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Ausgabe:

November/2011

Spalte:

1166-1167

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Biberger, Bernd

Titel/Untertitel:

Endgültiges Heil innerhalb von Geschichte und Gegenwart. Zukunftskonzeptionen in Ez 38–39, Joel 1–4 und Sach 12–14.

Verlag:

Göttingen: V & R unipress (Bonn University Press) 2010. 428 S. gr.8° = Bonner Biblische Beiträge, 161. Geb. EUR 57,90. ISBN 978-3-89971-609-2.

Rezensent:

Christoph Rösel

Die Arbeit wurde 2009 von der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Bonn als Habilitationsschrift angenommen. Bernd Biberger untersucht die zeitlichen, räumlichen und personalen Dimensionen der Zukunftskonzeptionen in Ez 38–39, Joel 1–4 und Sach 12–14. Damit leistet er einen Beitrag zur Erforschung spätprophetischer Texte, die gerade auch durch das Phänomen der schriftgelehrten Prophetie gekennzeichnet sind. Anders als etwa in der Untersuchung von Judith Gärtner Jesaja 66 und Sacharja 14 als Summe der Prophetie (WMANT 114, 2006), die sich dabei gerade auch mit der Frage nach dem Abschluss des jeweiligen Buchzusammenhangs beschäftigt, steht hier der Vergleich der theologischen Konzeptionen im Vordergrund.
Die Auswahl der untersuchten Texte begründet der Vf. durch folgende Merkmale (13–14): die Ankündigung eines endgültigen Heilszustandes, die Herrschaft JHWHs als König über alle Völker, die Verwirklichung des Heils innerhalb der Geschichte und die Verwendung des Völkersturmmotivs. Dazu kommt, dass alle drei Texte »innerhalb eines größeren Kontextes an exponierter Stelle stehen« (14). Die Reihenfolge der Untersuchung richtet sich nach der synchronen Abfolge im Masoretischen Text, die für den Vf. hier im Wesentlichen auch der diachronen Ordnung entspricht (19).
Die Erarbeitung der drei Textbereiche ist jeweils gleich aufgebaut: Zunächst wird der Abschnitt nach formalen Kriterien in kleinere Einheiten gegliedert, synchron ausgelegt und in seiner Gesamtstruktur erfasst. Danach wird die Entstehungsgeschichte untersucht und die inhaltliche und formale Entwicklung aufgezeigt. Aus diesen Ergebnissen wird schließlich die Zukunftskonzeption des jeweiligen Textes erschlossen und die Einbindung in einen größeren Zusammenhang dargestellt. Diese Methodik wird konsequent und übersichtlich durchgeführt. Damit wird ein guter Überblick zu den Texten und den in der Exegese dazu diskutierten Fragen gegeben. Das Profil der Arbeit ergibt sich in diesem Teil vor allem durch die Darbietung einer vergleichsweise konsensfähigen Auslegung, nicht so sehr durch die Erarbeitung eigener origineller Lösungen in Einzelfragen. Angesichts des Umfangs der untersuchten Texte ist ein solches Vorgehen nachvollziehbar, zumal in der Gesamtkonzeption der Studie die Auslegung der einzelnen Texte vor allem der Erarbeitung der jeweiligen Zukunftskonzeption und der Vorbereitung ihrer vergleichenden Darstellung dient. Zugleich bedeutet das jedoch, dass, wer sich bereits intensiver mit einem der drei Texte befasst hat, dazu im Einzelnen nicht unbedingt viel Neues entdecken wird. Exemplarisch lässt sich das an einigen Passagen aus der Auslegung von Ez 38–39 (37–132) aufzeigen:
Die Überlegungen zur Erklärung des nach wie vor rätselhaften Namens »Gog« (41–43) nennen die wichtigsten Forschungspositionen. Ohne sich selbst ausdrücklich auf eine dieser Positionen festzulegen, verweist der Vf. abschließend darauf, dass es für das Verständnis dieser Gestalt nicht so sehr auf ihre Identifikation, sondern vor allem auf ihre Funktion in diesen beiden Kapiteln ankommt. Das ist durchaus überzeugend, doch auch die Frage nach der Funktion einer namentlich genannten und trotzdem nicht identifizierbaren Gestalt, ein im gesamten Alten Testament in dieser Form einmaliges Phänomen, hätte dann etwas ausführlicher erörtert werden können.
