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Ausgabe:

Januar/2012

Spalte:

28–30

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Collins, John J., and Daniel C. Harlow [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Eerdmans Dictionary of Early Judaism.

Verlag:

Grand Rapids/Cambridge: Eerdmans 2010. XXXVII, 1360 S. m. Abb. u. Ktn. 4°. Lw. US$ 95,00. ISBN 978-0-8028-2549-0.

Rezensent:

Beate Ego

Die Zeit des antiken Judentums ist eine Zeit, die für die Formation von Judentum und Christentum (und mittelbar in gewisser Weise auch für den Islam) von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Vor dieser grundlegenden Einsicht hat die Erforschung dieses Zeit­-raumes mit seiner Geschichte, Politik und Kultur in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dieser Entwicklung trägt der vorliegende voluminöse Band Rechnung, in dem die Zeit zwischen der Eroberung Alexanders d. Gr. im späten 4. Jh. v. Chr. und dem Bar-Kochba-Aufstand bzw. dem Kaiser Hadrian im 2. Jh. n. Chr. im Zentrum steht, aber auch »benachbarte« Epochen wie die Zeit der Perserherrschaft oder die Entwicklungen des rabbinischen Judentums und die Auseinandersetzung mit dem frühen Chris­tentum Beachtung finden.
Der Band öffnet mit mehreren Essays, die zentrale Themen der Epoche überblicksartig behandeln:
John J. Collins führt zunächst forschungsgeschichtlich in die Thematik ein und verweist hier auf die Bedeutung der Erforschung der Apokalyptik und der apokryphen und pseudepigraphen Literatur sowie der Textfunde von Qumran (1–24). Darauf folgt ein historischer Überblick, der einen geschichtlichen Abriss zu den Ereignissen zwischen Alexander und Hadrian gibt (Chris Seeman und Adam Kolman Marshak, 25–56).
Zwei weitere Artikel beschreiben Eigenheiten des frühen Judentums, wie sie sich aufgrund seiner lokalen Zentren, dem Land Israel (hierzu James C. Vanderkam, »Judaism in the Land of Israel«, 57–76) und der Diaspora in Babylonien und Ägypten (hierzu Erich S. Gruen, »Judaism in the Diaspora«, 77–97), darstellen. Für das Land Israel spielen der Tempel und die verschiedenen Wallfahrtsfeste sowie das Hohepriestertum, Sanhedrin und Gerusie eine wichtige Rolle, wohingegen bei der Beschreibung der Diaspora der Akzent auf Fragen des interkulturellen Zusammenlebens und Elementen der Identitätsbildung bzw. dem Bezug zum »homeland« liegt.
Es folgen mehrere Artikel, die ihren Fokus in der Literatur des antiken Judentums haben; sie bieten Ausführungen zur Textgeschichte (Eugene Ulrich, »The Jewish Scriptures: Texts, Versions, Canons«, 97–120), zur frühen jüdischen Bibelauslegung (James L. Kugel, 121–142), zu den Apokryphen und Pseudepigraphen (Loren T. Stuckenbruck, 143–162), zu den Textfunden vom Toten Meer (Eibert Tigchelaar, 163–180) sowie zur frühen jüdischen griechischsprachigen Literatur (Katell Berthelot, 181–200).
Ein weiterer Teil setzt mit Jürgen Zangenbergs Artikel »Archaeology, Papyri, and Inscriptions« (201–236) einen stärkeren archäologischen Akzent, wenn hier – chronologisch und nach Orten gegliedert – ein knapper Überblick über Ausgrabungsfunde in der betreffenden Epoche referiert wird.
Zwei Artikel betrachten das frühe Judentum in seinem interkulturellen bzw. interreligiösen Kontext in der Welt von Griechen und Römern (hierzu Miriam Pucci Ben Zeev, 237–278, wobei hier die Diaspora wiederum ganz stark in den Blick kommt) und des frühen Christentums (hierzu Daniel C. Harlow, 257–278 mit Ausführungen zur Jesus-Bewegung und Paulus und zum »Parting of the Ways«). Schließlich widmet sich Lawrence H. Schiffman dem frühen Judentum und rabbinischen Judentum, wobei vor allem die in der jüngsten Forschung immer deutlicher zutage tretende Frage nach den Verbindungslinien zwischen dem Judentum der Zeit des Zweiten Tempels und dem späteren Rabbinat behandelt wird (279–290).
Der zweite, umfangreichere Teil des Werkes besteht dann aus einem alphabetisch geordneten Lexikon, das insgesamt ca. 520 Einträge umfasst. Hier finden Stichworte aus ganz unterschiedlichen Bereichen Aufnahme und werden in der Regel in mehrspaltigen Artikeln, die aber trotz einer gewissen Länge übersichtlich bleiben, abgehandelt. Neben Detailinformationen zu biblischen Figuren und ihrer Rezeption in der Literatur des antiken Judentums werden Literaturwerke, wichtige Orte, zentrale Bereiche der Lebenswelt, bedeutende historische Persönlichkeiten und Rabbinen, religiöse Elemente und Praktiken, archäologische und sprachliche Phänomene sowie theologische bzw. religionsgeschichtliche Kernbegriffe besprochen. Auch hier zeigt sich wiederum ein weites Verständnis des Epochenbegriffes, wenn auch Lemmata wie »Babylonian Talmud«, »Hekhalot Literature« oder »Magic Bowls and Incantation«, die ja allesamt in die Spätantike weisen, ihren Platz finden. Wie die Essays so sind auch diese Artikel klar und verständlich geschrieben, zudem ausgewogen, da auch andere Forschungsmeinungen berücksichtigt werden.
Die Essays und die Einzelartikel er­gänzen sich hervorragend. Auf diese Weise ist es dem Leser gut möglich, sowohl Überblicks- als auch Detailwissen abzufragen. Alle Einträge, sowohl die Essays als auch die in alphabetischer Reihenfolge präsentierten Lexikonartikel, enthalten zudem eine knappe Bibliographie, die eine schnelle Vertiefung des bereits Gelesenen ermöglicht. Ergänzt werden diese Artikel, die von insgesamt 270 Autoren vor allem aus dem angelsächsischen Raum und aus Israel geschrieben wurden, durch mehr als 150 Schwarzweiß-Abbildungen, Zeich­nungen und Landkarten.
Das Lexikon wird fortan sicherlich zu den Standardwerken ge­hören, das Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus den un­terschiedlichsten Bereichen einen schnellen, unkomplizierten und verlässlichen Zugang zum weiten Feld des antiken Judentums er­möglichen wird.