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Ausgabe:

Februar/2012

Spalte:

215–217

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Dion von Prusa

Titel/Untertitel:

Der Philosoph und sein Bild. Hrsg. v. H.-G. Nesselrath, eingeleitet, ediert, übersetzt u. m. interpretierenden Essays versehen v. E. Amato, S. Fornaro, B. E. Borg, R. Burri, J. Hahn, I. Ramelli u. J. Schamp.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2009. XI, 317 S. m. Abb. 22,0 x 13,8 cm = Scripta Antiquitatis Posterioris ad Ethicam Religionemque pertinentia, 13. Kart. EUR 29,00. ISBN 978-3-16-149440-6.

Rezensent:

Matthias Haake

Mit dem anzuzeigenden, von Heinz-Günther Nesselrath herausgegebenen Band liegt in der Reihe SAPERE bereits das dritte Werk vor, das Reden aus dem Corpus des kaiserzeitlichen Sophisten und Philosophen Dion Chrysostomos (d. i. Goldmund) gewidmet ist (ca. 40 n. Chr. bis nach 112 n. Chr.), der aus dem kleinasiatischen Prusa stammte. Waren die Olympische Rede (or. 12; SAPERE II) und die Borysthenes-Rede (or. 36; SAPERE VI), da es sich bei ihnen um zwei lange Texte handelt, jeweils Gegenstand eines einzelnen Bandes, so sind im vorliegenden Band fünf kurze Reden, Sokrates (or. 54), Homer und Sokrates (or. 55), Von der Philosophie (or. 70), Vom Philosophen (or. 71) und Von der äußeren Erscheinung (or. 72), versammelt. Gemeinsam ist ihnen das Thema, das der Titel des Bandes treffend bezeichnet: »Der Philosoph und sein Bild«.
Der Band ist inhaltlich in drei große Blöcke gegliedert und stellt– den überaus gewinnbringenden und produktiven Prinzipien der Reihe SAPERE gemäß – ein Werk dar, an dem zu verschiedenen Schwerpunkten jeweils ausgewiesene, international renommierte Kenner der Materie beigetragen haben; auch wenn die Autorinnen und Autoren nicht in jeder Hinsicht immer einer Meinung sind, so stellt das vorgelegte Ergebnis doch ein echtes Gemeinschaftswerk dar. Aufgrund des inhaltsreichen Werkes sowie des im vorliegenden Zusammenhang zur Verfügung stehenden Raumes ist eine detaillierte Auseinandersetzung mit allen Aspekten des Bandes leider nicht zu leisten.
Der erste große inhaltliche Block des Bandes ist eine »Einführung in Dions Reden 54, 55, 70, 71 und 72« (3–69) und besteht aus Beiträgen von Eugenio Amato und Sotera Fornaro. Nach einer kurzen, aber prägnanten Einführung zu Dion als Philosophen und dem ›Philosophen‹ in Dions Reden folgt eine Einführung zu Inhalt, Aufbau und Datierungsansätzen der fünf behandelten Re­den (4–20). Nach diesem von S. Fornaro verantworteten Teil folgen drei Kapitel aus der Feder E. Amatos, die der Frage nach der literarischen Gattung und den Intentionen der Reden (21–40), der Problematik ihrer Datierung (41–51) sowie ihres Vortragskontexts und dem griechischen Text sowie seinen Editionen gewidmet sind (52–69).
Der zweite große Block des Bandes besteht aus einer zweisprachigen Ausgabe der fünf Reden (72–109) sowie umfangreichen Anmerkungen (110–159). Für den Text, bei dem es sich um »keine ›wirkliche‹ … kritische Neuausgabe« (68) der fünf Reden handelt und der sich um eine »möglichst weitgehende Bewahrung des handschriftlich Überlieferten« bemüht (69), zeichnet E. Amato verantwortlich, der für seine Edition die älteren Ausgaben der Reden sowie Beiträge zu diesen kritisch geprüft hat. Die klare, gut lesbare Übersetzung ins Deutsche hat Renate Burri besorgt. Die eingehenden Anmerkungen, die sowohl textkritischen wie vor allem sachlichen Fragen gewidmet sind, haben S. Fornaro, E. Amato sowie H.-G. Nesselrath besorgt.
Fünf Aufsätze bilden den dritten großen Block des vorliegenden Bandes. S. Fornaro befasst sich in seinem Beitrag mit dem Thema »Wahre und falsche Philosophen in Dions Werk und Zeit« (163–182); Ilaria Ramelli setzt sich in ihrem Aufsatz mit »Philosophen und Prediger[n]: Dion und Paulus – pagane und christliche weise Männer« (183–210) auseinander. Barbara E. Borg behandelt in ihrem Ar­tikel »Das Bild des Philosophen und die römischen Eliten« (211–240) archäologische Zeugnisse, während Johannes Hahn in seinem Beitrag »Das Auftreten und Wirken von Philosophen im gesellschaftlichen und politischen Leben des Prinzipats« (241–258) vorrangig auf literarische Zeugnisse rekurriert, jedoch auch epigraphische und rechtliche Quellen berücksichtigt. Der Rezeption Dions ist der Aufsatz »Rhetor, Philosoph und ›Stinkmund‹: Dions Bild in der eigenen und in späterer Zeit bis zum Ende von Byzanz« (259–282) von Jacques Schamp gewidmet.
Beschlossen wird der Band durch ein Literaturverzeichnis (285–299) sowie – von Balbina Bäbler erstellt – einem Stellenregister (299–308) und einem kombinierten Verzeichnis der Namen und Begriffe (309–317).
Mit »Dion von Prusa. Der Philosoph und sein Bild« liegt nicht nur ein wichtiger Beitrag zur facettenreichen Person Dions und zum Verständnis seines Werkes, sondern zugleich auch zur Philosophie-, Kultur- und Mentalitätsgeschichte der römischen Kaiserzeit vor, dem eine weite Rezeption sowohl innerhalb der altertumswissenschaftlichen Fächer als auch seitens eines breiteren Publikums zu wünschen ist. Durchaus als gewinnbringend ist zu erachten, dass verschiedentlich auftretende divergierende Auffassungen der einzelnen Autoren insbesondere im Einleitungsteil und im Rahmen der Kommentierung nicht homogenisiert wurden (VII), sondern den Leser durch die unmittelbare Einbeziehung in die kontroversen Standpunkte nicht nur – wie das gesamte Werk – zum Nach- und Weiterdenken anregen, sondern zur Positionierung ›zwingen‹. Neben dem unzweifelhaften Verdienst, fünf der ›kleineren‹, damit aber aus wissenschaftlicher Perspektive keineswegs weniger bedeutenden Reden Dions in das Zentrum einer Publikation gestellt zu haben, ist die reiche Kommentierung und damit einhergehende inhaltliche Erschließung der Texte hervorzuheben. Durch die fünf Aufsätze des dritten Blockes des vorliegenden Bandes wird nicht nur die Person und das Wirken Dions ebenso wie dessen Rezeption beleuchtet, sondern auch der kulturhistorische Kontext des kleinasiatischen ›Goldmundes‹ herausgearbeitet. Für die aktuelle Forschungsdiskussion um die gesellschaftliche Konstruktion des ›Philosophen‹ sowie seine soziale Selbstbeschreibung in der Kaiserzeit liegen mit den in »Der Philosoph und sein Bild« vorgelegten Texten, Übersetzungen, kommentierenden Erläuterungen und Aufsätzen ebenso wichtige wie anregende und weiterführende Beiträge vor.