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Ausgabe:

September/2011

Spalte:

877-879

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Ott, Katrin

Titel/Untertitel:

Die prophetischen Analogiehandlungen im Alten Testament.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 2009. 212 S. m. 1 Abb. u. Tab. gr.8° = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, 185. Kart. EUR 29,80. ISBN 978-3-17-020965-7.

Rezensent:

Jutta Krispenz

Das Werk von Katrin Ott ist 2007 an der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen worden. Die Arbeit wurde von Rainer Kessler betreut. Ihr Thema sind jene Berichte in der ersten Bibel, die Handlungen von Propheten berichten, und zwar solche Handlungen, die gewöhnlich als »Symbolhandlungen«, »Zeichenhandlungen« o. Ä. bezeichnet werden. O. möchte nun darin eine von früheren Behandlungen unterschiedene Perspektive für die Betrachtung wählen, dass sie versucht, »die im Alten Testament berichteten prophetischen Handlungen nicht in Analogie zu anderen Phänomenen zu sehen, sondern sie selbst als Analogien wahrzunehmen« (9). Eine Sichtung der Forschungslage auf etwas mehr als vier Seiten führt zu dem Ergebnis, dass die bisherigen Versuche, die symbolischen Handlungen der Propheten zu deuten und zu verstehen, wenig erfolgreich gewesen sind.
In der »Grundlegung« (17–90), dem ersten von drei Hauptabschnitten, bereitet O. sehr sorgfältig die Betrachtung der Texte vor. Sie definiert dafür zunächst die grundlegenden Begriffe und Zu­sammenhänge. Hier fragt O. »Was ist ein Prophet?« (17–19) ebenso wie »Was ist eine Handlung?«, dann auch »Was ist eine prophetische Handlung?«, um schließlich über weitere Distinktionen (z. B. »Symbol«, »Metapher«) zu einer Definition der prophetischen Analogiehandlung zu gelangen: »Eine prophetische Analogiehandlung ist eine von einem Propheten selbst im göttlichen Auftrag ausgeführte Tätigkeit mit dem Ergebnis Tat, durch die der Prophet mit einer Kommunikationsabsicht eine an ihn ergangene göttliche Botschaft mittels Analogie nonverbal an (einen) Dritte(n), die (den) eigentlichen Adressaten, übermittelt.« (28) Aus dieser Definition leitet O. zehn Kriterien ab, mit deren Hilfe sie die »prophetischen Analogiehandlungen«, die dieser Definition genügen, aus der Menge der »Zeichenhandlungen« oder »symbolischen Handlungen« herausfiltert. Es bleiben nach O. 14 Texte; der größere Teil (nämlich 26) aller Texte, die sonst als prophetische Zeichenhandlungen eingestuft wurden, wird aus dem Kreis der »prophetischen Analogiehandlungen« ausgeschlossen, d. h.: Die »prophetischen Analogiehandlungen« bilden eine Untergruppe der »prophetischen Zeichenhandlungen«. Die starke Verminderung wirft die Frage auf, ob tatsächlich ihre »neue Begriffsbildung« (28) die in der bisherigen Forschung etablierten »unscharfen Begriffe ›symbolische Handlung‹/›Symbolhandlung‹ und ›Zeichenhandlung‹ (›sign-act‹) nicht nur entbehrlich, sondern vielmehr hinfällig werden« (28) lassen wird. Von den 14 Texten, die O.s Untersuchungsgegenstand bilden, stammen zehn aus Ezechiel, drei aus Jeremia und einer aus Jesaja. O. widmet sich nun zuerst den 26 Texten, die keine »prophetische Analogiehandlung« abbilden. Sie übersetzt sie und bespricht sie auch, freilich stets unter der Überschrift »Abgrenzung« (30), und so werden die Texte dann auch vorrangig unter apologetischem Vorzeichen behandelt: Hier wird begründet, warum O. sie nicht unter die »prophetischen Analogiehandlungen« zählt. Die naheliegende Frage, in welcher Relation diese Texte denn zu den »Analogiehandlungen« stehen, stellt O. nicht. Das ist verwunderlich, besonders angesichts derjenigen Texte, die die Aufnahme in die Gruppe nur um ein Kriterium verfehlen. Eine Tabelle (77) listet die aussortierten Texte mit den erfüllten oder nicht erfüllten Kriterien auf. Ist die Neigung von Exegeten des Alten Testamentes, auch bei jenen 26 Texten eine Ähnlichkeit zu O.s 14 Texten zu sehen, wirklich nur auf schluderige Kategorien zurückzuführen, oder ist es nicht vielmehr so, dass auch diese Texte nicht einfach aussortiert werden können, sondern in ihrer Nähe zueinander und zu den von O. abgegrenzten »prophetischen Analogiehandlungen« verstanden werden müssen? Zwei weitere Abschnitte des einleitenden Teils befassen sich mit »Form und Überlieferung prophetischer Analogiehandlungen« – dieser Abschnitt stellt sich der Frage, ob es sich bei dem fraglichen Phänomen um eine Gattung handele, was verneint wird – und einem Vergleich »Biblische und altorientalische Prophetie«. Hier betont O. zu Recht den Unterschied der biblischen Prophetie zu den altorientalischen Propheten, kann allerdings in der knappen Darstellung nicht wirklich überzeugend darlegen, warum von altorientalischen Propheten so viel seltener von Taten als Verkündigungsmittel berichtet wird. Die Aussage »Wenn die Botschaft ohnehin in Worte umgeformt werden musste, konnten sie sie auch gleich verbal fassen« (90) gilt im Laufe der Überlieferung ja auch für alttestamentliche Texte.
