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Ausgabe:

November/2011

Spalte:

1129-1144

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Werner Thiede

Titel/Untertitel:

Fegfeuer – Endgericht – Allversöhnung
Der Gerichtsgedanke im Licht protestantischen Rechtfertigungsglaubens

1. Einleitende Überlegungen zum »Sitz im Leben« des Gerichtsgedankens heute


Im Neuen Testament ist eindeutig gesagt, dass den Menschen »einmal zu sterben, danach aber das Gericht« bestimmt ist (Hebr 9,27). Die Frage nach dem göttlichen Richten am Ende des Lebens und am Ende dieser Weltzeit ist jedoch heutzutage in unserem westlichen Kulturkreis vielen Menschen entschwunden. Der Horizont ihres Daseins liegt nicht mehr in ihrem gedanklichen Horizont. Das dürfte mit zwei soziologisch zu beobachtenden Phänomenen zu­sam­menhängen. Das eine ist noch recht neu: die Zersplitterung des Ich in multiple Identitäten. Wo keine in sich klare Subjektivität, sondern nur noch ein gleichsam oder real digitales Konglomerat von pluralisierten Ich-Fragmenten in Primär- und Sekundärwelten anzutreffen ist, 1 kann schwerlich irgendein Ge­richt über die betreffende Person anvisiert werden. Das zweite Phänomen ist rund 100 Jahre älter: Es handelt sich um die Tabuisierung des Todes in unserer Gesellschaft, die das unvermeidliche Ende und die mit ihm einhergehende Infragestellung der uns wichtig gewordenen Sinnzusammenhänge nicht mehr sinnvoll zu kombinieren bzw. in ein Sinnganzes zu integrieren vermag. »Da die Menschen kein Heilmittel gegen den Tod, das Elend, die Unwissenheit finden konnten, sind sie, um sich glücklich zu machen, darauf verfallen, nicht daran zu denken« – diesen Satz hat der Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal bereits am Beginn der Neuzeit formuliert. 2 Dass der Tod in der abendländischen Gesellschaft nach wie vor verdrängt bzw. tabuisiert wird, haben Soziologen, Philosophen und Theologen anhaltend untermauert.3

Zweifellos macht sich bei der Verdrängung des Todes und des Gerichtsgedankens der Einfluss des modernen naturwissenschaftlichen Denkens bemerkbar: In dessen Licht erscheint alles Eschatologische nur noch als obsolet gewordene Mythologie. So hatte selbst das Deutsche Pfarrerblatt im Blick auf ein zuvor abgedruck­tes Plädoyer des Berliner Systematikers Christof Gestrich für den Gedanken der Unsterblichkeit der Seele4 in Leserbriefen Hohn und Spott zu bieten.5 Gestrichs Kritik der sog. Ganztod-Theologie, derzufolge Tote bis zum Jüngsten Tag nur noch in der Erinnerung Gottes existieren, konterte ein Pfarrer mit den Worten, man könne angesichts der fortgeschrittenen Naturwissenschaft nicht durch Spekulation und Mythologie hinter Rudolf Bultmanns Entmythologisierungsprogramm zurück. Was dabei völlig übersehen wird, lässt sich in zwei Punkten ausdrücken:

a) Die moderne Naturwissenschaft hat selber längst wieder die Tür zum Mysteriösen, zur Wirklichkeit als Geheimnis aufgestoßen. So formulierte schon der Atomphysiker Max Planck: »Es gibt keine Materie an sich!«6 Laut Planck muss ein intelligenter Geist als Ur­grund alles Materiellen angenommen werden. Und da jeder Geist einem Wesen angehöre, seien zwingend Geistwesen anzunehmen. Der emeritierte Mathematikprofessor Günter Ewald stellt sich in seinem Buch »Gehirn, Seele und Computer« der Frage der Unsterblichkeit: »Die Seele steigt nicht in den Körper wie ein Fahrgast in ein Taxi, um nach einem Zweckaufenthalt wieder auszusteigen. Wir vermögen die materiell-geistige Identität des Menschen zwar nicht zu entwirren. Aber in einem erweiterten Kosmosverständnis und angesichts des weiten Möglichkeitsraums, den quantenphysikalische, archetypische und paranormale Vorstellungen öffnen, ist das Fortbestehen des Ich in einem neuen ›Tonträger‹ kein allzu ferner Gedanke.«7 Gewiss kann keine Rede von einem Beweis für ein Leben nach dem Tod sein, wie beispielsweise die Sterbeforscherin Elisa­beth Kübler-Ross gemeint hat.8 Aber fest steht, dass moderne Na­turwissenschaft keinen Gegenbeweis antreten kann oder will. Wer anderes glaubt, hat weder das Selbstverständnis heutiger Na­turwissenschaft noch ihre (ggf. zu fordernde) Offenheit für spirituelle An­nahmen hermeneutisch an­gemessen reflektiert.

b) Der Tod war und ist ein Geheimnis und wird sich für uns Ir­dische in dieser Weltzeit auch nicht wissenschaftlich aufschließen lassen. Er hat eine uns abgewandte Seite, über die sich trefflich positiv oder negativ spekulieren lässt und die das Tor zu ungefähr jeder Art von Religiosität öffnet. Wer hier aber meint, mit aufgeklärter Pose alles Spekulative wegwischen zu müssen oder zu dürfen, der verkennt völlig, dass auch er selbst mit ebendieser Pose höchst spekulativ – wenngleich in negativer Richtung – verfährt. Denn das pauschale Negieren einer lebendigen Rückseite des Todes be­ruht nicht weniger auf einer Glaubensannahme als jede gegenteilige Position. Nachdenkenswerte Einzelargumente gibt es auf fast allen Seiten des Disputs. Wer dafür eintritt, dass mit dem Tod keineswegs alles aus sei, hat immerhin die achtenswerte Grundhypo­these eines umfassenden, irgendwie zielgerichteten Daseinssinnes für sich. Christliche Theologie hat daher allen Anlass, biederen Attacken gegen eine positive Perspektive über den Tod hinaus intellektuell redlich und selbstbewusst – nämlich ihrer eschatologisch orientierten Aufgabe bewusst – zu begegnen. Gehört doch zum Zentrum christlichen Theologisierens die Reflexion des Evangeliums von Jesus Christus und damit des Eschatologischen schlechthin! Denn die Botschaft Jesu und genauso die Christus-Botschaft seit seiner Auferstehung sind stets in einem apokalyp­tischen Sinnhorizont formuliert worden. 9 Wer das historisch be­streiten wollte,10 läge in der biblisch begründeten Sache ebenso daneben wie diejenigen Zeitgenossen, die meinen, christliche Spiritualität käme ohne diese Perspektive aus, die also die Frage nach dem letzten Sinn und Ziel für die Geschöpfe und die gesamte Schöpfung völlig unapokalyptisch, nämlich eher pantheistisch zu beantworten suchen.11

Wird aber mit solch einem letzten, futurisch-eschatologischen (und präsentisch-eschatologisch wirksamen!) Sinn und Ziel ge­rechnet, dann liegt damit auch die höchst virulente Frage auf dem Tisch, ob und inwiefern von Gottes Zukunft her unsere irdische Zeit in eine kritische Perspektive gerät. Es ist und bleibt dies die höchst sinnvolle Frage nach einem göttlichen Gericht – nämlich möglicherweise direkt im Tod oder nach dem Tod oder ganz am Ende dieser Weltzeit. Und dies ist zugleich die Frage danach, ob solch göttliches Gericht schon irgendwie in unser gegenwärtiges Leben hineinragt.

2. Göttliches Endgericht mitten im Leben


Für den christlichen Glauben ist es stets eine Selbstverständlichkeit gewesen, dass das Endgericht ins Leben der Gläubigen sozusagen hineinleuchtet – und zwar auf zweierlei Weise: Zum einen ist da die Präsenz des drohenden Endgerichts – intern im Gewissen und extern in den heiligen Schriften sowie in der auf ihnen basierenden Verkündigung. Zum andern gibt es Gott sei Dank die Botschaft von der Befreiung aus dem Gericht, von der schon jetzt gültigen Lossprechung für die mit Christus durch Glaube und Taufe Verbundenen. Mit Joh 5,24 formuliert: »Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.« Dies ist die von Martin Luther neu entdeckte, befreiende Wahrheit der Rechtfertigung allein aus Gnade für alle, die auf Jesus Christus als ihren eschatologischen Retter vertrauen.

