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Ausgabe:

September/2011

Spalte:

855-874

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Berndt Hamm

Titel/Untertitel:

Die Reformation in Nürnberg1

1. Die Sonderstellung Nürnbergs


Unter Nürnbergs Reformation versteht man den Bruch der Reichsstadt mit dem mittelalterlichen Gefüge von Kirche, Theologie und Frömmigkeit und die Neugestaltung ihrer kirchlichen Verhältnisse nach der Norm und dem alleinigen Legitimationsprinzip der Hl. Schrift. Jener Vorgang ist also gemeint, der aus dem spätmittelalterlich-katholischen ein evangelisches, genauer gesagt luthe­risches Ge­meinwesen nach den Maßstäben der Wittenberger Reformation machte. Diese tiefgreifende religiös-gesellschaftliche Veränderung war nicht nur von lokaler Bedeutung für die Metropole selbst und ihr großes Landgebiet mit Städten und Dörfern. Sie war auch nicht nur von regionaler Ausstrahlung auf die kleineren und weniger mächtigen fränkischen Reichsstädte und das benachbarte Territorium der markgräflichen Fürstentümer von Ansbach und Kulmbach, die sich religionspolitisch mit Nürnberg abstimmten. Vielmehr gewann der Reformationskurs Nürnbergs auch größtes Ge-wicht auf Reichsebene. In den 20er Jahren kam den Städten, primär den Reichsstädten und unter ihnen vor allem Nürnberg, eine Vorreiter- und zeitweilige Führungsrolle im deutschen Reich zu. Aus der Wahrnehmung Kaiser Karls V. blickten die Augen des Reichs ge­bannt auf Nürnberg, welchen Weg es in der Religionsfrage einschlagen würde. Später, besonders nach dem Speyrer Reichstag von 1529 mit der be­rühmten Protestation der evangelischen Reichsstände (fünf Fürsten und 14 Reichsstädte, darunter die fränkischen Nürnberg, Weißenburg und Windsheim), verschob sich das Gewicht der Reformationspolitik auf die Seite der evangelischen Fürsten.

Nürnberg spielte also in der Reformation eine über den Durchschnitt der Städte herausgehobene Sonderrolle, darin am ehesten zu vergleichen mit Zürich und Straßburg. Schon durch seine Einwohnerzahl von etwa 40.000 stellte Nürnberg einen Sonderfall dar; denn fast 95 % der deutschen Städte um 1500 hatten weniger als 2000 Einwohner und nur Köln erreichte die Größenordnung Nürnbergs. Die Reichsstadt an der Pegnitz war damals eine Großstadt von europäischem Rang, begünstigt durch die zentrale Lage im Reich, wo sich die Fernhandelsstraßen und die Bildungseinflüsse kreuzten, eine – mit Augsburg vergleichbare – reiche Wirtschaftsmetropole, deren Wohlstand sich auf die Leistungskraft des Hand werks, des Exportgewerbes und des weltweiten Großhandels gründete. Einzigartig war zwischen 1490 und 1530 die Nürnberger Verqui­ckung von Reichtum, Frömmigkeit, sakraler Repräsentation, Lese- und Schreibfähigkeit, Gelehrsamkeit, Humanismus, technologischem Innovationsvermögen und Kunstproduktion im Übergang von der Gotik zur Renaissancekultur. All dies machte die Reichsstadt zum führenden Nachrichten- und Kommunikationszentrum im Zusammenspiel von materiellem und geistigem Austausch. Die Reichskleinodien, d. h. die kaiserlichen Insignien und die Reichsreliquien, wurden im Heiliggeistspital aufbewahrt und jährlich auf dem Hauptmarkt feierlich ausgestellt. Nürnberg konnte sich daher als sakralen und ideellen Mittelpunkt des Heiligen Römischen Reiches verstehen. Die Stadt war bevorzugter Ta­gungsort von Reichsversammlungen und ausgezeichnet durch die wiederholte Präsenz der Habsburgerkaiser, Friedrichs III. und Maximilians I. Am 18. April 1487 wurde Conradus Celtis, der Inbegriff des gelehrt-humanistischen Poeten, von Kaiser Friedrich III. auf der Nürnberger Burg zum Dichter gekrönt. Bedenkt man, dass diese Verleihung des Dichterlorbeers die erste auf dem Boden des deutschen Reiches war, dann versteht man, weshalb Celtis selbst, aber nach ihm auch andere Humanisten wie Johannes Regiomontanus und Johannes Cochlaeus Nürnberg vollmundig als »Zentrum Europas und Deutschlands« priesen.

Im Blick auf die Entstehungsvoraussetzungen und den Verlauf der Reformation kann man allerdings feststellen, dass Nürnberg nicht nur eine Ausnahmestellung innehatte, sondern auch sehr typisch und exemplarisch für die Stadtreformation in Deutschland und der Schweiz war. Das Besondere der fränkischen Metropole war in vielem eine Verstärkung und Zuspitzung des Allgemeinen und Gängigen, das für Entstehung, Erfolg und Ereignisablauf der Re­formation überall, in Hunderten städtischer Zentren, charakteris­tisch war.

2. Das Spätmittelalter als Schlüssel


zum Verständnis der Reformation


Erfolg und Verlauf der Reformation in Nürnberg sind wie überall nur von den spätmittelalterlichen religiösen Verhältnissen her zu verstehen. Das gilt nicht nur in negativer Hinsicht, sofern die Reformation aus der scharfen Kritik am bisherigen Zustand der Kirche erwuchs, sondern vor allem auch im positiven Sinne, sofern die kirchlichen Gestaltungs- und Reformkräfte der Ära vor und nach 1500 den Nährboden für die Reformation bildeten. Alles, was die Bewegung Luthers in vielfältiger, zum Teil auch disparater Weise vorantrieb, hatte einen bemerkenswerten Vorlauf in den vorausgehenden Jahrzehnten.

