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Ausgabe:

November/2011

Spalte:

1206-1207

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Nelstrop, Louise, Magill, Kevin, and Bradley B. Onishi

Titel/Untertitel:

Christian Mysticism. An Introduction to Contemporary Theoretical Approaches.

Verlag:

Farnham: Ashgate 2009. X, 277 S. gr.8°. Kart. £ 16,99. ISBN 978-0-7546-6990-6.

Rezensent:

Udo Kern

Das Buch verdankt sich der häufig gestellten Frage von Studie­renden of undergraduate classes: »So what is mysticism?« (VII). Diese Perspektive bestimmt und begrenzt durchgängig die nachfolgenden Ausführungen. Die Frage könne nur angemessen be­antwortet werden, wenn man sich mit »the mystery of mystical texts« (VII) aktiv befasse. Das ist sicher richtig und nachdrücklich zu fordern.
Das Buch besteht aus drei Teilen mit insgesamt zwölf Kapiteln. Vorangestellt ist eine Einleitung: Contemporary theoretical ap­-proaches. Eine Conclusion: What is Christian Mysticism, eine Bibliographie (mit bedauerlicherweise – oder auch nicht? – fast nur englischsprachiger Literatur) und ein Index beschließen den Band. Die drei Teile thematisieren: 1. Key Themes and Motifs, 2. Later Developments in Christian Mysticism und 3. Postmodern Re-Readings of Pseudo-Denys and Augustine.
Um sich dem Christian Mysticism zu nähern, werden Perennial­ist Readings desselben (William James, Rudolf Otto etc.), kontextuales Verständnis (Steven T. Katz, Bernhard McGinn etc.) und Performativ Language Readings (Dennis Turner, Michael Sells etc.), Feminist Readings (Caroline Walker Bynum etc.) charakterisiert und entsprechend in den Kapiteln abgearbeitet.
Grundlegend für das Verstehen der christian mystical tradition sei der Platonismus. Platons Dialoge fokussierten die Sokratische Methode of revealing moral insights through a process of self-discov­ery. (23) Entscheidend für das Mystikverständnis sei, dass »the soul originally contemplated the true reality, that is the ›Forms‹ or ›Ideas‹« (23). Platonisch sei hier auch Platos Theorie der Liebe zu beachten. Wahres Erkennen bestehe im Wissen von »Truth, Beauty and Goodness« (25). Auch gelte es, das neuplatonische philosophisch-theo­- logische Instrumentarium zu nutzen. Wichtig für das Verständnis der Christlichen Mystik sei der Einfluss der negativen Theologie Pseudo-Dionysius in dessen Mystical Theology.
»… mystical journey is an interior journey into one’s soul, mind or selfs.« (67) Augustins entsprechende Diskussionen in seinen Konfessionen und in seiner Schrift über Trinität gäben hier Profil. Christliche mystische Texte seien »filled with erotic imagery, and … they often refer to the biblical book. The Song of Songs, a deeply erotic text.« (85) Christliche Mystik fuße auf symbolischer Interpretation biblischer Texte. Das allegorische Verstehen entfalte sich hier.
»… the idea that women’s mysticism constitutes a particular type of mysticism that, while different from that produced by men, is no less a form of mysticism.« (139) Im 13. und 14. Jh. gebe es großes Wachstum der Frauenmys­tik (Mechthild von Magdeburg, Gertrude von Helfta, Margery Kempe).
Boethius kenne vier Erkenntnismöglichkeiten des Menschen: »the senses, imagination, reason and intelligence« (161). Für ihn sei die »human intelli­gence … the mode of cognition through which certain knowledge of God is possible. It is the closest mode of divine intelligence, which is the highest of all the modes of cognition. … For Boethius … only intelligence is able to attain sure and perfect knowledge of God. Even though his discussions of the various modes of cognition do not focus on vision per se, they still influenced medieval thinking about what knowledge of God can and cannot consist in and so the relative value of visions.« (162) Gottes Erkenntnis ist für Boethius erstes und höchstes Wissen, aber keine imagination.
Letztlich werden Christian mystical texts in diesem Buch sehr positiv gewertet. Sie führten uns aus uns selbst und »point us towards an other/Other« (256). Sie versetzten uns in die Gemeinschaft solcher Dinge, die wir natürlich nicht erreichen könnten. »They engender conversation between practitioners who red them out of deeply personal convictions and academics whose reading is more theoretical.« (Ebd.) Sie befähigten uns »to take us deeply into the minds of others while at the same time bringing us to an encounter with the deepest part of our own being that makes them truly mystical« (ebd.). Jedoch seien christlich-mystische Texte Anfragen, die »something to delight in« brächten in der conversation, welche sie leisteten. Dazu gehöre auch »a form of prayer … which cries out of humanities deepest place to the divine« (ebd.). Dieses Buch habe – so die Verfasser – die Frage nach dem christlichen Mystizismus nicht beantworten, aber als stets relevante anzeigen können.
Leider beziehen sich und argumentieren die Autoren (fast) ausschließlich nur mithilfe englischsprachiger Literatur. Die großen insbesondere auch deutschsprachigen Arbeiten werden weder genannt, geschweige denn wird sich mit ihnen auseinandergesetzt. Das mag prima facie zunächst vielleicht auch einleuchtend sein: Denn wie wenige sind in der Lage, nichtenglischsprachige Literatur zu nutzen? Anderseits ist das Fehlen fundamentaler nichtenglischsprachiger Literatur für den Fachmann nicht einzusehen.