Die zentrale Stellung, die der gekreuzigte und auferstandene Herr für Luther einnimmt, hängt damit zusammen, dass dieser für ihn zur entscheidenden Erfahrung geworden ist. Es hat sich dabei nicht etwa um eine spiritistische Erfahrung, nicht um eine Offenbarung aus einer obskuren Welt jenseits des Todes gehandelt. Vielmehr kann man es eine spirituelle Erfahrung nennen, nämlich – so würde es Luther sagen – eine Offenbarungserfahrung, eine Erfahrung des Heiligen Geistes anhand des biblischen Wortes. Der Wittenberger Theologieprofessor hatte tage- und nächtelang um das rechte Verständnis jener Stelle im 1. Kapitel des Römerbriefs gerungen, in der es um die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes geht. Plötzlich – man spricht von Luthers »Turmerlebnis« – war ihm Gottes Gerechtigkeit radikal als eine sich schenkende deutlich geworden: Vor Gott ist gerecht, wer ganz auf seine Liebe vertraut, wie sie in Jesus Christus erkennbar geworden ist. Diese Entdeckung be­schrieb er selbst im Rückblick mit den Worten: »Da fühlte ich mich völlig neugeboren und als wäre ich durch die geöffneten Pforten ins Paradies selbst eingetreten. Da zeigte mir sogleich die ganze Schrift ein anderes Gesicht. […] So ist mir diese Stelle des Paulus wahrhaft zu einer Pforte des Paradieses geworden.« 12

Damit hat Luther eine wahrhaft eschatologische Erfahrung gemacht: Sein Gottesverständnis hat sich gewandelt und ihm sozusagen das Zentrum der Ewigkeit, das Herz Gottes eröffnet. Den Sohn Gottes hat er nun nicht mehr ängstlich als den großen Weltenrichter angesehen, sondern als den aus Liebe in unser menschliches Fleisch gekommenen Erlöser, durch den sich Gottes wahre Gerechtigkeit verwirklicht. Denn Gott rechnet die Gerechtigkeit Christi, der für uns gelebt und gelitten hat, aus Gnade uns Sündern an. Unsere eigene Ungerechtigkeit, all unsere Schuld, unsere ganze entfremdete Existenz hat sein eigener Sohn stellvertretend für uns auf sich genommen. Wer an diesen heilvollen Tausch glaubt, verschmilzt mit Christus gleichsam zu einer einzigen Person. Luther drückt das mystisch so aus: »Du nennst dich sozusagen Christus, und umgekehrt spricht Christus: Ich bin jener Sünder, weil er sich auf mich verlässt.« 13 Der Richter wird für den Glaubenden zum Retter. So bildet für Luther die Botschaft von der Rechtfertigung des sündigen und sterblichen Menschen durch Jesus Christus die Mitte der Heiligen Schrift – und das Mittel des Heiligen Geistes, um Menschen auf Erden bereits die Pforten des Himmels zu öffnen. Die Verbundenheit mit Christus im Glauben wird zur Erfahrung ewigen Lebens – wahrer, unverlierbarer Identität im Leben und im Sterben.

Daher beginnt für Luther das Leben nach dem Tod schon vor dem Tod. Dies umso mehr, als nach seinem Verständnis das irdische Leben nichts anderes ist als »ein Vorlauf oder besser ein Anfang des zukünftigen Lebens«14. Seine Anthropologie ist eschatologisch ausgerichtet. So kann er in aller Deutlichkeit sagen: »Der Mensch ist hinsichtlich seines zeitlichen Körpers im gegenwärtigen Zeit­raum, hinsichtlich der Seele aber im zukünftigen. Beide nämlich enthält er, und an beiden hat er teil.«15 Das gilt zum einen in negativer Hinsicht: Wer nicht von der Versöhnung mit Gott durch Christus ergriffen ist, der hat Tod und Gericht vor sich. Schon lange, bevor der Philosoph Martin Heidegger über das »Sein zum Tode« philosophiert hat, ist Luther bewusst gewesen, dass der Tod nicht nur äußerlich, sondern allemal innerlich über den Menschen herrscht – nämlich durch die Furcht vor ihm. Entsprechendes gilt vom göttlichen Gericht: Dieses greift, wie der Lutherforscher Albrecht Peters erklärt, »vom Ende der Tage über unseren Tod hinweg hinein in unser Leben« 16. Dank der Erlösungstat Jesu gibt es für den glaubenden Menschen freilich die positive Perspektive: Die Mächte des Todes und des Gerichts sind entmachtet und dürfen das Gewissen nicht länger bedrücken, weil Christus sie stellvertretend auf sich genommen und als der eine Gottessohn durchlitten hat. »Während wir anfangen zu glauben«, sagt Luther, »fangen wir zugleich an, dieser Welt abzusterben und für Gott zu leben im zukünftigen Leben, so dass der Glaube eigentlich Tod und Auferstehung ist.« 17 Die Ewigkeit hat für einen Christenmenschen im Herzen schon begonnen. Denn Tod und Gericht liegen im Glauben nicht nur vor, sondern tiefer gesehen schon hinter ihm.18

Luther erklärt: »Wenn ich nun solches weiß und glaube, so ist mein Herz oder Gewissen und Seele schon auch durch den Tod und durchs Grab hindurch bei Christus im Himmel …, so dass nicht mehr als der linke Fuß zurückbleibt! Denn die Sünde ist schon vergeben und ausgetilgt, Gottes Zorn und die Hölle sind ausgelöscht; und der Glaubende lebt bereits in und bei Christus nach dem bestem Stück, nämlich der Seele, teilhaftig des ewigen Lebens.«19 Weil der Auferstandene nicht nur das Haupt des Christen und der Christenheit, sondern der innerste Bezugspunkt der Seele im Glauben ist, kann Luther formulieren: »Wir sind schon über das Haupt, ja über den Rücken und Bauch, die Schulter und Beine aus dem Tod heraus; und der Tod hat nichts mehr an uns, das er halten kann, höchstens eine kleine Zehe – die soll auch bald hindurch kommen!«20

Bei all diesen bildhaften Formulierungen hat Luther die Wirklichkeit dieser Welt nicht aus den Augen verloren: »Ich werde noch geplagt von Sünden und Tod; da sehe ich kein ewiges Leben. Das ist ja noch das alte Leben. Aber darüber hat Gott ein ewiges Leben gemacht, darin wir schon leben; aber wir sehen es noch nicht.«21 Von daher kann der Reformator sagen: »Dass wir im Fleische leben, … ist eine Verhüllung des Lebens.« Er weiß auch um jene letzte Einsamkeit, die sich im Sterben breit macht, wo keiner für den anderen einspringen kann.22 Wirklich keiner? Doch: Der eine Gottmensch tut es! O-Ton Luther: Gott ließ »deine Anfechtung des Todes, der Sünde, der Hölle auch über seinen Sohn ergehen … und macht sie unschädlich, dazu erträglich.«23 Die Schrecklichkeit des Todes und der Todesdrohung, ja der Gerichtsdrohung mit ewigem Tod bzw. ewiger Hölle ist für den Glaubenden dank Christus überwunden, und übriggeblieben ist »ein kleines Tödlein, ja ein Zu-ckertod«24. Wer freilich Christus nicht ergreift, droht laut Luther im Abgrund der Hölle zu ersaufen.25

Entsprechendes gilt nicht nur am Ende des Lebens, sondern be­wusst oder unbewusst26 schon mitten in unserer irdischen Exis­tenz, die ja unweigerlich auf ihr Ende hinsteuert. Der Glaube ist darum weit mehr als ein Fürwahrhalten, mehr auch als ein diffuses Vertrauen – er ist eine Grundhaltung mit eschatologischer Dimension. Wohl dem, der sich um Christi willen schon vom Endgericht erlöst wissen darf! Solch angstbefreites Bewusstsein ist allerdings nur dort denkbar, wo die Ängste vor Sterben, Tod und Gericht nicht verdrängt worden sind.