Sehr deutlich zeigt sich das im traditionellen Rivalitätsverhältnis zwischen Laien und Klerus, genauer gesagt: zwischen den führenden Familien des Bürgertums und der etablierten Kirchenhierarchie. Während die kirchliche Körperschaft, insbesondere der Bischof von Bamberg, bestrebt war, den Laien möglichst wenig Einfluss auf die kirchlichen Institutionen und ihr Personal innerhalb der Nürnberger Stadt und ihres Landgebietes einzuräumen, waren die Laien bemüht, mit ihrer politischen, sozialen und ökonomischen Machtposition ein weitgehendes Kirchenregiment zu verbinden und die Interventionen stadtfremder Kircheninstanzen möglichst zu unterbinden. Auf der Grundlage der personellen Identität von Stadtgemeinde und Kirchengemeinde drängte die Laien-Obrigkeit in die bisherigen klerikalen Domänen hinein und argumentierte dabei mit ihrer geistlichen Verantwortung: dass sie als von Gott eingesetzte Obrigkeit nicht nur für das leibliche und irdische Wohl der Bürgerschaft, sondern auch und vornehmlich für deren Seelenheil verantwortlich sei und über die Wahrnehmung dieser »cura religionis« vor dem göttlichen Richter Rechenschaft ablegen müsse. Der patrizische Rat Nürnbergs beanspruchte daher die Hoheit über das Kirchenwesen der Stadt. Die Verwaltung des Kirchenbesitzes, die Besetzung der führenden Kirchenämter der Stadt, d. h. der beiden Propststellen an St. Sebald und St. Lorenz und der drei von Bürgern gestifteten Prediger-Stellen, die Aufsicht über Ökonomie und Reform der Klöster sowie die Kontrolle über das kirchliche Stiftungswesen der Bürgerfamilien konnte der Magis­trat vor der Reformation an sich ziehen; was er noch erstrebte, war die vollständige Überwachung der Zucht des Klerus und seine Eingliederung in die städtische Jurisdiktion und Steuerpflicht, ja seine Übernahme ins Bürgerrecht. Die Tendenz zur Verbürgerlichung oder Kommunalisierung der Kirche bestimmte generell die Religionspolitik des Rats. Mit seinem Griff nach dem obrigkeitlichen Kirchenregiment war der Nürnberger Rat erfolgreicher als viele Magistrate anderer Kommunen. Aber auch er stieß an seine Grenzen, vor allem was die rechtliche und wirtschaftliche Sonderstellung des Klerus betraf. Dessen Privilegien waren dem Rat ebenso wie der Bürgerschaft insgesamt ein Dorn im Auge.

Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass Luther mit seinem Angriff auf den Sonderstatus des Klerus und mit seiner prinzipiellen Gleichstellung aller Getauften in ihrem Gottesverhältnis einen Nerv des spätmittelalterlichen Gemeinwesens traf. Eine Stadt wie Nürnberg und ihr Landgebiet waren voller Animositäten gegen einen Klerus, dem man Zuchtlosigkeit, Machtstreben, Be­sitzgier, Unbildung und Nachlässigkeiten in der Seelsorge vorwarf. Insbesondere die Dominikaner standen im Visier der Kritik. Diese spätmittelalterlichen Phänomene einer gereizten Feindseligkeit gegen Ordens- und Weltkleriker bereiten zwar den reformato­rischen Antiklerikalismus vor, bewegen sich aber selbst durchaus noch systemkonform innerhalb des traditionellen Kirchengefüges, da sie weder den sakramentalen Weihestatus der Priester noch die Ordensgelübde antasten. Auch im Nürnberger Bürgertum ist man nicht generell gegen die Kleriker eingestellt, vielmehr verlangt man nach besseren Klerikern, nach einer frömmeren, gebildeteren, sittenstrengeren, verinnerlichteren, seelsorgerlicheren und trös­tenderen Kirchenhierarchie, die den Hunger der Gläubigen nach Gnaden- und Heilssicherheiten stillen kann. Man will weniger kirchliche Machtentfaltung und mehr kirchliche Heilsmitteilung. Wo bestimmte Kleriker diesen religiösen Erwartungen der Laien gerecht werden – wie in Nürnberg etwa der noch näher zu betrachtende Augustinereremit Johannes von Staupitz –, erfahren sie größte Hochschätzung.

