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Ausgabe:

Februar/1996

Spalte:

203–205

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Tschirch, Reinmar

Titel/Untertitel:

Bibel für Kinder. Die Kinderbibel in Kirche, Gemeinde, Schule und Familie.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1995, 218 S. m. 12 Abb. gr. 8o Kart. DM 28,­. ISBN 3-17-013093-5.

Rezensent:

Gottfried Adam

Die Frage der Bibeln für Kinder ist ein Bereich, der bislang von der theologischen Forschung sträflich vernachlässigt worden ist. Auch die Kirchen haben dieser Frage bisher wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht. Die Bibelgesellschaften haben ihr insofern Aufmerksamkeit zugewendet, als sie die eine oder andere Publikation herausgebracht und vorhandene private Kinderbibeln verbreiten halfen. Im Blick auf eine kritische Reflexion und nachgehende Untersuchungen hat es bisher im Blick auf die Kinderbibelfrage wenig zu vermelden gegeben.

Im Vorwort seiner Veröffentlichung verweist R. Tschirch darauf, daß ihn bei der Beschäftigung mit der Kinderbibelfrage dieser Tatbestand mehr und mehr in Erstaunen versetzte: So verbreitet und so wichtig die Kinderbibeln sind, sie stellen offensichtlich kein Thema dar, mit dem Theologen, Religionspädagoginnen und andere kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich ausdrücklich beschäftigen. "Aber die Verantwortung, die man mit diesem Buch gegenüber Kindern hat, muß dazu zwingen, genau hinzuschauen und genau zu lesen: Was ist es, was dem Leser da als biblische Botschaft vermittelt wird? Da ist manches, was man nicht ­ wenn man seine theologische und pädagogische Aufgabe ernst nehmen möchte ­ hinüberbringen kann zum kindlichen Leser. Und da ist vieles, was hilft und anregt, wenn man Kindern die Bibel in ihrer Sprache, in ihre Welt hinein ’übersetzen’ will." (11f.)

In der vorliegenden Untersuchung, die als Dissertation am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Hannover angenommen wurde, werden vielfältige Fragen, die sich angesichts der Kinderbibelthematik stellen, behandelt. Die Veröffentlichung gilt nicht der Untersuchung einer einzelnen Kinderbibel oder einer eingegrenzten Thematik (z.B. Illustrationen, Gottesbildern), sondern sichtet das Gesamtfeld "Kinderbibel". Eingangs wird die dürftige Forschungslage skizziert (16-18). An Beispiele für die Relevanz der Kinderbibel in der Lebensgeschichte schließt sich eine erste Typologisierung der literarischen Gattungen der Bibeln für Kinder an: Biblische Bilderbücher, Kinderbibeln, Bibelcomics, Biblische Erzählbücher sowie Sach(bilder)bücher zur Bibel.

Das 4. Kapitel wendet sich der Geschichte der Kinderbibel zu. Als markante Beispiele werden behandelt: Johann Hübners "Zweymahl zwey und funffzig Auserwählte Biblische Historien" (1714), Johann Peter Hebels "Biblische Geschichten den Kindern erzählt" (1824), und Julius Schnorr von Carolsfelds "Die Bibel in Bildern" (1860). In der Arbeit werden sodann die Bilder in Kinderbibeln untersucht und es wird nach ihrer "Macht" gefragt. Die Untersuchung geht der Illustration von Kinderbibeln nach und analysiert die Jesus- und Gottesbilder in Kinderbibeln. Auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Bibel-Comics wird kurz angesprochen. Breiten Raum nimmt in Kap. 6 die Analyse des Erzählstils ein.

Das umfangreichste Kapitel (Nr. 7) unterzieht die bibelwissenschaftlichen Voraussetzungen für biblisches Erzählen einer kritischen Untersuchung. Dabei werden unterschiedliche Erzählvarianten zum Gleichnis vom Verlorenen Sohn, zur Heilung des Blinden sowie zu den Schöpfungserzählungen verglichen. Es wird deutlich, daß die Kinderbibelerzählerinnen und -erzähler eine große theologische Verantwortung haben. Das folgende 8. Kap. geht daher der Kinderbibeltheologie nach. Hier geht es um die Rede von Gott, das Bild von Jesus, die Frage der antijüdischen Vorurteile und die Vermittlung von Moral. Je ein Kapitel zu den Kriterien der Auswahl von Kinderbibeln und zur Frage, wie man mit Kinderbibeln in der konkreten Arbeit umgehen kann, bündeln die erarbeiteten Erkenntnisse im Blick auf die praktische Arbeit. Ein Literaturverzeichnis, das Kinderbibeln sowie die entsprechende wissenschaftliche und populartheologische Literatur zur Thematik verzeichnet, sowie ein Sach- und Personenindex runden den Band ab.

Das Inhaltsreferat hat deutlich zu machen versucht, was man in dem Buch finden kann: eine gelungene Einführung in die zentralen Grundprobleme der Kinderbibelfrage. Man merkt den Ausführungen an, wie engagiert der Autor in dieser Frage ist und über welch breiten Hindergrund an Kenntnissen und praktischen Erfahrungen er verfügt. Er hat selbst eine eigene Kinderbibel veröffentlicht. Dies erklärt, warum es ihm gelungen ist, die Breite und Vielfalt der Aspekte des Themas so bündeln und übersichtlich darstellen zu können, wie er das getan hat. ­ Es ist zu hoffen, daß die Veröffentlichung mit dazu beiträgt, die Verantwortung für Kinderbibeln bewußter zu machen und weitere Spezialuntersuchungen anzuregen. Das Buch ist im übrigen in einem gut lesbaren Stil geschrieben. Daher eignet es sich auch für die Hand der Praktikerinnen und Praktiker im Elementarbereich und von Eltern. Es ist eine Veröffentlichung, die an der Zeit ist.