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Ausgabe:

September/2011

Spalte:

986-987

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Wrogemann, Henning

Titel/Untertitel:

Den Glanz widerspiegeln. Vom Sinn der christlichen Mission, ihren Kraftquellen und Ausdrucksgestalten. Interkulturelle Impulse für deutsche Kontexte.

Verlag:

Frankfurt a. M.: Lembeck 2009. 326 S. 8°. Kart. EUR 22,00. ISBN 978-3-87476-606-7.

Rezensent:

Heinrich Balz

Die Eigenart und der Reiz des Buches von Henning Wrogemann, Missionswissenschaftler in Wuppertal/Bethel, ist, dass es eine Brücke schlägt zwischen der auf außereuropäische Christenheit ausgerichteten universitären Missionswissenschaft und Mission in deutschen volkskirchlichen Kontexten. Es wählt auf beiden Seiten aus und bringt Erfahrungen gemeindlicher Praxis der Hannoverschen Landeskirche zu Mission wie zum interreligiösen Dialog ein. Die Kraftquellen für solche Arbeit werden mit dem Titelthema »Den Glanz widerspiegeln« aus 2Kor 4,6 biblisch-meditativ er­schlossen, um einer verbreiteten Erschöpfung und Mutlosigkeit in der Kirche und einer tiefgreifenden Sinnkrise bei ihren Mitarbeitern zu begegnen. Doxologie, Gotteslob ist der neue Ansatz einer Missionstheologie, der sowohl die Mitarbeitenden wie die missionarisch Anzusprechenden meint: Moderne kirchenferne Menschen zu ihrer letzen Sinnerfüllung im Gotteslob einzuladen ist mutig. Theologisch ist das Vorgelegte ein Heidelberger Buch: E. Schlink, C. Westermann, M. Welker und vor allem Th. Sundermeier sind seine Bezugspartner.
Die Einleitung (17–50) führt hin zu den biblischen Bildern von den Werken Gottes: nach den architektonischen, organischen und sozialen Bildern ist die Zeit reif für die »energetischen«. Gemeint ist damit Gottes Kraft, ihr Fließen und Überfließen und, das Ganze bestimmend, die Herrlichkeit, der widerzuspiegelnde Glanz des Angesichtes Christi als Begründung für Mission. Diese Bildsprache gibt den Einstieg zum II., dem biblisch-theologischen Begründungsteil (51–151), der von den Kraftquellen der Mission handelt. Auf das Überfließen der Liebe Gottes antwortet das menschliche Gotteslob in seiner kulturellen Vielfalt, einladend und Grenzen überschreitend. Besonderer Nachdruck liegt auf der aisthesis, der Erfahrbarkeit der Herrlichkeit Gottes mit allen Sinnen, nicht nur im Wort. Gotteslob geschieht, deutlich unterscheidbar von anderem Kult, im Namen Jesu Christi und, auf den Wortsinn von »bewohnter Erde« zurückgehend, in »oikumenischer Solidarität«. Der Gedankengang in diesem Teil ist mehr phänomenlogisch als ableitend logisch.
Teil III, der gedankenreichste und überzeugendste des Buches, wendet sich den »Ausdrucksgestalten doxologischer Mission« in deutsch volkskirchlicher Praxis zu (153–258). Heil und Heilung sind nicht nur in Afrika und bei den Pfingstkirchen verbunden, auch in der Volkskirche müssen heilsame Gemeinschaftserfahrungen wieder solche Wirkung bekommen. Dialog und Mission im kirchlichen Kontext werden kritisch beteiligt dargestellt: Einladung der anderen zum eigenen Glauben kann bei Christen ebensowenig wie bei Muslimen aus dem interreligiösen Dialog ausgeschlossen werden; »Missionarischer Islam und gesellschaftlicher Dialog« war 2006 der Gegenstand von W.s Habilitationsschrift. Aggressiver, »kalter« Rekurs auf Joh 14,6 stößt W. ab (185 f.), doch er widerspricht nicht minder der verzagten, übervorsichtigen Selbstzurücknahme von Christen im Dialog, die sich oft fortsetzt in einer neuen verdeckten Spielart von Paternalismus, die dem anderen nahelegt, doch in seiner für ihn guten Religion zu bleiben statt etwa zum Christentum zu konvertieren. Konversion im engen Sinn und konversive Praxis/Prozesse, die sich volkskirchlich eher beobachten und seelsorgerlich begleiten lassen, differenziert W. im Gespräch mit D. Pollack. Glaube muss sicht- und spürbar werden, er wächst, wie in Afrika und Indien, so auch hierzulande »von außen nach innen«, er bedarf der Rituale, die der Protestantismus zu seinem Schaden lange vernachlässigt hat. Abschließend werden »religiöse Missionen«, nicht nur die christliche, im Pluralismus gegenwärtiger deutscher Gesellschaft verortet: Aktiv und öffentlich sollen sie zu diesem Pluralismus beitragen, wozu die neue Theologie des Heiligen Geistes von M. Welker den Rückhalt gibt. Pluralismus wird von W. hier soziologisch verstanden, eine Auseinandersetzung mit pluralistischer Theologie der Religionen findet nicht statt.
