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Ausgabe:

Januar/2012

Spalte:

113–115

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Balz, Heinrich

Titel/Untertitel:

Der Anfang des Glaubens. Theologie der Mission und der jungen Kirchen.

Verlag:

Neuendettelsau: Erlanger Verlag für Mission und Ökumene 2010. 465 S. 24,0 x 16,5 cm. Kart. EUR 34,00. ISBN 978-3-87214-620-5.

Rezensent:

Herwig Wagner

Der Autor, Heinrich Balz, sieht auf eine lebenslange und sehr vielfältige theologische Lehrtätigkeit in Kamerun, Berlin, Tansania und zuletzt im Kongo zurück. In seine jetzt vorliegende Missionstheologie fließen solche Erfahrungen in vielfältiger Weise ein. Er selbst bezeichnet sie als »Offenlegung der (schon seinen früheren Publikationen) zugrunde liegenden Voraussetzungen« (23). Man darf es also getrost sein Opus magnum nennen.
Einleitend bezeichnet B. die ersten beiden der vier Teile »eher als Vorbau zum Eigentlichen«, das dann im Folgenden unter den Stichworten Kommunikation und Hermeneutik zur Sprache kommt (28). Hier wird seine Beheimatung in Kommunikationswissenschaft und hermeneutischer Theologie sichtbar. Kommunikation ist für B. der »Name für alles, was Mission tut« (205), in älterer Diktion (Warneck) also das »Werk der Mission«. Auch in der älteren »Missionslehre« wird dieses nicht einfach narrativ behandelt, sondern vorausgehend biblisch begründet. Anders B.: Er setzt ein mit dem »Anfangen des Glaubens«, dem »Korrelat zur göttlichen Sendung des Geistes auf der Seite des Menschen« (173). Er wählt also einen geschichtlichen Zugang. Es ist Missionstheologie »von unten«. Es geht ihm um das Verstehen, was vor sich geht, wenn das Evangelium »kommt« und der Glaube »anfängt«. B. ist also der Verstehenden Missionswissenschaft (Sundermeier) zuzurechnen, auch wenn er sich in puncto Kommunikation von ihm deutlich unterschieden weiß (378 f.).
In Teil III, Momente der missionarischen Kommunikation, tauchen die bekannten Themen der älteren und neueren Missionswissenschaft auf: Gesellschaft und soziale Verantwortung, Kultur, Religion, Bekehrung, Kirche. B. fragt also, was in der Kommunikation des Evangeliums geschieht und was sich auf der Empfängerseite verändert, wenn »der Glaube anfängt«. Seine Antworten sind hier nur in Stichworten anzudeuten: Ganzheitlichkeit der Mission, Identität des Evangeliums bei der Übersetzung in eine andere Sprache und Kultur, Ambivalenz der vorherigen Religion, die gleichwohl offen bleibt, um vom »kommenden« Evangelium in Ge­brauch genommen zu werden, Kirche als vorläufiges Ziel der Mission und Ort der weitergehenden Kommunikation. Bemerkenswert ist speziell der Zugang, der die Diskussion dieser Themen in der theologischen wie auch der angrenzenden fachwissenschaftlichen Literatur in großer Breite aufnimmt. Im Eingehen auf die Situation des Empfängers der Botschaft wird ein Verstehen dessen möglich, »was Mission tut«.
E. Fuchs’ mehrmals zitierte Frage, warum es in der Mission nicht bei der ersten Predigt bleibt, sondern ihr immer weitere folgen müssen, zeigt den Übergang von Kommunikation (Entstehen des Glaubens) zur Hermeneutik (Bestehen des Glaubens). So be­zieht B. die der Erstverkündigung folgende Kirche in die Momente des missionarischen Handelns ein. In ihr setzt sich die Kommunikation des Glaubens fort, jetzt als »reziproke Kommunikation zwischen« den Glaubenden (301). In reformatorischer Sicht folgt eben dem anfangenden Glauben das immer wieder neue und weitergehende Verstehen des Geglaubten (Teil IV). So verweist die Frage der Kommunikation nicht nur auf die theologische Hermeneutik, sondern auch auf die immer neue Verifikation an der Schrift (302). Diese bedarf besonderer Erwähnung. Jedem der vier Hauptteile lässt B. eine solche biblische Verifikation folgen. B. verfolgt damit seinen eigenen Zugang: die