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Ausgabe:

März/2012

Spalte:

282–283

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hafner, Johann Ev., u. Patrick Diemling [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Die Kommunikation Satans. Einflüsterungen, Gespräche, Briefe des Bösen.

Verlag:

Frankfurt a. M.: Lembeck 2010. 304 S. m. Abb. 23,0 x 15,0 cm. Kart. EUR 24,00. ISBN 978-3-87476-614-2.

Rezensent:

Werner Thiede

Paulus bezeichnet den Teufel als den »Gott dieser Welt« (2Kor 4,4). Doch nicht eigentlich um die Machtgestalt des Diabolos, sondern um den wortreichen Verführer geht es in dem hier anzuzeigenden Sammelband. Die beiden Herausgeber von der Universität Potsdam haben für einen facettenreichen Durchgang zum Thema gesorgt, der von exegetischen Studien über religionsgeschichtliche Verzweigungen bis hin zu motivgeschichtlichen Untersuchungen und zeitgenössischen Analysen reicht.
Die Qualität der Beiträge ist unterschiedlich. Tiefsinnige Reflexionen kommen neben banalen und sogar sachlich falschen Aussagen vor, und Reichhaltigkeit paart oder mischt sich mit Defizienz auf einem allerdings schwierigen Feld. Im Vorwort bereits heißt es lapidar: »Die Menschen haben früher den Teufel als Gegenspieler Gottes gefürchtet, aber heute wissen sie erstens, dass der Teufel in Bibel und Koran kein Widergott, sondern ein gefallener Engel ist, und zweitens, dass der Mensch durch allerlei Umweltfaktoren dazu gebracht wird, böse zu sein.« In dieser undifferenzierten Form lässt sich eine solche Aussage nicht halten: »Die« Menschen haben – wie ja die einzelnen Beiträge dann deutlich genug zeigen – zu unterschiedlichen Zeiten und auch heute keineswegs einhelliges »Wissen« hinsichtlich des Satans.
Die Aktualität des Themas beleuchtet besonders der Schlussteil. Zunächst stellt Dagmar Fügmann Konzeptionen des Diabolos im satanistischen Kontext dar (241–251). Allenfalls »sehr marginal« sei in zeitgenössischen Gruppen von einer Kommunikation mit Satan die Rede; der Teufel erscheine nicht als »der Böse« (241). Richtig hieran ist die Beobachtung, dass Satanismus in der Moderne vielfach philosophisch-spiritualistische Züge trägt; das wird exemplarisch untermauert. Ein neuzeitlich keineswegs horreszierender, erstaunlich säkularer, besonders auch von Nietzsche inspirierter Autonomiegedanke präsentiert und feiert sich einfach ungeniert. Gleichwohl verkürzt diese Wahrnehmung, sofern sie pauschalisiert wird, die Vielfalt der Szene, zu der beispielsweise ein oft wenig reflektierter Jugendsatanismus und doch auch so manche Freude am Bösen, Destruktiven, ja Verbrecherischen im Aufblick zum Teufel gehören. Merkwürdigerweise wird die einschlägige Black Metal-Kultur nicht einmal erwähnt.
Wirklich instruktiv fällt der Beitrag von Reinhard Hempelmann aus: Er informiert kundig über den Teufelsglauben im Kontext pfingstlerischer Spiritualität (252–271). Welche Bedeutung hier Exorzismen, Dämonen- und Teufelsglaube bei vielen Menschen – es handelt sich immerhin um die am schnellsten wachsende Bewegung der Religionsgeschichte – nach wie vor haben, wird von dem Berliner Weltanschauungsexperten eindrucksvoll deutlich ge­macht.
Umso befremdlicher wirkt der Schluss-Beitrag von Mitherausgeber Patrick Diemling, der mit nicht zu verkennender Sympathie die zwischen 1884 und 1950 in kleinen Versammlungen erfolgten Offenbarungen durch das »Buch des Wahren Lebens« aus Mexiko thematisiert, um relativ spät auch zu der Frage zu kommen, die im Fokus dieses Sammelbandes steht: »Wie beeinflussen die negativen Wesenheiten den Menschen, wie machen sie sich bemerkbar?« (272–298; Zitat 290). Es handelt sich bei den Bände füllenden Kundgaben, die angeblich meist vom himmlischen Jesus Christus stammen sollen, um zeitgenössisch typische, freilich vom katholisch-mexikanischen Kontext geprägte Spiritualismen. Der junge Religionswissenschaftler erblickt in ihren Aussagen Hilfreiches zu Fragen des Paranormalen und Jenseitigen im Gegenüber zu dem, was von katholischer und evangelischer Theologie geboten werde. In diesem Zusammenhang reduziert er die Aussagen protestantischer Eschatologie auf Luthers Seelenschlaf-Modell und moderne Ganztod-Theologien. Und im Blick auf katholische Theologie behauptet er ebenso irrtümlich, dass ihr zufolge von Maria und den Heiligen abgesehen keine Seelen verstorbener Menschen auf Erden wirksam sein könnten. Dieses »Buch des Wahren Lebens« stelle zudem die »Diagnosehoheit und den Alleinerlösungsanspruch der Psychologie« infrage. Aber erfolgt nicht solche Infragestellung durch ungefähr die gesamte Esoterik?
Weitere Beiträge sind beispielsweise dem Denken über den Teufel im Islam (Peter Heine), in der chassidischen Erzähltradition (Susanne Talabardon), in der Kabbala (Karl Erich Grözinger), bei Dante (Catherina Wenzel) und bei William Blake (Daniel Vorpahl) gewidmet. »Paradoxe Bestimmungen des Teufels in der katholischen Dogmatik« stellt Thomas Ruster fest (135–153). Solche und weitere Fragestellungen erschöpfen natürlich nicht, was zum Thema des Bandes zu sagen sein könnte. Denn dass unsere Welt voller Einflüsterungen des Bösen ist, das wissen »die Menschen« heute in der Tat ebenso wie in frühen Zeiten.