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Ausgabe:

Januar/1996

Spalte:

15–17

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bonanate, Ugo

Titel/Untertitel:

Bibbia e Corano. I teti sacri confrontati.

Verlag:

Torino: Bollati Boringhieri 1995. 265 S. 8o = Nuova Cultura, 45. ISBN 88-339-0891-7.

Rezensent:

Peter Antes

Das vorliegende Buch des Turiner Philosophiehistorikers will nach seinen eigenen Angaben Leser, die an religiösen Fragen interessiert sind, anhand von Textauszügen in Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der Bibel und dem Koran einführen (9). Dafür sind die Texte als solche sprechend genug, auf historische Zusammenhänge sowie die Auslegungstraditionen will nach dem Vorwort der Autor deshalb nicht eingehen, weil auch die Gläubigen selbst die Texte unmittelbar benutzen und in ihrem glaubensmäßigen Umgang damit auf die gelehrten Studien keine Rücksicht nehmen.

Aufgrund dieser Ausgangslage ist es merkwürdig, wenngleich sehr lobenswert, daß die Einleitung (15 ff.) die Textgeschichte erzählt, indem nicht nur die einzelnen Büchergruppen des Tenach (d.i. die hebräische Bibel, definiert nach den Textgruppen Torah, Propheten und restliche Schriften) vorgestellt werden, sondern auch innerhalb der Torah von jahwistischen und elohistischen Textstücken die Rede ist, die sicherlich den "normalen" Gläubigen nicht in dieser Form geläufig oder präsent sind.

Gleiches gilt für die Einführung in die ntl. Schriften und ihre Datierung in Anlehnung an die Bultmann-Schule sowie bezüglich der Textgeschichte des Koran mit deutlicher Unterscheidung zwischen den mekkanischen und den medinensischen Suren, wodurch der Vf. zu erkennen gibt, daß er weit mehr über die Entstehungsgeschichte und den gegenwärtigen Stand der Forschung weiß, als er eigentlich nach seinem eigenen Vorwort in dieser Hinführung zu Judentum, Christentum und Islam anhand der jeweils heiligen Texte mitzuteilen geneigt ist.

Im ersten thematischen Kapitel "In excelsis" (42 ff.) werden zunächst unter dem Stichwort "der Anfang" die einschlägigen Texte aus Bibel und Koran zur Erschaffung der Welt und des Menschen zitiert, wobei zutreffend darauf hingewiesen wird, daß Judentum und Islam um die Sünde von Adam und Eva und den Verlust des Paradieses wissen, daraus aber im Gegensatz zur christlichen Interpretation keine Erbsündenlehre ableiten (49). Der Hinweis S. 48, daß in der Hebräischen Bibel vom Apfelbaum nicht die Rede ist, sich diese erst in der lateinischen Tradition findet, ist korrekt, doch liegt der Grund m.W. nicht in "pomum", sondern in dem Wortspiel "malum a malo" (das Übel [kommt] vom Apfelbaum). Auf den "Anfang" folgen dann gut ausgewählte Texte zum einen Gott (50 ff.), dem allmächtigen, gerechten und guten, der sich menschlicher Erkenntnis entzieht und den Menschen seine Weisungen gegeben hat.

Im zweiten Kapitel (82 ff.) geht es um den Bund mit Gott und die dafür wichtigen Menschen: Abraham, Moses, Jesus und Mohammed, die aus islamischer Sicht alle "Gesandte" Gottes sind. Das dritte Kapitel (119 ff.) behandelt die drei Gesetze, wobei Paulus als Wendepunkt für ein neues Gesetzesverständnis angeführt wird, das den Bruch mit dem Judentum einleitet und die Beschneidung spiritualisiert. Mit Blick auf den alten Bund ist vom auserwählten Volk die Rede, hinsichtlich der koranischen Version wird nun die Hinwendung im Gebet (wie auch sonst in der medinensischen Zeit) nach Mekka betont. Im vierten Kapitel, das von den Pflichten der Gläubigen redet (160 ff.), wird über das ius talionis gesprochen, das Verhältnis von Mann und Frau angesprochen, des weiteren werden Reinheit und Unreinheit thematisiert, die Vorschriften bezüglich der christlichen Familie und die Anweisungen für islamisch geschlossene Ehen an Textzitaten deutlich. Das fünfte Kapitel (198 ff.) widmet sich noch einmal den göttlichen Anweisungen hinsichtlich der Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft; das sechste und letzte Kapitel (229 ff) erläutert anhand entsprechender Textstellen die Vorstellungen von der Auferstehung, vom Tage des Gerichts und dem neuen Himmel und der neuen Erde. Ein kurzer Text aus Boccaccios Decameron (I, 3, 10-16) schließt das Buch als Epilog ab, gefolgt von einer kleinen Bibliographie zu den im Buch behandelten Themen aus allen drei Religionen.

Abschließend kann festgestellt werden, daß das Buch einen sehr guten Kenner der Materie zum Vf. hat, der mit Bedacht, Einfühlungsvermögen und großer Sachkenntnis die Zitate ausgewählt und so eine sehr gute thematische Einführung in Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen diesen drei Religionen geboten hat.