3. Zum Gedanken eines Fegfeuers einst und heute


Den Fegfeuergedanken im Sinne eines Reinigungsortes zwischen Tod und Auferstehung pflegen katholische Christen heute noch. Protestanten sind in dieser Hinsicht eher Skeptiker. In Luthers 95 Thesen aus dem Jahr 1517, die den historischen Auslöser der Reformationsbewegung bildeten, war das Purgatorium ein wichtiges Thema – und zwar im Hinblick auf den darauf bezogenen Ablasshandel.27 Luther suchte damals deutlich zu machen, dass es beim Fegfeuer nicht dinglich um bestimmte jenseitige Orte und Zeiten gehen kann, sondern allenfalls um einen inneren Läuterungsprozess der Seele. »Ich bin ganz sicher, dass es das Fegfeuer gibt«, betonte er noch 1518 in einer Verteidigungsschrift zu seinen Thesen.28 Offensichtlich war er davon nicht allein wegen der römischen Lehrtradition überzeugt, sondern auch aufgrund von einschlägigen Visionsberichten und parapsychischen Erfahrungen eines seiner damaligen Bekannten. Der Reformator hat diese Erfahrungen offensichtlich zunächst phänomenologisch als Indizien für be­stimmte jenseitige Sachverhalte akzeptiert, ohne das Gewicht in­härenter Deuteelemente zu erkennen. Noch konnte er beteuern: »Ich weiß, dass es wahr ist, dass die Armen Seelen unsägliche Pein leiden und man ihnen zu helfen schuldig ist mit Beten, Fasten, Almosen und womit man vermag.« 29

Während der Leipziger Disputation 1519 aber geriet Luthers Überzeugung ins Schwanken. Er stellte sich dem exegetischen Befund, dass die gesamte Heilige Schrift nichts vom Fegfeuer lehrt: Ihr zufolge gibt es zwar Himmel und Hölle, nicht aber als »Zwi­-schenmöglichkeit« den Läuterungszustand eines Purgatoriums! Von daher äußert er nun Bedenken: »Ich weiß nicht, ob es das Fegfeuer für alle Christen gibt. Sicher ist dies: Keiner ist ein Irrlehrer, wenn er nicht an das Fegfeuer glaubt.« 30 Mochten Luther zunächst noch die paranormalen Visionsberichte seines Bekannten verunsichert haben, so ließ er sich in den nächsten Jahren davon immer weniger beeindrucken. Erscheinungen zur Stützung des Fegfeuerglaubens bezeichnete er schließlich sogar als »Teufelsbetrug«31. 1530 endlich verfasste er eine eigene Schrift, um seine früheren, noch zustimmenden Äußerungen zum Fegfeuerglauben ausdrücklich zu widerrufen.32 Darin heißt es: »Meines Erachtens ist keine reichere Lüge auf die Erde gekommen als das Fegfeuer.«33 In den »Schmalkaldischen Artikeln« von 1537 begründete er seine ablehnende Haltung mit dem Zusammenhang der Fegfeuerlehre mit Messopfer und Ablasshandel: »Darum ist das Fegfeuer mit all seinem Gepränge, Gottesdienst und Gewerbe für lauter Teufelsgespenst zu achten. Denn es ist auch gegen den wichtigsten Glaubensartikel: dass allein Christus und nicht Menschenwerk den Seelen helfen soll.«34

Ob Luther den theologischen Gedanken des Fegfeuers zu Recht gänzlich hinter sich gelassen hat? Moderne katholische Theologen können ihm mitunter zugestehen, dass er legitimerweise allzu dingliche Vorstellungen spiritualisieren wollte. Tatsächlich wird seit Jahrzehnten von römisch-katholischen Denkern versucht, auch von der zeitlichen Dimension des Purgatoriums zu abstrahieren. Deshalb haben sie das Konzept einer »Auferstehung im Tod« entwickelt, das den sog. »Zwischenzustand« zwischen Tod und universaler Auferstehung auf die bloße personale Kontinuität als solche reduziert. Das Fegfeuer wird dann als ein von irdischer Zeit freier Läuterungsprozess interpretiert, der sich nicht quantitativ-zeithaft, sondern existenziell-augenblickshaft abspielt und insofern nicht dinghaft, sondern metaphorisch zu verstehen ist. 35 Dem verstorbenen Jesuiten Ladislaus Boros zufolge lässt sich das Purgatorium »als die Begegnung des Menschen mit seinem eigentlichen Wesen definieren: das Verdichtetwerden der gesamten Existenz zur glühenden Eigentlichkeit, ein augenblicklicher Vorgang der Selbstwerdung im Abgrund des Todes, die anthropologisch-exis­tentielle Dimension des Todesvorganges. Da aber der Mensch nicht derart restlos ›er selbst‹ sein kann, ohne zugleich in seiner eigenen Menschwerdung die Wirklichkeit des Menschgewordenen zu erfahren, steigert sich die Selbstbegegnung des Menschen zu einer Begegnung mit Gott durch Christus. Dies ist nicht eine zusätzliche Dimension des Todesvorganges, sondern die Offenbarung des gnadenhaften Integriertseins der menschlichen Wirklichkeit in das Sein Christi.« 36 Dasselbe kann Boros auch kurz ausdrücken: »Gott selbst, die Begegnung mit ihm, ist unser ›Fegfeuer‹.«37

Solches Denken greift sogar auf vereinzelte vorreformatorische, vor allem aber auf frühkirchliche Ansätze zurück und entspricht durchaus auch der orthodox-katholischen Sichtweise.38 Es hat seine theologische Stringenz, indem es die Lücke ausfüllt, die sich zwischen dem Ende des noch von mehr oder weniger Sündenlast geprägten Erdendaseins und dem Vollendungsstand im ewigen Leben auftut: Ohne einen wie auch immer vorzustellenden Läu­-terungsprozess jenseits des Todes kann es nicht abgehen – für Christen nicht und schon gar nicht für Nichtchristen.39 Versteht man das Purgatorium auf diese grundsätzliche Weise, ist es auch von evangelischer Seite zu bejahen. Deshalb hat Paul Althaus die Ansicht vertreten, der Läuterungsgedanke dürfe auf Christen An­wendung finden: Ein sie verwandelndes, restlos heiligendes Purgatorium im Sinne eines völligen Durchlebens des Sterbens und Auferstehens mit Christus sei geradezu unerlässlich.40

Auch für den reformierten Theologen Karl Barth ist es keine Frage, dass Herz und Vernunft des Christen, ja all sein Werk jenseits des Todes »in das Feuer einer radikalen, in keiner Weise vorauszusehenden Sichtung kommen werden. … Vor allem aber keine Frage: wessen Feuer da brennen, läutern, sichten … wird! Keine Frage also, daß, wer ihn kennt, seinem Gericht, seinem Feuer, seinem Sichten nicht in schwankender, sondern nur in gewisser, nur in eindeutig positiver und also freudiger Erwartung entgegensehen und entgegengehen kann.«41 Analog dazu erklärt der reformierte Systematiker Jürgen Moltmann, die Zeit der Toten sei »die Zeit Christi, und sie ist die Zeit der Liebe, der annehmenden, der verklärenden und zurecht bringenden Liebe, die zum ewigen Leben führt. Das ist ein Wahrheitselement der Fegfeuerlehre.«42 Solch moderne Interpretationen des Purgatoriumsgedankens haben mithin eine ökumenische Dimension. Sie lassen sogar eine pauschale Verneinung jeder Fegfeuervorstellung von protestantischer Seite – wie etwa bei Wolfgang Trillhaas43 – als sachlich abwegig erscheinen. Obsolet bleiben freilich für protestantisches Denken die kirchengeschichtlich ge­wachsenen Einzelaspekte der Purgatoriumslehre einschließlich ihrer Bezüge auf das Ablasswesen. Und bevor hier falsche Hoffnungen auf eine ökumenische Eschatologie genährt werden, sei der Hinweis ergänzt, dass gerade die modernen Ansätze einer Lehre vom Fegfeuer jenseits zeitlicher Vorstellungen vom römischen Lehramt 1979 ausdrücklich zurückgewiesen worden sind.44

