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Ausgabe:

März/2012

Spalte:

289–290

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ucar, Bülent, Blasberg-Kuhnke, Martina, u. Arnulf von Scheliha[Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Religionen in der Schule und die Bedeutung des Islamischen Religionsunterrichts.

Verlag:

Göttingen: V & R unipress (Universitätsverlag Osnabrück) 2010. 330 S. m. 3 Abb. 24,0 x 15,8 cm = Veröffentlichungen des Zentrums für Interkulturelle Islamstudien der Universität Osnabrück, 1. Geb. EUR 46,90. ISBN 978-3-89971-611-5.

Rezensent:

Ch. G.

Der Band, der zugleich eine neue Reihe eröffnet, dokumentiert Beiträge zu dem gleichnamigen Symposium, das im Januar 2009 im Zusammenhang mit der Einrichtung des neuen Lehrstuhls für Islamische Religionspädagogik an der Universität Osnabrück veranstaltet wurde.
Nach Grußworten durch den Landesrabbiner, Vertreter der beiden großen christlichen Kirchen, der Schura Niedersachsen sowie der DITIB Niedersachsen folgt das programmatische Einführungsreferat des Inhabers der neu begründeten Professur, Bülent Ucar. Eher politisch, zum Teil mit aggressivem Unterton, als wissenschaftlich fordert er unmissverständlich die – allerdings politisch schon seit Langem unbestrittene – Einführung eines Islamischen Religionsunterrichts nach Art. 7,3 des Grundgesetzes. Das rechtliche Problem, das sich hinter dem Begriff »Religionsgemeinschaft« verbirgt, »zählt« (40) nach Ucars Auffassung nicht. Fragen der konkreten Unterrichtsorganisation, etwa hinsichtlich unterschiedlicher Formen des Islam, werden nicht behandelt. Auf jeden Fall verblüfft die Kritik an »Konvertiten« (46) und der Hinweis auf die hohe Zahl von Türken in Deutschland. Zumindest religionsrechtlich haben weder die Konversion noch die nationale Zugehörigkeit irgendeine Bedeutung für den angestrebten Religionsunterricht nach Artikel 7,3. Umgekehrt ist Ucars Kritik an einer staatlichen Funktionalisierung des Religionsunterrichts zu einem »Integrationsunterricht« zweifellos berechtigt.
Die meisten der folgenden Beiträge führen differenziert in die besonderen Problemlagen eines konfessionellen Religionsunterrichts und speziell eines Islamischen Religionsunterrichts ein. Dabei griffen die Veranstalter des Symposions auf vielfach in der Thematik bewährte Kräfte zurück, etwa zur Rechtsfrage Janbernd Oebbecke, für die evangelische Religionspädagogik Friedrich Schweit­zer, für die katholische Religionspädagogik Clauß Peter Sajak usw. Auch erhielten Positionen Raum, die einen konfessionellen Religionsunterricht ablehnen oder auf religiöse Praxis nur kritisch distanziert Bezug nehmen wollen.
Über diese bekannten Positionen hinaus führt der Band in mehrfacher Weise weiter: Er präsentiert je einen Beitrag zu den Erwartungen muslimischer Eltern und Schüler an einen Islamischen Religionsunterricht. Auch wird ein konkretes Unterrichtsprojekt vorgestellt. Dazu treten instruktive Berichte zum Islamischen Religionsunterricht in anderen Ländern Europas sowie der Türkei.
So dokumentiert der Band eine komplexe Ausgangslage für die neue Arbeit in Osnabrück. Die insgesamt 29 Beiträger und Beiträgerinnen, in der Mehrheit christlicher Herkunft, zeigen eine breite Unterstützung für das Anliegen, einen Islamischen Religionsunterricht in Deutschland zu etablieren. Zugleich sind aber bestimmte Problembereiche unübersehbar: neben der Frage der für den Unterricht dem Staat gegenüber verantwortlichen Religionsgemeinschaft das Problem einer Verhältnisbestimmung der nationalen und religiösen Dimension und – besonders beim Beitrag des Vertreters von Eltern – die Frage nach der Schüler- bzw. Inhaltsorientierung.