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Ausgabe:

Dezember/2011

Spalte:

1303-1305

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

[Emerton, John]

Titel/Untertitel:

Genesis, Isaiah and Psalms. A Festschrift to honour Professor John Emerton for his eightieth birthday. Ed. by K. J. Dell, G. Davies, Y. von Koh.

Verlag:

Leiden-Boston: Brill 2010. XX, 261 S. m. 1 Porträt u. 1 Abb. gr.8° = Supplements to Vetus Testamentum, 135. Lw. EUR 103,00. ISBN 978-90-04-18231-8.

Rezensent:

Evangelia G. Dafni

Bei diesem Band handelt es sich um eine Sammlung von Vorträgen, die auf einem eintägigen Symposium zu Ehren des 80. Geburtstags von John A. Emerton, eines der führenden Hebraisten und Bibelwissenschaftler unserer Zeit, in St John’s College am 5. Juni 2008 in Cambridge gehalten wurden und im Bereich der Exegese, Religions- und Forschungsgeschichte der Bücher Genesis, Jesaja und Psalter angesiedelt sind.
In den letzten Jahren ist die Arbeit an diesen Textcorpora vor allem aus der Perspektive der Übersetzungskritik und -geschichte der Hebräischen Bibel ins Griechische wieder intensiv aufgenommen und vorangetrieben worden. Hier aber werden deutliche er­zähltheoretische Pointen gesetzt, die sowohl auf antike als auch auf moderne Literatur im Vergleich zum Alten Testament bezogen sind.
Der 1. Teil der Festschrift ist dem Buch Genesis gewidmet.
Arie van der Kooijs Beitrag (The Story of Paradise in the Light of Mesopotamian Culture and Literature; 3–22) ist als eine Art Einleitung der Festschrift vorangestellt. Der Vf. konzentriert sich auf die Paradieserzählung und will anhand des Adapa-Mythos und des Gilgamesch-Epos dem Leser den Schlüssel für die Antwort auf die Frage in die Hand geben, wie die mesopotamische Kultur und Literatur uns helfen, bestimmte alttestamentliche Erzählelemente wie das göttliche Verbot im Garten Eden im Zusammenhang mit dem Motiv des ewigen Lebens besser zu verstehen.
Terry Fenton (Nimrod’s Cities: An Item from the Rolling Corpus; 23–43) wirft die Frage nach der neuen Konzeptualisierung (statt polemischer Entmythologisierung) der mesopotamischen Gottheit Ninurta in der jahwistischen Nimrod-Erzählung (Gen 10,8–12) auf, worauf K. van der Toorn bereits aufmerksam gemacht hat. Er meint, dass die biblische Erzählung Erkenntnisse von babylonisch-assyrischen Gegebenheiten reflektiere, zugleich aber wichtige Tradierungsfehler und/oder imaginative Erfindungen aufweise. Wichtige chronologische Implikationen des 9. und 8. Jh.s v. Chr. werden dabei in Betracht gezogen.
Ina Willi-Plein (Power or Inheritance: A Constructive Comparison of Genesis 16 and Genesis 21; 33–43) untersucht Gen 16 (J) und Gen 21,33–43 (E) aufgrund der Bezeichnungen המא, החפש und הריבג. Sie argumentiert, dass die beiden auf Ismael und Hagar bezogenen Erzählungen zum gleichen traditionsgeschichtlichen Komplex gehören. Gen 21,33–43 stelle aber eine gründliche sozialpolitisch bedingte Re-Lektüre von Gen 16,1–2. 4–9.11–15 mit verändertem Fokus dar. Denn in Gen 16 steht der Erstgeborene im Mittelpunkt, während dieser in Gen 21 sich einem anderen Sohn desselben Vaters entgegenstellt.
Auf A. Alts Theorie, dass die Patriarchenerzählungen Züge der frühen nomadischen religiösen Tradition aufweisen, nimmt John F. Healey (The Nabataean »God of the Fathers«; 45–57) Bezug und versucht, die Relevanz der nabatäischen Texte für die Rekonstruktion des spätisraelitischen Selbstverständnisses aufzuzeigen und zu plausibilisieren.
Graham Davies (The Transition from Genesis to Exodus; 59–78) befasst sich mit der narrativen Kontinuität des nicht-priesterschriftlichen Stoffes in Genesis und Exodus. S. E. gibt es viele Indizien für einen Doppelstrang insbesondere zwischen Gen 50 und Ex 1, der Auszüge enthält, die einmal zwei verschiedene ältere Versionen der Ursprünge Israels darstellten (JE).
Der Beitrag von Bertil Albrektson (Novelists as Interpreters of Genesis; 79–92) gewährt mit Gen 16 und 21 Einblick in ein Forschungsfeld, von dem eine fruchtbare Bereicherung unserer Kenntnis der Art und Weise zu erwarten ist, wie moderne Novellen – unabhängig von den ideologischen Überzeugungen der Novellisten – als exegetische Instrumente dienen können bzw. wie Kunst als Mittel der Interpretation in der Bibelwissenschaft eingesetzt werden kann.
Die Beiträge des 2. Teils konzentrieren sich auf exegetische Fragen zum Jesajabuch in seiner hebräischen und griechischen Form.
