materialien erarbeiten« (351). Ebenso aufschlussreich sind die von den Jugendlichen genannten Computerspiele, denen religiöse Bezüge zugeordnet werden wie »Age of Empires« (20,6 %), »Warcraft/World of Warcraft« (jeweils 5,6 %) und »Gothic« (9,4 %). Hier bieten sich konkrete Umsetzungsmöglichkeiten für den Religionsunterricht an, zum Beispiel für das gemeinschaftliche Spielen und Analysieren von Computerspielen. Dies ist besonders interessant, da in der Studie von H. – in Übereinstimmung mit der Shell Jugendstudie 2006 – der Wert der Freundschaft als wichtigster angegeben wurde, tatsächlich aber zwischen 60 und 70 % aller Befragten angeben, sonst allein am Computer zu spielen. Nur weniger als 10 % spielen überwiegend mit Freunden (vgl. 220).
Bei der Zuschreibung eines Wertetransports zu bestimmten Spielen (Frage 21 des zweiten Teils: »Kennst du selbst Spiele, in denen solche oder ähnliche Werte eine Rolle spielen?«) geben nur fünf Befragte ein konkretes Spiel mit Wertebezug an. Dieses Ergebnis ist aufgrund der offen gestellten Frage und des für die Schüler und Schülerinnen vermutlich unscharfen Wertebegriffes nicht überraschend. Es liefert wenige Hinweise auf das von H. angestrebte Ziel zu erkennen, ob Jugendliche Marktstrategien der PC-Spielhersteller durchschauen bzw. ob ihnen religiöse Elemente oder Werte von Spielen bewusst sind.
Im dritten Teil nimmt H. »unabhängig von den Ergebnissen der Studie« (366) drei exemplarische Spielanalysen unter den Kriterien »religiöse/christliche Elemente« des Spiels; dort angebotene »Grundbedürfnisse, Sehnsüchte und Werte Jugendlicher« und »An­knüpfungspunkte für den Religionsunterricht« (367) vor, »anhand derer es möglich ist, weitere Spiele auf ihre Verknüpfungsmöglichkeiten mit dem Religionsunterricht hin zu untersuchen« (363). Nach jeder Spielanalyse skizziert sie jeweils einen konkreten Unterrichts- oder Projektvorschlag.
Die Studie zeichnet sich insgesamt durch einen ausgezeichneten Überblick zu gegenwärtigen Computer- und Computerspielnutzung von Schülerinnen und Schülern in Mecklenburg-Vorpommern aus und evoziert neue – zukünftig zu untersuchende – Fragestellungen und Forschungsperspektiven. Wünschenswert wären jedoch weitere konkrete Fragen und sich daraus ergebende praktische Konsequenzen zur Verknüpfung von PC-Spielen mit dem Religionsunterricht gewesen. Aufschlussreich sind die dezidierten Auswertungen zwischen den drei Schulformen und zwischen den Geschlechtern, überzeugend die ausführliche Darstellung der Einzelergebnisse insbesondere im Hinblick auf die Mediennutzung. Besonders studienfreundlich – und zum Nachschlagen geeignet – sind die ausführlichen informativen Beschreibungen im ersten Teil.