Sachfragen, die Wirklichkeit der Mission, stellt ihrerseits neue Fragen und diese müssen an der Schrift gemessen (verifiziert) werden (99). Das bedeutet auf jeden Fall Rückbindung an die Schrift, aber nicht einfache Deduktion. Solches Vorgehen kann auch andere, bisher so nicht beachtete Texte der Schrift neu für die Mission ausmachen und zum Sprechen bringen. B. hat das in seiner Verifikation II an Gal 3–4 exemplarisch durchgeführt, wo er dem lehrmäßig verstandenen Begriff der πίστις den geschichtlichen Weg vom Anfangen des Glaubens bei den Galatern hinzufügt und so zu einem reformatorisch eingebundenen Verständnis der Mission kommt. Das ist echte Weiterführung der grundlegenden reformatorischen Erkenntnis von der Rechtfertigung aus Glauben (193). Von einer Relativierung der Autorität der Schrift, wie sie B. von konservativer Seite vorgeworfen wurde, kann keine Rede sein. Gewichtig bringt er an anderer Stelle zur Geltung, »dass das Heil allein in Jesus Christus und im Glauben an ihn zu finden ist« (100). Solches gilt auch für die anderen biblischen Verifika­tionen (Apostelgeschichte, Paulus, Synoptiker, besonders Mt, Joh). Dabei weicht er der neueren Forschung zum Neuen Testament keineswegs aus, vielmehr lädt er seine Kollegen zur Mitgestaltung einer biblisch fundierten Mission ein (18).
Weil B. die Wirklichkeit der Mission und deren geschichtliches Ergebnis, die entstandenen nicht-westlichen Kirchen, entschieden in den Blick nimmt, leitet er sein Opus mit der »neuen Lage« der Mission ein (Teil I). Er sieht sie wesentlich bestimmt von der Exis­tenz der jungen Kirchen (in Asien und Afrika) und der dadurch bewirkten Schwerpunktverschiebung der Christenheit von Nord nach Süd. Menschliches Zum-Glauben-Kommen schließt Mission als Ursache und junge Kirchen als ihr Ergebnis zusammen. »Theologie der Mission und der jungen Kirchen«. Diese verstehen sich selbst als das Ergebnis der erfolgreichen (!) westlichen Mission, gleichzeitig wissen sie sich von Gott erwählt. Sie sind selbst und ganz Kirche. Die Gemeinsamkeit des Glaubens verbindet sie mit den westlichen Kirchen, aber sie sind auch anders als diese. In solcher Verschiedenheit wollen und müssen sie von der westlichen Theologie wahrgenommen werden. B. hat das in Teil I nicht nur begründet, sondern in einem vorgängigen Überblick (I, 3 und 4) und in zahlreichen Bezugnahmen auf afrikanische und asiatische Theologen in seiner Darstellung selbst durchgeführt. Solches ist ihm auch darum wichtig, um in der Reflexion der Mission die Begrenztheit des eigenen Standpunkts zu überwinden.
Im Gegenzug zum ersten Teil wendet sich B. sodann intensiv dem Gespräch über Kirche und ihre Sendung in der Missions- und systematischen Theologie in Europa zu. Ausführlich werden die beiden Hauptlinien missionstheologischen Denkens in den 50er und 60er Jahren dargestellt, die heilsgeschichtlich-eschatologische Einordnung der Mission (Hartenstein, Freytag) und die trinitarische Begründung der Sendung (Missio-Dei-Linie, Vicedom und die über ihn hinausführende sog. »ökumenische« Diskussion in den 80er Jahren). Hier hat also der eigene, westliche Kontext sein Recht. Die gegenseitige Zuordnung der Teile I und II sieht B. selbst als nicht ganz unproblematisch. Keinesfalls soll der westliche Kontext als eine Art »Oberstufe« der Missionstheologie verstanden werden. Und doch könnte das Gespräch eine regulative Funktion für die nicht-westliche Theologie haben (134), wobei sicher auch das Umgekehrte der Fall ist.
Ein raffender Durchgang durch das Opus war nötig, um bei den vielen Einzelauseinandersetzungen B. an seinem Platz zwischen Kommunikation und Hermeneutik zu verorten. Die Rezeption dieser offenen, auf das Gespräch in der Fachwelt hin angelegten Missionstheologie wird zeigen, ob und wie auf den von B. aufgezeigten Linien weitergedacht werden kann.