Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2011

Spalte:

904-905

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Bingham, D. Jeffrey [Ed.]

Titel/Untertitel:

The Routledge Companion to Early Christian Thought.

Verlag:

Abingdon-New York: Routledge 2009. XI, 347 gr.8° = Routledge Religion Companions. Geb. £ 105,00. ISBN 978-0-415-44225-7.

Rezensent:

Ekkehard Mühlenberg

Für Anfänger und Fortgeschrittene im Studium des frühchristlichen Denkens hat der Herausgeber eine internationale Expertengruppe engagiert (X). Als frühchristlich sind das 2. und 3. Jh. be­stimmt. International ist die Gruppe, weil neben elf amerika­nischen Mitarbeitern drei in England, zwei in Norwegen, einer in den Niederlanden und einer in Australien unterrichtet. Die in dem Band vertretene Forschungsrichtung darf man konservativ nennen, allerdings mit einigen Obertönen von neo-orthodox.
»Companion« ist eine neuartige Gattung, ein Zwitter, weder ein Handbuch noch eine Einleitung noch »textbook«, vielmehr von allem etwas. Wissenschaftlich weiterführende Beiträge sind also nicht zu erwarten, aber die reichhaltigen Quellennachweise vermitteln den Eindruck von wissenschaftlichem Niveau mit argumentativer Stärke, und bei einigen Beiträgen stimmt es auch. Die Textausgaben in der Quellensprache werden für die Apostolischen Väter, für Irenäus und einen Traktat Tertullians angegeben, nicht für Klemens von Alxandrien, nicht für Hippolyt, nicht für Origenes, nicht für Cyprian und Novatian, und in welcher Sprache die gnostischen Schriften von Nag Hammadi vorliegen, wird nicht verraten.
Der Plan des Buches ähnelt einer »Einführung«. Es sind drei Teile. Der Teil I »World« behandelt in vier Beiträgen den kulturellen und religiösen Kontext, in dem das Christentum der ersten zweieinhalb Jahrhunderte sein Denken artikulierte. Der Teil II »Literature« stellt Schriften und Schriftsteller vor und kann sich durch die Aufteilung in neun Beiträge auf die Verschiedenheiten einlassen. Schließlich fasst Teil III »Thought« in fünf Beiträgen theologische Lehren übergreifend zusammen. Ein Register (331–347) der Namen, Titel und Themen hilft ein wenig, sich in den un­abhängig voneinander konzipierten Beiträgen zurechtzufinden.
Die Sammlung von 18 Beiträgen umfasst christliches Denken im 2. und 3. Jh. Insofern ist der Band eine Einführung und vermittelt ein geschlossenes Bild, nämlich das Bild eines Christentums mit einem eigenen Gesicht in Übereinstimmung mit den Schriften der Apostel. So unternimmt es George H. van Kooten im ersten Beitrag (3–37) nicht nur, gegen Harnack die hellenistische Durchfärbung des palästinensischen Urchristentums zu behaupten, sondern dem Christentum auch einen wettbewerbsfähigen Platz im Zeitgeist philosophischer Religion zu attestieren. Trotz der 168 Anmerkungen finden sich fragwürdige Zusammenfassungen, aber positivistisch gesehen kann über die Zusammenfassung diskutiert werden: »Whereas ethics was mainly an issue for philosophers, and cult involved no moral teaching, Christianity offered the ancient world a logical, non-ritualistic, ethical religion« (24). Mark J. Edwards (38–50) versucht, unsere Vorstellung über Philosophie in der Kaiserzeit und die Einordnung der frühen Christen in philosophische Strömungen zu korrigieren. Paul Hartog (51–67) sammelt alle Kritik am Christentum bis Porphyrius einschließlich. Lynn H. Cohick (68–83) durchleuchtet mit kritischen Fragen die Literatur und die Quellen über das Verhältnis zwischen Juden und Christen.
Unter den neun Beiträgen über Schriften und Schriftsteller (Clayton N. Jefford: »Ignatius and the Apostolic Fathers«, Geoffrey D. Dunn: »Roman and North African Christianity«, Henny F. Hägg: »Clement and Alexandrian Christianity«, Pheme Perkins: »Schism and heresy«) fallen fünf auf. J. K. Elliott, »Imitations in literature and life: Apocrypha and martyrdom« (87–107), zitiert mehrere Texte und weist darauf hin, dass die apokryphen Apostelgeschichten (Paulus, Petrus, Thomas, Andreas) das Martyrium der Apostel enthalten und, wenn nicht deren Vorbild, so doch gleichzeitig mit den sog. frühen »Acta martyrum« entstanden seien, also ins 2. Jh. gehören. Er macht darauf aufmerksam, dass der längste Teil der apokryphen Apostelgeschichten ausführliche Lehren enthält, die von den katholischen Theologen als häretisch abgelehnt wurden. Das Wort »Märtyrer« = Zeuge sei christlich, aber unkritisch gibt er die verbreitete Ansicht weiter, die jüdischen Geschichten wie II. Makkabäer seien die Vorgänger. G. W. Bowersock, Martyrdom and Rome (1995) ist nicht genannt. – Oskar Skarsaune über Justin und die Apologeten ist gelehrt und differenziert (121–136). Das Gleiche hätte ich gerne über das Origeneskapitel von Ronald E. Heine (188–203) gesagt. Aber er übergeht, dass Origenes sich in der Philosophie kundig machte (vgl. 188), dass Origenes über die klare Lehre der Apostel hinaus in »De principiis« die vielen Fragen nennt, auf die die Apostellehre keine Antwort gab, ja dass überhaupt die Apostel für die Glaubenslehren kaum eine einsichtige Begründung gaben (vgl. 197–198). – Den Irenäus von D. Jeffrey Bingham (137–153) kann man vergessen, ebenso das esoterische Kapitel »Gnosis and Nag Hammadi« von Anne McGuire (204–226).
Der dritte Teil behandelt die Themen Gott, Christus, Erlösung, Schrift sowie Gemeinde und Gottesdienst. Über »Scripture« gibt Peter W. Martens viele Informationen betreffend Buchherstellung, Codexform und der Christen biblische Schriften; es ist gut lesbar und fleißig gesammelt, aber nicht alles durchdacht (288–312). Lehrreich gegliedert und glänzend mit Zitaten illustriert schreibt Everett Ferguson über »Community and worship« (313–330).