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Ausgabe:

November/2011

Spalte:

1253-1262

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Klaus Unterburger

Titel/Untertitel:

Die Überwindung von Ultramontanismus und Antimodernismus aus dem Geist der tridentinischen Seelsorge.
Die kritische Edition der Tagebücher Papst Johannes XXIII. als Schlüsseldokument für die katholische Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts.

Noch immer scheiden sich fundamentale theologische und kirchenpolitische Optionen in der katholischen Kirche an der Interpretation des II. Vatikanischen Konzils (1962–1965). Hinter Hermeneutiken der Kontinuität und der Diskontinuität verbergen sich fundamentale dogmengeschichtliche Annahmen und kirchliche Idealvorstellungen, deren gegensätzliche Konzilsvorstellungen nur durch valide historische Forschung korrigierbar scheinen.1 Wichtigstes Kriterium für die tieferen Intentionen und den Geist des Konzils wird dabei jene Konzilsidee sein müssen, die Papst Johannes XXIII. (1958–1963) entwickelt und dem Konzil inspirierend vorgegeben hat. Schon aus diesem Grund ist auch das Bild des Konzilspapstes nicht unumstritten geblieben. Neben einer Fülle empathischer und mitunter anekdotischer Erinnerungsliteratur spielen im Streit der Deutungen dieses Papstes drei Interpretamente eine wichtige Rolle, derer sich auf je eigene Weise die differenten Lager bedienen. Alle drei scheinen ein Fundament im Wirken des Roncalli-Papstes zu besitzen und so wird Johannes XXIII. als der Papst des modernisierenden aggiornamento, als der Konservative der Tradition oder als der gutherzig fromme, aber theologisch naive Papst voller Bonhomie beschrieben; dass damit aber weder Angelo Roncalli noch sein Konzil tiefergehend erfasst werden, beweist nunmehr die lückenlose kritische Edition seiner Agenden, Tagebücher und spirituell-autobiographischen Schriften durch die Fondazione per le scienze religiose Giovanni XXIII in Bologna, die Angelo Roncallis Leben von seiner Zeit als Seminarist in Bergamo bis zum Pontifikat begleiten.2 Wer den vielbeschworenen Geist des Konzils zu finden sucht, wird hier suchen müssen.
Dabei ist diese Edition selbst die Frucht eines auf die Konzilszeit zurückgehenden Impulses. Kardinal Giacomo Lercaro (1891–1976, seit 1952–1968 Erzbischof von Bologna) hatte am 23. Februar 1965 im Istituto Luigi Sturzo in Rom einen vielbeachteten Vortrag über »Leitlinien für Forschungsarbeiten zu Johannes XXIII.« gehalten,3 der nicht nur über die Bedeutung dieses Papstes nachdachte, sondern zugleich feststellte, dass, trotz der Arbeit an den Dekreten des Konzils, der Impuls, der von Johannes XXIII. ausgegangen ist, noch nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft worden sei.4 Er sei sogar außerordentlich gefährdet, weshalb mit der historischen Erfassung seiner Persönlichkeit sofort (und nicht erst nach einer späteren Öffnung der vatikanischen Archive) begonnen werden müsse.5 Mit einer in Bezug auf Roncallis Nachfolger durchaus kritischen Stoßrichtung stellte Lercaro in der von Giuseppe Dossetti (1913–1996) für ihn entworfenen Rede6 nicht nur die These von einer grundlegenden, ein neues kirchliches Zeitalter potentiell einleitenden Bedeutung dieses Pontifikats auf, sondern auch, dass diese erst durch historische Erarbeitung offengelegt werden müsse, um die Chance nicht zu verspielen und Papst Johannes dadurch untreu zu werden.7
Dossetti, eine der idealistischen Gründergestalten der italienischen Democrazia Cristiana und als Gegner des Nato-Beitritts Italiens ein innerparteilicher Gegner zum eher pragmatischen Alcide de Gasperri (1881–1954), hatte sich 1951 aus der Politik zurück­ge­zogen und 1956 die Ordensgelübde abgelegt. Er gründete in Bologna ein Studienzentrum, das sich bald Istituto per le scienze religiose nannte und zunächst dem Trienter Konzil widmete, das in die katholischen Reformströmungen des Mittelalters eingebettet wurde und in dem religiöse Impulse zur Überwindung von Ultramontanismus, klerikalem Hierarchismus und Antimodernismus entdeckt wurden. Als Peritus Lercaros beim II. Vatikanum konnte er durch Textentwürfe und Netzwerke Einfluss nehmen; das Institut nahm den Impuls der historischen Erforschung des Konzils und der epochenwendenden Bedeutung Johannes’ XXIII. auf, wobei Giuseppe Alberigo (1926–2007) immer mehr zum Promotor der Arbeiten wurde; 1985 nahm man die Rechtsform einer Stiftung (Fondazione) an. In diesem Kontext ist auch die kritische Edition der Diarien des Konzilspapstes zu sehen, die 1999 durch die Errichtung einer Commissione Nazionale ins Leben gerufen wurde. Sie stützt sich auf den persönlichen Nachlass Johannes’ XXIII., den sein vielfach um die Erinnerung an ihn verdienter Sekretär, Erzbischof Loris Capovilla (geb. 1915) verwaltet,8 mithin auf einen vom Vatikanischen Archiv unabhängigen Überlieferungsstrang. Während der erste, von Alberto Melloni edierte Band die geistlichen Vorsätze, Prüfungen und Aufzeichnungen kritisch ediert, die bislang unter dem Titel Giornale dell’anima bzw. »Geistliches Tagesbuch«9 bekannt waren – deren literarische Form und theologische Bedeutung hat Melloni auch kundig erschlossen10 –, bringen die folgenden neun Bände Roncallis Diarien und Agenden. Sie beginnen mit der Rückkehr nach Bergamo als Sekretär seines Bischofs Giacomo Radini-Tedeschi (1857–1914, seit 1905 Bischof von Bergamo) im Dezember 1905 und enden erst kurz vor dem Tod des Papstes 1963. Bei diesen handelt es sich um tagebuchähnliche Aufzeichnungen zur eigenen Erinnerung, die Begebenheiten und Begegnungen ebenso verzeichnen wie kurze Reflexionen und spirituelle Gedanken. Alle Aufzeichnungen sind von den Bearbeitern, Mitarbeitern der Fondazione, die durch grundlegende historische Arbeiten im Umfeld des II. Vatikanums ausgewiesen sind, historisch kommentiert und durch ein Namenregister erschlossen. Hinzu kommen jeweils eine Einleitung zu jedem Band und orientierende Teileinleitungen zu einzelnen Jahren bzw. Gruppen von Jahren. Es stellt sich die Frage nach der Bedeutung dieser umfänglichen, mit Effizienz, Schnelligkeit und Sorgfalt erarbeiteten Edition, näherhin also, welches Profil die historische Gestalt des Roncalli-Papstes dadurch jenseits aller subjektiver Erinnerungen und überlieferter Anekdoten be­kommt und was dies für die Hermeneutik des von ihm angekündigten und eröffneten Konzils bedeutet.



