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Ausgabe:

September/2011

Spalte:

892-893

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Klaiber, Walter

Titel/Untertitel:

Das Markusevangelium.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Theologie 2010. 352 S. 8° = Die Botschaft des Neuen Testaments, 2. Kart. EUR 19,90. ISBN 978-3-7887-2454-2.

Rezensent:

Eduard Lohse

Nachdem die neue Kommentarreihe »Die Botschaft des Neuen Testaments« durch die Erklärung des Römerbriefes als des rechten Hauptstücks des Neuen Testaments eröffnet worden ist (ThLZ 136 [2011], 54–56), wird nun in rascher Folge der 2. Band mit der Auslegung des Markusevangeliums vorgelegt. Der Aufriss, nach dem die einzelnen Perikopen erörtert werden, folgt dem Vorbild des 1. Bandes: Mit wenigen Worten wird zum jeweiligen Abschnitt hingeführt. Dann schließen sich die Übersetzung und die Interpretation der einzelnen Verse an. Ein kurzer abschließender Abschnitt fasst die Botschaft zusammen, die der Evangelist ausrichten will.
Walter Klaiber, Bischof i. R. der Evangelisch-Methodistischen Kirche, sucht das Evangelium nicht nur als historisches Dokument zu betrachten, sondern die hier und heute zu bedenkende Botschaft des Evangeliums mit kurz gefassten Verstehenshilfen zu beschreiben. Solche Hinweise werden insbesondere zu den Wundergeschichten, die sich im ersten großen Hauptteil des Markusevangeliums finden, gegeben: Wunderbar sei an ihnen, »dass Menschen geholfen wird« (55). Wunder seien »ein wichtiger Hinweis auf das, was Gott durch Jesus tut« (60). Die Wahrheit einer Wundergeschichte erschließe sich »nicht in dem Versuch, sie historisch oder medizinisch genauer zu erklären, sondern in der Überzeugungskraft des Erzählten und seiner tieferen Bedeutung«. In den Wundergeschichten wird der »Einbruch von Gottes Heil in die menschliche Heillosigkeit« verkündigt (109).
Auch zu anderen Themen zeigt der Vf. mit wenigen Worten auf, wie heutigen Hörern und Lesern rechtes Begreifen möglich sein soll. So heißt es zur »zeitlich formulierte[n] Naherwartung im Neuen Testament«, dass sie »die Dringlichkeit der Erwartung und die Gewissheit der Hoffnung unterstreicht« (162). Und zum schwierigen Problem der Sünde gegen den Heiligen Geist wird bemerkt: »Wer immer fürchtet, der Sünde gegen den heiligen Geist schuldig zu sein, hat sie sicher nicht begangen.« (87)
Gelegentlich führt seelsorgerliche Überlegung auch zu kritischen Bemerkungen, so z. B. beim Logion von der Unauflöslichkeit der Ehe: Die Verantwortungsgemeinschaft von Mann und Frau sei zwar auf lebenslange Dauer ausgerichtet. Doch wo »Scheitern mit der Bitte um Vergebung und der Hoffnung auf Versöhnung aufgearbeitet wird, darf auch eine neue Partnerschaft gewagt werden« (187). Und zur Frage nach der Auferstehung der Toten wird angemerkt: »die Gemeinschaft mit Gott sei das Entscheidende«. Doch das bedeute auch, »dass Fragen wie die, ob und wie wir im Himmel unsere Lieben (und auch die anderen) wiedersehen werden, offenbleiben müssen« (233).
Zu einzelnen Stichworten werden in die fortlaufende Auslegung kurze Exkurse eingefügt, so z. B. zu Ortsangaben, textkri­tischen Problemen oder bestimmten Leitmotiven der markinischen Darstellung. Gelegentlich werden verschiedene exkursartige Er­läuterungen in rascher Folge dargeboten: so zum Hoheitstitel Menschensohn (57), zur Stellung der Zöllner in der damaligen Gesellschaft (61 f.), zur Bewegung der Pharisäer (63), zum Brauch des Fastens (65 f.) und zur Bedeutung des Sabbats (68 f.).
In einer konzentriert gefassten Einleitung wird zu Anfang des Kommentars hervorgehoben, dass es dem Evangelisten Markus darauf ankomme, – als Erster – »das Bekenntnis zu Jesus Christus durch eine Erzählung von seinem Wirken und seinem Sterben« auszulegen (5). Darum zieht sich durch seine gesamte Darstellung das Leitmotiv des Evangeliums: »Weiterzusagen, was mit Christus geschah und was das für unser Heil bedeutet – das macht das Evangelium aus.« (17)
Wird in der Einführung auf die Fragen nach Ort und Zeit der Abfassung des Markusevangeliums sowie nach der Person des Autors kurz hingewiesen, so werden diese Themen in einer ab­schließenden Zusammenfassung wieder aufgenommen. Das Markusevangelium schreite drei Themenkreise ab, zuerst die Frage: Wer ist Jesus? Zur Antwort wird auf die »Botschaft der christologischen Titel« geachtet (326–330). Die Hoheitstitel »Gottes Sohn«, »Christus« bzw. »Messias«, »Sohn Davids« und vor allem »Menschensohn« werden noch einmal im Zusammenhang betrachtet. »Das Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes macht deutlich: In ihm begegnet uns Gott; sein Werk ist Gottes Werk, sein Weg Gottes Weg.« (329) »Wer Jesus wirklich ist, lässt sich erst an seiner Passion und Auferstehung erkennen.« (330)
Noch einmal wird darauf hingewiesen, eine heutige Auslegung sollte »diese Geschichten nicht nur nach den Maßstäben historischer Feststellung beurteilen. Weder darf man sich an der Frage festbeißen, ob die Geschichten so geschehen sind oder was ihr historischer Kern gewesen sein könnte, noch sollte man das Fürwahrhalten einer solchen Geschichte zur Bedingung des Glaubens machen. Es gilt vielmehr offen zu sein für die Frage, ob das, was die Geschichte auf ihre Art bezeugt, auf neue Weise auch uns ansprechen kann.« (332)
Ein zweiter Gedankenkreis gilt der Frage: »Was heißt es, Jesus nachfolgen?« (334–337) Die Antwort lautet: »Gelingendes Leben ist nur in der Nachfolge des Gekreuzigten möglich.« (335) Und schließlich wird bedacht: »Wie verwirklicht Gott seine Herrschaft über die Welt?« (337–340) Die Antwort wird im letzten Satz so formuliert: »Die Kirche wiederholt nicht das Leiden Jesu, aber der Weg zum endgültigen Sieg Gottes führt sie durch eine weltweite Passion. Gottes Reich verwirklicht sich durch das Leiden hindurch.« (340)
Dem Vf. gelingt es auf eindrucksvolle Weise, den Ertrag wissenschaftlicher Erforschung des Markusevangeliums zusammenfassend so darzustellen, dass »Theologendeutsch … allgemein verständlicher« gemacht wird (6), so dass dessen Botschaft über den Kreis der Theologen hinaus zu Gehör kommt. Nicht nur einzelne Leser, sondern auch kleine Gruppen, die sich zu aufmerksamem Lesen der Bibel zusammenfinden, werden diesen Band der »Botschaft des Neuen Testaments« mit reichem Gewinn in die Hand nehmen.