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Ausgabe:

Januar/2012

Spalte:

84–87

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Meyer zu Schlochtern, Josef, u. Roman A. Siebenrock [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Wozu Fundamentaltheologie? Zur Grundlegung der Theologie im An­spruch von Glaube und Vernunft.

Verlag:

Paderborn/München/Wien/ Zürich: Schöningh 2010. 336 S. m. Abb. gr.8° = Paderborner Theologische Studien, 52. Kart. EUR 39,90. ISBN 978-3- 506-76970-1.

Rezensent:

Michael Roth

Die Aufsatzsammlung dokumentiert die von den Herausgebern veranstaltete Tagung »Das Proprium der Fundamentaltheologie«, die von 22. bis 24. Mai 2009 an der Theologischen Fakultät Paderborn stattgefunden hat. Motiv der Tagung war ein Plausibilitätsverlust der Notwendigkeit von Fundamentaltheologie: »Ihre Stellung im Spektrum der theologischen Fächer ist nicht mehr unangefochten, ihr ›Proprium‹ ist scheinbar disponibel ge­worden, ihre Aufgaben werden notfalls von anderen Fachdiszipli nen übernommen.« (11) Auch könne nicht mehr von der Fundamentaltheologie als einem bestimmten Programm gesprochen werden, vielmehr seien eine Vielfalt von fundamentaltheologischen Argumentationsstrategien anzutreffen: eine Pluralisierung hermeneutischer Strategien, transzendental- bzw. erstphilosophisch ansetzende Letztbegründungen, Argumentationsstrategien in Aufnahme der analytischen Religionsphilosophie, bibeltheologische Ansätze. Die Herausgeber urteilen: »So engagiert diese verschiedenen Diskurse in den einzelnen Feldern auch geführt werden mögen, es mangelt an gemeinsamen Kategorien und Argumentationsformen, die einen grenzüberschreitenden Fachdiskurs zwischen den Schulen und Richtungen zu führen erlauben.« (11)
Um diesen Diskurs zu initiieren, ging die Tagung von der »Aufgabe der Fundamentaltheologie« aus, »gegenüber den Ansprüchen von Glaube und Vernunft ad intra eine methodisch durchgeführte Selbsterfassung des Glaubens und eine Grundlegung der Theologie zu entwickeln, ad extra ihre Wahrheits- und Geltungsansprüche im Modus einer rationalen, hermeneutisch-apologetischen Reflexion zu begründen« (11 f.). Hieraus ergeben sich die Themenfelder des Tagungsbandes, die jeweils von zwei oder drei Experten in Referaten und Korreferaten behandelt werden. Teilweise be­schließen Zusammenfassungen der nachfolgenden Diskussionen das jeweilige Themenfeld:
Das erste Themenfeld widmet sich in zwei Schritten der »Be­stimmung der Erkenntnisquellen der Fundamentaltheologie« (15–90). Zunächst wird von Bernhard Körtner und Hans-Joachim Sander die Frage nach den Erkenntnisquellen der Fundamentaltheologie in Bezug auf die Loci theologici gestellt (15–57), im Abschluss daran wird von Peter Hofmann und Edmund Arens die Bibel als Erkenntnisquelle der Theologie untersucht (59–90). Das zweite Themenfeld reflektiert den »Wissenschaftsanspruch der Fundamentaltheologie« (91–166), indem in einem ersten Abschnitt von Roman A. Siebenrock und Thomas Schärtl der Ort der Fundamentaltheologie zwischen Wissenschaft und Weisheit reflektiert wird (93–128) und in einem zweiten Abschnitt von Alexander Loichinger, Klaus von Stosch und Magnus Striet die »Fundamentaltheologie als Glaubenswissenschaft« (129–166) betrachtet wird. Das dritte Themenfeld widmet sich der Struktur des Faches (167–286), indem zunächst von Josef Meyer zu Schlochtern, Hermann Josef Pottmeyer und Marian Rusecki der Frage nach der Gliederung des Faches nachgegangen wird (169–201), in einem zweiten Schritt von Matthias Petzoldt und Jörg Disse die Ansätze zu einer evangelischen Fundamentaltheologie und die hier gegebenen Impulse in den Blick genommen werden (203–258) und in einem dritten Schritt von Jürgen Werbick und Markus Knapp die Identität der Fundamentaltheologie und die Abgrenzung zur Dogmatik erörtert werden (259–286). Im Rahmen des abschließenden vierten Themenfeldes erörtern Klaus Müller und Gregor Maria Hoff die apologetische Aufgabe der Dogmatik (287–313). Der Band wird durch eine Zusam­menfassung der Schlussdiskussion unter drei zentralen Fragestellungen (»Die Erkenntnisquellen der Fundamentaltheologie«; »Die Traktatstruktur und ihre interne Rationalität«; »Wissenschaft, Weisheit und die Ansprüche der Vernunft«) abgeschlossen (315–321).
Die Fülle der Beiträge und der Reichtum der entfalteten Einsichten machen eine Konzentration erforderlich. Ich lenke daher den Blick exemplarisch auf zwei Punkte, die auch für die evange­lische Fundamentaltheologie, die – wie Matthias Petzoldt in seinem Beitrag zu Recht bemerkt – »in der Frage der Bearbeitung grundlagenwissenschaftlicher Problemstellungen um die rechten Rahmenbedingungen und konzeptionellen Ausrichtungen ringt« (217), lehrreich sind:
1. In der evangelischen Perspektive wird die katholische Fundamentaltheologie nicht selten als ein festes Programm verstanden, welches gemäß dem Zweistufenschema, wonach der Glaube und die in ihm wirksame Gnade Gottes auf bestimmte natürliche Voraussetzungen aufbauen, eine der Darlegung der Glaubensinhalte vorausgehende Glaubensbegründung und Glaubensverantwortung vor dem Forum der autonomen Vernunft leisten will (vgl. 214 f.). Die unterschiedlichen Beiträge zeigen, dass dieses traditionelle Verständnis der pluralen Debatte innerhalb der katholischen Fundamentaltheologie nicht gerecht wird (vgl. hierzu u. a. die Beiträge von Matthias Petzoldt, Jörg Disse, Alexander Loichinger, Markus Knapp). So gibt es Stimmen, die in Anlehnung an Karl Barth jede Form der natürlichen Theologie explizit für überflüssig halten und solche programmatischen Entwürfe, die dem Versuch, den Glauben unter Absehung von ihm selbst vor der Vernunft als plausibel zu erweisen, eine entschiedene Absage erteilen und daher ein in­trinsezistisches und hermeneutisches Verfahren wählen (vgl. 244 ff.). Freilich finden sich im Raum der katholischen Fundamentaltheologie auch solche Stimmen, die, wie Klaus Müller in seinem Beitrag betont, »weder kulturdiagnostisch noch philosophisch noch theologisch« einen Anlass finden, vom »Programm einer subjektivitätstheoretisch ansetzenden philosophischen Letztbegründung im Dienste fundamentaltheologischer Fundierungsaufgaben abzusehen« (291). »Diese bunte Vielfalt von Modellen« – so betont Jörg Disse – »finden wir aber auch in der protestantischen Theologie wieder, und zwar so, dass auch hier die Bandbreite, die wir in der katholischen haben, zum Vorschein kommt« (246). So erinnert Disse an das Programm Wolfhart Pannenbergs und das »revival« der philosophischen Theologie in der protestantischen Theologie im angelsächsischen Raum (vgl. 246). Disse mahnt, dass »die zur Zeit herr­schenden Mehrheitsverhältnisse unter Theologen deutscher Sprache … nicht zu identitätsstiftenden Abgrenzungen vom Katholischen verwendet werden« sollten.
2. Kontrovers wird innerhalb der katholischen Fundamentaltheologie auch das Verhältnis von Fundamentaltheologie und Dogmatik diskutiert (vgl. die Beiträge von Jürgen Werbick und Markus Knapp). Jürgen Werbick macht in seinem Beitrag auf das Grundproblem aufmerksam. Die Übergänge von Fundamentaltheologie und Dogmatik seien fließend: Manche Traktate werden in beiden Disziplinen behandelt, auch in der Dogmatik sind mittlerweile fundamentaltheologische Perspektiven beheimatet (vgl. 259 ff.). Gleichwohl gibt es nach Werbick eine »kohärente Fachperspektive« (268): die wissenschaftstheoretische Grundlegung der Theologie. Im Blick auf diese Fachperspektive habe im Zentrum der Fundamentaltheologie eine Theorie der Offenbarung zu stehen: »In die Fundamentaltheologie gehören … alle Fragen, die aufgeworfen werden müssen, um die Offenbarungs-Voraussetzung als rational verantwortbar auszuweisen.« (270) Auch Markus Knapp sieht die Aufgabe der Fundamentaltheologie in der wissenschaftstheoretischen Grundlegung der Theologie (vgl. 281). Dies bedeute nicht, dass sich die einzelnen Themen zwischen Dogmatik und Ethik aufteilen lassen, vielmehr werden diese Themen in den beiden Disziplinen von zwei unterschiedlichen Perspektiven aus be­handelt. Für die Fundamentaltheologie seien die Themen »im Hinblick auf die Erschließung des christlichen Glaubensgrundes und dessen anthropologische Vermittlung« relevant (281).
Fazit: Die Zielsetzung des Bandes, »einen grenzüberschreitenden Fachdiskurs zwischen den Schulen und Richtungen« (11) zu initiieren, ist auf hervorragende Weise erreicht. Namhafte Vertreter des Faches geben einen sehr guten Überblick über die gegenwärtigen Fragestellungen, Probleme und Trends innerhalb der katholischen Fundamentaltheologie. Weil jedes Themenfeld von mehreren Autoren bearbeitet wird und die Hauptreferate jeweils durch Korreferate flankiert werden, hat der Band einen kommunikativen Charakter, der den Leser in die gegenwärtigen Dis­kurse einführt und mit den künftig zu bearbeitenden Fragestellungen bekannt macht. Vor allem überzeugt die Bereitschaft der Autoren, sich auf andere, teilweise sogar alternative Konzeptionen einzulassen, so dass die verschiedenen Argumentationsstrategien miteinander ins Gespräch gebracht werden. Dadurch besitzt der Band Re­levanz über die Frage nach der künftigen Gestalt der katholischen Fundamentaltheologie hinaus.