Was die Kleruskritik im spätmittelalterlichen Nürnberg kennzeichnet, gilt generell für alle möglichen Formen der Kirchenkritik, die sich insbesondere gegen veräußerlichte und kommerzialisierte religiöse Praktiken richtete, z. B. gegen bestimmte, krasse Formen des Ablassvertriebs, des Wallfahrtswesens oder des Heiligen- und Reliquienkults. Ohne diese in den Jahrzehnten 1490 bis 1520 stark anwachsende kritische Stimmung ist der Erfolg der Reformation nicht zu verstehen. Wesentlicher aber noch für die reformatorische Um- und Neugestaltung einer Kommune wie Nürnberg war das geistige und religiöse Potential, das hinter den kirchenkritischen Äußerungen stand. Genauso we­nig wie die hierarchie- und kleruskritische Einstellung ist nämlich die zunehmende Kult- und Frömmigkeitskritik ein Indiz abnehmender Frömmigkeit und Kirchlichkeit oder gar einer säkularisierenden Verdiesseitigung. Sie ist umgekehrt eher Indiz einer intensivierten Frömmigkeit, einer an­spruchsvoller werdenden Kirchlichkeit und eines gesteigerten religiösen Ge­staltungswillens. Diese neue Qualität von Religiosität, die in den Niederlanden zur besonderen Gestalt und Bezeichnung der Devotio moderna gelangte, verknüpfte ein starkes Reformstreben und eine sensible Kritikfähigkeit mit angespannten Bedürfnissen nach intellektuell-affektiver Verinnerlichung, nach einer oft mystisch gestimmten Andacht und nach persönlicher, individualisierter Gnadenaneignung durch das beunruhigte Gewissen. Auffallend ist dabei die wachsende religiöse Mündigkeit der Laien und Laienfrauen. Im Zeitalter einer rasch zunehmenden Handschriften- und Druckproduktion drängten sie nach einer verschriftlichten Seelsorge, so wie umgekehrt reformbewusste Theologen durch eine Flut frömmigkeitstheologischen, lebenspraktischen und seelsorgerlichen Schrifttums den religiösen Bildungsschub der Laien vorantrieben. Durch die Verwendung der deutschen Sprache verstärkten sie die wachsende Lesefähigkeit der Laien, stimulierten sie ihre religiöse Lesebereitschaft und förderten sie ihren Weg zum Selbstpastorat ohne Priester im nicht-sakralen, privaten Bereich des eigenen Hauses.

3. Neue Medien und Humanismus


Nürnberg war ein herausragendes Zentrum dieser religiösen Bildungs- und Reformoffensive und dieser literarischen Laienaktivierung, die wahre Seelsorge und wahre Buße, das Vertrauen auf Gottes Erbarmen, die Zuflucht zur Gnadenkraft der Passion Christi und die Erneuerung eines echten christlichen Tugendlebens auf die Agenda der Kirchenreform und der persönlichen Frömmigkeitsgestaltung setzten. Als Medienzentrum des Buchdrucks, des Holzschnitts und Kupferstichs und vor allem auch preisgünstiger Kleinliteratur von wenigen Seiten oder Einblattdrucken, die das Wesentliche des Christenlebens prägnant vor Augen stellten, trieb Nürnberg wie wenige andere Orte des Reichs in den Jahren vor der Reformation diese Verselbstständigung einer mündiger und kirchenkritischer werdenden Lesergemeinde von Klerikern und Laien voran – wobei allein schon die außerordentlich hohe Lesefähigkeit der Reichsstadt von vielleicht 40 % der Bevölkerung die Reform- und Reformationsbereitschaft förderte.

Hinzu kam als weiterer begünstigender und verstärkender Faktor, dass Nürnberg gegen Ende des 15. Jh.s zu einem Zentrum des Humanismus wurde. Diese Bildungsbewegung, die – ausgehend von der Sprachformung – die gesamte Kultur und Lebensformung des Menschen am Leitbild der heidnischen und christlichen Antike ausrichten wollte, gewann in Nürnberg ihre Anhänger vor allem im oberen Gesellschaftsbereich der wohlsituierten »Ehrbarkeit«2, darunter auch einige Patrizier wie Willibald Pirckheimer, vor allem aber auch nicht-patrizische Ehrbare wie den Ratsschreiber Lazarus Spengler, den juristischen Ratskonsulenten Christoph Scheurl oder auch den Künstler Albrecht Dürer. Wenn man zuspitzend formulieren konnte: »Ohne Humanismus keine Reformation«3, dann gilt das besonders für Nürnberg; denn die entscheidenden Kräfte, die hier in der ersten Phase nach der Publikation von Luthers 95 Thesen dem reformatorischen Umbruch den Weg bahnten, waren Repräsentanten des Nürnberger Ehrbarkeitshumanismus.

Auffallend ist in Nürnberg besonders die enge Verknüpfung, ja Verschmelzung, die das humanistische Bildungsstreben mit den Idealen einer verinnerlichten und individualisierten Bußfrömmigkeit einschließlich ihrer kirchenkritischen Reformimpulse vollzog. Deutlich trat das Zusammengehen von Frömmigkeitstheologie und Humanismus in der Druckproduktion der Reichsstadt hervor. Man wollte, im Rückgriff auf die antiken Tugendlehrer, die Bibel und die Kirchenväter, gelehrt und fromm zugleich sein. Zur Leitgestalt dieser Synthese wurde für die Nürnberger Humanisten, besonders im Zeitraum zwischen 1510 und 1515, der Kirchenvater Hieronymus, von dem Dürer elf Darstellungen schuf. 4 Man sah in ihm den vorbildlichen Bücher- und Bibelgelehrten, der sein Leben in wahrer Buß- und Tugendgesinnung ganz an der Nachfolge des armseligen Passionschristus ausrichtete und so das Ideal weltüberwindender christlicher Tugend vollgültig realisierte. Das solus Chris­tus der Reformation samt seiner kreuzestheologischen Zu­spitzung rückt bereits in das Blickfeld, nur dass es hier noch unlösbar mit dem sola virtus (allein die Tugend) kombiniert ist.

