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Ausgabe:

Dezember/2011

Spalte:

1354-1355

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Jung, Christian

Titel/Untertitel:

Meister Eckharts philosophische Mystik.

Verlag:

Marburg: Tectum 2010. 127 S. 8° = Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe: Philosophie, 13. Kart. EUR 24,90. ISBN 978-3-8288-2343-3.

Rezensent:

Udo Kern

Großes hat sich Christian Jung in dieser Studie vorgenommen. In einer »konzisen Gesamtschau« soll das »zentrale Anliegen von Meister Eckharts philosophischer Mystik nachvollzogen werden: die philosophische Begründung der unio mystica« (10). Die Arbeit besteht aus zwei Teilen: 1. Sein und Erkennen. Die Frage nach dem Wesen Gottes (11–66) und 2. Eckharts Psychologie des Seelenfünkleins. Die Einheit der Seele mit Gott (67–127). J. untersucht im ers­ten Teil seines Buches Eckharts philosophische Mystik, von der er selbstverständlich ausgeht, ohne die jüngere Diskussion hinsichtlich der Problematik dieses Begriffes in der Bochumer Schule zum Ge­brauch des Mystikbegriffes bei Meister Eckhart überhaupt genügend zu berücksichtigen und profiliert zu evaluieren. Eckharts Lehre, so sagt J. nachdrücklich (mit Josef Sudbrack), sei »intellektuelle Mystik« (105).
Die Pariser Quaestionen Eckharts von 1202/3, der Seinsbegriff in Eckharts Opus tripartitum und auch dessen Sermo XXIX sind J. hier hauptsächlich philosophisch-theologische Grundlage. Ein essentiell seiendes Erkennen Gottes sei nach den Pariser Quaestionen die wahre Ursache des Seins. Diese zu Eckharts Position im Opus tripartitum gegensätzliche erscheinende Position könne durch Eck­harts Analogielehre gelöst werden. Nach Eckharts Sermo XXIX seien Sein und Erkennen identisch.
Eckharts Mystik sei somit »Intellektmystik« und zwar deswe­gen, weil nur der Intellekt »Gott nackt und ganz für sich« nehme (105). Und allein der Intellekt gäbe bei Eckhart (gemäß der augus­tinschen Illuminatio-Lehre) sein Licht an andere Erkenntnisvermögen weiter (105). »Die Erkenntnis regiert so den ganzen Menschen, alle seine Kräfte stehen unter der Herrschaft der Vernunft, die von Gott erleuchtet und in ihrem Höchsten mit ihm eins ist.« (106)
Profiliert untersucht J. bei Eckhart den Zusammenhang bzw. die Differenz zwischen Gott und Gottheit einschließlich dessen bzw. deren entsprechenden philosophisch-theologische Verortungen. Daraus ergebe sich schöpfungstheologisch:
»Als Gott wird (›Gott‹), wo alle Kreaturen Gott aussprechen: da wird ›Gott‹. Als ich (noch) im Grunde, im Boden, im Strom und Quell der Gottheit stand, da fragte mich niemand, wohin ich wollte oder was ich täte; da war niemand, der mich gefragt hätte. Als ich (aber) ausfloss, da sprachen alle Kreaturen: ›Gott‹.« (J. Quint, Dt. Predigten, 273)
»Die Einheit in Gott, die Gottheit-intelligere, ist … das Ziel der mystischen Einheitspraxis in der unio mystica.« (65) Das werde anthropologisch »dadurch ermöglicht, dass Eckhart dem Menschen ein Erkennen zuspricht, das dem Erkennen Gottes wesensgleich ist.« (65) Im Seelenfünklein sei der Ort der höchsten menschlichen Vernunft, wo der Mensch wesensgleich mit Gott sei. Es gelte also: »Die Vernunft, das Erkennen, ist das Instrument der Vereinigung mit der Gottheit.« (66)
Zur Gottheit könne der Mensch also aufgrund seines Seelenfünk­leins kommen, weil er im Seelenfünklein ein Zentrum besäße, »das mit der Gottheit wesensgleich, nämlich univok Intellekt ist« (122). Sich auf Alois M. Haas berufend, versteht J. das Seelenfünklein »streng genommen« jedoch nicht mehr als Ort der Seele, sondern es sei »der Übergang« zwischen Geschaffenem und Ungeschaffenem. Dieses Fünklein sei der »Ort in der Seele, der zum Nicht-Ort eines unendlichen Lichtes wird, das von oben in die Seele einstrahlt. Das gleiche muss vom Intellekt gelten« (118, Anm. 278). Generell gesehen hat J. eine nützliche Einführung in das verfasst, was er »Meister Eckharts philosophische Mystik« nennt. Der aktuelle Diskurs über die Eckhartsche Metaphysik wird aber nur teilweise angesprochen.