Zu Ez 38,12 werden zwei unterschiedliche Deutungen der häufig als mythologisch bezeichneten Wendung »Nabel der Erde« kurz referiert (51 f.), ohne dass eine Entscheidung für eine der beiden Möglichkeiten fällt.
Bei Ez 38,10–12 (53) werden die außergewöhnlich dichten und letztlich wohl nur durch literarische Abhängigkeit zu erklärenden Bezüge zu Jer 49,28–33 genannt. Welche Konsequenzen das für die Auslegung haben könnte, wird anschließend nicht erörtert.
Der auch textkritisch zwischen Masoretischem Text und LXX umstrittene Vers Ez 38,17 wird insgesamt nur sehr kurz abgehandelt (60 f.), obwohl damit sowohl der Ausgangspunkt der genannten prophetischen Ankündigungen als auch das grundlegende Verständnis des Verses (möglich wären: Aussage; Frage mit der Antwort Ja; Frage mit der Antwort Nein) ungeklärt bleiben.
Diese Beispiele zeigen allerdings auch, dass eine Entscheidung der offen gelassenen Fragen sich durchaus auch auf das Gesamtverständnis des jeweiligen Textes und damit auch auf die Zukunftskonzeption auswirken würde.
Die abschließende Darstellung der »Zukunftskonzepte in späten prophetischen Texten« (365–389) wird durch hermeneutische Überlegungen eingeleitet. Dabei betont der Vf. besonders die Aspektivität: Die Texte »nennen eine Anzahl von Aspekten, die ihnen für ihre Zukunftsvorstellungen wichtig erscheinen, die auch aufeinander hin offen sind, die aber nur lose miteinander verbunden sind« (370). Die Zeitdimension der Texte ist dadurch gekennzeichnet, dass sie das Heil »innerhalb dieser Zeitdimension« (374) erwarten, nicht erst in einem neuen Äon. Die teilweise begegnenden Hinweise auf eine fernere Zukunft deutet er durch eine Differenzierung zwischen der Ebene der Erzählung und des Erzählers. Er geht davon aus, »dass die untersuchten Zukunftskonzepte als Weissagungen dargestellt werden, die vor langer Zeit ergangen sind, die aber Antwort geben auf die Gegenwart des Verfassers und seiner ursprünglichen Adressaten« (375).
Die räumlichen Dimensionen sind laut Vf. in den einzelnen Redaktionsschichten der drei Texte durchaus unterschiedlich, tendieren jedoch alle zu einer universal-kosmischen Perspektive. Die personale Dimension wiederum ist durch die Verhältnisbestimmung von JHWH, Israel und den Völkern und das Fehlen einer messianischen Gestalt geprägt. Dabei ist JHWH jeweils König der ganzen Welt. Sein Sieg über die Völker bringt für Israel die Wende zum Heil und eine innere Erneuerung. Für die Völker dominiert die Ankündigung des Gerichtes, doch zugleich gilt: »Je jünger die Texte in ihrer Endgestalt sind, desto mehr stellt sich ihnen die Frage, ob den Völkern eine heilvolle Zukunft zugesagt ist« (373).
Die Stärken und Grenzen der Studie ergeben sich durch ihre Anlage. Ein Versuch, drei komplexe und umfassende Textbereiche zu erschließen und konzeptionell miteinander zu vergleichen, kann nicht zugleich alle Einzelfragen neu erörtern und beantworten. Insofern ist es das Verdienst des Vf.s, dass er dieses Wagnis unternommen hat und damit einen durchaus lesenswerten Beitrag zur übergreifenden Untersuchung spätprophetischer Texte leistet.
Die Studie ist insgesamt sehr übersichtlich gegliedert, stets gut verständlich und weitestgehend fehlerfrei. Im Anhang ist ein Bibelstellenregister beigegeben.