4. Das Gericht nach den Werken und der gerichtete Richter



Von der amerikanischen Psychologin Sukie Miller ist vor einigen Jahren ein Buch in deutscher Übersetzung erschienen, das den spannenden Titel trägt: »Nach dem Tod. Stationen einer Reise«.45 Es beansprucht, aus den kulturell und religiös so unterschiedlichen Perspektiven in der Menschheit über die Todesgrenze hinweg ein alle verbindendes, gemeinsames Muster herausdestillieren zu können. Demnach schimmern durch sämtliche Hoffnungen weltweit vier jenseitige Stadien hindurch: »Warten«, »Gericht«, »Möglichkeiten« und »Wiederkehr«. Was die Autorin auf diese Weise festzuklopfen und zu untermauern versucht, kann freilich schon im Ansatz dort nicht überzeugen, wo man auch nur eine geringe Ahnung von den Unterschieden hat, die sich in der Welt der Religionen und Philosophien hinsichtlich eines Lebens nach dem Tod und eines göttlichen Gerichts auftun. 46 Auffällig ist, dass Miller das »Gericht« einfach dem Zweck der »Wiederkehr« im Sinne von Seelenwanderung zuordnet, ohne ernsthaft zu berücksichtigen, dass einige Weltreligionen in ihrem eigentlichen Lehrbestand so etwas wie Reinkarnation gar nicht kennen, die meisten aber ein jenseitiges Gericht.

Gerade auch nach christlicher Überzeugung ist die Gerichtserwartung eine ernste Angelegenheit: Sie zeugt von der Erwartung des Kommens Gottes, der seine Herrschaft universal aufrichten wird und vor dem dann alle Menschen Rechenschaft abzulegen haben werden.47 Hier geht es um kein abstraktes Karma-Gesetz, sondern um das Gottesgesetz im Sinne der personalen Forderung des Schöpfers, das jedem Menschen ins Herz bzw. ins Gewissen geschrieben ist, so dass niemand sich vor dem künftigen Richter wird herausreden können (Röm 2,14). Es geht um die Verantwortung aller vor dem Menschensohn, der kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten (Mt 25,31 ff.).

Was Jesus in seiner Rede vom Endgericht sagt, ist für viele Menschen schwer zu verkraften. Manche Ausleger haben deshalb die ab­wegige Ansicht vertreten, dass Jesus dort mit den »Geringsten seiner Brüder« nicht etwa die Benachteiligten der ganzen Menschheit gemeint habe, sondern nur seine eigenen Jünger, die damals um ihn herumstanden. Diese Sichtweise ist aber offenkundig verkehrt, weil ja der Menschensohn die Völker aller Zeiten vor sich zum Gericht versammelt. Es geht in dieser Rede Jesu darum, dass sich der Richter im Endgericht mit all den Leidenden in der Menschheitsgeschichte identifiziert. Das ist keine göttliche Willkür; vielmehr kommt darin unmissverständlich zum Ausdruck, dass Gott der Schöpfer zu jedem seiner Geschöpfe steht, es liebt und in ihm geliebt werden will. So und nur so ist Gott der wirklich gute Gott. Und als gut erweist er sich gerade auch da­durch, dass er am Ende Gericht halten wird. Denn gar nichts wäre gut, wenn die Un­gerechten, die Bösen, die Mörder und Verbrecher niemals Ge­- rechtigkeit ereilen würde – und wenn umgekehrt die Leidenden, die Ärmsten, die Vergessenen, die Ermordeten keinerlei Heilung ihrer Wunden zu erwarten hätten. Furchtbar wäre es, gäbe es kein Jüngs­tes Gericht!

Furchtbar aber wird dieses Gericht vor allem für diejenigen sein, die am göttlichen Maßstab der Liebe vorbeigelebt haben. Solche Menschen haben den Sinn des Lebens verfehlt, weil sie Gott verfehlt haben – den Gott, der Liebe ist. Entsetzt werden sie vor ihrem Richter stehen, dessen Ehre sie dann auch gar nicht mehr bestreiten werden können, und vergeblich werden sie versuchen, sich zu rechtfertigen: »Dir sind wir ja gar nicht begegnet.« Wie anders stehen dann all die da, die meinen, dem Menschensohn nicht begegnet zu sein, als sie ihren leidenden Mitmenschen immer wieder Gutes erwiesen haben! Sie haben in Wahrheit Gott gewürdigt, indem sie nach dem Prinzip »Menschenwürde« handelten. Der eine Gottmensch Jesus Christus wird es ihnen bestätigen und sie dafür segnen.

Christen dürfen das schon jetzt wissen und sich bewusst danach ausrichten. Für sie sollte es keine Wahrnehmung von Leid geben ohne das Bedürfnis, ihm entgegenzuwirken, ohne den Impuls aktiven Mitleids. In diesem Sinn ist es beispielsweise einst Dietrich Bonhoeffer klar gewesen, dass er einem Rad in die Speichen fallen musste, das unsägliches Leid erzeugt hatte und weiter erzeugen würde. Es gab damals eine große Zahl von Christen, die jenem Rad nicht in die Speichen gefallen sind, sondern zugeschaut oder weggeschaut haben. Gerade auf deutschem Boden hat sich so ungeheure Schuld angehäuft. Als es 1934 zur Besetzung des Landeskirchenamtes in München durch die nationalsozialistischen Machthaber kam, hatte immerhin Oberkirchenrat Karl Baum in jener düsteren Stunde den Mut, dem übergriffigen Beauftragten ausdrücklich mit dem Gericht Gottes zu drohen. Es ist kein Zeichen der Stärke unserer heutigen Kirche, dass viele ihre Vertreter auf die Erinnerung an das kommende Gericht Gottes in jedem noch so krassen Fall zu verzichten pflegen. Denn wir leben allesamt im Horizont dieses universalen Gerichts. Hat nicht unsere Rechtfertigungsbotschaft nur vor diesem Horizont überhaupt einen Sinn? Kirchliche Leitungsorgane und Christen in ihren jeweiligen Le­bensstellungen sollten zu jeder Zeit deutlich machen, was sie im Sinne Gottes nicht für zu billigen halten. Kurz: Sie sollten neben dem Evangelium auch Gesetz predigen; sonst besteht die Gefahr, dass sie vor Gott bestehendes Unrecht nicht angemessen beim Namen nennen und sogar mitschuldig an diesem oder jenem Un­recht werden. Freilich ist dabei pharisäische Überheblichkeit zu vermeiden: Gesetz sollte nie abgetrennt vom Evangelium, von seinem Geist der Liebe zur Sprache kommen. Es geht um das Urteil des Höchsten über all unser Tun und Lassen zum Zweck des Erweises der göttlichen Gerechtigkeit. Es geht um Gottes Gericht über unsere Werke, das selbst noch dort nicht einfach wegfällt, wo sich die göttliche Gnade durchsetzt.

Wie aber soll man sich das Gerichtshandeln Gottes vorstellen? Und falls man es sich nicht ernsthaft vorstellen können sollte, wie lässt sich dann von einer Relevanz des Gerichtsgedankens für das menschliche Gewissen reden? Ist die Drohung mit dem Endgericht nicht doch bloße Mythologie, da man aus naturwissenschaftlicher Perspektive allenfalls mit dem Kältetod des Universums, nicht aber mit dem apokalyptischen Einbruch des Gottesreiches zu rechnen hat? Hier geht es freilich um nicht weniger als um die Gottesfrage schlechthin. Wenn Gott ist, wenn insbesondere der dreieinige Gott wirklich ist, dann wird es ein sinnvolles Ziel der Schöpfung und ein Gericht geben.