1. Das tridentinische Seelsorgeideal


Kennzeichnend für das Giornale del anima und auch die Diarien ist die Durchdringung von geistlichen Idealen und von außen auf Roncalli zukommenden Begegnungen und Erfahrungen. Ein Ideal hat ihn dabei seit den ersten Jahren im Seminar in Bergamo11 bestimmt und war für ihn noch in seinen Funktionen als Patriarch von Venedig12 und als Papst13 gültig: Seelsorger sein zu wollen, »guter Hirte« (Joh 10). Bei aller Konstanz des Grundmotivs hat sich diese frühe Leitvorstellung doch durch Erfahrungen und Begegnungen immer mehr konkretisiert und angereichert; die entscheidenden Impulse hat er freilich durch die frühe geistliche Lektüre über die großen heilig- oder seliggesprochenen Reformbischöfe im Gefolge des Konzils von Trient erhalten,14 eine Vorliebe, die Roncalli während seines gesamten Lebens begleitet hat. Große Bischofsgestalten, vor allem Giacomo Radini-Tedeschi von Bergamo, der ihn wohl wie kein anderer Geistlicher geprägt hat,15 wurden in deren Licht gesehen, wie umgekehrt der Bischof seinen Sekretär in dieser Liebe bestärkt hat.16 Besonders in ihm sah Roncalli das tridentinische Ideal auf die veränderten Umstände der Gegenwart appliziert. Seine wohl wichtigsten historischen Vorbilder, die die Tagebücher und Aufzeichnungen wie ein roter Faden durchziehen, sind Carlo Borromeo (1538–1584), Gregorio Barbarigo (1625–1697), Cesare Baronio (1538–1607) und François de Sales (1567–1622), dazu die frühen Jesuitenheiligen. Roncalli orientierte sich hier an uralten Reformforderungen und Idealen für Kleriker, die in der katholischen Reform seit dem Spätmittelalter vertieft und in Trient in den Reformdekreten, mit deren Zentralidee des Bischofs als des guten Hirten seiner Diözese, promulgiert wurden. 17 Zu­gleich werden aber diese Dekrete in einer gewissen konkreten Auslegung, in ihrer Umsetzung durch beispielhafte Seelsorger und Heilige rezipiert. Besonders der Mailänder Erzbischof Carlo Borromeo wurde früh zum Musterbischof der tridentinischen Reform stilisiert.18
Roncalli wird dessen Verehrung mit den meisten Priestern seiner lombardischen Heimat geteilt haben.19 Im Kontext des 300. Todestags begann er mit der Edition der Visitationsakten des Metropoliten in der Diözese Bergamo, eine Aufgabe, die ihn Jahrzehnte begleiten wird.20 1909 schreibt er über ihn, mit dem er seit Kindestagen in einem äußerst vertrautem Verhältnis stehe, dass der religiöse Geist, der ihn beseelt habe und der hinter allen Reformmaßnahmen stehe, seine eigentliche Aktualität ausmache.21 Das Trienter Konzil, ständiger Bezugspunkt für Carlo, konnte so für Roncalli nicht durch mechanisch-juridische Applikation der Dekrete, sondern durch die Ausstrahlung eines religiösen Geis­tes und durch situationsgerechte Adaption Aufbruch für ein »Neues Pfingsten« werden.22 So sah er – abweichend vom üblichen Bild – in Borromeo die Würde eines Bischofs und Seelsorgers er­strahlen, der mehr vom religiösen Geist der Milde geprägt war als von rigoristischer Askese.23 Noch als Papst wird Roncalli in seinen Diarien auch in den Lebensdaten eine vollkommene Koinzidenz zwischen sich selbst und San Carlo konstatieren.24 Neben diesem war Gregorio Barbarigo einer jener Heiliger, die Roncalli am nächsten waren.25 Dessen Heiligsprechung hatte er selbst gewünscht26 und vollzogen.27 Barbarigo hatte den tridentinischen Geist des Mailänder Erzbischofs Jahrzehnte später durch Reformen in Roncallis Heimatdiözese Bergamo eingeführt.28 Auch in ihm sah er den Hirten, der sich nicht schonte für das Heil seiner Untertanen; Barbarigo, der lieber Seelsorger als päpstlicher Gesandter sein wollte und noch in Rom als Kardinal Kinderkatechese erteilte,29 war ihm be­sonders in Venedig nahe, wo er ihn den Priesterkandidaten als Vorbild im Apostolat vor Augen stellte.30 Außer von Borromeo und den tridentinischen Idealen von Visitation und Klerikerbildung war Barbarigo auch von einem weiteren großen tridentinischen Re­formbischof inspiriert, dessen Werke und dessen Milde dem jungen venezianischen Patriziersohn beim Münsteraner Friedenskongress von Nuntius Fabio Chigi (1588–1667, Papst Alexander VII. seit 1655) empfohlen worden waren: Franz von Sales (1567–1622).31 Dessen Spiritualität prägte Roncalli besonders,32 gerade was Seelsorge und Seelenführung, Sensibilität und Milde anging.33 Seine spirituellen Werke stellen das Sichfügen in Gottes Willen in den Mittelpunkt, aus dem der Seele Frieden erwachse.34 Zusammengefasst findet sich dies im bischöflichen Wahlspruch Roncallis Oboedientia et pax, den er mit dem Oratorianer und tridentinischen Reformkardinal Ce­sare Baronio (1538–1607) teilte,35 den er in einem auch im Druck erschienenen Festvortrag zu dessen 300. Sterbetag 1907 gewürdigt hat36 und der ihm auch als Kirchenhistoriker nahestand.37
Gerade wenn man bedenkt, dass die historischen Studien Roncallis zur katholischen Erneuerung im 16. und 17. Jh., die der Kirche ein »neues Pfingsten« gebracht hätten,38 immer auch dazu dienten, ein Vorbild für die Seelsorge der Gegenwart zu gewinnen,39 kommt den Resultaten einiges Gewicht zu. So lassen sich an jenen Idealgestalten einer tridentinischen Seelsorge jene methodischen und spirituellen Grundsätze herausarbeiten, denen er selbst zu folgen wünscht und die er später der Kirche auferlegen möchte. Dabei stand das Trienter Konzil mit seinem Idealbild eines Seelsorgers selbst im Strom einer breiten spätmittelalterlichen Reformbewegung, die vom Priester neben seiner sakramental-kultischen Wirksamkeit immer mehr aktive Predigt und Verkündigung erwartete mit dem Ziel, die Gläubigen zu einer bewussten und eigenständigen Glaubensüberzeugung zu bewegen. In diesem Sinne rezipierte Roncalli die Instrumente der Trienter Erneuerung, die bereits ein Carlo Borromeo unermüdlich angewandt hatte, Synode und Visitation, Seminar, Katechese und Predigt. Strenge gegen sich selbst, Sensibilität und Milde gegenüber den Adressaten der Seelsorge waren nicht nur die Grundsätze Roncallis selbst, er fand sie bereits in den Visitationsakten des Mailänder Erzbischofs in seiner Heimatdiözese Bergamo, die er edierte und erforschte. Tridentinische, gegenwartssensible Pastoral bedeutete auch eine synodale Einbindung des Klerus, eine spirituelle und theologische Erziehung und Bildung, die den gestiegenen Erwartungen und Anforderungen der Gegenwart gerecht werden konnte, und schließlich ganz besonders die Fähigkeit, zwischen Fragen des Glaubens und Fragen der Kultur, zwischen Wesentlichem und Zeitbedingtem, unterscheiden und so das Evangelium in die Gegenwart übersetzen zu können, ohne unnötige antimoderne kulturelle Abwehrkämpfe zu führen. 40 Die Reformen des Tridentinum sind in ihrer Zeit nur modifiziert, mit Verzögerung und zum Teil gar nicht umgesetzt worden.41 Auf transformierte Weise haben sie im 19. Jh. dann eine zweite Wirksamkeit erfahren. Einen anderen Zugang zu ihnen eröffnet aber die »tridentinische Frömmigkeit« Roncallis, die gespeist aus den Quellen des Trienter Konzils die Kirche gerade vom ultramontanen 19. Jh. befreien will.42 Die Grundzüge dieser Spiritualität können in den Diarien nun nachverfolgt werden.



