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Ausgabe:

Februar/1996

Spalte:

198 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Meyer-Blanck, Michael

Titel/Untertitel:

Vom Symbol zum Zeichen. Symboldidaktik und Semiotik.

Verlag:

Hannover: Luth. Verlagshaus 1995. 132 S. kl. 8o = Vorlagen, 25. Kart. DM 13,80. ISBN 3-7859-0703-6.

Rezensent:

Peter Biehl

Im Sinne der Prognose H. Schröers, daß die wesentliche Phase des symboldidaktischen Arbeitens uns noch bevorsteht, setzt sich der Autor für einen "zweiten Anlauf" in der 15jährigen Diskussion unter semiotischem Vorzeichen ein (7). Der semiotische Ansatz hat sich in maßgeblichen Handlungsfeldern der Praktischen Theologie als fruchtbar erwiesen, während er in der Religionspädagogik bisher kaum rezipiert wurde, obwohl eine Verwandtschaft zwischen Semiotik und Didaktik besteht (vgl. 87). Daher plädiert M.-B. für eine semiotische Revision der Symboldidaktik, die gerade ihre kritischen Intentionen besser zum Zuge bringen kann (85); diese soll künftig als Didaktik religiöser und christlicher Zeichenprozesse verstanden werden (116). Die wesentlichen symboldidaktischen Entwürfe (Biehl, Früchtel, Halbfas) werden auf dem Hintergrund der Symboltheorien Tillichs und Ric¦urs skizziert (I). Der Leser erhält einen Eindruck von der Arbeit mit der Semiotik im Rahmen der Homiletik und Liturgik (II) und bekommt eine Einführung in die Semiotik von Peirce, Morris und Eco (III); in der semiotischen Kritik der Symboldidaktik gewinnt das Büchlein den Charakter einer Streitschrift (IV); abschließend werden die Aufgaben für eine künftige Didaktik beschrieben: den Gebrauch von Zeichen studieren, probieren und kritisieren (V).

M.-B. plädiert in diesem Kap. dafür, den unpräzisen und unbiblischen Symbolbegriff durch den biblischen Zeichenbegriff, der Aufforderungscharakter habe, offen, aber nicht vage sei, zu ersetzen. Der biblische Begriff von Zeichen lasse sich zwar nicht mit dem semiotischen Zeichenbegriff zur Deckung bringen, "wohl aber von dorther interpretieren" (109). Diese terminologische Revision sei freilich noch keine neue Symboldidaktik (115).

Wie ein roter Faden durchzieht die Schrift eine Auseinandersetzung zwischen Ric¦ur und Eco (vgl. 81 f.). Nach Ric¦ur vollzieht sich Symbolinterpretation in der Dialektik von Vorgabe und Kritik; die Symbole geben nämlich Anteil an dem, was sie sagen, der vorgegebene Sinn kann jedoch unter den Bedingungen der Moderne nur reflexiv angeeignet werden. Für M.-B. ist die Teilhabemetapher mit einer Ontologisierung der Symbole verbunden, die die Subjektgebundenheit der Zeichen ignoriere (15 u.ö.); er spricht stattdessen mit Eco von einem "symbolischen Modus" als einem eigentümlichen Gebrauch von Zeichen (80). Der Autor unterscheidet zwischen der Frage nach der Funktion und nach der Wahrheit von Zeichen; die Frage nach der Wahrheit der Botschaft, für die die Systematische Theologie zuständig ist (vgl. 38), bleibt außerhalb der Betrachtungsweise der Semiotik, der es "lediglich um die Mitteilbarkeit und Verstehbarkeit der Botschaft" geht (78).

So bleiben die semiotische und die theologische Sicht von Symbolen nebeneinander stehen (90); eine semiotische Symboltheorie, die sich theologisch wie religionspädagogisch verantworten ließe, ist also von vornherein nicht zu erwarten. Die Semiotik kann Bedeutung nur für das Feld der Didaktik gewinnen, indem sie hilft, Unterrichtsprozesse offener und prägnanter zu gestalten. Der Wende von Ric¦ur zu Eco entsprechend finden sich in der Auseinandersetzung mit der Symboldidaktik des Vf.s religionspädagogische Präzisierungen: Aufgabe einer semiotisch gedachten "Symbolisierungshermeneutik" sei nicht das Verstehen von Symbolen, "sondern die Verständigung und Selbstverständigung von symbolisierenden Subjekten" (89).

Handelt es sich dabei um eine echte Alternative? Dem didaktischen Prinzip, daß es die religiöse Kommunikation ist, die zu denken gibt, ist zuzustimmen (118). Lebt diese Kommunikation jedoch nicht davon, daß in ihr religiöse Symbole verstehend angeeignet oder abgewiesen werden? Für didaktische Zusammenhänge gilt ohnehin der Grundsatz, daß überlieferte Zeichen mit einem mehrfachen Sinn für die Betroffenen erst zu Symbolen werden, wenn sie auf symbolische Weise selbsttätig mit ihnen umgehen.

Das gut lesbare Buch fordert dazu heraus, symboldidaktische Ansätze kritisch zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Das Buch ist notwendig, um Möglichkeiten und Grenzen einer Rezeption der Semiotik innerhalb der Religionspädagogik fundiert diskutieren zu können. Zum Vergleich läßt sich die Auseinandersetzung H. Wahls mit der Semiotik heranziehen (Glaube und symbolische Erfahrung, 1994, 248-297).