Die durch die Definition herausgefilterten »prophetischen Analogiehandlungen« werden im folgenden Teil »II Die alttestamentlichen Berichte über prophetische Analogiehandlungen« (91–160) der Arbeit behandelt. Bei Anwendung der historisch-kritischen Methode hält O. sich in der diachronen Aufgliederung der Texte wohltuend zurück, belegt ihre redaktionsgeschichtlichen Entscheidungen aber auch nicht immer argumentativ. Auch hier werden die Texte übersetzt und dann interpretiert, wobei O. manchmal eine Mischung aus Kompositions- und Redaktionsanalyse einsetzt, öfter aber direkt die jeweilige Handlung aus den berichteten Einzelzügen heraus interpretiert. O. folgt dabei der eingangs von ihr eingeführten Untergliederung der »prophetischen Analogiehandlungen« in »direkte« bzw. »indirekte« Darstellung, wobei in ersterem Fall ein konkretes Objekt in die Handlung involviert ist, in zweitem ein Symbol oder eine Metapher.
Die Ergebnisse der Untersuchung werden schließlich im dritten Hauptteil unter der Überschrift »III Erkenntnisse« (161–178) resümiert. O. stellt an dieser Stelle die Fragen »Wurden die prophetischen Analogiehandlungen tatsächlich ausgeführt?« und »Wa­-­rum konnten prophetische Analogiehandlungen als geeignetes Mittel der Botschaftsvermittlung gelten?« Die erste Frage erklärt O. für letztlich irrelevant. Die zweite Frage beantwortet sie auf zwei Ebenen: Auf der theologischen Ebene sei die Verwendung gerade dieser Form vielleicht der Botschaftsübermittlung an den Propheten in Form einer Vision oder Audition geschuldet. Auf der historischen Ebene stellt O. die »prophetischen Analogiehandlungen« in den historischen Zusammenhang der unmittelbar bevorstehenden Katastrophen der Geschichte Israels (587 bzw. 722 v. Chr.). In dieser Situation hätten die Propheten, um die Dringlichkeit ihrer Aussagen zu unterstreichen, sich der Mittel bedient, die in einer »Performancekultur« besondere Effektivität aufwiesen. Für den Begriff der Performance beruft O. sich auf ethnologische Begriffsbildungen und setzt sich noch einmal explizit kritisch gegen einen Aufsatz der Rezensentin ab (166). Dabei übersieht sie allerdings, dass auch dieser Aufsatz den Performancebegriff unter Rückgriff auf Victor Turner und Richard Schechner sowie Johan Huizinga und Walter Burkert kulturtheoretisch entfaltet und keineswegs allein auf ein Phänomen der modernen Kunst beschränkt hatte. Mit der Einführung dieses Begriffes lässt O. zudem ihre eingangs erklärte Maxime, keine Modelle außerhalb der Texte für die Interpretation zuzulassen, fallen. Die inkriminierten konkreten Modelle anderer Exegeten werden bei ihr durch ein aus mehreren Konkretionen gespeistes Modell ersetzt. Dabei hat die Argumentation zwei unterschiedliche Gesichter: Auf der einen Seite findet sich ein eher konservativ bibeltheologischer Umgang mit den Texten des Alten Testaments – bezeichnend ist hierfür die unterschiedliche Übersetzung der Bo­tenformel: Für altorientalische Texte verwendet O. hier das korrekte Präteritum, für Bibeltexte dagegen das grammatisch inkorrekte, aber theologisch aufgeladene Präsens. Auch die Übersetzung der sog. »Wortereignisformel« ist nur mit theologischen Bedürfnissen zu erklären: »geschehen zu« ist im Standarddeutschen eine fehlerhafte Formulierung. Auf der anderen Seite der Argumentation steht dann die kurz vor Ende eingeführte Weite des Performancebegriffes, die, wenn sie ernst genommen würde, der »prophetischen Analogiehandlung« dann doch etwas ihre Singularität nähme, denn so etwas gibt es dann eben mehr oder weniger in jeder »Performancekultur«, die scharfen Konturen der »prophetischen Analogiehandlungen« verschwimmen vor diesem Hintergrund dann wieder.
Drei weitere Abschnitte behandeln »Die prophetischen Analogiehandlungen als תוא und תפומ«, »Prophetie und Magie: Bemerkungen zu einer These Georg Fohrers« und schließlich »Konsequenzen für das Verständnis von Prophetie«.
O. hat eine Auswahl dessen, was sonst »Zeichenhandlung« oder ähnlich hieß, unter einem strengen Kriterienraster betrachtet. Die dabei eingesetzten Differenzierungen geben wichtige und nötige Denkanstöße. Wie weit O. eine abschließende Behandlung geglückt ist, ob die Einschätzung zutrifft, damit seien Begriffe wie der der Zeichenhandlung endgültig obsolet, wird die weitere Diskussion zeigen.