4. Johannes von Staupitz:


Wegbereiter der Reformation


Zwischen die humanistische Hieronymusphase und die Faszination durch Luther schob sich in Nürnberg noch eine augustinische Zwischenphase, eine einzigartige Konstellation, die aber auch Typisches für die Antriebskräfte der Reformation insgesamt zeigt. In der Adventszeit 1516 und in der vorösterlichen Fastenzeit 1517 predigte Johannes von Staupitz, das Oberhaupt der deutschen Kongregation der observanten Augustinereremiten, in der Kirche des Nürnberger Augustinerkonvents unterhalb der Sebalduskirche. Diese Predigten fanden großen Beifall und zogen vor allem jene Mitglieder des Nürnberger Humanistenkreises und der patrizischen Führungselite in ihren Bann, die in der Folgezeit den Reformationskurs Nürnbergs bestimmen und zum Erfolg führen sollten. Was diese reformgesinnten Nürnberger an Staupitz faszinierte, war die Konsequenz, mit der er den gesamten Heilsweg und jede Art von menschlicher Heiligkeit in der unbedingten Barmherzigkeit, unermesslichen Gnadenfülle und unendlichen Liebesbereitschaft Gottes verankerte. Dieser absolut gütige Gott neigt sich in der Menschwerdung und Passion Jesu Christi zum tiefen Elend der sündigen Menschheit herab und zieht durch die Kraft seines Geis­tes die von ihm Erwählten in eine permanente Bußbewegung hinein, die ihr Herz mit einer vertrauensvollen Christusliebe erfüllt und von jeder selbstgefälligen Werkgerechtigkeit befreit. Für die Nürnberger war dies eine tröstende Botschaft der Entängstigung und der Gewissensentlastung, die nicht mit Gottes Gericht drohte und sie auf fromme Leistungen fixierte, sondern sie von Anfang bis Ende unter den Bogen der beschenkenden Liebe Gottes stellte.

Keine spätmittelalterliche Theologie führte so nahe an die Schwelle der Reformation heran und so leicht in sie hinüber wie diese in Nürnberg gepredigte und alsbald lateinisch und deutsch im Druck verbreitete Staupitzsche Theologie,5 die sich vor allem auf Paulus und Augustin stützte. Von daher war Nürnberg mit einer Intensität auf die christozentrische Gnadenbotschaft Luthers vorbereitet wie kein anderer Ort Europas.

Allerdings war es für die Jahrzehnte vor der Reformation allgemein charakteristisch, dass im Kontrast zu einer verbreiteten Theologie drohender Strenge und einer angsterfüllten Religiosität viele Geistliche in Wort, Schrift und Bildprogrammen das Hauptgewicht auf die Tröstung der Gewissen legten, die Dominanz der Gnade verkündigten und die Gläubigen dazu ermunterten, in allen Nöten der Seele und des Leibes, vor allem aber angesichts der Sterbestunde vertrauensvoll zum Erbarmen Gottes, Christi, Marias und der Heiligen Zuflucht zu nehmen. Insofern lagen Staupitz und Luther durchaus im Trend einer gnadentheologischen Dynamik des ausgehenden Mittelalters, die sie allerdings beide auf unerhörte Weise forcierten. Niemals vorher war so uneingeschränkt von einer Kanzel des Abendlandes herab die ausschließliche Heilsbedeutung der göttlichen Prädestination, des Heilswerks Christi und der rechtfertigenden Gnade allein verkündigt worden wie damals 1516/1517 bei den Nürnberger Augustinereremiten.

5. Die Anfänge der Reformation:


Lese- und Predigtbewegung


Indem Staupitz die Gedanken und Herzen seiner Nürnberger Gemeinde gewinnen konnte – seine Hörer priesen ihn laut Scheurl als »Zunge des Apostels Paulus«, »Herold des Evangeliums« und »wahren Theologen«6 –, bahnte er seinem Ordensuntergebenen, Schüler und Nachfolger auf dem Wittenberger Lehrstuhl Martin Luther den Weg zum Erfolg in der Reichsstadt. Das intensive persönliche und institutionelle Kommunikationsnetz zwischen Nürnberg und Wittenberg machte es möglich, dass in keiner Stadt die Schriften Luthers so schnell bekannt wurden wie an der Pegnitz. Dabei kam dem Augustinerkloster unter seinem Prior Wolfgang Volprecht und seinem Prediger Wenzeslaus Linck, einem guten Freund Luthers und früheren Dekan der theologischen Fakultät Wittenbergs, weiterhin eine wichtige Schlüsselrolle zu. Schon während des Jahres 1518 wandelte sich der humanistisch geprägte Staupitz-Verehrerkreis zu einem Anhängerkreis Luthers, der nun bereits für viele gebildete, vornehme und politisch einflussreiche Nürnberger zu dem Reformer der Kirche wird und zur Stimme des wiedergewonnenen Evangeliums. Von besonderem Gewicht war dabei die persönliche Begegnung mit Luther im Oktober 1518, als dieser auf seiner Reise nach Augsburg zu Kardinal Cajetan und dann wieder auf seiner Rückreise im Nürnberger Augustinerkloster weilte. Der Ratsschreiber Lazarus Spengler be­richtet darüber, welch tiefen Eindruck Luthers Furchtlosigkeit und Gottvertrauen bei ihm hinterließen. 7

Für den Verlauf der Nürnberger Reformation im folgenden Jahrzehnt war es von größter Bedeutung, dass dieser Ratsschreiber seine außerordentliche humanistische, theologische, juristische, politische, diplomatische und verwaltungstechnische Versiertheit und seine großen Einflussmöglichkeiten als Chef der Ratskanzlei schon frühzeitig und mit Feuereifer zugunsten der Lutherbewegung in die Waagschale warf. Auf der Grundlage seiner huma­-nistischen Studien, vor allem seiner Hieronymus-Begeisterung, und als faszinierter Staupitz-Hörer hatte er sich der neuen Theologie geöffnet. Innerstädtisch zog er die Fäden durch den täglichen Umgang mit den Ratsherren; auf Reichsebene förderte er das Voranschreiten der Reformation durch vielfältige Kontakte zu den Stadtschreibern und Ratsherren in anderen Kommunen und zu zahlreichen fürstlichen Obrigkeiten bzw. zu ihren Kanzleien und gelehrten Räten. Luther konnte daher 1531 in einem Tischgespräch sagen: »Doktor Lazarus Spengler allein hat das Evangelium in Nürnberg eingeführt, und er allein hat erreicht, dass es dort bis heute Bestand hat.« 8 Das ist zwar eine aus hoher Wertschätzung geborene Übertreibung – worauf schon der unkorrekte Doktortitel weist –, trifft aber doch Wesentliches.

