Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2011

Spalte:

915-918

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Melanchthons Briefwechsel. Kritische u. kommentierte Gesamtausgabe. Im Auftrag d. Heidelberger Akademie der Wissenschaften hrsg. v. H. Scheible. Bd. T 10

Titel/Untertitel:

Texte 2605–2865 (1541). Bearb. v. Ch. Mundhenk, M. Bechtold, M. Dall’Asta, H. Hein u. S. Kurz.

Verlag:

Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2009. 640 S. 4°. Lw. EUR 284,00. ISBN 978-3-7728-2479-1.

Rezensent:

Michael Beyer

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Melanchthons Briefwechsel. Kritische u. kommentierte Ge­samtausgabe. Im Auftrag d. Heidelberger Akademie der Wissenschaften hrsg. v. Ch. Mundhenk. Bd. T 11: Texte 2866–3126 (1542). Bearb. v. M. Dall’Asta, H. Hein, S. Kurz u. Ch. Mundhenk. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2010. 414 S. 4°. Lw. EUR 284,00. ISBN 978-3-7728-2534-7.


Heinz Scheible hat für Band 10 dieser Briefedition ein letztes Mal ein »Vorwort des Herausgebers« verfasst. In ihm erinnert er an den 2007 verstorbenen Reformationshistoriker Gottfried Seebaß, der sich als Präsident der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und langjähriger Vorsitzender der Melanchthon-Kommission u. a. auch bleibende Verdienste um den Fortgang von »Melanchthons Briefwechsel« erworben hatte. Der Folgeband 11 beginnt erstmalig mit einem »Vorwort der Herausgeberin«, Christine Mundhenk, die bereits seit einigen Jahren als Leiterin der Melanchthon-Forschungsstelle tätig ist und nun auch als Herausgeberin die große Ausgabe begleitet. Sie erinnert daran, dass Heinz Scheible durch 33 Jahre hindurch deren Herausgeberschaft innehatte und in dieser Zeit 22 Bände verantwortete. Die die Ausgabe anführenden Regestenbände (MBW 1–9) sowie bisher drei (MBW 10–12) von fünf ge­planten Indexbänden hat Scheible »federführend erarbeitet« und zehn Textbände »durch kritische Lektüre begleitet und verbessert«. Mundhenks Dank für Scheibles langjährigen Dienst an »Melanchthons Briefwechsel« ist zugleich Ausdruck der Freude darüber, dass der Alt-Herausgeber bereit ist, sein reiches Wissen auch weiterhin unterstützend einzubringen. Die Melanchthonforschung weiß, was sie an dieser Ausgabe hat, und kann auch nach dem nun vollzogenen »Generationenwechsel« zu Recht darauf hoffen, dass MBW weiterhin in der gewohnten Qualität erscheint.
Unbedingt hingewiesen werden muss an dieser Stelle auf ein wichtiges neues Hilfsmittel für die Benutzung des Heidelberger Melanchthon-Briefwechsels (vgl. auch das Vorwort in Bd. 11, 8): Im Melanchthon-Gedenkjahr 2010 konnte die Forschungsstelle über die Website der Heidelberger Akademie in Zusammenarbeit mit dem Trierer »Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsvorhaben in den Geisteswissenschaften« einen In­ternetzugang zu den Regesten-Bänden der Ausgabe freischalten: »Melanchthons Briefwechsel – Regesten online« (http://www.haw. uni-heidelberg.de/forschung/forschungsstelle n/me­lanchthon/mbw -online.de.html). Dieser Internetzugang will die Regestenbände nicht ersetzen, erleichtert aber die Arbeit mit dem Briefwechsel ungemein. Die übersichtlich angeordnete und leicht zu handhabende Suchmaske erlaubt den Zugriff zu den Regesten auf vielfältige Weise. So kann man einfach die Regestennummer eingeben oder nur ein Brief-Datum oder den Absender bzw. mehrere, was z. B. die Gutachtensuche erleichtern dürfte. Außerdem sind Anfragen nach dem Empfänger sowie über Absender- bzw. Empfängerort möglich. Weiterhin steht für die Recherche ein Volltextfeld zur Verfügung. Durch drei Felder am Ende der Suchmaske lässt sich die Suche wahlweise auf die Textsorten »Brief«, »Gutachten« und »Vorrede« eingrenzen. Diese Funktion erlaubt es sogar, sich jeweils alle zu einer dieser Textsorten gehörigen Stücke in Tabellenform anzeigen zu lassen, was durchaus sinnvoll sein kann: So lässt sich z. B. ein Schnellüberblick über die chronologische Abfolge der Vorreden gewinnen oder über die Menge der an einzelnen Tagen geschriebenen Briefe.
