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Ausgabe:

Februar/2012

Spalte:

243–244

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Tomeková, Mária

Titel/Untertitel:

Vatersein als Berufung. Eine qualitative Untersuchung vom Vatersein in der Familie aus der Perspektive der christlichen Berufung.

Verlag:

Würzburg: Echter 2010. 226 S. m. Tab. 23,3 x 15,3 cm = Studien zur Theologie und Praxis der Caritas und Sozialen Pastoral, 26. Kart. EUR 30,00. ISBN 978-3-429-03271-5.

Rezensent:

Michael Domsgen

Mária Tomeková widmet sich in ihrer Dissertation gleich mehreren Desideraten. Sie untersucht mit dem Vatersein ein vor allem in theologischer Perspektive weitgehend vernachlässigtes Feld, bietet mit dem Berufungsbegriff einen dafür innovativen Ansatz und will Impulse zur Profilierung einer kirchlichen Väterarbeit geben. Das sind drei wichtige Perspektiven. Schon deshalb verdient diese Ar­beit Aufmerksamkeit.
Ausgangspunkt der Ausführungen bildet das Apostolische Schreiben Familiaris Consortio (besonders FC 25). T. möchte nun untersuchen, ob dies »im Leben der Menschen einen Sitz hat« (20), und bearbeitet ihr Vorhaben in drei Teilen (leider mit vielen Verschreibungen und stilistischen Fehlern). Zuerst versucht sie eine theoretische Einordnung (24–114). Hier beleuchtet sie Vaterschaft aus verschiedenen humanwissenschaftlichen Blickwinkeln (wobei nicht immer ersichtlich ist, nach welchen Kriterien dies geschieht), thematisiert das »Vatersein im Lichte des christlichen Glaubens« (51) (de facto im Lichte der katholischen Theologie und Kirche) und widmet sich der Berufung aus christlicher Perspektive. Neben biblisch-theologischen Befunden werden dafür Aspekte referiert, die beim II. Vaticanum thematisiert wurden. Inhaltlich konkretisiert wird die Berufungsperspektive durch den Bezug auf den beziehungstheologischen Ansatz Heinrich Pompeys, T.s Doktorvater, nach dem sich Berufung »durch die praktische Beziehung des Menschen zu Gott, zu sich selbst, zu Mitmenschen und zur Umwelt« (113) verwirklicht.
Auf dieser Grundlage wendet sich T. im empirischen Teil (115–202) der »Erfassung und Deutung sozialer Tatbestände« (115) zu, wobei sie eine dreifache Einschränkung vornimmt. Erstens interviewt T. nur Männer, »die verheiratet sind und in einer intakten Familie leben«, zweitens solche, »die keine Adoptivkinder, sondern nur eigene Kinder haben«, und drittens »die von der Ausbildung her entweder Theologen oder Religionspädagogen sind« (143). Lässt sich die erste Fokussierung aus der bereits skizzierten theologischen Verortung erklären, ist das bei den beiden weiteren Kriterien schwieriger. Hinter dem zweiten Kriterium steht kein theologisches Argument. T. erklärt es damit, dass »im europäischen Lebensraum« der Vater »in diesem Sinn seinen primären Ort in einer Familie habe« (18). Warum hier – anders als beim ersten Kriterium – lebensweltlich argumentiert wird, erschließt sich nicht. Das dritte Kriterium lässt sich weder theologisch noch lebensweltlich erklären. Schließlich hatte T. sich zum Ziel gesetzt, »den durch den persönlichen Glauben vermittelten Sinn des eigenen Vaterseins zu reflektieren« (21). Warum nur Theologen oder Religionspädagogen dazu in der Lage sein sollen, ist – gerade auch auf dem Hintergrund der von T. benannten Befunde zur Berufung (vgl. 84 ff.) – nicht nachvollziehbar und wird leider auch nicht näher ausgeführt.
Die empirische Untersuchung umfasst drei problemzentrierte Interviews, die mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet werden. Dass – wie T. in ihrer Zusammenfassung ausführt – die »Frage nach der Berufung im Vatersein von den befragten Männern positiv beantwortetet wird« (192), überrascht nicht. Interessant ist jedoch, dass dann, wenn »die Vorstellung von Gott nicht dem eigenen Vaterbild entspricht«, der Betreffende »sein Vatersein nicht als geistliches Geschehen« (197) erlebt. Auffällig ist zudem, dass ein solches Interpretament wie das der Berufung nicht per se zu einer neuen Art von Vatersein führt. Vielmehr erleben auch die drei hier befragten Männer ihr Vatersein als Belastung und teilweise auch als Überforderung. Trotz allem fühlen sie sich aber durch ihre Kinder »als Väter bereichert« (194). Die Gottesbeziehung der Interviewten »ereignet sich durch das Vertrauen, von Gott begleitet und im Vatersein nicht alleine gelassen zu werden« (197). In dieser Weise hat es Auswirkungen auf ihr Mann- und Vatersein. Auch wenn T.s Deutung (»Je lebendiger die Gottesbeziehung ist, desto lebendiger ist die Beziehung des Vaters zu den Kindern.« [198]) einseitig und normativ ausfällt, liegt hier ein Punkt, den eingehender zu untersuchen sich lohnen würde. Wenn sich einer der interviewten Väter einen »auf spiritueller Basis erstellten ›Erziehungsleitfaden‹« wünscht und alle Befragten »die psychologische Reflexion und eine entsprechende Verarbeitung der eigenen Familienbiographie im Zusammenhang mit dem Vaterbild Gottes« als »fruchtbar« (199) erachten, wird damit die Richtung gewiesen: Es geht um die vertiefte Wahrnehmung der Vaterrolle im Licht der Gottesbeziehung.
T.s Verdienst besteht darin, dies ins Blickfeld gerückt zu haben. Eine Weiterarbeit an der Thematik – dann, wie T. im Schlussteil (203–206) selbst schon andeutet, in größerer Breite und Offenheit – ist dringend geboten.