Bildliche Ausmalungen des Eschatons sind allerdings problematisch. Doch mit Recht weist Sabine Bobert in ihrem Buch »Jesus-Gebet und neue Mystik« (2010) auf die gewandelten Gerichtsvorstellungen hin, »wie sie sich in zeitgenössischen Nahtoderzählungen widerspiegeln«48. Tatsächlich kommen in Todesnähe- oder Sterbebett-Visionen gerichtsähnliche Erfahrungen immer wieder vor – und zwar oft in Gegenwart eines »Lichtwesens«, das liebevolles Verständnis ausstrahlt, mitunter aber auch in Gestalt feuriger Höllenvisionen oder höllenartiger Einsamkeitsempfindungen. An An­schaulichkeitsmaterial fehlt es also heutzutage keineswegs. Allerdings bleibt die theologische Wahrheitsfrage auch angesichts der so vielfältig vorliegenden Nahtodberichte bestehen. Denn die sind al­lenfalls so etwas wie ein »Schimmer durch den Vorhang« 49, aber kei­neswegs unmittelbar mit göttlicher Offenbarung gleichzusetzen; das zeigen allein schon die kulturell bemerkbaren Unterschiedlichkeiten dieser Spontanvisionen. Aus ihnen ist also nichts wirklich Verbindliches über das eschatologische Gericht zu erfahren.

Lehrt aber die Theologie Verbindliches über das göttliche Ge­richt? Sind nicht hier die Meinungen ihrerseits vielfältig? In der Tat – und umso mehr kommt es auf theologische Qualität an! Phi­-lipp Melanchthon hat beispielsweise erklärt, die gerechtfertigten Christen seien nur unter der Bedingung vom Gerichtszorn des Gesetzes errettet, dass sie nicht in Verstöße gegen das durchs Wort Gottes gebundene Gewissen zurückfielen, sondern in der Freiheit der Gotteskindschaft die Sünde unter ihre Füße treten würden. 50 Solch konditionale Formulierung hebt sich durchaus ab von Luthers radikaler Rechtfertigungslehre. Und auch die Frage nach der Auswirkung der von Gott geschenkten Rechtfertigung auf die Erlösung der gesamten Menschheit wird bekanntlich nicht einhellig gesehen. Luther selbst hat in dieser Frage zeitweise mit dem Allversöhnungsgedanken sympathisiert.51

5. Die leere Hölle – vage Hoffnung oder frohe Gewissheit?


Die ganzheitliche Hoffnung des christlichen Glaubens hat universale Dimensionen und Implikationen – nicht zuletzt dahingehend, dass sie heilvolle Ganzheit keineswegs nur für den Einzelmenschen, sondern für die Menschheit anvisiert.52 Neutestamentlich ist eine solch umfassende Heilsperspektive sowohl durch eine Reihe von Einzelaussagen gerechtfertigt (1Kor 15,21.28; Röm 5,18; 11,32; Phil 2, 10 f.; Eph 1,9 f.; Kol 1,19 f.; 1Tim 2,4) als auch insgesamt durch die Botschaft vom Kommen Jesu Christi als »Ja« Gottes schlechthin (2Kor 1,19 f.). Christliche Auferstehungshoffnung schließt insofern neben dem Ausblick aufs Endgericht durchaus auch den auf eine »Allversöhnung«53 ein. Wer etwa mit Trillhaas54 die Allversöhnungslehre schlechthin als »eschatologische Häresie« verdammt, der übersieht tiefste Intentionen der christlichen Freudenbotschaft.

Für frühjüdisches apokalyptisches Denken war die Verbindung von Totenauferstehung und Jüngstem Gericht derart charakteris­tisch, dass – zugespitzt formuliert – die Auferstehung nur als Er­möglichungsgrund für das Gericht fungierte. Das Neue Testament ist zwar nicht frei von entsprechenden Einflüssen (z. B. Joh 5,29), doch aufgrund der Versöhnungsbotschaft im Namen des Gekreuzigten hat es insgesamt eher die umgekehrte Intention: Der Ge­richtsgedanke ist dem Heilsgedanken untergeordnet. Gottes Richten ist eher ein Aufrichten als ein Hinrichten. Nicht zufällig spricht der Apostel Paulus im großen Auferstehungskapitel des 1. Korintherbriefs explizit von der »in Christus« einst erfolgenden Auferstehung aller Menschen, hingegen mit keiner Silbe von einer ewigen Bestrafung oder Vernichtung der Bösen oder der Nichtchris­ten, vielmehr von der Vernichtung aller »Herrschaft, Obrigkeit und Gewalt« sowie zuletzt des Todes selbst. Die paulinische Auferstehungslehre präsentiert sich mithin »im Vergleich zur jüdischen Lehre als eine ganz und gar selbständige, vor allem hinsichtlich der Art ihrer Begründung und auch durch den bestimmten Glauben an ihren allgemeinen Umfang« 55.

Mit dieser Tiefenperspektive christlicher Heilshoffnung soll nun keineswegs das »Jüngste Gericht« in Abrede gestellt werden. Als Gericht nach den Werken wird es Strafe – oder besser: schmerzliche Einsicht bringen. Doch der Ungedanke einer realen, dualis­tisch ausgeprägten Erwartung ewiger Höllenzukunft für einen Teil der Menschheit56 schreit geradezu nach Widerspruch im Namen der durch Jesu Sterben und Auferstehen ratifizierten Heilsverheißung Gottes. Wer an Gott als »Liebe« (1Joh 4,8.16) glauben können soll, dem ist nicht zuzumuten, Gott eine willkürliche Verwerfung eines Teils seiner Schöpfung zuzutrauen. Auch wird er den Allmächtigen darin nicht unterschätzen dürfen, dass er allen Menschen auch noch jenseits des Todes eine heilvolle Begegnung mit der Wahrheit namens Jesus Christus zu ermöglichen vermag, ohne den niemand zum Vater kommt (Joh 14,6; 1Petr 3,18 f. und 4,5 f.). Schließlich hat der Heilsgedanke der neues Leben bringenden Auferstehung den Gerichtsgedanken zu beleuchten, nicht aber der Gerichtsgedanke den Heilsgedanken zu verfinstern. Gilt der Tod als der Sünde Sold, so muss laut Trillhaas »Auferweckung Vergebung der Schuld sein«: Ist doch »die Versetzung der Auferweckten ins göttliche Licht schwerlich denkbar, ohne daß dieses Licht auch die Menschen mit unvollendeter Erkenntnis Gottes und mit unvollkommener Heiligung erfüllt und wandelt« 57.

Auf die Durchsetzung des göttlichen Heilswillens gegen den innerzeitlich noch möglichen und wirklichen Unheilswillen auf Seiten des Menschen kommt es an. Der Ernst des Gerichtsgedankens behält dabei sein volles Recht. Denn es geht hier um den Schmerz58 und den Zorn Gottes59. Entscheidend ist und bleibt aber die neutestamentliche Heilsbotschaft: Der Gott, der an menschlicher Schuld leidet, ja der die Menschen in die Entfremdungswelt hineingestellt hat, um sie auf den Weg in das Verhältnis seiner Liebe und Gerechtigkeit zu bringen,60 der hat sich im Gekreuzigten mit den Schuldigen und Verlorenen identifiziert. Er ist kein Rache-Gott, sondern er hat die Strafe auf seinen Sohn gelegt und insofern auf sich selbst genommen. Das heißt, er reagiert sein Leiden nicht im Ergötzen über das Strafleiden, schon gar nicht über das ewige Höllenleiden eines Teils seiner Geschöpfe ab. Lieber leidet er selbst. Von daher kann das Endgericht nichts anderes bedeuten als die Einsicht aller Menschen, dass und in welcher Weise sie je und je zum Leiden Gottes, ihres Schöpfers und Erlösers, beigetragen haben. Solches »Fegfeuer« wird einst Strafe genug sein – für den einen mehr, für den anderen weniger (1Kor 3,14 f.). Dass aber das Feuer des Gerichts »von dem Licht der Herrlichkeit Gottes nicht verschieden« 61 sein wird, sollte im Zusammenhang der Rede vom Gericht unbedingt angemessen zur Sprache kommen.