2. Oboedientia et pax: Roncallis Spiritualität und deren Quellen


Roncalli, der als vollkommenes Beispiel eines tridentinischen Pries­ter bezeichnet wurde,43 entwickelte seine Form des geistlichen Lebens immer entschiedener aus den Quellen der Heiligen Schrift, den Kirchenvätern und den Klassikern der christlichen Frömmigkeit. Diese wurden ihm zunächst durch die Auswahl in Brevier und Messbuch vermittelt; deren Texte wurden meditiert und auf das eigene Leben appliziert, nicht etwa nur formaljuridisch persolviert. Der immer breitere und intensivere meditative Kontakt mit der Bibel und den Vätern lässt sich anhand der Diarien nachverfolgen; 44 er wird ihm während seiner gefüllten Arbeitstage als Papst Kraftquelle bleiben.45 Besondere Bedeutung haben für ihn die Kirchenväter und die Heiligen seiner jeweiligen Wirkungsstätten bekommen.46 Schrift und Tradition bildeten für ihn eine Einheit; in den Vätern spiegelt sich, so der reife Roncalli, jene Wahrheit des Evangeliums, die die Heilige Schrift bezeugt. Ein Gegensatz be­steht nicht. Vielmehr ist die kirchliche Überlieferung etwas Lebendiges, Dynamisches.47 Es ist der eine, einfache48 Geist des Evangeliums, der sich in den verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Umständen jeweils anders äußert.49
Geschichte mit ihren Differenzen und individuellen Brechungen ist so lebendiger Bezugspunkt; Schrift und Väter müssen nicht nach einer dicta probantia-Methode in das Prokrustesbett ge­zwängt werden, immer schon dasselbe zu sagen wie das spätere Dogma. Erst das Konkrete, Historische, Lebendige spiegelt den einfachen Geist des Evangeliums. Das impliziert aber für Roncalli eine weitreichende Unterscheidung in Fragen des Glaubens und der Frömmigkeit, nämlich zwischen Wesentlichem und Äußerem, zwischen Substanz und Akzidenz. 1903 schon notierte er, dass er die Heiligen nicht in allen Details nachahmen möchte, nicht die Akzidenzien, nur die Substanz von deren Frömmigkeit sei zu bewahren. 50 Diese immer wieder angewandte Unterscheidung ermöglicht es Roncalli, zwischen der Substanz des Glaubens und seinen zeitbedingten Formen zu unterscheiden und nach neuen Ausdrucksweisen und neuen Methoden des Apostolats zu suchen, da alles andere ein Verrat an jenen Menschen wäre, für die man die Seelsorge ausübt.
Fragt man hingegen nach dem eigentlichen identischen Kern, der Roncallis spirituelle Aufzeichnungen durchzieht, seine Vorstellung vom Wesen des Christlichen, so ist es der eine immer wiederkehrende Gedanke, dass das Aufgeben des eigenen Willen in den Willen Gottes hinein der Seele inneren Frieden gibt und zu jener Milde gegenüber anderen fähig macht, die Jesus gekennzeichnet habe und die er immer entschiedener als seinen eigenen Weg ergreifen will.51 Oboedientia et pax, der von Baronius übernommene Wahlspruch, und der milde und demütige Jesus als Vorbild, keine anderen Stellen aus dem Evangelium werden so häufig im Geistlichen Tagebuch zitiert wie Mt 11,29 und Joh 21,17.52 Diese eine für Roncalli entscheidende Wahrheit des Evangeliums ist auch der Grund seiner Liebe zur Imitatio Christi, eines weiteren spirituellen Klassikers, und darin vor allem die Kapitel 46–59 des III. Buches.53 Besteht hierin das Wesen des Christentums, dessen eigentlicher übernatürlicher Geist, so kann für Roncalli vieles als zeitbedingt aufgegeben werden, weil es seiner Meinung nach die Ausbreitung des Evangeliums, Seelsorge und Apostolat, nur als Ballast behindert.



