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Ausgabe:

Dezember/2011

Spalte:

1296-1297

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bons, Eberhard [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Der eine Gott und die fremden Kulte. Exklusive und inklusive Tendenzen in den biblischen Gottesvorstellungen. M. Beiträgen v. E. Bons, E. Eynikel, W. Kahl, D. Gerber, J. K. Zangenberg, K. Piepenbrink u. E. Prinzivalli.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2009. XI, 256 S. 8° = Biblisch-Theolo­gische Studien, 102. Kart. EUR 22,90. ISBN 978-3-7887-2364-4.

Rezensent:

Reinhard Feldmeier

Das in den letzten Jahrzehnten vielfach diskutierte Problem des biblischen Monotheismus wird hier im Blick auf die Mitwelt und deren religiöse Prägung behandelt. Schon im Blick auf das Alte Testament fragt es sich: Können die ›Heiden‹ am YHWH-Kult teilnehmen? Sollen sie das überhaupt? Ist das Verhältnis zu anderen Kulten notwendig von Intoleranz geprägt? Das sind Fragen, die sich dann beim frühen Christentum wiederholen, dem vier der sieben Beiträge gewidmet sind.
Der erste Beitrag des Herausgebers, des Straßburger Alttestamentlers E. Bons, behandelt die Frage, wie fremde Kulte, repräsentiert durch die Götterbilder der Völker, von den Theologen Israels wahrgenommen und beurteilt werden. Anhand von fünf argumentierenden Texten aus den Propheten und den Psalmen zeigt sich dabei, dass sich die vehemente Intoleranz der Texte vor allem nach innen richtet und dass die Machtlosigkeit der Götterbilder die Negativfolie für das Bekenntnis zur Einzigkeit und Einzigartigkeit des Gottes Israels bildet. Dabei wird die Möglichkeit seiner Verehrung auch durch Nichtisraeliten keineswegs ausgeschlossen.
Letzteres wird in dem Beitrag von Erich Eynikel anhand des Buches Jona bestätigt. In diesem als Parabel zu klassifizierenden Buch zeige sich, wie Heiden auch gegen den Willen der durch Jona repräsentierten Israeliten zu YHWH-Gläubigen werden. Das Jo­-nabuch sei somit als »Protestliteratur gegen den rigorosen Ausschluss der Heiden« zu deuten, wobei allerdings von diesen die Umkehr verlangt wird.
Werner Kahl deutet die Areopagrede Apg 17,16–34 als »Mus­ter­beispiel für transenzyklopädische Kompetenz innerhalb der frühchristlichen Verkündigung«, in der Paulus auf monotheistische Anklänge im Bezugssystem der stoischen und epikureischen Philosophie eingeht, um diese für die Überwindung des Polytheismus in Anspruch zu nehmen, ohne sein eigenes Anliegen zu kompromittieren. Wenn Kahl freilich versucht, die Historizität der Rede durch einen Vergleich mit dem 1. Thessalonicher- und dem 1. Korintherbrief aufzuweisen, weil Paulus beide Male einen universell entschränkten Monotheismus vertrete, so ist das doch etwas sehr vergröbernd (so dient etwa 1Kor 8,6 für diesen Monotheismus als dictum probans, ohne dass der vorausgehende V. 5 oder auch 1Kor 10,21 auch nur erwähnt würden).
In einem Beitrag über 1Kor 8,1–11,1 behandelt Daniel Gerber das Problem der christlichen Existenz inmitten einer Umwelt, die in allen Lebensvollzügen religiös begründet wird. Nach Gerber erweist sich Paulus hier flexibel, sofern die »Exklusivität der κοι­-νωνία mit dem Herrn« nicht infrage gestellt wird. Etwas bedauerlich ist, dass das ›Vorzeichen‹ der gesamten Argumentation, die in 1Kor 8,1–3 entfaltete Dialektik von Erkenntnis und Liebe, nicht berücksichtigt wird.
Bedingt durch das gemeinsame Thema der Konversion sind im Folgenden ein judaistischer und ein patristischer Beitrag zusam­mengestellt. Jürgen Zangenberg legt in paraphrasierender Exegese den frühjüdischen Roman Joseph und Aseneth als eine Schrift aus, in welcher es nicht um jüdische Mission gehe, sondern in der die Binnenperspektive dominiere, da sie bei Juden Verständnis für Konvertiten wecken und zugleich Konvertiten in ihrem eingeschlagenen Weg bestärken wolle.
Dagegen analysiert der Beitrag der Historikerin Karen Piepenbrink eines der wenigen Zeugnisse über die Außenwahrnehmung der conversio zum Christentum, den Briefwechsel zwischen den Freunden Paulinus von Nola und Ausonius aus dem ausgehenden 4. Jh., von denen der eine, Paulinus, zu einem asketischen Christentum konvertiert und dies vergeblich gegenüber den Vorwürfen des Ausonius, damit ihre Freundschaft aufzulösen, durch den Verweis auf die übergeordnete Gottesbindung zu rechtfertigen versucht, was letztlich auf die Inkompatibilität zweier Be­zugssysteme – der herkömmlichen sozialen Bin­dungen und der neuen religiösen Orientierung – verweist. Letzteres zeigt auch der abschließende Beitrag von Emanuela Prinzivalli, der nachzeichnet, wie die Christen in der Zeit vom 1. bis zum Beginn des 4. Jh.s aus dem Blickwinkel der Heiden wahrgenommen wurden.
Im Ganzen bietet der Band eine Reihe interessanter Einzelaspekte. Er wird freilich aufgrund der Zufälligkeit der behandelten Themen und einer nicht allzu deutlichen inneren Kohärenz den durch den Titel geweckten Erwartungen nur bedingt gerecht.