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Ausgabe:

September/2011

Spalte:

960-962

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Butt, Christian

Titel/Untertitel:

Kindertheologische Untersuchungen zu Auferstehungsvorstellungen von Grundschülerinnen und Grundschülern.

Verlag:

Göttingen: V & R unipress 2009. 307 S. gr.8° = Arbeiten zur Religionspädagogik, 41. Geb. EUR 39,90. ISBN 978-3-89971-720-4.

Rezensent:

Katharina Kammeyer

Im Kontext von Forschungen zum Theologisieren mit Kindern hat Christian Butt eine interessante empirische Studie zu Gesprächen mit Kindern zweier vierter Klassen zur Auferstehung Jesu vorgelegt. Die Promotionsschrift (betreut von Hanna Roose) geht der wichtigen Frage nach, wie Kinder dieses zentrale christliche Credo verstehen, und zeichnet sich durch einen deutlichen Fokus auf die Interpretation von Bibeltexten durch Kinder aus. Neben anderen Studien zur Christologie von Kindern und Jugendlichen (Büttner 2002, Hanisch/Hoppe-Graf 2002 und Ziegler 2006, Albrecht 2007 und Zimmermann 2010) stellt sie so einen ganz eigenen, wichtigen Beitrag für das Grundschulalter dar.
Als Ausgangspunkte wählt B. 1. religionspädagogische Analysen zur Auferstehung als Unterrichtsthema in der Schule (das Zentrum der Theologie werde hier quasi übergangen, während Schülerinnen und Schüler ihm mit Interesse und Offenheit begegneten), 2. den didaktischen Ansatz des theologischen Gesprächs mit Kindern und 3. Forschungen zu Grundzügen kindlicher Chris­-tologie(n). Bereits in den ersten beiden Kapitel zeigen sich spannungsvolle Zusam­menhänge: Vor dem Hintergrund der ver­-schiedenen religionsdi­daktischen Schwerpunktsetzungen (dem heilstheologischen ge­genüber der Betonung des historischen Ge­schehens oder dem eher subjektorientierten Zugang zum [mit]leidenden Jesus) wird deutlich, wie breit der Horizont ist, in dem nun Kinder im Sinne des Theologisierens selbst Fragen und Probleme von drei Auferstehungstexten theologisch fassen sollen (52). Dabei formulieren Kinder eigene theologische Fragen und Deutungen. Aufgrund der Komplexität sowohl der theologischen Tragweite der Thematik als auch der Orientierung an den Heran­wach­sen­den, erfordert Kindertheologie ein anspruchsvolles didaktisches Konzept und eine eingehende Reflexion der Rolle der be­ gleitenden Lehrkraft im didaktisch-metho­dischen Handlungsfeld. Dass Kinder in oder nach Unterrichts­situationen eigene Chris­tologien entwickeln, die mittels der Held- oder Assistentenkategorie und auch mit reflektierten biblischen Metaphern von Jesus Christus sprechen, stellt ein Forschungsüberblick heraus.
Ausgehend von der These, dass Kinder biblische Texte aktiv re­zipieren, fragt B. nach der Art und Weise, wie sie anlässlich der Auferstehungstexte dabei vorgehen, d. h. welche »Anknüpfungsmöglichkeiten« sie für unmittelbar relevante Themen wie Angst und Hoffnung finden und welche sie für die nicht ohne Weiteres denkbare und nicht unmittelbar an Erfahrungen zu bindende Rede vom auferstandenen Christus entwickeln. Die zentralen Fragestellungen sind die, »wie die Kinder tatsächlich mit biblischen Auferstehungsgeschichten umgehen und welche Vorstellungen sie von der Auferstehung Jesu entwickeln.« (12).
Die empirische Studie gilt drei verschiedenen Erhebungssituationen, die jeweils eigene Quellen zur Analyse hervorbringen: a) Kinder stellen ihr Wissen zur Auferstehung Jesu in Aufsätzen dar und erläutern diese in Interviews, b) sie hören bzw. lesen ohne weitere gestaltete Textbegegnung die Perikopen Mk 16,1–8, Lk 24,13–35 und Joh 20,11–18 nach der Lutherübersetzung und interpretieren diese in Kleingruppengesprächen und c) verfassen Trostbriefe an ein Kind, das um einen verstorbenen Verwandten trauert. Alle drei Schritte zeigen zahlreiche weiterführende Aspekte auf bzw. wecken Fragen:
In den Aufsätzen stellt sich bereits eine Fülle an Vorwissen und Interpretationen dar, leider ohne Darstellung des vorangegangenen Unterrichts. Mehrheitlich zitieren die Kinder wörtlich Lk 24,5f., sie fragen und interpretieren, z. B.: »Weine nicht, liebe Maria, mir geht es gut. Sie sah Jesus undeutlich vor ihr, aber dann verschwand er. Maria hatte jetzt mehr Mut, ohne Jesus klarzukommen.« (89) – ein narrativer Ausdruck der Textrezeption und eigener Vorstellung.
Die Darstellung und Interpretation der interessanten, inhaltlich dichten, nun auf der diskursiv theologisierenden Ebene vorgehenden Kleingruppengespräche stehen im Zentrum dieser Arbeit. Vor jedes Gespräch setzt B. jeweils exegetische Betrachtungen und unternimmt eine theologische Gliederung der Ergebnisse der Kinder: a) Deutungen zur Christologie (der göttliche Christus wie auch Subordination), b) Verweise auf den Kreuzestod (häufig als Frage nach dem Grund), c) ausführliche Deutungen zu der Erscheinung Jesu (wie Jesus aussah, ob man ihn auditiv oder visuell wahrnahm, zur Diskontinuität und Kontinuität zwischen dem Irdischen und dem Auferstandenen) und d) eigene konkrete Metaphern als Weg mit dieser Paradoxie umzugehen. Weiterhin kommen auch kürzer e) die Himmelfahrt Jesu und f) Vorstellungen zum Himmel sowie g) zum Wirken Jesu heute vor. Die hermeneutischen Überlegungen der Kinder könnten eine weitere Kategorie bilden (ob das alles wirklich passiert sei, woher man das alles wisse und warum alle Ge­schichten über Jesu Auferstehung »anders« seien).
Bei äußerst zurückhaltender Moderation wird deutlich, wie im Gespräch offensichtlich geübte Kinder Fragen und Antworten finden, innerbiblische Analogien bilden und Alltagsbezüge ebenso wie -brüche entwickeln und sich immer wieder auf die Inhalte der Texte beziehen. Als denkbar erscheint, diese Schritte moderierend oder im An­schluss mit den Kindern zu thematisieren, um sich gemeinsam die Reflexionen als »Theologie von und mit Kindern« bewusst zu machen. Auch die »Konfrontation mit einer theolo­gischen Einsicht oder exegetischen Erkenntnis« (42), etwa zum Glauben der ersten Christen an den präsentischen Christus als Erzählvoraussetzung oder auch der synoptischen Vergleich, wäre eine zukünftige Aufgabe.
Die Notwendigkeit weiterer methodologischer Reflexion und die einer »Theologie für Kinder« ergeben sich angesichts der Diskussion der Trostbriefe. Gegenüber vielen tröstlichen Inhalten (Mitgefühl, Gemeinschaft, Himmel) argumentiert (nur) ein Kind ausdrücklich mit der Auferstehung Jesu, als es darlegt, dass ein innerer Bezug zur Großmutter über den Tod hinaus möglich sei (253). Der von B. gewünschte eschatologische Horizont wurde von den meisten Kindern nicht selbst entwickelt: »Das theologische Gespräch allein scheint der Komplexität der Lernprozesse und der Zusammensetzung der Lerngruppen nicht in ausreichendem Maße gerecht zu werden.« (293) Hier zeigt sich eine methodologische Vermittlungsnotwendigkeit von (hier zum Teil relativierter) Subjektorientierung und fachtheologischem Zielhorizont und freilich die eingangs benannte didaktische Vermittlungsnotwendigkeit. Wünschenswert für den Ansatz der Kindertheologie sind zukünftig daher vor allem Interventionsstudien als Unterrichtsforschung, um die Bedeutung der Lernumgebung zu bestimmen. Dies kann durchaus an B.s Folgerungen für die Unterrichtspraxis anknüpfen, die Christologie durch Wundererzählungen und Ich-bin-Worte zu vertiefen und die Auferstehung weniger zu Ostern, sondern im Kontext von Tod, Leben und dem Himmel zu thematisieren.
Offen bleibt, inwiefern »gerade die theologische Verankerung eine Hürde und eine Beschränkung der Perspektive für jegliche Auswertung« sei (271). Vielmehr überzeugen sowohl fach- wie kindertheologische Klärungen z. B. der Ebenen von Erscheinung als nicht empirisch-dinghafte Gegebenheit und von Nichterkennen bzw. glaubendem Erkennen und dem Erzählen. Lässt sich dieses auch auf theologischer Theorieebene auf das Tun der Textrezipienten beziehen, nämlich Vorstellungen zu bilden und diese reflektierend zu durchdringen? Das Selbstverständnis einer Theologie, die eine Klärung der Autorität von Kindern als Bibeltextleser und Bi­belin­terpreten vornehmen und ihr Textverständnis wahrnehmen könnte, würde sich vertiefen.