3. Bruch mit dem Ultramontanismus


Was Roncalli unter Evangelium, Apostolat und Seelsorge verstand, war also bewusst ein Leben lang erarbeitet, intellektuell, aszetisch und spirituell, somit weder naive Unbedachtheit noch abstrakte theologische Neuerung. Gerade dadurch bedeutet es aber einen implikationsreichen Bruch mit einer weitverbreiteten kirchlichen Praxis, die seit dem 19. Jh. in der katholischen Kirche dominant war und die man als »Ultramontanismus« bezeichnen kann.54 Man kann drei Grundsätze Johannes’ XXIII. herausarbeiten, die jeweils zu zentralen Aspekten der bisherigen hierarchischen Praxis auf Distanz gingen:
a) Gelingende Seelsorge begegnet dem Adressaten mit Milde, Gleichmut und Verständnis, nicht mit Abgrenzung, Verurteilung und Verzeichnung.55 Auch bei kirchenfeindlichen Strömungen ist zwischen der Ideologie und dem Träger der Ideologie zu unterscheiden.56 Die Aufgabe der Kirche ist deshalb primär nicht doktrinär-abgrenzend, sondern seelsorglich-aufbauend und katechetisch.57
b) Evangelium und Politik müssen klar geschieden werden, gibt es doch eine legitime Autonomie der weltlichen Kultursachbereiche und stößt eine kirchliche Hierarchie, die ihre persönlichen Optionen den Menschen als verbindlich auferlegen möchte, diese immer teilweise vor den Kopf.58
c) Die Kirche ist kein Museum, indem sie nostalgisch Kindheitserfahrungen festhält und der Moderne feindlich gegenübersteht, sondern lebendig, da das Evangelium immer neue Formen der Verwirklichung annehmen kann und will.59
Ohne die Substanz des Glaubens aufzugeben, macht Johannes XXIII. die Verdrängung der theologischen Wissenschaft durch das hierarchische Lehramt, die seit dem 19. Jh. durch die neue Praxis und die neue Konzeption eines ordentlichen Lehramts des Papstes und der Bischöfe erfolgt war, ein Stück weit rückgängig.60 Indem er zu den geistlichen Quellen des Christentums zurückkehren möchte, bricht er auch mit dem zeitgenössischen Menschen- und Gesellschaftsbild seiner Kirche. Mehr als den Menschen moralische Normen aufzuerlegen möchte das Evangelium von der Angst befreien; nicht der christliche oder katholische Staat ist das Ziel, sondern die individuelle Gewissensentscheidung des Einzelnen.61
Früh hat sich Roncalli deshalb innerlich vom Integralismus und eifernden Konservativismus der kurialen Rechten distanziert,62 hat die scharfe Scheidung von einer als feindlich betrachteten Welt abgelehnt.63 Selber zu Unrecht des Modernismus verdächtigt,64 hat er als Papst zwar noch andere, ultramontane Formen bei den Kardinälen aus dem Vorgängerpontifikat gelten lassen.65 Dennoch war er entschieden, sein eigenes Programm der Kirche aufzuerlegen, sei es für die Praxis kurialer Kongregationen wie der Bibelkommission,66 sei es besonders für sein Konzil, dessen Geist und Ziele aus seiner spirituellen und theologischen Erfahrung erwachsen sind, die er nun für die gesamte Kirche öffentlich fruchtbar zu machen entschlossen war. Das grundlegende Anliegen der Edition seiner Diarien hat vor fast 50 Jahren Kardinal Lercaro formuliert: Man kann nicht die private Spiritualität und Heiligkeit dieses Papstes anerkennen, ohne sein Programm für die Kirche zu übernehmen, denn zu dieser Spiritualität gehören Überzeugung und Entschluss, Lehrer, Hirte und Reformer seiner Kirche sein zu wollen. 67


4. Zusammenfassung


Fragt man nach der Bedeutung der vorliegenden Edition, so wird diese nicht primär darin liegen, dass hier Ereignisse quellenmäßig bezeugt werden, die andernorts nicht belegt sind. In dieser Hinsicht bieten die Tagebücher Roncallis kaum Sensationelles. Sie lassen vielmehr eine spirituelle Entwicklung im Wechselspiel mit den alltäglichen Begegnungen sichtbar werden. In dieser Hinsicht können die Diari Roncalli als Beleg für folgende, für die katholische Kirchengeschichte des 20. Jh.s zentrale Thesen gelten:
1. Die Weichenstellungen Johannes’ XXIII. in seinem Pontifikat, besonders die Einberufung seines »Pastoralkonzils«, sind weder spontaner Einfall noch unbestimmte Idee gewesen und beruhten erst recht nicht auf den Plänen seiner Amtsvorgänger, sondern erwuchsen aus seiner geistlichen Erfahrung und seinen pastoralen Grundsätzen, die er nach seiner Wahl zum Papst der ganzen Kirche als geistliches Erneuerungsprogramm auferlegen wollte.68
2. Damit ist aber dieses spirituelle Programm zu konsultieren, wenn nach dem hermeneutischen Schlüssel für die Konzilsdekrete, für einen inspirierenden Geist des Konzils gefragt wird. Auf diese Weise lassen sich auch unterkomplexe Vorstellungen einer »Hermeneutik der Kontinuität« oder der »Diskontinuität« durch Differenzierung vermeiden: a) Die Kontinuität ist vor allem durch den Rückgriff auf die Heilige Schrift und die Quellen der Spiritualität geprägt, durch das Anknüpfen an das gegenwartssensible Seelsorgerideal des Trienter Konzils und der anschließenden Reformen. b) Diskontinuität ist im Bruch mit zeitbedingten Formen, dem Ultramontanismus mit seiner ängstlichen Abgrenzung gegen die Welt und alles Moderne, gegen die Ingerenz ins Politische und gegenüber einer gewissen kirchlichen Nostalgie, gegeben. Die Verpflichtung zu Dialog und Ökumene, die Anerkennung von Gewissensfreiheit und der Autonomie der Kultursachbereiche, die seelsorgliche Orientierung der kirchlichen Gesetzgebung, sowie die nicht an die Kurie delegierbare Eigenverantwortlichkeit des Episkopats sind einige der unmittelbarsten Prinzipien, die der Papst seinem Konzil mitgegeben hat.
»Sie haben mich nicht verstanden«, soll Johannes XXIII. kurz vor seinem Tod zu Kardinal Paul-Émile Léger (1904–1991) gesagt ha­ben.69 Die Möglichkeit, ihn, seine Ideen von einer tiefgehenden seelsorglichen Erneuerung der Kirche und von seinem diesem Ziel dienenden Konzil besser zu verstehen, besteht nunmehr durch die vorliegende Edition seiner Tagebücher und Aufzeichnungen, die natürlich zusammen mit seinen Ansprachen und gedruckten Werken gelesen werden müssen.