Auf Spenglers Einfluss ist es gewiss zurückzuführen, dass der Rat in den Jahren 1520 und 1521 zwei Anhänger der neuen Theologie Wittenbergs, die dort gerade ihr Studium abgeschlossen hatten, Hektor Pömer und Georg Beßler, zu Pröpsten, d. h. zu den beiden leitenden Kirchenbeamten Nürnbergs, machte und 1522 die drei Predigerstellen (St. Lorenz, St. Sebald und Heiliggeistspital) mit den ebenfalls lutherisch orientierten Theologen Andreas Osiander, Do­minicus Schleupner und Thomas Venatorius besetzte.

Bereits Ende 1519 hatte Spengler auch literarisch Stellung bezogen, indem er eine anonyme Druckschrift unter dem Titel Schutzrede und christliche Antwort eines ehrbaren Liebhabers göttlicher Wahrheit der Heiligen Schrift publizierte9 und in ihr eine Programmschrift des reformatorischen Normprinzips sola scriptura vorlegte, die erste Reformationsschrift eines Laien, die erste öffentliche Luther-Apologie überhaupt und zugleich die erste deutschsprachige Flugschrift außerhalb des Wittenberger Theologenkreises. Diese Schrift brachte den Namen Spenglers zusammen mit dem Willibald Pirckheimers auf die päpstliche Bannandrohungsbulle gegen Luther vom 15. Juni 1520 und dann auch trotz aller Appellationen der Betroffenen und des Nürnberger Rats auf die Bannbulle Leos X. vom 3. Januar 1521. Zwar gelang es den beiden Nürnbergern schließlich, von der Exkommunikation loszukommen, doch war das Verhältnis der Nürnberger Führungsschicht zum Papsttum nachhaltig zerrüttet, und Spenglers Schutzrede war nur der Anfang einer ganzen Kette von weiteren Luther-Apologien und reformatorischen Flugschriften, die er in den folgenden Jahren verfasste.

Bevor von den Nürnberger Kanzeln die ersten reformatorischen Predigten gehalten wurden, entstand so in einer ersten, vergleichsweise stillen Phase der Reformation eine lutherische Lesebewegung. Sie konnte bereits den Kreis der lateinisch Gebildeten überspringen, weil nun schon zahlreiche Reformationsschriften in deutscher Sprache und in preisgünstigen Drucken auf dem Markt waren, so in erster Linie Luthers Schriften selbst, die von Flugschriften anderer wie Melanchthons, Karlstadts, Huttens und Spenglers flankiert wurden, dann aber vor allem die im September 1522 erschienene Luther-Übersetzung des Neuen Testaments. Von nun an konnten sich auch Laien, die anders als Spengler in der lateinischen Gelehrtenkultur nicht zu Hause waren, wie in Nürnberg etwa der Schuhmacher und Poet Hans Sachs, durch selbstständige Lektüre bibelkundig machen und aus eigener Kenntnis in den Streit um Luther und die Wahrheit der Hl. Schrift eingreifen. Während die Lesebewegung so weiter angeheizt wurde, hatte in Nürnberg bereits seit Frühjahr 1522 durch die erwähnte Neubesetzung der Prädikaturen die reformatorische Predigtbewegung begonnen. Nun wurde von den drei städtischen Hauptkanzeln auf theologisch tief dringende und zugleich allgemein verständliche Weise im Sinne Luthers gepredigt. Die Kirchen waren brechend voll; und die Menschenmenge, die aus der Stadt und vom Lande herbeiströmte, wurde durch das mündliche Medium einer streng biblisch zentrierten Evangeliums verkündigung elektrisiert. Unter den Predigern gewann sehr bald der humanistisch hochgebildete und theologisch selbstständig denkende, zugleich aber auch eigenwillige und sehr selbstbewusste Andreas Osiander d. Ä., der vorher im Augustinerkloster als He- bräischlehrer gewirkt hatte, die Position des führenden Stadtreformators – wobei er und seine Kollegen es je länger, je mehr mit einem reichsstädtischen Rat und einem Ratsschreiber zu tun hatten, die sich religiös und kirchenpolitisch nicht als Vollzugsorgane der Theologen verstanden, sondern als mündige Laienchristen, die selbstständig agieren und nicht wieder unter eine klerikale Dominanz und einen »Papismus« in evangelischem Gewand zurückkehren wollten. Bei Kirchenfragen holten sie die Ratschläge des Theologengremiums ein, ohne sich aber an sie gebunden zu fühlen.

