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Ausgabe:

Februar/1996

Spalte:

201 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schmutzler, Georg Siegfried

Titel/Untertitel:

Gemeindepädagogik in Aktion. Von der Mauer bis zur Wende.

Verlag:

Bielefeld: Luther-Verlag 1994. 213 S. 8o = Unio und Confessio, 18. Kart. DM 36,­. ISBN 3-7858-0362-1.

Rezensent:

Dieter Reiher

Seit Eva Heßler in den ostdeutschen Kirchen den Begriff der Gemeindepädagogik seit 1974 einführte und ausarbeitete, gehörte der Pädagoge und Theologe Siegfried Schmutzler zu den Mitarbeitern für den Brückenschlag zwischen Theologie und Pädagogik, der sich insbesondere in seinen didaktischen Bemühungen ausdrückte.

Der erste Band seiner Lebensgeschichte "Gegen den Strom" (Göttingen 1992) berichtet "Erlebtes unter Hitler und Stalin". "Von der Mauer bis zur Wende" ist der Fortsetzungsband (1961-1980). Sch. versteht sein zweites Buch als den "Versuch einer narrativen Gemeindepädagogik im Erfahrungshorizont eines engagierten theologisch-pädagogischen Mitarbeiters auf landeskirchlicher und gesamtkirchlicher Ebene" (9) In Längsschnitten sollen Entwicklungen sichtbar gemacht werden, die für die gegenwärtigen Fragen von Bedeutung sein können; denn die "forcierte Entkirchlichung der Gesellschaft in der DDR hat theologisch-pädagogische Defizite und Fehlentwicklungen verstärkt ans Licht gebracht". (9)

Impulse aus den Erfahrungen der DDR-Zeit unter den neuen Herausforderungen nach der Wende werden sicherlich nur indirekt und aufgrund erneuter Reflexion vernembar sein. Denn die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen, die die Arbeit Sch.s geprägt und seine Gemeindepädagogik "in Aktion" gebracht haben, beziehen sich auf eine säkular-ideologische Gesellschaft und auf eine kirchliche Theologie, die sich nur langsam für pädagogisch-didaktische Intentionen öffnete. Die Bedeutung des vorgelegten Buches liegt wohl vor allem darin, daß ein Zeitzeuge unter biographischen Abläufen die unsensationellen, mühevolllen Auseinandersetzungen im kirchlichen Alltag in der DDR darstellt, reflektiert und dokumentiert. Gegenüber dem ersten Buch ist hier alles unspektakulär. Was soll auch schon interessant an theologisch-pädagogischen Arbeitskonzepten, an Berichten von Sitzungen, Kollegs, Kursen und Synoden sein? Es sei denn, der Leser kennt die damaligen Konfliktkonstellationen, oder er hat die Entwicklungsperspektiven bis zu den Aporien der Gegenwart parat. Immerhin hat sich die "Gemeindepädagogik in Aktion" nie auf das Innerkirchliche zurückgezogen.

Seine Militanz (11) war in Aktion auf den Kampffeldern Jugendweihe, Sammlung von Eltern, "Weltanschauungsschule", Friedenserziehung; die "Handreichungen" der Theologisch-Pädagogischen Arbeitsgemeinschaft stellten eine Reihe von Praxisentwürfen zu brisanten Themen zur Verfügung wie "Vorurteile", "Toleranz/Intoleranz". Und die Anlagen dokumentieren z.B. die "Zehn Artikel über Freiheit und Dienst der Kirche", 1963, die im Streit mit den sieben theologischen Sätzen des Weißenseer Arbeitskreises "Von der Freiheit der Kirche zum Dienen", 1964, lagen.

Die beiden leitenden Themen seiner kirchlichen Arbeit waren: 1. Das Defizit in der pädagogischen Ausbildung der Theologen und kirchlichen Mitarbeiter abbauen helfen und einem ganzheitlichen theologisch-pädagogischen Denken zum Durchbruch verhelfen. 2. Das "geistlich-geistige Kampffeld der Kirche in der DDR", die sich in einem beständig fortschreitenden Säkularisierungsprozeß befand. Die Besinnung auf wichtige Erfahrungen dieses Dienstes und auf Bewahrenswertes bereichert die Geschichte der Katechetik/Gemeindepädagogik, stellt aber auch die Frage nach den Entscheidungen, die den gegenwärtigen Entwicklungen zugrundeliegen.