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Ausgabe:

Oktober/2011

Spalte:

1118-1120

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Christoph, Joachim E.

Titel/Untertitel:

Kirchen- und staatskirchenrechtliche Probleme der Evangelisch-theologischen Fakultäten. Neuere Entwicklungen unter besonderer Berücksichtigung des Bologna-Prozesses.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2009. XIX, 226 S. gr.8° = Jus Ecclesiasticum, 91. Lw. EUR 49,00. ISBN 978-3-16-150066-4.

Rezensent:

Heinrich de Wall

Nachdem die grundlegenden Arbeiten zum Recht der theologischen Fakultäten von Heckel und Solte nun schon einige Zeit zurückliegen, finden sie in diesem Buch von Joachim E. Christoph ihre monographische Fortsetzung und Aktualisierung angesichts der veränderten hochschulpolitischen und hochschulrechtlichen Landschaft. C. hat als langjähriger Referent des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, als Vizepräsident des Kirchenamtes der VELKD und als Mitglied des Kontaktausschusses zwischen EKD und Evangelisch-Theologischem Fakultätentag reichhaltige wissenschaftliche und praktische Erfahrungen, die in seine Analyse des Rechts der Evangelisch-theologischen Fakultäten einfließen. Diese für die Rechtswissenschaft typische enge Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis, die in jüngerer Zeit kritisiert worden ist, erweist in Schriften wie dieser ihren hohen Wert.
In direktem und knappem Zugriff geht die Arbeit auf ältere, aber immer wieder aktuelle Fragestellungen ebenso ein wie auf die besonderen Probleme, die sich im Zusammenhang mit dem Bo­-logna-Prozess ergeben. C. beleuchtet das Recht der Evangelisch-theologischen Fakultäten nicht nur aus staatskirchenrechtlicher, sondern auch aus kirchenrechtlicher Perspektive und unterbreitet dabei konkrete Vorschläge für eine Fortentwicklung der im evangelischen Kirchenrecht in der Tat nur rudimentär und lückenhaft geregelten Rolle der Fakultäten in und für die Kirche.
Nach einer kurzen Einleitung und einer ebenso knappen Darlegung der theologischen und historischen Grundlagen der theologischen Fakultäten analysiert C. in einem dritten Teil seiner Arbeit die kirchen- und staatskirchenrechtliche Lage der Evangelisch-theologischen Fakultäten im geltenden staatlichen Recht und im evangelischen Kirchenrecht (23–55). Dabei ist insbesondere die Zusammenstellung der kirchenrechtlichen Grundlagen verdienstvoll. Nicht überzeugend ist es, die Rechtsfigur einer juristischen Person des Kirchenrechts als Voraussetzung für die weitere Normierung der Rechtsstellung der Fakultäten zu postulieren. Dieser Rechtsfigur bedarf es nicht. Dagegen weist C. zu Recht darauf hin, dass der häufig im Hinblick auf die theologischen Fakultäten verwendete Begriff der »gemeinsamen Angelegenheit« lediglich be­schreibender Natur ist, aber kein Rechtsbegriff, auf den konkrete Mitwirkungsrechte der Kirchen gestützt werden können. Darauf hat auch das Bundesverfassungsgericht in der Lüdemann-Entscheidung hingewiesen. Bei den Einzelfragen wird die Kategorie der gemeinsamen Angelegenheiten dennoch als Argumentationsfigur zur Rechtsbegründung herangezogen (46.72.109), statt die konkrete, aus dem Selbstbestimmungsrecht oder anderen Rechten abzuleitende Grundlage für Mitwirkungsrechte der Kirchen herauszuarbeiten. Für die kirchenrechtliche Stellung der theologischen Hochschullehrer wird deren Teilhabe am öffentlichen Predigtamt nach CA XIV herangezogen. Nach C. sind Hochschullehrer aufgrund der Beteiligung der Kirchen bei ihrer Berufung im Sinne von CA XIV rite vocati. Dies scheint mir noch gründlichen Nachdenkens zu bedürfen. So wäre zu klären, warum Hochschullehrer bisweilen noch zusätzlich für einen (ehrenamtlichen) kirchlichen Dienst ordiniert werden, wenn sie doch ohnehin ordnungsgemäß ins Predigtamt berufen sind. Dies greift aber über den Rahmen der Arbeit hinaus.
Im folgenden Teil über »Ältere Problemstellungen« (56–99) wird richtig darauf hingewiesen, dass die Mitwirkungsrechte der evangelischen Landeskirchen bei der Berufung von Theologieprofessoren – entgegen ihrer Formulierung als bloße Gutachtenrechte – ein dezisives Votum einräumen und dass auch die nachträgliche Beanstandung eines evangelischen Theologieprofessors möglich sein muss. Nicht nur für Letzteres, sondern auch für Ersteres könnte man ergänzend die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts aus der Lüdemann-Entscheidung fruchtbar machen, wonach die Ausgestaltung der Rechte der evangelischen Kirchen als Gutachtenrechte nicht die Pflicht des Staates ausschließe, an seinen Hochschulen das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zu achten. Be­sonders hervorzuheben sind die gründliche Analyse und Kritik der vorhandenen Konfessionsklauseln in theologischen Prüfungsordnungen. Zu Recht spricht sich C. für ihre stimmige, den neueren Stand der Ökumene und des Rechts berücksichtigende Neuformulierung aus.
Besonderes Glanzstück der Arbeit ist der Abschnitt zu Auswirkungen des Bologna-Prozesses auf die Evangelisch-theologischen Fakultäten (100–138). Zu Recht arbeitet C. heraus, dass sowohl bei der Einführung gestufter Bachelor-/Masterstudiengänge als auch im (rechtlich ohnehin waghalsigen und hochschulpolitisch irrsinnigen) Akkreditierungswesen Mitwirkungsrechte der Kirchen aus dem Verfassungsrecht abzuleiten sind. Eine kurze Bestandsaufnahme und Stellungnahme zu Entwicklungstendenzen schließt die Arbeit ab. Angefügt ist ein sehr nützlicher Dokumentenanhang.
Insgesamt besticht die Arbeit durch klare und schnörkellose juristische Argumentation. Sie beweist, dass auch auf überschaubarem Raum schwierige Rechtsfragen gründlich, knapp und klar aufbereitet werden können.