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Ausgabe: | Dezember/2011 |
Spalte: | 1345-1347 |
Kategorie: | Christliche Kunst und Literatur |
Autor/Hrsg.: | Löwner, Gudrun |
Titel/Untertitel: | Christliche Themen in der indischen Kunst. Von der Mogulzeit bis heute. |
Verlag: | Frankfurt a. M.: Lembeck 2009. 217 S. m. zahlr. Abb. gr.8° = Christliche Kunst weltweit, 3. Kart. EUR 22,00. ISBN 978-3-87476-593-0. |
Rezensent: | Friedrich Huber |
Als Band 3 der Reihe »Christliche Kunst weltweit« (hrsg. von Martin Ott und Theo Sundermeier) stellt Gudrun Löwner die christliche Kunst in Indien dar. Nach knappen Bemerkungen über den indischen kulturellen Kontext und die Geschichte des Christentums in Indien behandelt sie in drei großen Blöcken zunächst die auf Anregung der Mogulherrscher im 16. und 17. Jh. entstandenen Bilder mit christlichen Themen, dann (in Kapitel V–VII) christliche Kunst von nichtchristlichen Künstlern und schließlich (Kapitel VIII) christliche Künstler. In den beiden abschließenden Kapiteln wird die Gestaltung eines Themas (Jesus und die Samariterin am Jakobsbrunnen) durch drei verschiedene Künstler gezeigt (Kapitel IX) und ein interessanter Einblick in christliche Volkskunst (Kapitel X) gegeben.
Zu Recht weist L. auf die erstaunliche Tatsache hin, dass sich in Indien eine große Zahl nichtchristlicher Künstler mit christlichen Themen beschäftigt hat, und dies, obwohl die Christen in diesem Land eine verhältnismäßig kleine Minderheit (ca. 2,5 % der Gesamtbevölkerung) darstellen. Zu diesen nichtchristlichen Künstlern zählen eigentlich auch die Maler der bengalischen Renaissance und Jamini Roy und im Grunde genommen auch die namentlich nicht bekannten Maler am Hof der Mogulherrscher, so dass diese, denen jetzt eigene Kapitel gewidmet sind, ebenfalls in Kapitel VII (»Die nicht christlichen Künstler«) hätten aufgenommen werden können.
Lässt der Titel des Buches eine querschnitthafte Behandlung einzelner Themen in ihrer Bearbeitung durch verschiedene Künstler erwarten, so entscheidet sich L. doch für eine biographisch-chronologische Anordnung des Stoffes, indem sie die einzelnen Künstler nacheinander vorstellt. Das hat den Vorteil, dass sie der Darstellung des Lebensganges der Künstler, der zum Verständnis ihrer Werke oft aufschlussreich ist, größeren Raum bieten kann.
Die übergreifende Fragestellung, unter der L. die Kunstwerke – bei denen es sich fast ausschließlich um Bilder, nur selten um Plastiken handelt – betrachtet und gelegentlich auch beurteilt, ist die nach der in den Kunstwerken sichtbar werdende Inkulturation des christlichen Glaubens in den jeweiligen kulturellen, religiösen und sozialen Kontext. Dabei wird eine große Vielfalt von Stilen, Darstellungsformen und Aussageintentionen sichtbar. Schon in der Mogulmalerei wird das biblische Geschehen durch Kleidung, Ausstattung und Umgebung in den indischen Kontext versetzt, gelegentlich auch eigenständig interpretiert. So sind in dem Weih-nachtsbild (Abb. 10) die Angehörigen der verschiedenen Nationen in der Anbetung vereinigt (vgl. die Interpretation auf S. 46). Man könnte überlegen, ob die Mogulkünstler hier das zum Ausdruck bringen wollen, was in der biblischen Weihnachtsgeschichte durch das Kommen der Weisen aus dem Morgenland gesagt werden soll. Die verschiedensten künstlerischen Gestaltungen und Ausdeutungen hat besonders die Gestalt Jesu erfahren. Immer wieder wird er als der exemplarisch Leidende, der Repräsentant der Unterdrückten, gezeichnet. So schon von den Malern der bengalischen Renais sance am Ende des 19. und Anfang des 20. Jh.s (vgl. Abb.16), aber auch von späteren Künstlern (z. B. das Bild von K. C. S. Paniker, Abb. 25). Andere Künstler hingegen – vielleicht unter dem Einfluss des Buddhabildes – sehen in Jesus den überlegen in sich selbst Ruhenden, dessen Friede von keinem Leid erschüttert werden kann (vgl. z. B. Abb. 38 und 39). Jyoti Sahi hat die Passionsgeschichte unter Verwendung hinduistischer Symbole gemalt. Besonderes Gewicht gibt L. dem Werk des hinduistischen Malers Jamini Roy (61–70), der sich in seinem Stil an die stark plakative, mit wenigen Farben arbeitende bengalische Dorfmalerei anschließt. Das Bild Christi nähert sich dabei dem mancher hinduistischer Götter – wie etwa des Jaganath von Puri – an, die absichtlich einfach und ohne detaillierte Ausführung gestaltet sind. Natürlich war nicht nur die Gestalt Jesu Thema indischen Kunstschaffens. Große Bedeutung hat auch Maria. Der wohl bekannteste lebende indische Maler, der Muslim M. F. Husain, war besonders von Mutter Teresa beeindruckt und hat sie mehrfach dargestellt, ihr Gesicht jedoch unausgeführt gelassen.
Mit diesen Bemerkungen kann die Fülle der Aspekte, die in L.s Buch zur Sprache kommen, natürlich nur angedeutet werden. L. hat dabei nicht nur das an anderer Stelle verstreut Gebotene zusammengetragen, sondern auch neues Material in Museen, Ausstellungen, Katalogen und bei Privatpersonen ausfindig gemacht und so einen höchst anschaulichen und aufschlussreichen Überblick gegeben. Bereichert wird der Band durch 65 Abbildungen, die jeweils kurz interpretiert werden. Wünschenswert – aber wohl auch aus Kostengründen schwer realisierbar – wäre hier eine Erweiterung, da die Bildbeschreibung natürlich nur einen annähernden Eindruck von dem Bild vermitteln kann (vgl. z. B. die Beschreibung des Abendmahlsbildes von Ramachandran (83/84). Aber auch in der jetzigen Form bietet der Band einen vorzüglichen Überblick über die Behandlung christlicher Themen in der indischen Kunst.