Fussnoten:

1) Vgl. hierzu Günther Wassilowsky, Universales Heilssakrament Kirche. Karl Rahners Beitrag zur Ekklesiologie des II. Vatikanums, Innsbruck-Wien 2001(Innsbrucker Theologische Studien 59), 15–37.
2) Roncalli, Angelo Giuseppe (Giovanni XXIII): Il Giornale dell’Anima. Soliloqui, note e diari spirituali. Edizione critica e annotazione a cura di A. Melloni. Bologna: Istituto per le scienze religiose 1987 (2003). XLVIII, 545 S. m. Abb. u. Tab. gr.8° = Edizione nazionale dei diari di Angelo Giuseppe Roncalli – Giovanni XXIII, 1. Lw. EUR 50,00. ISBN 88-901107-0-8; ders.: Nelle mani di Dio a servizio dell’uomo. I diari di don Roncalli, 1905–1925. Edizione critica e annotazione a cura di L. Butturini. Bologna: Istituto per le scienze religiose 2008. XLVII, 598 S. gr.8° = Edizione nazionale dei diari di Angelo Giuseppe Roncalli – Giovanni XXIII, 2. Lw. EUR 50,00. ISBN 978-88-901107-5-7; ders.: Tener da conto. Agendine di Bulgaria, 1925–1934. Edizione critica e annotazione a cura di M. Faggioli. Bologna: Istituto per le scienze religiose 2008. L, 285 S. m. Abb. gr.8° = Edizione na­zionale dei diari di Angelo Giuseppe Roncalli – Giovanni XXIII, 3. Lw. EUR 50,00. ISBN 978-88-96118-00-9; ders.: La mia vita in Oriente. Agende del delegato apostolico. 1: 1935–1939. Edizione critica e annotazione a cura di V. Martano. Bo­logna: Istituto per le scienze religiose 2006. XXXIII, 823 S. gr.8° = Edizione na­zionale dei diari di Angelo Giuseppe Roncalli – Giovanni XXIII, 4. Lw. EUR 50,00. ISBN 978-88-901107-7-5; ders.: La mia vita in Oriente. Agende del delegato apostolico. 2: 1940–1944. Edizione critica e annotazione a cura di V. Martano. Bo­logna: Istituto per le scienze religiose 2008. XXI, 865 S. gr.8° = Edizione nazionale dei diari di Angelo Giuseppe Roncalli – Giovanni XXIII, 4.2. Lw. EUR 50,00. ISBN 978-88-96118-01-6; ders.: Anni di Francia. 1: Agende del nunzio, 1945–1948.Edi­zione critica e annotazione a cura di É. Foilloux. Bologna: Istituto per le scienze religiose 2004. XXVIII, 595 S. gr.8° = Edizione nazionale dei diari di Angelo Giuseppe Roncalli – Giovanni XXIII, 5. Lw. EUR 50,00. ISBN 978-88-901107-1-6; ders.: Anni di Francia. 2: Agende del nunzio, 1949–1953. Edizione critica e annotazione a cura di É. Foilloux. Bologna: Istituto per le scienze religiose 2006. XXII, 727 S. gr.8° = Edizione nazionale dei diari di Angelo Giuseppe Roncalli – Giovanni XXIII, 5. Lw. EUR 50,00. ISBN 978-88-901107-9-1; ders.: Pace e Vangelo. Agende del patriarca. 1: 1953–1955. Edizione critica e annotazione a cura di E. Galavotti. Bologna: Istituto per le scienze religiose 2008. XXXIII, 697 S. m. Abb. gr.8° = Edizione nazionale dei diari di Angelo Giuseppe Roncalli – Giovanni XXIII, 6. Lw. EUR 50,00. ISBN 978-88-901107-4-0; ders.: Pace e Vangelo. Agende del patriarca. 2: 1956–1958. Edizione critica e annotazione a cura di E. Galavotti. Bologna: Istituto per le scienze religiose 2008. XXXVI, 811 S. m. Abb. gr.8° = Edizione nazionale dei diari di Angelo Giuseppe Roncalli – Giovanni XXIII, 6. Lw. EUR 50,00. ISBN 978-88-901107-6-4; ders.: Pater amabilis. Agende del pontefice, 1958–1963. Edizione critica e annotazione a cura di M. Velati. Bologna: Istituto per le scienze religiose 2007. XXXVII, 569 S. m. Abb. gr.8° = Edizione nazionale dei diari di Angelo Giuseppe Roncalli – Giovanni XXIII, 7. Lw. EUR 50,00. ISBN 978-88-901107-2-6. Die Bände werden im Folgenden abgekürzt als Diarien, Bd. I–VII.
3) Vgl. Giacomo Lercaro, Johannes XXIII. Entwurf eines neuen Bildes, Freiburg-Basel-Wien 1967.
4) Vgl.: »Man wird auch erkennen, daß der Impuls, den Papst Johannes geben wollte und gab, noch nicht voll aufgenommen und zur Geltung gebracht wurde– auch nicht einmal zum größeren Teil –, und daß deshalb der Auftrag, den er uns hinterlassen, und die Möglichkeiten, auf die er uns hingewiesen hat, zwei Jahre nach seinem Tod noch nicht erschöpft sind.« Ebd., 34.
5) Vgl. ebd., 33–35.
6) Vgl. Giuseppe Alberigo, Die Fenster öffnen. Das Abenteuer des Zweiten Vatikanischen Konzils, Zürich 22007, 195–198.
7) Vgl.: »Ich bin nicht so sicher, daß alles, was Papst Johannes vom Konzil wirklich erwartete und als den geschichtlichen und religiösen Auftrag unserer Generation allgemein aufzeigte, schon verwirklicht wurde oder in allernächster Zeit verwirklicht werden wird; ebenso bin ich nicht sicher, daß jetzt eine fortschreitende Entwicklung wenigstens in Gang gebracht worden ist, die Rückfälle, Unterbrechungen und teilweise Widersprüche ausschließt. … Wir dürfen nicht zuviel hinausschieben.« Lercaro, Johannes XXIII. (wie Anm. 3), 32 f.
