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Ausgabe:

Februar/2012

Spalte:

180–181

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Shepherd, Michael B.

Titel/Untertitel:

Daniel in the Context of the Hebrew Bible.

Verlag:

New York u. a.: Lang 2009. XI, 163 S. 23,0 x 16,0 cm = Studies in Biblical Literature, 123. Kart. EUR 30,00. ISBN 978-1-4331-0539-5.

Rezensent:

Martin Rösel

Das anzuzeigende Buch wird im ersten Satz der Introduction als »not the usual sort of commentary« zum Danielbuch vorgestellt. Will man genauer sein, handelt es sich letztlich gar nicht um einen Kommentar, sondern eher um einen gelehrten Traktat, der in einer Mischung aus Biblizismus und Eklektizismus das Danielbuch in eine Linie mit der kanonischen Gesamtaussage des Alten Testamentes stellen möchte. Dabei geht Michael B. Shepherd, der an einem College der Baptisten in Louisiana lehrt, davon aus, dass das Alte Testament in seiner jetzigen Anordnung messianisch, eschatologisch und glaubensorientiert sei, wobei diese Themen über die damalige Zeit hinaus in die jeweilige Gegenwart reichen. Ein final composer habe die Bücher dabei so angeordnet, wie es die heutige Biblia Hebraica Stuttgartensia bietet (5 u. ö.).
Zwar weiß der Vf., dass diese Anordnung nicht dem Codex Leningradensis entspricht, wo die Chronik eben nicht an letzter Stelle steht. Doch müsse aus inhaltlichen Gründen die Chronik eben doch auf Esra-Nehemia folgen, denn diese beiden Bücher spiegeln einen »dunklen Mo­ment« in der Geschichte Israels, der zu »späteren legalistischen Formen des Judentums« hinüberweise (112). Die Chronik dagegen öffne mit ihrer messianischen Perspektive den Blick auf das Neue Testament. Das Problem des abweichenden Kanons der LXX wird S. 4 mit einem Absatz abgetan; die vielgestaltigen christlichen Ka­nonslisten erst gar nicht erwähnt. Auch die Tatsache, dass z. B. in Qumran gar nicht sicher zu entscheiden ist, was eigentlich zu einem »Kanon« gehört, bleibt ohne Erörterung. Schon hier wird deutlich, dass das Buch der Komplexität des Problems nicht gerecht wird. Es wundert dann auch nicht, dass der Punkt »Hermeneutics« in einen Appendix verschoben und auf weniger als drei Seiten abgehandelt wird (121–123).
Im Hauptteil der Arbeit geht der Vf. so vor, dass er zunächst knapp in drei Kapiteln aufzuweisen sucht, dass Pentateuch (9–23), Propheten (25–54) und der Anfang der Schriften (Pss, Hi, Prov, Megillot, 55–63) die drei genannten Leitthemen Messias, Eschatologie und Glaube in den Mittelpunkt stellen würden. Das gelingt nur, indem wichtige Themen des Alten Testaments unter den Tisch fallen, etwa die Weisheitstraditionen. Zum Pentateuch liest man erneut Aussagen, die als gegen das Judentum gerichtet verstanden werden können, etwa wenn S. 18 f. ausgeführt wird, dass Israel vor der Gabe der Tora Glauben hatte, danach nicht mehr (mit Hinweis auf Gal 2 und 3).
Auf S. 65–104 bietet der Vf. dann den im Titel avisierten Kommentar zum Danielbuch. Dabei wird erhoben, dass das Danielbuch im Einklang mit den drei genannten Hauptthemen des Alten Testaments auf das Evangelium und Christus voraus verweise. Dazu wird eine Paraphrase des Buches geboten, in der einige Details erklärt werden, die meisten der üblicherweise in der Forschung behandelten Fragen werden nicht gestellt. Nichts im Danielbuch verlange eine Datierung ins 2. Jh. (65). Da es nicht ratsam (73 sogar: historically irresponsible!) sei, sich gegen die große Menge der Auslegungstradition zu stellen, wird das dritte Reich auf Griechenland bezogen; die Ereignisse der Makkabäerzeit seien im Buch nicht als Zeichen der Endzeit gesehen worden. Das vierte Reich wird nicht, wie in fundamentalistischen Deutungen üblich, auf Rom bezogen, sondern in Anlehnung an Num 24 auf eine noch ausstehende endzeitliche Ge­fahr wie die durch Gog.
Abschließend folgt ein 5. Kapitel (111–119), in dem diese Deutung des Danielbuches mit Blicken auf die Bücher Esra, Nehemia, Chronik und das Neue Testament unterstützt werden soll. Als Appendix 2 findet sich eine Übersetzung des Danielbuches, in der keinerlei Begründung für gewählte Äquivalente gegeben wird.
Die Arbeit ist für diejenigen von Nutzen, die sich für christlich-konservative Daniel-Rezeptionen in der Gegenwart interessieren. Für das historisch-kritische Verständnis des Buches trägt sie leider nichts aus.