Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Februar/2012

Spalte:

177–178

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Petter, Donna Lee

Titel/Untertitel:

The Book of Ezekiel and Mesopotamian City Laments.

Verlag:

Fribourg: Academic Press Fribourg; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011. XV, 198 S. 23,5 x 15,5 cm = Orbis Biblicus et Orientalis, 246. Lw. EUR 54,95. ISBN 978-3-7278-1690-1 (Academic Press Fribourg); 978-3-525-54367-2 (Vandenhoeck & Ruprecht).

Rezensent:

Michael Emmendörffer

Das Buch von Donna Lee Petter ist die überarbeitete Dissertation, die sie 2009 in Toronto vorgelegt hat. Auf 147 Seiten entfaltet die Vfn. das oben genannte Thema und verfolgt die These (Introduction, 5), dass die mesopotamischen Stadtklagen Komposition und Aufbau des alttestamentlichen Ezechielbuches beeinflusst haben. Im Gefolge von Vorarbeiten (Odell; Sharon), die den Zusammenhang von altorientalischen Texten und dem Ezechielbuch untersucht haben, konzentriert sich die Vfn. auf die in den 90er Jahren unter anderem von M. Cohen bearbeiteten und veröffentlichten Sammlungen von mesopotamischen Stadtklagen (MCL). Der Un­tersuchungsteil ist in sieben Kapitel aufgebaut und sei hier kurz umrissen: 1. Stadtklagen in Mesopotamien; 2. Stadtklagen in Israel; 3. Das Verständnis der Ezechiel-Rolle im Lichte der Gattung der Stadtklage; 4. Das Verständnis von Jahwes Zorn und Verstoßung Jerusalems im Licht der Stadtklagen; 5. Verständnis von Sünde und Gericht in Ezechiel im Licht zweier Kennzeichen der MCL; 6. Das Verständnis der Wiederherstellung in Ez im Lichte der MCL und 7.Schlussfolgerungen.
Modus procedendi ist somit klar, und die wichtigsten Ergebnisse und Untersuchungsschritte seien hier skizziert: Die Entwicklung der mesopotamischen Stadtklagen (Abfassungszeit; Struktur; Sprache; Inhalt; Autorschaft) werden anhand von fünf einzelnen Texten (LSUr; LU; EL u. a.) zusammen mit eršemma- und balag-Texten und im Dialog mit der einschlägigen Sekundärliteratur behandelt (7–33). Von hier aus wendet die Vfn. den Blick auf die alttestamentlichen Klagelieder, einschlägige Prophetentexte und Volksklagelieder (Pss), bei denen man schon in der Vergangenheit eine gewisse Beeinflussung durch die MCL festgestellt hatte. Kurz werden Forschungspositionen zusammengestellt und referiert, um dann festzustellen, dass Ez in Gänze bisher in dieser Hinsicht noch nicht untersucht worden sei und es sich lohnte, der Beeinflussung durch die Stadtklagen nachzugehen (48).
Die neun von Dobbs-Allsopp an den MCL festgemachten Unterscheidungsmerkmale sind dabei für die Analyse leitend: subject and mood, structure and poetic technique, divine abandonment, the di­vine agent of destruction, destruction, assignment of responsibility, the weeping goddess, lamentation und restoration of the city and return of the Gods (47 f.).
Fazit der Vfn.: Das Buch Ez ist von den Stadtklagen beeinflusst und weist weitgefächert das gesamte Spektrum der spezifischen Merkmale (s. o.) auf, wobei Struktur und Motive von »Ezechiel« frei verwendet und vier Motive deutlich (weeping goddess, assignment of responsibility, destruction, divine abandonment) variiert werden. »Ezekiel incorporates the features in creative ways.« (142) Hauptunterschied zwischen Stadtklagen und Ez: dort die vollzogene Zerstörung und Gericht, bei Ez noch in der Zukunft drohende angesagte Zerstörung. Die Vfn. nimmt literarische Verbindungen von Ez und den Klagen an, auch wenn keine direkten Textzeugen aus Ez-Zeit bekannt sind. Die Schriftrolle (Ez 2.3) hat für die Vfn. entscheidende Beweisfunktion für eine Untergattung Klage (lament subgenre). Elemente dieser Rolle durchziehen ihrer Meinung nach das ganze Buch. »It makes Ezekiel a mourner, and he laments like the weeping goddess, albeit with adaptations.« (143) Nach der Vfn. ist in dem Ganzen der Prophet selber zu greifen, ja, »it follows that the book’s intentional design could also derive from the prophet himself« (143). All das lässt auf eine mesopotamische Entstehungssituation (kontra judäische) schließen; die Reihenfolge der Kapitel in 1–24 (Orakel gegen Juda), 25–32 (Orakel gegen die Völker) und 33–48 (Wiederherstellung) baut aufeinander auf und verdankt sich in dieser Bewegung dem Klage-Motiv. Die Kapitel 33–48 zeichnen nach der Vfn. eine Abfolge der Ereignisse vom Tod zum Leben nach: Freude auf Seiten Israels, da »Yahweh had a change of heart« (146). Ezechiel selbst wird durch den Verzehr der oben schon erwähnten Schrift zu einem Trauernden: »He is role playing.« (146) Diese Rolle (ein Reflex der Stadtgöttin aus den MCL) erklärt seine vielfältigen Funktionen (Wächter; Zeichen; »funeral director« u. a.) und die enge Verbindung zu seinem Volk. Ezechiel ist auf dem Hintergrund der Klage-Matrix zu verstehen und zu interpretieren.
Der Ansatz der Vfn., von den MCL und der altorientalischen Klageliteratur her Exilsliteratur auf mögliche Abhängigkeiten und Parallelen zu untersuchen, ist nicht neu. Neu aber ist die konsequente Anwendung dieses Schrittes auf Ez. Gerne hätte man aber gewusst, wie die Vfn. sich den »Propheten« Ezechiel vorstellt, wie sie mit Redaktions- und Fortschreibungsphänomenen umgeht. Dass neuere Literatur zu den alttestamentlichen Volksklageliedern nicht rezipiert worden ist, ist ärgerlich. Ein Appendix mit den wichtigsten altorientalischen und alttestamentlichen Texten, das Literaturverzeichnis und ein Stellenregister schließen diese ansonsten erfrischende Arbeit ab.