8) Vgl. neben zahlreichen Editionen die auch ins Deutsche übersetzte Schrift: Loris Capovilla, Papst Johannes. Ein Zeichen der Zeit, Regensburg 1969.
9) Vgl. Johannes XXIII., Geistliches Tagebuch und andere geistliche Schriften, Freiburg-Basel-Wien 1964. Während für die Jahre im Seminar und als bischöflicher Sekretär eine dichte Abfolge von Aufzeichnungen und Vorsätzen vorliegt, werden in den späteren Jahren vor allem die jährlichen Exerzitien Anlass zur Selbstbesinnung und geistlichen Neuausrichtung.
10) Vgl. Alberto Melloni, Il Giornale dell’Anima di Giovanni XXIII, Mailand 2000.
11) Vgl.: »Der Herr will mich als Priester haben. … Aber ich will nicht Priester werden aus menschlichen Rücksichten, um Geld zu verdienen, um Bequemlichkeit, Ehren und Vergnügungen zu finden. Wehe mir! sondern vielmehr und allein, um nachher dem armen Volk auf irgendeine Weise Gutes zu tun. Und deshalb möchte ich, daß die ersten, die an diesem geistlichen Gut teilnehmen, Ihr seid …«. Roncalli an seine Eltern, Rom, 16. Januar 1901, Johannes XXIII., Briefe an die Familie. I: 1901–1944, hrsg. von Loris Francesco Capovilla, Freiburg-Basel-Wien 1969, 22–24, hier 24.
12) Programmatisch seine erste Ansprache in San Marco in Venedig: Angelo Roncalli, »Ecce homo«, »ecce sacerdos«, »ecce pastor«, 15. März 1953, in: Ders., Scritti e discorsi I: 1953–1954, Rom 1959, 16–21; vgl. hierzu Diarien, Bd. VI/1, VII f. 23 f.
13) Programmatisch hierfür bereits seine Predigt zur Papstkrönung, vgl. Johannes XXIII., L’omelia nel solennissimo Pontificale della Incoronazione, 4. November 1958, in: Ders., Discorsi, Messaggi, Colloqui, Bd. I, Rom-Vatikan 1960, 10–14.
14) Vgl. Alberto Melloni, Papa Giovanni. Un cristiano e il suo concilio, Turin 2009, 49–126.
15) Vgl. Angelo Roncalli, Giacomo Maria Radini Tedeschi, vescovo di Bergamo, Rom 31963; Diarien, Bd. II, vor allem XI–XVII (mit Lit.).
16) Vgl. Melloni, Papa Giovanni (wie Anm. 14), 99 f.
17) Vgl. Hubert Jedin, Das Bischofsideal der Katholischen Reformation. Eine Studie über die Bischofsspiegel vornehmlich des 16. Jahrhunderts, in: Ders., Kirche des Glaubens – Kirche der Geschichte. II, Freiburg-Basel-Wien 1966, 75–117.
18) Vgl. Giuseppe Alberigo, Carlo Borromeo come modello di vescovo nella chiesa post-tridentina, in: Rivista storica italiana 79 (1967), 1031–1052; ders., Karl Borromäus. Geschichtliche Sensibilität und pastorales Engagement, Münster 1995 (KLK 55), 75–83; Roger Mols, Saint Charles Borromée, pionnier de la pastorale moderne, in: Nouvelle Revue Théologique 29 (1957), 600–622.715–747.
19) Vgl. Melloni, Papa Giovanni (wie Anm. 14), 80–83.
20) Vgl. Angelo Roncalli, Gli atti della visità apostolica di S. Carlo Borromeo aBergamo (1575). I,1–II,3, Florenz 1936–1957.
21) Vgl. Melloni, Papa Giovanni (wie Anm. 14), 93–95.
22) Vgl. ebd., 102 f.
23) Vgl. ebd., 95 f.
24) Vgl.: »Coincidenze. Mia nascita in novembre: il 25 del 1881. Il 4 novembre festa di S. Carlo Borromeo. Per anni ed anni ingresso in Seminario di Bergamo, sempre a S. Carlo, dal 1892 al 1901. Servizio militare sino al 15 novembre 1902. Il 4 novembre 1903 offerta a S. Carlo dell’ultimo anno del mio corso teologico. Il 4 novembre 1904 – da tre mesi … sacerdote novello, sempre consacrato a S. Carlo. Il 4 novembre 1958, festa di S. Carlo, mia incoronazione a S. Pietro col nome di Papa Giovanni XXIII. Parce mihi Domine nihil sunt dies mei. Il 4 novembre 1961 celebrazione in S. Pietro del 80° anniversario della mia vita. 1881 – november – 1961. Semper in auspiciis S. Caroli Borr.« Diarien, Bd. VII, 274.
25) Vgl. ebd., Bd. VII, 126.
26) Vgl. ebd., Bd. VII, 46.75.82. Vgl. auch: »San Gregorio mi ha ben occupato lo spirito in questo maggio: ma penso e mi propongo di intrattenermi sempre di più e di familiarizzare anche più teneramente la mia vita con questa del grande cardinale.« Ebd., Bd. VII, 122.
27) Vgl. ebd., Bd. VII, 97.
28) Vgl. Maria Benigni, Roncalli e il Barbarigo. Note e documenti, in: Gregorio Barbarigo. Patrizio veneto, vescovo e cardinale nella tarda controriforma (1625–1697), hrsg. von Liliana Billanovich und Pierantonio Gios, Padua 1999 (Fonti e ricerche di storia ecclesiastica padovana III/2), 1003–1021.
29) Vgl. Ferdinand Baumann, Die Welt braucht heilige Vorbilder. Heilig- und Seligsprechungen Johannes’ XXIII., Kevelaer 1963, 27–39.
30) Vgl. Diarien, Bd. VI/1, 84.
31) Vgl. Baumann, Welt (wie Anm. 29), 29.
32) Vgl. etwa Diarien, Bd. I, 12 f.392; zur salesianischen Spiritualität Etienne-Jean Lajeunie, Franz von Sales. Leben-Lehre-Werk, Eichstätt 21980; Dirk Koster, Franz von Sales, Eichstätt 2002.