Das göttliche Gericht betrifft nach Jesus und Paulus alle Menschen, nicht nur die Bösen oder die Heiden. Ebenso gilt den »frommen« wie den »verlorenen« Kindern Gottes das Versöhnungswerk Jesu Christi, dem sie alle ihre künftige Auferstehung und das ewige Leben verdanken. An solch wahrhaft göttlicher Gerechtigkeit irre werdenden Menschen mag insbesondere das Gleichnis von den Tagelöhnern Erhellung bringen (Mt 20,1–16). Gott ist allemal größer als unser Herz.

Im Jahr 2010 haben in Deutschland christliche Zeitschriften wie idea spektrum und CA (Confessio Augustana) mit Titelbeiträgen aufgewartet, die für die theologische Annahme der Hölle, eines »ewigen Abseits« argumentieren.62 Damit wollten sie offenbar der verbreiteten Haltung jener Unentschiedenheit auf dem Gebiet dieser »letzten Dinge« entgegentreten, die sich an dem Christian Gottlieb Barth zugeschriebenen Votum orientiert: »Wer nicht an die Allversöhnung glaubt, ist ein Ochs; wer sie aber lehrt, ist ein Esel.« Solcher Nichtfestlegung lässt sich allerdings trefflich das Wort aus der Johannesoffenbarung entgegenhalten: »Weil du lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde« (3,16). In der Tat spricht es für theologische Reflexionskraft, entweder für oder gegen den Gedanken einer ewigen Hölle zu sein, während ein vages Offenlassen dieser nicht eben unwichtigen Frage nur scheinbar von Weisheit zeugt. Denn wie immer man antwortet – hier fallen jedenfalls theologische Entscheidungen von größter Tragweite. Die wesentlichen Argumente lassen sich konzentriert in fünf Punkten zusammenfassen.

a) Der biblische Befund ist zu dieser Frage bei genauerer Prüfung nicht eindeutig. Die Schrift macht es allen denkbaren Positionen relativ leicht, Belegverse anzuführen. Mit Recht hat Emil Brunner in seiner Dogmatik bemerkt, dass die Bibel hier keine klare Auskunft liefere und darum systematisch-theologisch sowohl die Annahme einer ewigen Hölle als auch die einer Allversöhnung zulasse.63 Dass aber die positive Universalperspektive gerade im Corpus Paulinum viel für sich hat, zeigt Jens Adam in seiner preisgekrönten Dissertation »Paulus und die Versöhnung aller«64. Genannt seien hier wenigstens drei Stellen, die wegen ihres grundsätzlichen, universalen Ausblicks auch Befürworter einer ewigen Hölle nachdenklich machen sollten. In seinem letzten Brief zitiert Paulus einen Hymnus, der in die Worte mündet, dass am Ende »alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr sei, zur Ehre Gottes des Vaters« (2,11). Im Auferstehungskapitel des 1. Korintherbriefs schreibt er, dass am Ende aller Dinge Gott sein werde »alles in allem« (15,28). Und im Kolosser-Hymnus heißt es, dass alles in Christus sein Bestehen habe, ja dass »alles durch ihn versöhnt würde mit Gott, es sei auf Erden oder im Himmel, dadurch dass er Frieden machte durch das Blut an seinem Kreuz« (1,17.20). Für Höllen-Spekulationen bleibt da kein Platz. Im Sinne Karl Barths könnte man sagen: Es gibt die Hölle, aber um Jesu Christi willen steht sie leer. 65

b) Das gängige Hauptargument für die Annahme einer ewigen Hölle besteht im Hinweis auf den freien Willen des Menschen. Die Verdammten hätten es ja selber nicht anders gewollt, als die Strafe zu riskieren, für immer im quälenden Feuer zu schmoren; Gott der Richter tue ihnen am Ende nur ihren Willen. In diesem Sinne wird etwa in »idea Spektrum« (Nr. 36) Clive S. Lewis zitiert, der die Hölle das größte Denkmal der menschlichen Freiheit genannt haben soll. Gern wird zur Bestätigung Phil 2,12 angeführt: »Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern!« Allerdings steht gleich im folgenden Vers: »Denn Gott ist es, der in euch beides wirkt, das Wollen und das Vollbringen, zu seinem Wohlgefallen.« Damit zeigt sich, dass eben nicht eine menschliche Autonomie der entscheidende, letztgültige Faktor im Heilsgeschehen ist, sondern Gottes Wille, der am Ende über unseren Willen bestimmt. Und dieser Wille ist eindeutig: »Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.« (1Tim 2,4)

c) Ist aber die ewige Hölle – wenn nicht im Willen des Menschen, so doch im Willen Gottes von Ewigkeit her begründet? In dieser Richtung argumentierten die Reformatoren: Die Vorstellung von der menschlichen Willensfreiheit sei nichts als Hybris, denn entweder lenke Gott den Menschen und damit auch seinen Willen – oder der Teufel tue das. Bereits vor aller Zeit, also auch vor allen menschlichen Entscheidungen, habe Gott das Endresultat vorherbestimmt. Die reformatorisch akzentuierte Erwählungslehre war indirekt ein Angriff auf alle Vertreter einer Hochschätzung der menschlichen Willensfreiheit und besagte: Nicht der Mensch, son­dern Gott entscheidet über die Ewigkeit. Es wäre furchtbar gefährlich für den Menschen und würde zudem Gottes Ehre infrage stellen, wenn das anders wäre. Von daher erwog Martin Luther zeitweise selber ernsthaft die Konsequenz des Allversöhnungsgedankens; nur wegen des uneindeutigen biblischen Befunds hielt er sich zurück und dachte dann doch in Richtung eines doppelten Ausgangs. Dabei war ihm bewusst, dass der Gedanke der göttlichen Vorherbestimmung eines Teils der Schöpfung zu ewigen Qualen äußerst schwierig zu fassen wäre. Und Johannes Calvin, der den doppelten Ausgang trotzdem zu Ende zu denken versucht hat, konnte seinerseits nicht anders als von einem decretum horribile sprechen.66 Luther aber war im Aufblick zu Jesus Christus klar: Die Hölle ist ausgelöscht.67

d) Ist der Gedanke der Allversöhnung nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der menschliche Wille dennoch in einem letzten Kern ernst genommen werden muss? Doch weil jenseits des irdischen Lebens bessere Erkenntnisbedingungen herrschen werden, weil also auch der menschliche Wille endlich von Gottes Geist erleuchtet »wählen« können wird, ist davon auszugehen, dass niemand so wahnsinnig sein wird, sich freiwillig himmlischem Licht und göttlicher Liebe zu versagen und tiefste Finsternis zu wählen. Wer übrigens meint, mit der Hoffnung auf Allerlösung werde der christliche Missionsgedanke hinfällig, der täuscht sich gewaltig. Gerade die ernste Überzeugung vom Endsieg der Liebe Gottes motiviert dazu, diese Freudenbotschaft schon jetzt in die Welt zu tragen. Wo hingegen Angst vor der ewigen Hölle das Motiv zum Missionieren und zur Bekehrung bildet, dort ist die frohe Botschaft von Jesus Christus in den beklemmenden Horizont eines düsteren Gottesverständnisses gerückt.

e) Ein Jüngstes Gericht ist mit der Lehre von der Allversöhnung keineswegs in Abrede gestellt. Im Gegenteil: Es gibt kaum je einen christlichen Vertreter des Allversöhnungsgedankens, der diesen nicht mit dem Gerichtsgedanken verknüpft hätte. Worum es geht, ist lediglich die Frage, ob mit dem Gericht nach den Werken notwendig die Idee einer unendlich dauernden Hölle verbunden sein muss. Das aber ist nicht der Fall. Dem begrenzten Geschöpf gebühren begrenzte Strafen. Die Gerichtsaussagen der Bibel sollten und dürfen jedenfalls mit der Einsicht in die gnadenhafte Rechtfertigung der Gottlosen kombiniert werden. In diesem Sinn wird man auch CA XVII »Von der Wiederkunft Christi zum Gericht« bekenntnishermeneutisch transferieren können und müssen: keinesfalls hin zu einer Leugnung des Gerichts, wohl aber zu einer Bestreitung der Annahme, dass Teile der Menschheit, für die doch Christus ge­kommen, gekreuzigt worden und auferstanden ist, von Gott da­zu vorherbestimmt seien, selber endlose Kreuzesqualen zu er­dulden.

