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Ausgabe:

September/2011

Spalte:

921-923

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Norgate, Jonathan

Titel/Untertitel:

Isaak A. Dorner. The Triune God and the Gospel of Salvation.

Verlag:

London-New York: T & T Clark (Continuum) 2009. VIII, 234 S. gr.8° = T & T Clark Studies in Systematic Theology, 3. Geb. £ 65,00. ISBN 978-0-567-26647-7.

Rezensent:

Michael Murrmann-Kahl

Jonathan Norgate legt mit diesem Band eine zumal für den angelsächsischen Sprachraum informative und solide Einführung in die Theologie Isaak August Dorners vor. Er orientiert sich dabei in Gliederung und Duktus vor allem an Dorners zweibändigem »System der christlichen Glaubenslehre« von 1879/80. Das Hauptaugenmerk ruht auf der Art und Weise, »in which Dorner uses the doctrine of God to inform and direct the content of his account of the doctrine of salvation« (7), wobei mit der Gottes- die Trinitätslehre thematisch ist. Nach einer kurzen Einleitung (1–9) werden demnach in sechs Kapiteln die Trinitätslehre (10–47), Schöpfung und Erhaltung (48–81), Anthropologie (82–116) und Sündenlehre (117–141), Christologie (142–173) und Versöhnungslehre (174–215) zur Darstellung gebracht. Eine Zusammenfassung schließt das Ganze ab (216–223). Zu Recht betont der Vf. dabei die teleologische Anlage von Dorners Konzept, die schlüssig von der zu Anfang exponierten ethischen Gottesidee und immanenten Trinität bis zur Versöhnungslehre reicht.
Der Vf. referiert Dorners Auffassung der Gottesbeweise (20–34) und dessen charakteristisches Verständnis einer natürlichen, logischen und ethischen Form der Trinitätslehre (34–43), wobei er sich von einer Interpretation abgrenzt, die Dorners Nähe zu Hegel unterstellt (18). Die Spitze der Gottes- als ethischer Trinitätslehre wird von Dorner mit der »absoluten Persönlichkeit« verknüpft (43 ff.). An dieser wie auch an anderen Stellen muss sich der Vf. natürlich mit der einschlägigen deutschsprachigen Forschung zum Thema von Chr. Axt-Piscalar (1990), R. Holte (1965), Th. Koppehl (1997) und J. Rothermundt (1968) auseinandersetzen. Er neigt selber gegenüber der dort formulierten Kritik zu einer eher apologe­tischen Haltung. Paradigmatisch ist seine Stellungnahme zum Problem der Trinitätslehre und der »absoluten Persönlichkeit« Gottes: Die vorgetragenen Einwände (besonders von Axt-Piscalar) an einer binitarischen Unterbestimmung von Dorners »Liebestrinität« (Geist als Einheit von Vater und Sohn, vgl. 39 f.) und dessen Depotenzierung der »tres personae« zu bloßen (nicht realhypostatischen!) »Seinsweisen« der einen absoluten Persönlichkeit kann er nicht mit überzeugenden Argumenten entkräften (39–47).
In der Schöpfungslehre geht es um den Streit, ob bei Dorner die Schöpfung entweder notwendig oder zufällig gesetzt sei (52). Der Vf. rekurriert dafür auf »ethical freedom« als Grund der Welt und Schöpfung und meint, dass diese göttliche Freiheit sich der Entgegensetzung von Willkür und Notwendigkeit entzöge (57 ff.). Der in diesem und anderen Zusammenhängen verwendete Rückbezug auf die Aseität und Suisuffizienz Gottes (60 und passim) ist freilich nicht unproblematisch, weil er die ethische Bestimmtheit Gottes insofern unterlaufen könnte, als er auf die Stufe der physischen Form der Trinitätslehre oder sogar auf die abstrakte Einheit Gottes zurückfällt.
Im Verhältnis von Gott und Mensch muss Dorner vermeiden, dass es zur Konkurrenz ihrer Freiheiten kommt. Die menschliche Aktivität (mit ihrer Bestimmung zur Gottebenbildlichkeit, 86 ff.) darf also nicht »in competition with the divine intentions for the world« (82 f., vgl. 90) treten. Die Lehre Dorners vom Gottmenschen wird zu Recht in der Anlage als teleologisch und supralapsarisch gekennzeichnet (95 ff., vgl. zur Sündenlehre: 117 ff.): Gott als die »heilige Liebe«, als Einheit von Gerechtigkeit und Liebe, und als absolute Persönlichkeit (Einheit von Notwendigkeit und Freiheit) zielt auf die ethisch gedachte Gemeinschaft mit seinem Geschöpf (104), mithin auf die theonome Begründung von Sittlichkeit.
Weil Gott als »heilige Liebe« gedacht ist, kann auch die gegen D. F. Strauß gewendete Christologie des »Zentralindividuums« (168 ff.) nicht auf den Straf- und Sühnegedanken verzichten (144 ff.). Wie schon bei der Trinitätslehre muss sich auch bei der Personeinheitslehre Jesu Christi der Vf. mit der scharfsinnigen Analyse der Dornerschen Aporien durch Axt-Piscalar auseinandersetzen, wie denn sich der ewige Logos mit dem Menschen Jesus vereinen kann, ohne dass dies zu Lasten der vollen Menschheit (etwa durch die bei Dorner prozessual verflüssigte Annahme der An- und Enhypostasie) geht (156–168.172). Indem er sich hier wiederum auf die göttliche Aseität hinaus rettet, bleibt der Verdacht bestehen, dass die kritisierte Kritik doch noch nicht einfach vom Tisch ist. Zu Recht fokussiert der Vf. in der Versöhnungslehre Dorners auf das pries­terliche Amt (183–191), innerhalb dessen insbesondere in Abgrenzung zu A. Ritschl eine moderne Reformulierung von Anselms Sa­tisfaktionslehre geboten wird (191–205). Anders als die deutschsprachige Literatur moniert der Vf. dabei und insgesamt für die Theologie Dorners eine mangelnde pneumatologische Vermittlung und Vertiefung der Christologie und Soteriologie (172 f.215.220).
Die vom Vf. in der Durchführung selbst bemerkte Unterbestimmung der Rolle des Geistes bei Dorner führt freilich auf die analoge Verfasstheit schon der immanenten Trinität zurück, in der ebenfalls der Geist (nur) als »vinculum caritatis« von Vater und Sohn fungiert. Das hätte dem Vf. vielleicht doch zu denken geben sollen.