33) Vgl.: »La luce quieta e buona di S. Francesco di Sales tempera ed incorragia i disappunti delle mie giornate.« Diarien, Bd. VII, 339; vgl. auch ebd., Bd. VII, 492 u. ö. – Zum Ganzen auch Lucia Butturini, Diarien, Bd. II, 182.
34) Vgl. Diarien, Bd. II, 285.
35) Vgl.: »Queste parole sono un po’ la mia storia e la mia vita.« Diarien, Bd. I, 299; vgl. auch ebd., Bd. I, 430.460; Diarien, Bd. VI/1, 29.437 u. ö.
36) Vgl. die deutsche Übersetzung Angelo Roncalli, Baronius, Einsiedeln 1963. Zu oboedientia et pax vgl. dort 58 f.
37) Vgl. Diarien, Bd. I, 199.
38) Vgl. Melloni, Papa Giovanni (wie Anm. 14), 103.
39) Vgl. ebd., 99 f.
40) Vgl. Johannes XXIII., L’omelia »in anniversario Coronationis«, in: Ders., Discorsi, Messaggi, Colloqui, Bd. IV, Rom-Vatikan 1963, 17–29, hier 27; ders., Omelia in »anniversario Coronationis«, in: Ders., Discorsi, Messaggi, Colloqui, Bd. V, Rom-Vatikan 1964, 5–14, hier 10–13.
41) Vgl. Vgl. Hansgeorg Molitor, Die untridentinische Reform. Anfänge katholischer Erneuerung in der Reichskirche, in: Ecclesia Militans. Studien zur Konzilien- und Reformationsgeschichte, I, hrsg. von Walter Brandmüller, Paderborn 1988, 399–431; Klaus Unterburger, Der Apostolische Nuntius Feliciano Ninguarda und das Bistum Freising: Ein Beitrag zu den Mechanismen der tridentinischen Reform im Gebiet des Heiligen Römischen Reichs, in: BABKG 49 (2006), 117–155.
42) Vgl. die Würdigung Giuseppe de Lucas, den Roncalli kurz vor dessen Tod noch zum Präfekten der Vatikanischen Bibliothek ernannt hat: »San Carlo Borromeo, Barbarigo, das Konzil, Synode, die Predigt des Bischofs, der Besuch der Kirchen in Rom der ›Stationen‹; der Besuch in den Gefängnissen, in den Spitälern, bei den Kranken … das Gefühl weniger für die Theologie und das Recht als für die Predigt und für das Wirken unter Laien: all dies und noch einiges mehr vermag das zu bezeugen, was ich mit genauerer Bezeichnung nennen möchte: die tridentinische Frömmigkeit Johannes XXIII.« Roncalli, Baronius (wie Anm. 36), 19.
43) Vgl. Melloni, Papa Giovanni (wie Anm. 14), 51 und 70.
44) Vgl. auch immer wiederkehrende, am Beispiel Radini-Tedeschis orientierte Vorsätze wie diesen: »Più volte in questi Esercizi ho sentito un forte stimolo allo studio della S. Scrittura, ed ho già in questi giorni incominiciato, con gusto, la lettura delle lettere di S. Paolo. Intendo continuare su questo sistema, anche servendomi spesso di un capo della S. Scrittura in specie del Nuovo Testamento come materia della mia meditazione. Ogni sera poi prima di coricarmi leggerò postamente e devotamente un capitolo dei Libri Santi.« Diarien, Bd. I, 253.
45) Vgl.: »Queste giornate stanno tutte in buone letture spirituali che sono letizia dello spirito: il De doctrina Christiana di S. Agostino: e il volume di P. Faber sul desiato Prezioso Sangue di Cristo. Che bellezze e che meraviglie! … Doveva essere giornata vacante visite e occupata da molto lavoro riservato. Conchiusi ben poco: sempre occupato però in molte letture spirituali che sono deliziose al mio spirito. De vita christiana di S. Agostino: Il Prezioso Sangue di p. Faber, ecc. ecc.« Diarien, Bd. VII, 53.
46) Vgl. Melloni, Papa Giovanni (wie Anm. 14), 61–65.
47) Vgl. ebd., 65.
48) Vgl.: »Oh! la semplicità del Vangelo, del libro della Imitazione di Cristo, dei Fioretti di San Francesco, delle pagine più squisite di S. Gregorio, nei Morali: Deridetur justi simplicitas, con quel che segue.« Diarien, Bd. I, 395 f.
49) Vgl. Melloni, Papa Giovanni (wie Anm. 14), 60.
50) Vgl.: »È un sistema sbagliato. Delle virtù dei Santi io devo prendere la sostanza e non gli accidenti. Io non sono S. Luigi né devo sanctificarmi proprio come ha fatto lui, ma come il comporta mio essere diverso, il mio carattere, le mie differenti condizioni.« Diarien, Bd. I, 160.
51) Vgl. Diarien, Bd. I, 310 f. u. ö.
52) Vgl. ebd., Bd. I, 521 f. (Register).
53) Vgl. Melloni, Papa Giovanni (wie Anm. 14), 66–68.
54) Zum Begriff vgl. Artikel »Ultramontanismus«, in: RGG4 8 (2005), 705–708 (Klaus Unterburger). Es ist der immer wiederkehrende bewusste Entschluss Roncallis, Andersdenkenden nicht mit Verurteilung und Belehrung von oben zu begegnen, was etwa zu Spannungen mit Pius XII. und der allgemeinen katho­-lischen Ängstlichkeit während seiner Zeit als Nuntius in Frankreich führte. Vgl. Diarien, Bd. V/2, 594, Anm. 549.
55) Vgl. etwa Diarien, Bd. II, 314.
56) Vgl. Giuseppe Alberigo, Johannes XXIII. Leben und Wirken des Konzils­papstes, Mainz 2009, 136. – Alberto Melloni, Pacem in terris. Storia dell’ultima enciclica di Papa Giovanni, Rom-Bari 2010.
57) Vgl. etwa Diarien, Bd. I, 392; Alberigo, Johannes XXIII. (wie Anm. 56), 130.
