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Ausgabe:

Dezember/2011

Spalte:

1287-1288

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Numrich, Paul D. [Ed.]

Titel/Untertitel:

The Boundaries of Knowledge in Buddhism, Christianity, and Science.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2008. 200 S. gr.8° = Religion, Theologie und Naturwissenschaft. Religion, Theology, and Natural Science, 15. Geb. EUR 61,95. ISBN 978-3-525-56987-0.

Rezensent:

Johannes Zachhuber

Das Thema dieses Sammelbandes lässt sich als Schnittpunkt mehrerer Fragestellungen beschreiben: Zunächst handelt es sich um einen Beitrag zu der in den letzten Jahren zunehmend intensivierten Debatte zum Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion. Diese Debatte wird in der Regel in einer von zwei Weisen angegangen: Entweder steht sie unter der ausgesprochenen oder unausgesprochenen Frage, ob es sich bei beiden um kompatible, sich ergänzende, voneinander unabhängige oder sich widersprechende Weltzugänge handelt. Im Hintergrund steht also der immer wieder artikulierte Verdacht, mit zunehmenden wissenschaftlichen Einsichten würde der Religion ihre Berechtigung abhanden kommen. Alternativ dazu lässt der wissenschaftsgeschichtliche Zugang mo­derne Wissenschaft und Christentum als sehr viel enger verbunden erscheinen, sofern Erstere nur als Kind der abendländischen und insofern nolens volens christlichen Kultur überhaupt in ihrer Genese begriffen werden kann. Für beide Herangehensweisen ist es charakteristisch, dass die Pluralität der Religionen eine zu vernachlässigende Rolle spielt. Für Erstere kommt Religion überhaupt nur als generisches Phänomen in den Blick, historische und hermeneu­tische Differenzierungen sind also a priori ausgeschlossen, während Letztere das Verhältnis von Naturwissenschaft und Re­ligion als Unterkapitel der westlichen Geistesgeschichte behandelt.
Hier setzt die Idee des zu besprechenden Bandes an, der den Dual von Religion und Naturwissenschaft zu einer Dreiheit er­weitert, indem ausdrücklich Christentum und Buddhismus nach ihrem jeweiligen Verhältnis zur modernen Naturwissenschaft befragt werden. Natürlich bringt die so aufgeworfene Frage ihrerseits immense methodische und sachliche Probleme hervor. Handelt es sich bei der Dreiheit von Christentum, Buddhismus und Naturwissenschaft um kompatible Größen? Diese Annahme wird zumindest gelegentlich suggeriert, so, wenn der Titel und dann auch der einleitende Beitrag des Herausgebers Paul D. Numrich (»Reality and Knowledge«) alle drei auf die epistemologische Frage nach den Grenzen der Erkenntnis bezieht. Wie immer man Recht und Grenzen einer solchen Frage bewerten mag, sie scheint auf eine Perspektive abzuzielen, nach der wir es hier sozusagen mit drei philosophischen Systemen zu tun haben, die jeweils eine Antwort auf die fundamentale Frage nach Möglichkeit und Grenzen von Wissen geben: »What Buddhists, Christians, and scientists do in the face of moveable boundaries within fixed limits of knowability provides the intrigue of this volume.« (11)
Eine solche Formulierung scheint freilich die westlich-moderne Erfahrung eines Konflikts zwischen Naturwissenschaft und Religion als bereits gelöst vorauszusetzen. Das ist nicht der Fall, wenn man aus dem Dreiklang des Buchthemas die Frage heraushört, ob Christentum oder Buddhismus die besseren Antworten auf die Revolutionierung des Weltbildes durch die Naturwissenschaft anbietet. Dass diese Frage nicht nur hypothetischer Natur ist, zeigt instruktiv der Beitrag von David L. McMahan (»Buddhism and the Epistemic Discourse of Modernity«), der die Rezeption des Bud­dhismus im Westen seit dem 19. Jh. nachzeichnet. Dabei kann er zweierlei deutlich machen: zum einen, wie stark die Faszination der östlichen Religion durch ihre vermeintlich bessere Vereinbarkeit mit der Moderne (und insofern nicht zuletzt der modernen Naturwissenschaft) bedingt wurde; zum anderen jedoch, wie sehr es sich bei diesem Buddhismus um ein seinerseits kulturell kontextualisiertes, »modernisiertes« Phänomen handelt.
Generell lässt sich zweifellos sagen, dass weder Christentum noch Buddhismus (und wohl auch nicht eine abstrakt betrachtete Naturwissenschaft) eine Auffassung von den Grenzen der Erkenntnis haben. Schon dazu, was mit einer solchen Frage gemeint ist, dürften die Ansichten auseinandergehen. Antje Jackelén (»Knowing too much is knowing too little«) entwickelt aus spezifisch christlich-theologischer Sicht einen Gedankengang, der jeglichen Er­kenntniszuwachs in der Spannung zwischen »zu viel« und »zu wenig« Wissen verortet. Erkenntnis ist demnach nur dadurch möglich, dass jederzeit einerseits bislang Unerkanntes ins Gewusste aufgenommen wird, andererseits die Flut von potentiell relevanten Wissensgehalten (das Zuviel) auf ein zu bewältigendes Maß reduziert wird. Hier werden auf hochinteressante Weise »Grenzen« zu Konstitutionsbedingungen jeglicher Erkenntnis etwa im Sinne der platonischen péras. Gleichzeitig ist ein solches Verständnis der Grenzen der Erkenntnis offenbar sehr verschieden von dem, was in einem weiteren theologischen Beitrag Gordon Kaufman unter den Stichworten »mystery and knowing« (129) beschreibt.
Der Band wirft insofern mehr Fragen auf, als er klärt, aber das ist kein Nachteil. Angesichts der hermeneutischen Unterbestimmtheit vieler Diskussionen um Naturwissenschaft und Religion kann es nur gut sein, wenn die Komplexität, ja Heterogenität der Fragestellung selbst erst einmal zu Bewusstsein kommt.