Inhaltlich war die frühe lutherische Lese- und Predigtbewegung Nürnbergs durch die typisch reformatorische Alternativstruktur gekennzeichnet, durch die scharfen Trennungslinien, die daher auch in überzeugender Klarheit, Radikalität und Einprägsamkeit formuliert werden konnten: Gotteswort gegen Menschenwort, biblische Schrift gegen menschliche Lehren, Zeremonien und Satzungen, Wahrheit Gottes gegen Menschenwahn, Christus gegen den Papst, Gemeinde Christi gegen die römische Hierarchie, Dienst der Predigt und Seelsorge gegen klerikale Ausbeutung, Glaube an die unverdiente Erlösung gegen Bauen auf eigene Werke, Christi Mittlerschaft allein gegen die Anrufung Marias und der Heiligen, die wahre Messe der Gemeinde unter beiderlei Gestalt von Brot und Wein gegen die Opfermesse des Priesters, die Freiheit des Gewissens gegen das Gefängnis der Kreaturvergötterung, das im Glauben befreite Vertrauen auf das bedingungslos geschenkte Heil gegen alle Heilsvorsorge durch Stiftungen, Schenkungen, Fasten, Beten, Almosen, Wallfahrten, Prozessionen und Ablasserwerb. Die zuletzt genannte Alternative deutet an, welches Potential an seelischer und ökonomischer Entlastung die Nürnberger Bevölkerung in der reformatorischen Botschaft finden konnte. Aber nicht nur die Befreiung von Jenseitsängsten und Vorsorgepanik war ihr wichtig, nicht nur die Abschaffung des bisherigen religiösen Leistungssyndroms und kostenaufwendigen Kultbetriebs, der klerikalen Sonderrechte und des Klosterlebens, sondern ebenso auch die Perspektive der Neuordnung nach dem Maßstab der Hl. Schrift als alleiniger Normquelle.

In der Konsequenz des Schrift-, Gnaden- und Gemeindeprinzips will man eine christlich gereinigte und erneuerte Kirchengemeinde, deren Heiligkeit nicht hierarchisch begründet ist, sondern allein im Hören auf Gottes Wort, im Glauben an seine Heilsgabe der Sündenvergebung und in der Praxis dankbarer Nächstenliebe besteht. Ganz in diesem Sinne beschloss der Rat im Sommer 1522 eine neue, das gesamte Fürsorgewesen der Kommune zentral regulierende Almosenordnung, deren Präambel Lazarus Spengler formulierte. Die Unterstützung der Notleidenden wird nun nicht mehr in traditioneller Weise als genugtuend-verdienstvolles Mittel des Heilserwerbs deklariert, sondern als »öffentlich herausbrechende« Folge des christlichen Glaubens, der allein »gerecht, lebendig und selig« macht. 10

6. Die breite Gemeindereformation


Ausgelöst durch die reformatorische Predigt kam es seit 1522 zu einer dritten Stufe der Nürnberger Reformation, die man als »reformatorische Volksbewegung« oder »Gemeindereformation« auf breitester Ebene bezeichnen kann – wobei hier die Begriffe »Volk« und »Gemeinde« in einem integrativen Sinne zu verstehen sind, der sowohl die Vornehmen und Reichen als auch die besitzlosen Handwerksgesellen, Stückwerker, Tagelöhner und Dienstboten umfasst. Die Prediger, der Ratsschreiber und andere humanistisch geschulte Intellektuelle hatten eine höchst einflussreiche Mittelposition zwischen dem Regierungsgremium des Rates (bestehend aus 34 Patriziern und acht nahezu einflusslosen Handwerksmeistern) und der nicht-»ehrbaren« Untertanenbevölkerung, die man als »Gemeinen Mann« bezeichnete. Sie vermittelten einerseits die reformatorischen Impulse an ihre Ratsobrigkeit, während sie andererseits die reformatorische Botschaft in der Weise agitatorischer Polemik und Propaganda, lehrhafter Darstellung und erbaulicher Anleitung dem Gemeinen Mann nahebrachten. Sie trieben so die populäre Gemeindereformation voran, die in Nürnberg 1523 und 1524 ihre Blütezeit erlebte und im Frühjahr 1525 endete.

Wie in den vielen anderen Städten, in denen die Lutherbewegung Fuß fassen konnte, war sie ein multimediales Massenereignis. Die mündliche Kommunikation der Predigt war keine Konkurrenz zur schriftlichen Medialität, sondern heizte die Produktion von Flugschriften, Flugblättern und immer neuen Auflagen der Bibelübersetzung Luthers an. Mit der Textkumulation ver-bündete sich eine immense Bildvermehrung von sowohl lehrhaftem als auch aggressiv-satirischem Charakter. Schlagworte und »Schlagbilder« hatten Hochkonjunktur und schürten die Erregung. Gelegentlich kam es daher auch zu Gottesdienststörungen und zu gewaltsamen Aktionen gegen Sakralgebäude (wie das Franziskanerkloster) und gegen sakrale Bildwerke (wie das Sakramentshaus von St. Sebald). Messpriester und Mönche konnten sich in der Stadt nicht mehr sicher fühlen. Die Reformation war alles andere als ein friedliches Geschehen, auch wenn ihre führenden Köpfe in Nürnberg stets handgreifliche Gewaltanwendung gegen die Altgläubigen ablehnten. Aggressiv verletzend war bereits die scharf polarisierende, polemisch attackie­rende, verzerrend-übertreibende und verspottende Sprache und Bildlichkeit – so wie auch umgekehrt die altgläubige Antipolemik vor keiner unflätigen Beschimpfung der Reformationsgesinnten zurückschreckte.

Zur interagierenden Medienvielfalt der Nürnberger Frühreformation gehörten auch die neuen reformatorischen Gemeindelieder. Auch auf diesem Gebiet betätigte sich Spengler als Pionier, indem er schon 1524 mit seinem Lied Durch Adams Fall ist ganz verderbt menschlich Natur und We­sen11 die gerade erst entstandene Gruppe populärer Lieder Luthers erweiterte.

