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Ausgabe:

November/2011

Spalte:

1245-1246

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Ernesti, Jörg, u. Wolfgang Thönissen [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Personenlexikon Ökumene. Im Auftrag des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik hrsg. m. M. Hardt, B. Neumann u. J. Oeldemann.

Verlag:

Freiburg-Basel-Wien: Herder 2010. 248 S. 8°. Geb. EUR 19,95. ISBN 978-3-451-30600-6.

Rezensent:

Günther Gaßmann

Die ökumenische Bewegung ist zu einem festen Bestandteil der Kirchengeschichte der letzten 150 Jahre und deren Erforschung und Beschreibung geworden. Inzwischen liegt eine Fülle an populären wie wissenschaftlichen Darstellungen der Ursprünge, Entwick­lungsstadien und Wechselbeziehungen zur säkularen Ge­schichte, der Themen, Ergebnisse und Wirkungen dieser Geschichte vor. Sie machen immer wieder deutlich, welche bedeutsame und oft wirkungsmächtige Rolle ökumenisch führende und einflussreiche Theologen, kirchenleitende und engagierte Laien in dieser ökumenischen Geschichte gespielt haben. Vor allem in den ersten Jahrzehnten der beginnend strukturierten ökumenischen Bewegung nach dem kräftigen Impuls der ersten Weltmissionskonferenz 1910 in Edinburgh markieren einzelne Namen, natürlich nicht allein, aber doch kennzeichnend, die Konturen und einsetzenden Ent- wick­lungslinien der neuen und zunehmend stärker werdenden ökumenischen Stimme im kirchengeschichtlichen Zusammenspiel der verschiedenen Kräfte.
Die Aufbrüche hin zur Bildung weltweiter ökumenisch ausgerichteter christlicher Ju­gend- und Studentenorganisationen wie auch die Ansätze zur Zusammenarbeit und ge­meinsamen Reflexion im weltmissionarischen Wirken der Kirchen sind mit dem Namen des methodistischen Laien John Mott verbunden. Die Formierung der Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung/Faith and Order nach 1910 geht weitgehend auf das Wirken des anglikanischen Bischofs CharlesBrent und des un­ermüdlichen ersten Sekretärs der Bewegung, den Juristen Robert Gardiner, zu­rück. Die ökumenischen Bemühungen zwischen 1910 und 1948 wur­den übergreifend ge­prägt vom schwedischen Erzbischof Na­than Söderblom, der zum führenden Kopf der Bewegung für Praktisches Christentum/Life and Work wurde, aber gleichzeitig leitend in Glauben und Kirchenverfassung und anderen ökumenischen Initiativen mitarbeitete.
So ist die ökumenische Bewegung ohne die sie zuerst gestaltenden und dann auch wissenschaftlich begleitenden und ihr organisatorisch treu dienenden Personen aus allen Kirchen nicht vorstellbar. Daher ist das genau 100 Jahre nach Edinburgh (1910) erschienene Personenlexikon Ökumene ein höchst willkommenes und nützliches Nachschlagewerk zum Personen-Panorama der ökumenischen Bewegung bis heute. In ihm werden fast 150 Kurzbiographien von jeweils einer bis zu zwei Seiten vorgestellt, die von 46 Autoren verfasst wurden. Jeder Kurzbiographie ist eine Auswahl der Veröffentlichungen der dargestellten Person und der Veröffentlichungen über diese Person angefügt. Die Liste der Personen umfasst die bedeutenden ökumenischen Pioniere und die den Weg der ökumenischen Bewegung prägenden Gestalten wie die bereits genannten Charles Brent, John Mott und Nathan Söderblom, dazu auch Sergej Bulgakov, Yves Congar, Joseph Couturier, Suzanne de Dietrich, Leslie Newbigin, Anders Nygren, Joseph H. Oldham, Edmund Schlink, William Temple und andere bis hin zu einer größeren Zahl lebender Ökumeniker wie u. a. Katholikos Aram I., Walter Kasper, Ulrich Kühn, George A. Lindbeck, John Meyendorff, Harding Meyer, Jürgen Moltmann, Wolfhart Pannenberg, Otto Hermann Pesch, Joseph Ratzinger/Benedikt XVI., Cecil M. Robeck, Paul Werner Scheele, Mary Tanner, Geoffrey Wainwright und John Zizioulas.
Natürlich ist die Auswahl von ökumenisch wichtigen Personen angesichts der inzwischen weltweit gewordenen ökumenischen Bewegung und der wachsenden römisch-katholischen Beteiligung, vor allem seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, nicht einfach. Wer wird in ein Lexikon einbezogen und wer nicht? So ist es naheliegend, dass ich z. B. eine Reihe einflussreicher Ökumeniker vermisse, unter ihnen V. S. Azariah, Madeleine Barot, Patriarch Bartholomäus, René Beaupére, Kathleen Bliss, Sarah Chakko, Franklin Clark Fry, Robert Gardiner, Kenneth Grubb, Hanns Lilje, D. T. Niles, William Paton, Oliver Tomkins – um nur einige zu nennen. Diese und andere Namen finden sich unter den fast 120 ökumenischen Kurzbiographien im Rahmen des Dictionary of the Ecumenical Movement, 2nd ed., Geneva 2002, und zum Teil auch unter den 78 Biographien in den schon älteren, von Günter Gloede herausgegebenen zwei Bänden Ökumenische Profile. Brückenbauer der Einen Kirche, Stuttgart 1961 und 1963. Diese beiden Veröffentlichungen, die im vorliegenden Personenlexikon Ökumene nicht genannt werden, bilden somit eine hilfreiche Ergänzung und könnten als Quelle für eine hoffentlich bald mögliche und er­weiterte zweite Auflage dieses neuen Lexikons dienen. Auch jetzt ist das Lexikon bereits ein ungemein handliches Hilfsmittel für alle, die nach Informationen zum ökumenischen Personal in Vergangenheit und Gegenwart suchen.