Der abschließende kürzere Teil IV: »Doxologische Mission und eine Theologie der Gelassenheit« (259–316) führt einige Themen zu Ende und bringt neue spezifische Herausforderungen. Gelassenheit als Loslassen-Können – nicht im Sinne mittelalterlich-mystischer Abgeschiedenheit – ist der doxologischen Missionsbegründung konstitutiv. Gotteslob strahlt gegenwärtig Lebensfreude aus – Nietzsche hat Recht: Erlöste sehen anders aus (192) – es verleugnet aber nicht die Klage, das Mitleiden und die Hoffnung auf eine erst künftige Weltvollendung durch Gott. Die missionarische Identität Jesu Christi ist trinitarisch verankert, das Kreuz ist Ausdruck der Feindesliebe Gottes; in dreifacher Gestalt verherrlicht der Geist, der auch in die Sendung der Christen einführt, den Sohn und den Vater. Ein abschließendes Kapitel verspricht die »Missionstheologische Verortung« des eigenen neuen Ansatzes (296–316): In kühner Konstruktion erfährt man, dass das Christentum erst um 1950 durch die Entstehung außereuropäischer Kirchen zur wirklichen Weltreligion geworden sei, dass der heilsgeschichtlichen Missionstheologie das »Modernisierungsmodell«, der missionarischen Be­freiungstheologie das Dependenzmodell und der Mission als Konvivenz die Ära der Globalisierung entspreche. Die Zuordnungen machen dem missionstheologisch kundigen Leser einige Probleme und besagen am Ende vielleicht nicht mehr, als dass W. von seinen neuen Standpunkt aus das Gespräch über Konvivenz mit Th. Sundermeier anhaltend und intensiv führt, alle anderen Positionen aber als geschichtlich überholt betrachtet.
Das Ganze ist ein innovativ eigenwilliges, bei aller Dialog-Sensibilität zugleich auch ein monologisches Buch. Manches muss aus der Isolierung wieder in Zusammenhänge gerückt werden. Das starke Epochen- und Generationsbewusstsein überzeugt nicht ganz. Dass Mission als Kirchenpflanzung und -entstehung in außereuropäischen Regionen, wo es bisher keine Kirche gab, im­mer noch die Aufgabe ist, leugnet W. nicht, aber die hiesige Aufgabe ist ihm näher. Manche der erhobenen Forderungen an Volkskirche in Deutschland sind wohl zu hoch und hätten nur in Freikirchen die Chance einer Realisierung. Zu erinnern wäre auch daran, dass umfassendes indirektes Zeugnis aller Christen schon im Neuen Testament deutlich abgetrennt ist von der spezifischen Aufgabe der Mission. Weiter wäre bei doxologischer Begründung der Mission die Unterscheidung von theologia gloriae und theologia crucis nicht nur zu streifen (84, Anm. 70) sondern ins Gespräch aufzunehmen gewesen, und evangelisch zu bestimmen, was Gotteslob mit Glauben, seinem Entstehen und Bestehen zu tun hat. In protestantischer Missionsgeschichte war das rettende Handeln Gottes das vorrangige Motiv, das aber dem doxologischen, etwa in der modernen evangelikalen Missionsbewegung, nicht widersprechen muss: »Das erste und oberste Ziel der Mission ist die Verherrlichung des Namens Gottes und die Kundmachung der Herrschaft Jesu Christi, seines Sohnes«, liest man in der Frankfurter Erklärung zur Grundlagenkrise der Mission 1970. Das ist zwar nicht ganz das, worauf W. hinauswill, aber ein Dialog mit dieser Sicht wäre gleichwohl lohnenswert, für beide Seiten. – Alles in allem ist das Buch eine gedankenreiche, nützliche und notwendige Herausforderung für alle, die sich über den Sinn christlicher Mission heute Gedanken machen.