Spenglers starke literarische Präsenz in der breiten Gemeindereformation der Jahre 1522 bis 1525 zeigt etwas sehr Charakteris­tisches dieser Reformationsphase: die aktive und vorwärtsdrängende Rolle der Laien, d. h. der Nicht-Fachtheologen und Personen ohne kirchliche Weihen. Niemals vorher und nachher in der deutschen Geschichte haben Menschen aller Schichten und Berufe einen derartigen Anteil an Fragen der Theologie und Religion ge­nommen, sich darin solche Kenntnisse und ein so selbstständiges Urteilsvermögen angeeignet und einen solchen Einfluss auf die Veränderung der Kirche ausgeübt wie damals in den Aufbruchs- und Gärungsjahren der Reformation. In der Laienbewegung Nürnbergs, die mit Luthers umwälzender Vorstellung vom Priestertum aller Getauften ernst machte, waren nicht nur vornehme Bürger wie Spengler, Scheurl oder Dürer literarisch bzw. bildnerisch aktiv, sondern auch Handwerker der sozialen Mittelschichten. Sie betätigten sich als Flugschriften-Autoren wie Hans Sachs, der Weber Niklas Kadolzburger und der Maler Hans Greiffenberger oder verfertigten Bild-Flugblätter als Kupferstiche und Holzschnitte wie die Maler Sebald Beham, Barthel Beham und Jörg Pencz. Im Juli 1523 veröffentlichte Sachs das Spruchgedicht Die Wittenbergisch Nachtigall, in dem er Luther als »wunnigkliche Nachtigall« preist, die mit ihrer hell tönenden Stimme den Tag des klaren Evangeliums ankündigt und die schlafenden Menschen aus der Finsternis der römischen Verführung aufweckt.12 Die Metapher der »Wittenbergisch Nachtigall« wurde zu einem geflügelten Wort in Deutschland. Mit seinen vier Reformationsdialogen von 1524, die hohe Druckauflagen erreichten, war der Schuhmacher der erfolgreichste Flugschriften-Verfasser aus dem Handwerkerstand im deutschen Sprachraum.

Durch die Ausweitung der Reformation zur Volksbewegung, in der die Laien aus den mittleren und unteren Bevölkerungsschichten eine aktive Rolle übernahmen, entstand innerhalb der Reformationsbewegung nicht nur eine bemerkenswerte Vielstimmigkeit, sondern auch ein Antagonismus zwischen unterschiedlichen reformatorischen Richtungen. Er trat 1524 z. B. als Gegensatz zwischen den lutherischen Predigern und einer spiritualistisch eingestellten Gruppe um den Sebalder Schulmeister Hans Denck in Erscheinung. Denck stellte unter dem Eindruck Karlstadts die unmittelbare Belehrung frommer, ungebildeter Laien durch den Heiligen Geist gegen die Schulgelehrsamkeit der Fachtheologen und lehnte überhaupt jede äußere Gnaden- und Glaubensvermittlung durch Wort, Schrift und Sakrament ab. Zum Einflussbereich Dencks gehörten auch die erwähnten Maler: Greiffenberger wurde vom Rat verwarnt, die Beham-Brüder und Pencz wurden als »gottlose« Maler wie Denck der Stadt verwiesen.

Das Jahr 1524 und die ersten Monate des Jahres 1525 waren die Krisen- und Entscheidungszeit der Nürnberger Gemeindereformation. Die Positionen Dencks und der Maler bildeten dabei nur einen kleinen Sektor innerhalb einer breiten antiklerikalen Radikalisierung der Bevölkerung. Ihre bedrohlichen Animositäten gegen den Klerus und ihre Gottesdienststörungen nahmen zu, Mönche traten seit 1523 aus den Klöstern aus und Messpriester legten ihre kultischen Aufgaben nieder. Ehemalige Kleriker predigten nun zum Ärger des Rats und der von ihm berufenen Prediger außerhalb der Kirchen – wie z. B. der ehemalige Priester Diepold Peringer, der sich als ungelehrten »Bauer von Wöhrd« ausgab und mit dem Pathos des Laienpredigers gegen die »Abgötterei« der bisherigen Kirche und falsches, hochmütiges Vertrauen auf den freien Willen, die Heiligkeit und Gelehrsamkeit von Menschen predigte. Das Wirken des »Bauern von Wöhrd« im Stadt- und Landgebiet Nürnbergs ist ein Indiz dafür, dass im Frühjahr 1524 die städtische und bäuerliche Reformationsbewegung zusammenwuchsen – mit brisanten Konsequenzen, wie sich bald zeigen sollte. Neben Peringer gab es in Nürnberg auch predigende Handwerker. Der Rat hat dieses »wilde Predigen« grundsätzlich verboten, woraufhin Peringer im Mai 1524 nach Kitzingen weiterzog.