58) Zu diesem die Diarien durchziehenden Grundsatz vgl. etwa: »Da sua parte il papa ha potuto proseguire nel suo proposito, abbastanza ben compreso, di effondersi per tutto ciò che è ministero di fede, di grazia, di spiritualità pastorale, tenendosi distinto dalle commissioni di carattere politico, di qualunque genere e gradazione.« Diarien, Bd. I, 490.
59) Vgl.: »Un osservatore superficiale delle tendenze e dei movimenti odierni conclude che ovunque trionfano nel mondo le idee anticristiane, assurde e quasi impazzite. In realtà, non possiamo negare i progressi del materialismo ateo, divenuto dogma di stato per alcune nazioni, e i progressi del materialismo practico, che soffoca gli uomini con la schiavitù della tecnica degli affari e della politica senza anima e senza cuore. Ma, riteniamo come indice di perfetta resistenza al male, e di avviamento a sicura vittoria, il rafforzo vincolo di disciplina, di carità e di apostolato che lega tutto l’Episcopato al Vicario di Cristo; e il clero e i fe-deli ai rispettivi Vescovi, in una comunione di fede e di azione apostolica, che adagio va ritrovando le note caratteristiche della Chiesa primitiva, e cioè, studio e conoscenze del Cristo e del Vangelo, esposizione catechistica e non polemica della verità rivelate e della cultura cristiana; intensa vita liturgico-eucaristica, fermezza di condotta morale davanti alle seduzioni della mondanità, ardore di carità industriosa e generosa.« Angelo Roncalli an Mons. Bosa, 9. August 1955, in: Ders., Scritte I (wie Anm. 12), 163–165, hier 164 f. – Zum bereits vor der Konzilsankündigung bei Roncalli häufigen Bild von der Kirche als eines lebendigen Gartens statt eines Museums, vgl. Alberigo, Johannes XXIII. (wie Anm. 56), 118 f.124.
60) Vgl. hierzu Klaus Unterburger, Vom Lehramt der Theologen zum Lehramt der Päpste? Pius XI., die Apostolische Konstitution »Deus scientiarum Dominus« und die Reform der Universitätstheologie, Freiburg 2010. – Johannes XXIII. hat seinen Willen, sein Lehramt »vorwiegend pastoral« gestaltet sehen zu wollen, vor allem in der Eröffnungsansprache des II. Vatikanums Gaudet mater ecclesiae, Abs. 15, vertreten.
61) Vgl. vor allem die Enzyklika Pacem in terris, Sätze 10 und 14.
62) Vgl. etwa Diarien, Bd. II, 182 f.290.315 f.
63) So in Bezug auf die Abschottung der Seminaristen in der Priesterausbildung: »Il rettore del collegio di Romano mgr. Rossi mi accennava ieri alla estrema importanza di escludere ogni contatto dei miei pensionanti cogli studenti esterni. Per me quest’anno questa è cosa impossibile. Riflettendoci bene trovo che non è neppure necessaria. Ci si deve ben persuadere che la situazione dei miei giovani qui è ben diversa da quella dei collegi. Altro è l’ideale, altro è il fatto. Evitare i contatti esterni qui è impossibile: e allora converrà invece volgere ogni cura a renderli innocui, ad educare attraverso i medesimi l’uso e il rispetto della propria libertà. Forse con questo spirito vantaggi della educazione saranno anche migliori: e verrà meglio assicurata la formazione di schietti caratteri e di forti coscienze.« Ebd., Bd. II, 390 f.
64) Vgl. dazu Stefano Trinchese, A. G. Roncalli e i sospetti di modernismo, in: Il modernismo tra christianità e seccolarizzazione: Atti del Convegno internazionale di Urbino (1–4 ottobre 1997). Hrsg. von Alfonso Botti und Rocco Cerrato, Urbino 2000, 727–770; Lucia Butturini, Tradizione e rinnovamento nelle riflessioni del giovane Roncalli, in: Un cristiano sul trono di Pietro. Studi storici su Giovanni XXIII, Gorle 2003, 13–70.
65) Vgl. zu seinem Verhältnis zu Ottaviani etwa die Bemerkungen Mauro Velatis in: Diarien, Bd. VII, XVIII und XXVIII.
66) Vgl. Johannes XXIII. an Kardinalstaatssekretär Cicognani, 21. Mai 1962, in: Ders., Lettere 1958–1963. Hrsg. von Loris Francesco Capovilla, Rom 1978, 536 f.
67) Vgl. Lercaro, Johannes XXIII. (wie Anm. 3), 30 f.; für die Editioren: Alberigo, Johannes XXIII. (wie Anm. 55), 9.
68) Vgl. hierzu Alberto Melloni, Papa Giovanni (wie Anm. 14), 195–225; Giuseppe Ruggieri, Esiste una teologia di papa Giovanni, in: Un cristiano (wie Anm. 64), 253–274.
69) Vgl.: »Le cardinal Léger me demande mon sentiment sur le De Ecclesia. Il me dit que le pape a une tumeur, dont on n’est pas sûr qu’elle soit la prostate: elle pourrait être cancéreuse. Il me donne le sens de ce que lui a dit Jean XXIII: ›ils ne m’ont pas compris‹. Cela voulait dire: par mon discours du 11 octobre, j’ai indiqué q’il ne fallait pas répeter Trente et Vatican I. Or ils veulent le faire.« Yves Congar, Mon Journal du Concile. I: 1960–1963. Hrsg. von Éric Mahieu, Paris 2002, 27 5f. (Eintrag vom 29. November 1962).