Menahem Haran (Isaiah as a Prophet to Samaria and his Memoirs; 95–103) wendet sich dem Ausdruck dieses Volk in Jes 6, 7,1–17 und 8,1–18 zu. Er nimmt einen größeren historischen Abstand zwischen schriftlicher Festlegung und Sammlungsphasen der Weissagungen Jesajas im Vergleich zu den anderen alttestamentlichen Schriftpropheten an und meint, dass die Memoiren kleine Überbleibsel der prophetischen Wirkung gewesen seien, die u. a. die späteren Sammler der Prophetenworte erreicht haben.
Alan Millard (»Take a Large Writing Tablet and Write on it«: Isaiah – A Writ­ing Prophet?; 105–118) versucht die Frage zu beleuchten, ob Jesaja ein Schriftprophet war bzw. ob er Schreiberfähigkeiten besaß. Dafür zieht er alt­-orientalisches und altägyptisches Vergleichsmaterial heran und setzt sich mit K. van der Toorns Thesen (Scribal Culture and the Making of the Hebrew Bible, 2007) auseinander.
Katharine J. Dell (The Suffering Servant of Deutero-Isaiah: Jeremiah Revisited; 119–134) bietet einen forschungsgeschichtlichen Überblick und untersucht Passagen mit großen sprachlichen Übereinstimmungen zwischen Deuterojesaja und Jeremia sowie mögliche Bezüge zum Leben und Denken Je­re­mias. Im Anschluss an F. A. Farley verteidigt sie die Ansicht, dass die Redaktoren oder die prophetischen Nachfolger Jesajas die historische Figur Jeremias im Sinne hatten, als sie Deuterojesaja gestalteten.
Joachim Schaper (God and the Gods: Pagan Deities and Religious Concepts in the Old Greek of Isaiah; 135–152) untersucht als Beispiele höchst interpretativer und aktualisierender Übersetzung die Wiedergaben von רחש־ןב לליה durch ἑωσφόρος ὁ πρωὶ ἀνατέλλων (Jes 14,12) sowie von דג und ינמ durch Δαίμων und Τύχη (Jes 65,11). Dabei wurden die hebräischen Vokabeln durch allgemein bekannte pagane Gottheiten ersetzt – mit dem Ziel, diese Gottheiten als wertlos für den jüdischen Kult zu stigmatisieren.
Knud Jeppesen (Frants Buhl as an Old Testament Scholar: The Isaiah Commentary in Danish; 153–162) präsentiert anhand von ausgewählten Beispielen a) die Würdigung der Urkundenhypothese, b) die Rekonstruktion der Geschichte Israels und c) die Argumentationsmethode in der ersten und zweiten Edition des Jesaja-Kommentars von Frants Buhl, einem bedeutenden dänischen Alttestamentler und Altorientalisten. Er betont, dass Buhl in den Gottesknechtsliedern den Höhepunkt des Alten Testaments und die Brücke zwischen Altem und Neuen Testament gesehen hat – und damit seinen ganz persönlichen Grund, seine Forschung auf dem Gebiet des Alten Testaments fortzusetzen.
Im 3. Teil werden Themen aus der Psalterforschung diskutiert.
Antony Gelston (Editorial Arrangement in Book IV of the Psalter; 165–176) betrachtet vorhandene thematische und sprachliche Übereinstimmungen auf der Kleingruppenebene als Grund für die heutige vorsichtige Anordnung von Ps 90–106 und findet, dass auf der Makroebene eine Reihe von editorischen Ergänzungen die wichtigste Rolle zum Wachstum des Psalterbuchs gespielt haben.
Yee von Koh (G. H. Wilson’s Theories on the Organization of the Masoretic Psalter; 177–192) bespricht Fragen der Rezeption und Hermeneutik in Wilsons Model der Psalmeninterpretation.
Stefan C. Reif (Psalm 93: An Historical and Comparative Survey of its Jewish Interpretations; 193–214) versucht, das Bindeglied zwischen mittelalterlicher jüdischer und moderner kritischer Analyse von ausgewählten Versen aus der Hebräischen Bibel und ihre Rezeption im Talmud in kleineren nachtalmudischen Traktaten, in den Midraschim, im Gottesdienst und in mittelalterlichen Kommentaren (Raschi, Ibn Esra, Qimchi, Me’iri) herauszufinden.
Patrick D. Miller (Gregory of Nyssa: The Superscriptions of the Psalms; 215–230) vergleicht das Anliegen Gregors von Nyssa, welches seines Erachtens repräsentativ für eine spirituelle, mystische Bewegung der christlichen Leser ist, mit Wilsons literarischem und theologischem Herangehen an die Psalmen.
Rudolf Smend (Wellhausen on the Psalms; 231–246) geht von einem Artikel des amerikanischen Sunday Journals von 1898 aus und erklärt aufgrund von zeitgeschichtlichen Zeugnissen, wie durch diesen Artikel der Öffentlichkeit ein ganz verstümmeltes Bild von Wellhausens tatsächlicher Leistung im Bereich der Textkritik und Übersetzung von Psalmentexten ins Englische vermittelt wurde.
Die Autoren haben bewusst auf eine vollständige Problemdarstellung, Auseinandersetzung und Wertung heutiger theologisch-exegetischer Ansätze verzichtet. Anerkennenswert ist aber ihr Bemühen, ausgewählte, nicht unbedingt repräsentative Einzelthemen herauszugreifen, um bemerkenswerte überlieferungs-, traditions-, redaktions- und forschungsgeschichtliche sowie übersetzungskritische Zugänge zu Genesis, Jesaja und den Psalmen zu gewinnen. Die vielen anregenden Beobachtungen dieser Festschrift sind sehr lesenswert und könnten auch zu erzähltheoretischen und kulturwissenschaftlichen Zwecken von großem Nutzen sein.