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Ausgabe:

Dezember/2011

Spalte:

1299-1301

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hiebert, Robert J. V. [Ed.]

Titel/Untertitel:

»Translation is Required«. The Septuagint in Retrospect and Prospect. Ed. with the assistance of colleagues in the Septuagint Institute, Trinity Western University.

Verlag:

Atlanta: Society of Biblical Literature 2010. XVII, 248 S. 8° = Septuagint and Cognate Studies, 56. Kart. US$ 31,95. ISBN 978-1-58983-523-8.

Rezensent:

Felix Albrecht

Der Sammelband geht auf die internationale Tagung »Septuagint Translation(s): Retrospect and Prospect« zurück, die im September 2008 am »Septuagint Institute« der Trinity Western University (Langley, Kanada) abgehalten wurde. Bandherausgeber ist der In­stitutsdirektor Robert J. V. Hiebert. Alle Beiträge sind auf Englisch verfasst.
Die insgesamt 13 Konferenzbeiträge decken ein mehr oder minder breites Spektrum der gegenwärtigen LXX-Forschung ab und beschäftigen sich nicht nur mit den historischen und modernen Übersetzungen der LXX, sondern nicht zuletzt auch mit dem Cha­-rakter der LXX als Übersetzung: A. Pietersma und B. Wright III be­handeln die »New English Translation of the Septuagint« (NETS), C. Boyd-Taylor und J. Joosten präsentieren Untersuchungen zur Übersetzungstechnik. Es folgen Einzelstudien zum Pentateuch von R. J. V. Hiebert (Gen), L. Perkins (Ex), D. Büchner (Lev) und M. K. H. Peters (Dtn) sowie zum Hiobbuch von A. Konkel. Drei weitere Beiträge sind wirkungsgeschichtlich orientiert: L. Greenspoon be­handelt die LXX als erste (jüdische) Bibelübersetzung, W. Kraus exemplarisch die Rezeption der LXX im Neuen Testament und A. Salvesen die Tochterübersetzungen der LXX. Der abschließende Beitrag von B. A. Butcher beschreibt den Wert der NETS aus orthodoxer Perspektive. Ein Anhang (231–248) enthält die einleitenden Referate zu den Panel-Diskussionen der Konferenz, die sich mit den modernen LXX-Übersetzungen NETS (A. Pietersma, B. Wright III), Bible d’Alexandrie (J. Joosten) und LXX.D (W. Kraus) befassen. Kurze Schlaglichter auf die Beiträge zum Pentateuch und zur Rezeptionsgeschichte sollen im Folgenden einen kleinen Einblick in den Band gewähren:
Robert J. V. Hiebert betont mit seinem Artikel »Ruminations on Translating the Septuagint of Genesis in the Light of the NETS Project« (71–86) die Vorzüge seiner NETS-Übersetzung von Gen im Vergleich mit der Übersetzung S. Brayfords (Genesis, Septuagint Commentary Series, 2007) und wiederholt dabei ausführlich seine bereits an anderer Stelle vorgetragene Kritik an B. (BIOSCS 41, 2008, 122–25).
Larry Perkins, »›Glory‹ in Greek Exodus: Lexical Choice in Translation and Its Reflection in Secondary Translations« (87–106), untersucht das signifikante Wortfeld δόξα κτλ. in Ex LXX mit dem Ergebnis, dass dies im Exodusbuch überwiegend auf Jahwe bezogen sei (102 f.).
Dirk Büchner liefert mit »Some Reflections on Writing a Commentary on the Septuagint of Leviticus« (107–117) einen soliden Beitrag mit wertvollen Bemerkungen zur Grammatik und Syntax sowie zum technischen Vokabular im griechischen Pentateuch.
Melvin K. H. Peters, »Translating a Translation: Some Final Reflections on the Production of the New English Translation of Greek Deuteronomy« (119–34), kritisiert B. M. Levinsons Sichtweise, dass im Dtn der MT in vielem der LXX vorzuziehen sei (126–132). Grundsätzlich werde in der gesamten Wissenschaft der MT überbewertet (132). Sich selbst versteht P. als ›secular Septuagintalist‹ »without an expressed theological agenda« (133), demgegenüber stünden die jüdischen und christlichen Forscher, von denen es etwas überpointiert heißt: »Both types of Septuagint theists jointly support monotheism and Israelite exceptionalism« (133).
Leonard Greenspoon, »At the Beginning: The Septuagint as a Jewish Bible Translation« (159–169), geht der Frage nach den Ursprüngen der Übersetzung des hebräischen Pentateuch ins Griechische nach. Er diskutiert die einzelnen Forschungspositionen – liturgische (Thackeray), pädagogische (Pietersma) oder juridische (Modrzejewski) Motivation bzw. das Streben nach Akkulturation (Honigman, van der Meer) – und gelangt im Vergleich mit modernen jüdischen Bibelübersetzungen und deren Beweggründen zu der Annahme, dass diese in soziokultureller Hinsicht mit den Umständen der LXX-Übersetzung vergleichbar und die LXX-Übersetzungen im ptolemäischen Alexandria analog dazu nicht monokausal abzuleiten sein dürften: Auch wenn G. den liturgischen Ansatz favorisiert, nimmt er zugleich an: »It may well be that the Greek Bible originated in several contexts (school/court of law/royal court/ court of popular opinion/synagogue), answering to different needs of the community« (168).
Wolfgang Kraus, »The Role of the Septuagint in the New Testament: Amos 9:11–12 as a Test Case« (171–90), geht der komplexen und wichtigen Frage nach der Rolle der LXX im Neuen Testament nach, wobei K. dem Leser die entscheidende Antwort schuldig bleibt. Wer eine Antwort sucht, wird diese in dem fulminanten Beitrag R. Hanharts aus dem Jahr 1984 finden, den K. unerwähnt lässt (R. Hanhart, Die Bedeutung der Septuaginta in neutestamentlicher Zeit, ZThK 81, 395–416). Zu Am 9,11 f. und seiner Aufnahme in Apg 15,16 f. bietet K. gelehrte und lesenswerte Einzelbeobachtungen. Im Ergebnis wird die Komplexität der Fragestellung konstatiert und die allgemeine Bedeutung der LXX hervorgehoben: »The study of the Septuagint adds an aspect to our reading of the Bible that would otherwise be missing« (189).
Alison Salvesen, »A Well-Watered Garden (Isaiah 58:11): Investigating the Influence of the Septuagint« (191–208), liefert einen exzellenten Überblick zu den Tochterversionen der LXX, bei dem einzig und allein die für die LXX-Forschung bedeutsamen koptischen Versionen verhältnismäßig zu kurz kommen (man vergleiche nur die schon von A. Rahlfs herausgestellte Bedeutung des Koptischen für die Psalterüberlieferung), während die randständige georgische Überlieferung umfassende Berücksichtigung findet. Da die georgische Überlieferung keine direkte Tochter der griechischen, sondern vielmehr von der armenischen abhängig ist, wird das Georgische in seiner Bedeutung für die LXX von S. schlicht überschätzt.
Die einzelnen Beiträge sind von disparater Qualität. Die ausgezeichneten Artikel etwa von Jan Joosten, Leonard Greenspoon und Alison Salvesen sorgen jedoch für ein insgesamt hohes Niveau. Damit legt Robert J. V. Hiebert einen gelungenen Band vor, der angesichts des moderaten Preises nicht nur die speziell an der Septuagintaforschung Interessierten ansprechen dürfte.