Die Existenz der dem Textkorpus der Ausgabe vorgeschalteten Regestenbände war schon immer eine große Hilfe für die Lektüre der oft umfangreichen lateinischen bzw. frühneuhochdeutschen Texte, auch für diejenigen, die noch über entsprechende Sprachkenntnisse verfügen. Denn Scheible hatte sich dazu entschlossen, die Texte zu strukturieren, indem er am Beginn eines neuen Themas in längeren Regesten fortlaufende Ziffern in eckige Klammern setzte, die sich dann auch in den Texten selbst wiederfinden. In »Melanchthons Briefwechsel – Regesten online« sind die einzelnen Ziffern mit ihren Themen tabellarisch angeordnet und bieten dadurch einen noch schnelleren Überblick. Die Regestenüberbli­cke im Internet verlinken darüber hinaus die Querverweise zu den jeweils vorangehenden und nachfolgenden bzw. zum Thema gehörigen Stücken. So gelangt man, wenn man sich z. B. mit dem Text Nr. 2894 aus dem hier zu besprechenden Band T 11 beschäftigt – einem Brief des Kurfürsten Johann Friedrich an Melanchthon, der diesen auffordert, sich dem albertinischen Herzog Moritz für die Reform der Universität Leipzig zur Verfügung zu halten und nebenher darauf Acht zu haben, dass die seinerzeit mit Herzog Heinrich vereinbarte Visitationsordnung auch unter Moritz in Geltung bleibe –, in Sekundenschnelle zum Regest Nr. 2911 mit Moritz’ Aufforderung an Melanchthon, an den Dresdener Hof zu kommen und mit Johannes Cellarius zusammenzuarbeiten. Über weitere Links kann man sich via Internet die gesamte zeitlich benachbarte Korrespondenz mit den Fürsten und Mitreformatoren bewusst machen. Die Entscheidung zum Internetauftritt der Re­gesten kann nicht genug gelobt werden. Die Regestenbände werden dadurch keineswegs entwertet, aber die Forschung im Briefwechsel wird deutlich optimiert. Neben der Forschungsstelle, der Heidelberger Akademie und dem Trierer Kompetenzzentrum gebührt auch dem Verlag der Dank der Benutzer.
Der umfangreiche Band T 10 deckt das Jahr 1541 ab. Der größte Teil von Melanchthons Korrespondenz und Gutachtertätigkeit bezieht sich dabei auf die Fortsetzung des Wormser und das gesamte Regensburger Religionsgespräch. Von ersterem reiste Melanchthon am 20. Januar nach Hause, gutachtete Ende Januar von Weimar aus, war kurz in Wittenberg und ab Mitte März bereits wieder auf dem Weg Richtung Regensburg, wo er sich bis Ende Juli aufhielt. Zwei Drittel des Bandes sind gefüllt mit den Gutachten zu den Religionsgesprächen und Informationsbriefen nach Wittenberg und zu Reformatoren an anderen Orten. Und auch die verbleibenden Seiten des Bandes widmen sich der Nachlese zu Regensburg, die sich in Briefen und Vorreden Melanchthons niederschlug.
Im dagegen etwas schmaleren Band T 11, der jedoch einige Stü­cke mehr als Band T 10 enthält, finden wir Melanchthon wieder in Wittenberg, von wo aus er seine Tätigkeit als Berater und Reformator von Gemeinden, Gutachter für den Kurfürsten, Vorredenverfasser usw. wahrnimmt, aber auch als mehr oder weniger privaten Briefeschreiber, der die Verbindung zu Freunden aufrechterhält. Ungefähr die gleiche Anzahl solcher Briefe – in der Regel vier bis sechs – gehen z. B. an Justus Jonas in Halle, Georg Spalatin in Altenburg, Nikolaus Medler in Naumburg oder Friedrich Mykonius in Gotha. Sie verbessern bestehende Briefeditionen und stellen jede dieser Korrespondenzen in den weiteren Zusammenhang des Jahres 1542.
Hingewiesen sei auf eine Vorrede Melanchthons (Nr. 3070), mit welcher Veit Dietrich in Nürnberg dem gemeinsamen alten Freund, späteren Gegner und neuen evangelischen Bischof von Naumburg, Nikolaus von Amsdorf, Luthers Kommentar zum Propheten Micha widmete. Dietrich bzw. Melanchthon spannt einen weiten Bogen von der notwendigen Reform der Domkapitel und der Rolle der Fürsten dabei bis zum konkreten Fall des evangelischen Bischofs von Amsdorf und seiner anderen Amtsführung als evangelischer Prediger im Bischofsamt. Luthers Art der Schriftauslegung wird bezeichnenderweise durch lobende Erasmuszitate hervorgehoben. Ein eigener Abschnitt widmet sich Veit Dietrichs enger Bekanntschaft mit Luthers häuslichem Leben und der Ausgewogenheit zwischen seiner schriftauslegenden viva vox und seiner alltäglichen, frommen vita domestica.
Wie immer sind den Bänden wichtige Hilfsmittel beigegeben: Absender- und Adressatenverzeichnisse, umfangreiche Bibelstellenregister sowie die in »Autoren und Werke bis ca. 1500« und »ab 1500« gegliederten Personenverzeichnisse. Gerade die Bibelstellenverzeichnisse verdienen besondere Aufmerksamkeit, helfen sie doch, die theologische Arbeit Melanchthons von seiner wichtigsten Quelle her nachzuvollziehen. Stößt man dabei auf besondere Häufungen, dann handelt es sich oft um die Aufnahme von Grußformeln des Apostels Paulus (Röm 1,7 bzw. 15,6 oder 1Kor 1,3 oder 2Kor 1,2), deren Benutzung durch Melanchthon mehr sein dürfte als humanistische Briefrhetorik, an die man zunächst denken könnte. Am Ende bleiben die guten Wünsche des Rezensenten für den glück­lichen Fortgang dieser bedeutenden Edition und für alle diejenigen, die an ihr mitarbeiten.