Am Ende sei noch einmal kurz das »Ochs oder Esel«-Votum be­trachtet: Wäre demnach nicht jeder, der für die Allversöhnung plädiert, ein Ochse, weil er im Grundsatz Gottes letztes Gerichtsurteil vorwegzunehmen wagt? Nun, dasselbe Verdikt müsste dann analog gegenüber den Vertretern der Höllenlehre gelten – sie wären allesamt Esel! Obendrein lässt es sich in einem weiteren Sinn auch auf die Unentschiedenen beziehen, weil die ihrerseits Gottes Endurteil nicht ernst nehmen, das in Person und Werk Jesu Christi längst ergangen ist. Dem dreieinen Gott die Ehre geben heißt: den kommenden Sieg seiner Liebe über alles von ihm Geschaffene an­nehmen – und ihn verkündigen! Der Bezeugung des Evangeliums ist es dienlich, den furchtbaren Verdacht theologisch auszuräumen, Gott könne von seinem Wesen her eine Art ewiges »KZ« veranstalten. Welch unsägliche Folgen für eine verfinsterte Frömmigkeit die Annahme einer ewigen Hölle immer wieder gehabt hat, das hat J. Christine Janowski in ihren beiden Bänden über »Allerlösung« 68 eindrücklich aufgezeigt. Die Unvereinbarkeit ewiger Höllenqualen mit dem Glauben an den Vater Jesu Christi liegt derart klar am Tage, dass eine Versöhnung aller durch und mit Gott nicht nur ohne Scheu zu erhoffen, sondern auch zu lehren als Gebot theologischer Vernunft gelten kann.69 Denn Gott »hat alle be­schlossen unter den Unglauben, auf dass er sich aller erbarme« (Röm 11,32). Und so sollte alle christliche Rede vom Gericht am Ende ein Zeugnis von der Rechtfertigung der Gottlosen allein aus Gnade sein.

Summary


The concept of judgment is not a mythologumenon to be parted with; rather, it defines the indispensable transition to the final signification of all human existence and the entire creation – within the framework of Christian belief in the triune God uniting justice and love. In this context the Protestant insistence upon the central significance of the article of justification of necessity also affects the theological discourse on the Last Judgment.

Fussnoten:

1) Vgl. z. B. Sherry Turkle: Leben im Netz, Reinbek 1999, 418 f.; Sabine Bobert: Jesus-Gebet und neue Mystik, Kiel 2010, 128 ff.
2) Blaise Pascal: Gedanken, nach der endgültigen Ausgabe übertragen von W. Rüttenauer, Birsfelden-Basel o. J., Nr. 176.
3) Dazu mein Aufsatz »Tabuisierung des Todes im 21. Jahrhundert? Überlegungen zu einem spätmodernen Kulturphänomen« in: Berliner Theologische Zeitschrift 21 (2004), 206–225.
4) Vgl. Christof Gestrich: Unsterblichkeit der Seele? in: DtPfrBl 11/2010, 582 ff.; ders.: Die Seele des Menschen und die Hoffnung der Christen, Frankfurt am Main 2009. Siehe auch Werner Thiede: Du meine Seele …, in: P. Schulze (Hrsg.): Beffchen, Bibel, Butterkuchen. Expeditionen ins evangelische Leben, Frankfurt am Main 2009, 62–70.
5) Vgl. DtPfrBl 1/2011, 39 f.
6) Diesen Satz bekräftigt der Kernphysiker Hans-Peter Dürr: Geist, Kosmos und Physik. Gedanken über die Einheit des Lebens, Amerang 2010, 44. »Das Fundament unserer Wirklichkeit ist nicht die Materie, sondern etwas Spirituelles, das gar nicht begreifbar ist.« (45)
7) Günter Ewald: Gehirn, Seele und Computer. Der Mensch im Quantenzeitalter, Darmstadt 2006, 132.
8) Vgl. näherhin Werner Thiede: Die mit dem Tod spielen, Gütersloh 1994, 88 f.
9) Vgl. Jörg Frey: Jesus war Apokalyptiker. Die endzeitliche Komponente in der Verkündigung Jesu vom Reich Gottes, in: Sonntagsblatt. Evangelische Wochenzeitung für Bayern 64. (2008), 2, 21.
10) Das versucht etwa Claus Petersen: Die Botschaft Jesu vom Reich Gottes. Aufruf zum Neubeginn, Stuttgart 2005, 16 ff.
11) So Petersen, a. a. O., 87.93 u. ö.
12) Zitiert nach Walther von Loewenich: Martin Luther. Der Mann und das Werk, München 1983, 81.
13) Martin Luther: Kritische Gesamtausgabe, Weimar 1883 ff. (= WA) 40 I, 283, 5 f. Vgl. zu Luthers Christus-Mystik die Ausführungen in meinem Buch »Mystik im Christentum. 30 Beispiele, wie Menschen Gott begegnet sind« (Frankfurt am Main 2009, 145–150).
14) WA 18, 785, 18 f.
15) Vgl. WA 57 III, 98, 28 f., und näherhin meine Studie »Luthers individuelle Eschatologie« in: Lutherjahrbuch 49, Göttingen 1982, 7–49; ferner meine eschatologischen Überlegungen in: Der gekreuzigte Sinn. Eine trinitarische Theodizee, Gütersloh 2007, 252 ff.
16)Vgl. Albrecht Peters: Glaube und Werk, Berlin 1962, 50.
17) WA 6, 534, 15 f.
18) Mit Hans Joachim Iwand formuliert: »Die Gerechtigkeit, die Christus bringt, ist die im Endgericht, also endgültig uns zugeeignete« (Glaubensgerechtigkeit nach Luthers Lehre, in: Glaubensgerechtigkeit. Gesammelte Aufsätze II, hrsg. v. G. Sauter, München 1980, 11–125, hier 120); ebenso Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie Bd. 2, Göttingen 1991, 444, und: Systematische Theologie Bd. 3, Göttingen 1993, 251.
19) WA 36, 548, 26 f. und 581, 25 ff., textlich hier zusammengefügt und ohne Sinnänderung leicht umformuliert.
20) WA 36, 563, 9 ff.
21) WA 37, 74, 1 ff. Nächstes Zitat WA 40 I, 288, 5.
22) Vgl. WA 10 III, 1, 7.
23) WA 2, 692, 19–21.
24) WA 22, 101, 10.
25) WA 45, 500, 24 f.
26) Der Wiener Tiefenpsychologe Viktor E. Frankl hat 1948 ein Buch unter dem Titel »Der unbewusste Gott« publiziert (München 71988). In entsprechender Weise hätte er eines über »Die unbewusste Angst vor dem Endgericht« schreiben können.
27) Vgl. Reinhard Brandt: Lasst ab vom Ablass!, Göttingen 2008.
28) WA 1, 555, 36.
29) WA 2, 70, 15 f.
30) WA Briefe I, 554, 37 f.
31) WA 10 III, 197, 5–11. Im Hinblick auf Papst Gregor den Großen und seine Schriften sagte Luther: »Derselbe zeigt viele Beispiele von Geistern, die erschienen sind, welchen er als ein guter, frommer und einfältiger Mann geglaubt hat, dazu auch von fliegenden Lichtern und Irrwischen, denen er geglaubt hat, als wären’s Seelen – welche doch die Heiden vorzeiten nicht für Seelen gehalten haben und in Bezug auf welche nun offenbar ist, dass es Teufel sind« (WA 30 II, 385, 4 ff.). Luther polemisierte also gegen die Erscheinungen von Armen Seelen aus dem Fegfeuer, die nach etlichen gelesenen Messen endlich kundtun, erlöst gen Himmel zu fahren. Das alles sei Teufelsbetrug, betonte er und fügte hinzu, selbst wenn es gute Seelen wären, solle man sich von ihnen nicht belehren lassen über das hinaus, was Christus lehre (WA 10 III, 197 f.).
32) »Ein Widerruf vom Fegefeuer« (WA 30 II, 376 ff.).
33) WA 30 II, 385, 12 (hier u. ö. in heutiges Deutsch übertragen).
34) WA 50, 205, 5 ff.
35) Vgl. z. B. Gisbert Greshake: Stärker als der Tod, Mainz 1976, 91; Gerhard Lohfink: Was kommt nach dem Tod?, in: G. Greshake/G. Lohfink: Naherwartung– Auferstehung – Unsterblichkeit, Freiburg i. Br. 1982, 138 passim; Karl Rahner: Fegfeuer, in: Schriften zur Theologie XIV, Einsiedeln 1980, 435–449; Hans Küng: Ewiges Leben?, München-Zürich 1982, 176–180.
36) Ladislaus Boros: Der Geist eschatologischer Neubestimmung, in: Concilium 4 (1968), 107–112, hier 109.
37) Ladislaus Boros: Mysterium Mortis, Olten-Freiburg 1962, 145; vgl. auch 148.
38) Für eine ökumenische Eschatologie dürfte es zwischen reformatorischer und orthodoxer Theologie mehr Berührungspunkte geben als zwischen reformatorischer und römisch-katholischer, was hier nicht entfaltet werden kann. Karl Christian Felmy betont mit Recht den »eschatologische(n) Grundzug der orthodoxen Theologie« (Die orthodoxe Theologie der Gegenwart, Darmstadt 1998, 240 ff.).
39) Luther selbst konnte die Frage offen lassen, ob ungläubig Verstorbene das Heil erlangen würden (vgl. Albrecht Peters: Glaube und Werk, Berlin 1962, 239).
40) Paul Althaus: Die letzten Dinge, Gütersloh 41933, 218.
41) Vgl. Karl Barth: KD IV/3, 2. Hälfte, 1058 f.
42) Jürgen Moltmann: Das Kommen Gottes, Gütersloh 1995, 127.
43) Vgl. Wolfgang Trillhaas: Dogmatik, Berlin-New York 1972, 455 f.
44) Siehe das Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre zu einigen Fragen der Eschatologie (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 11), Bonn 1979, 5.
45) Vgl. Sukie Miller: Nach dem Tod. Stationen einer Reise, Wien-München 1998.
46) Vgl. z. B. Hans-Jürg Braun: Das Leben nach dem Tod. Jenseitsvorstellungen der Menschheit, Düsseldorf-Zürich 1996; Harold Coward: Das Leben nach dem Tod in den Weltreligionen, Freiburg i. Br. 1998.
47) Vgl. R. Rittner (Hrsg.): Eschatologie und Jüngstes Gericht, Hannover 1991; H. Bedford-Strohm (Hrsg.): Und das Leben der zukünftigen Welt. Von Auferstehung und Jüngstem Gericht, Neukirchen-Vluyn 2007.
48) Bobert, a. a. O., 438.
49) So bereits Hans Martensen-Larsen: Ein Schimmer durch den Vorhang, Berlin 1925.
50) Vgl. Albrecht Peters: Gesetz und Evangelium (HST 2), Gütersloh 21994, 78. Immerhin gesteht Melanchthon gläubigen Christen stets die Möglichkeit einer zweiten Buße zu (vgl. Philipp Melanchthon: Heubtartikel Christlicher Lere, hrsg. v. R. Jenett u. J. Schilling, Leipzig 22010, 348–351). Siehe näherhin W. Thiede: Melanchthons ökumenische Bedeutung aus evangelischer Sicht, in: M. Fri­cke/ M. Heesch (Hrsg.): Der Humanist als Reformator. Leben, Werk und Wirkung Philipp Melanchthons, Leipzig 2011 (im Druck).
51) Vgl. Erich Vogelsang: Die Anfänge von Luthers Christologie nach der ersten Psalmenvorlesung, AKG 15, 1929, 154; Werner Thiede: Luthers individu-elle Eschatologie, a. a. O., 46 ff.
52) Vgl. 1Kor 15,21 f. Dass der Auferstehungsglaube eine »die ganze Menschheit umfassende Heilshoffnung« darstellt, begründet Wolfhart Pannenberg mit der »in dem auferstandenen Christus« verwirklichten Gottebenbildlichkeit als der »Bestimmung jedes Menschen« (Die Auferstehung Jesu und die Zukunft des Menschen, in: Grundfragen systematischer Theologie II, Göttingen 1980, 174–187, hier 180 f.).
53) Vgl. Werner Thiede: Die Hölle ist ausgelöscht, in: zeitzeichen 11/2010, 13–15.
54) Vgl. Trillhaas, a. a. O., 458 f. Demgegenüber habe ich die theologische Attraktivität der Allversöhnungslehre bereits unterstrichen in den Büchern »Das verheißene Lachen. Humor in theologischer Perspektive« (Göttingen 1986, 134 f.) und »Auferstehung der Toten – Hoffnung ohne Attraktivität?« (Göttingen 1991, 83 ff.).
55) Heinrich Molitor: Die Auferstehung der Christen und Nichtchristen nach dem Apostel Paulus, Münster 1933, 118.
56) Vgl. Elke Jüngling: Die Hölle – veralteter Glaubensartikel oder unverzichtbares Element im Gottesbild? Frankfurt a. M. u. a. 1997. Hier wird verkannt, dass die Hölle keinen »Glaubensartikel« im christlichen Credo darstellt; vgl. auch D. Hilborn (Hrsg.): Heißes Eisen Hölle, Gießen 2011.
57) Trillhaas, a. a. O., 496. Nächstes Zitat: 499.
58) Vgl. Kazoh Kitamori: Theologie des Schmerzes Gottes, Göttingen 1972; Helmut Riedlinger: Vom Schmerz Gottes, Freiburg i. Br. 1987.
59) Vgl. Jörg Jeremias: Der Zorn Gottes im Alten Testament: Das biblische Israel zwischen Verwerfung und Erwählung, Neukirchen-Vluyn 2009.
60) Vgl. Werner Thiede: Der gekreuzigte Sinn. Eine trinitarische Theodizee, Gütersloh 2007.
61) Wolfhart Pannenberg: Das Glaubensbekenntnis, Gütersloh 1972, 185.
62) Vgl. idea spektrum Nr. 36/2010; CA III/IV 2010.
63) Vgl. insgesamt Emil Brunner: Dogmatik Bd. III, Zürich 1960, 464 ff.
64) Jens Adam: Paulus und die Versöhnung aller. Eine Studie zum paulinischen Heilsuniversalismus, Neukirchen-Vluyn 2009.
65) Barth konnte sich während einer Vorlesung wie folgt äußern: »Kommen wir zu Hölle, Tod und Teufel. Sollen sie Inhalt der Verkündigung sein? Nein. Aber es gibt sie. Nur: Wir haben sie hinter uns. Wir können ihnen das Hinterteil zeigen« (entnommen: http://www.publicationes.de/wissen/christliche-oekumene/96-karsamstag.html, 1.2.2011).
66) Vgl. Werner Thiede: Tiefe und Aporie der Theologie Calvins. Eine Skizze anlässlich seines 500. Geburtstages, in: Theologische Beiträge 40 (2009), 18–27.
67) Für den Christen sind »Gottes Zorn und die Hölle ausgelöscht« (WA 36, 581, 26).
68) Vgl. J. Christine Janowski: Allerlösung. Annäherungen an eine entdualisierte Eschatologie, Neukirchen-Vluyn 2000 (2 Bände); ferner Thomas und Gertrude Sartory: Nach dem Tod – die Hölle? München 1974; Ernst Benz: Der Mensch und die Sympathie aller Dinge am Ende der Zeiten, in: Eranos-Jahrbuch 24, Zürich 1956, 133–197.
69) Dies wird nun auch in der evangelikalen Theologie denkmöglich – vgl. Rob Bell: Das letzte Wort hat die Liebe, Gießen 2011.