7. Die gottesdienstlichen Änderungen von 1524


An diesen Phänomenen und der Reaktion des Rats wird deutlich, dass es 1523/24 zwei große gegenläufige Tendenzen der Nürnberger Reformation gab, die aber letztlich im Frühjahr 1525 und danach zu einem gemeinsamen Resultat führten. Es gab einerseits die Richtung der vorwärtsdrängenden Reformationsbewegung, die einen breiten Rückhalt in der städtischen und ländlichen Bevölkerung hatte und – bei aller Disparatheit – darin zusammenfand, dass sie auf eine schnelle Änderung des Gottesdienstes, vor allem auf seine Verdeutschung und auf das Abendmahl in beiderlei Gestalt drängte. Die Darreichung von Brot und Wein war seit der hussitischen Reformation symbolgeladener Inbegriff einer streng biblisch orientierten Aufwertung des Laienchristentums gegen kultische Klerikermonopole. In der Kirche des Augustinerklosters konnte man schon zu Ostern 1523 aus den Händen des Priors Wolfgang Volprecht das Abendmahl unter beiderlei Gestalt empfangen und in der Himmelfahrtswoche (1.–7. Mai) 1524 hielt Volprecht erstmals in Nürnberg eine rein deutsche Messe, aus der er – und das war das theologisch Revolutionäre – die Gebetstexte der Opferung und Wandlung gestrichen hatte. Er verhalf damit dem neuen reformatorischen Abendmahlsverständnis in der Nürnberger Gottesdienstpraxis zum Durchbruch, denn die Pröpste der Pfarrkirchen und ihre Prediger folgten einen Monat später seinem Vorbild.

Andererseits gab es die zurückhaltende und bremsende Reformationspolitik des Nürnberger Rats, die von stark taktischen Ge­sichtspunkten bestimmt war, zugleich aber auch die konservative, den städtischen Status quo nur zögerlich verändernde Grundeinstellung der Patrizierfamilien widerspiegelte. Zwar begrüßte der Rat in seiner Mehrheit die neue Lehre seiner Prediger, insistierte darauf, dass das Evangelium »lauter und rein« aus der Hl. Schrift gepredigt werde, und erstrebte eine antirömische Kirchenerneuerung. Doch er wollte als reichsstädtische Obrigkeit, die aus Tradition die Loyalität gegenüber ihrem kaiserlichen Stadtherrn pflegte, seine offene Brüskierung vermeiden.

Karl V. drohte der mächtigen Reichsstadt, an der sich so viele andere Kommunen orientierten, mit dem Verlust aller ihrer Privilegien und Freiheiten, falls sie gegen das Wormser Edikt von 1521, das geltende Kirchenrecht und die Kirchenhoheit der Bischöfe verstieße. Die Stadt musste in der Tat mit schwersten rechtlichen und militärischen Sanktionen, mit der Reichsacht und dem kirchlichen Interdikt rechnen. In dieser bedrohlichen Situation beschränkte der Magistrat seine Unterstützung der Reformation darauf, die evangelische Predigerbewegung moderat zu fördern und das liturgische Vorpreschen des Augustinerkonvents zu dulden. Im Übrigen aber wies er die Laienprediger in ihre Schranken und achtete darauf, dass – vor allem in den großen Pfarrkirchen, die seiner unmittelbaren Aufsicht unterstanden – die Gottesdienstformen und das Brauchtum der alten Kirche nicht angetastet wurden und er keiner kirchlichen Rechtsbrüche bezichtigt werden konnte. Sogar das Fleisch­essen während der vorösterlichen Fastenzeit 1524 wurde vom Rat verboten.

Bis Ende Mai 1524 blieb Nürnberg daher – aufs Ganze gesehen – eine katholische Stadt. Die Reformation hatte sich noch nicht vollzogen, wenn man unter Reformation die Umgestaltung des bisherigen Kirchenwesens versteht.

Dieser Zustand änderte sich aber schlagartig Anfang Juni 1524. Die beiden Nürnberger Pröpste beschlossen, den bereits Anfang Mai 1524 im Augustinerkloster erprobten Veränderungen zu folgen und den Messkanon mit seinen Opferungs- und Wandlungsworten des Priesters, das Herzstück und Allerheiligste des katholischen Got­-tesdienstes, aus der Messliturgie zu streichen. An die Stelle des Canon missae trat eine neu gestaltete Abendmahlsvermahnung mit den eingefügten Einsetzungsworten, die wie die vorausgehenden Stücke der Evangeliums- und Epistellesung laut und verständlich in deutscher Sprache zur versammelten Gemeinde gesprochen werden sollten, während alle anderen Teile des Messgottesdienstes lateinisch blieben. Die Pröpste wählten also eine konservativere Variante der evangelischen Messe als der Augustiner Volprecht und vollzogen diese Liturgie erstmals am 5. Juni, dem 2. Sonntag nach Trinitatis, im Gottesdienst von St. Sebald und St. Lorenz. Außerdem hatten die Pröpste beschlossen, die Salz- und Wasserweihe, die Stundengebete und das Salve Regina abzuschaffen und an den städtischen Kirchen keine Seelmessen und Jahrtage für die Verstorbenen mehr zu halten. Durch den Wegfall des Kanons konnten die Messen nicht mehr als Opfer den Seelen der Verstorbenen zugewendet werden. Die abrupte Beendigung des bisherigen Kults der immens zahlreichen Totengedächtnismessen bedeutete den offenen Bruch mit dem bisherigen religiösen System der Jenseitsvorsorge und musste das kirchliche Stiftungswesen des Mittelalters tiefgreifend verändern und vielen Priestern den Lebensunterhalt nehmen.

Das Vorgehen der Pröpste, hinter dem als treibende Kraft die Prediger standen, war offensichtlich nicht mit dem Nürnberger Rat abgesprochen. Dieser zeigte sich zunächst nicht bereit, die tiefgreifende Kultreform, den entscheidenden Schritt Nürnbergs von einer altgläubigen zu einer evangelischen Stadt, zu akzeptieren. Aus Sorge um die politischen Konsequenzen auf Reichsebene wollte er nicht die Vorreiterrolle übernehmen, sondern abwarten und die Fragen der Kirchenreformation bis zu dem für Herbst in Aussicht gestellten Speyerer Nationalkonzil aufschieben, um auf einer sicheren Rechtsbasis zu stehen. Den Pröpsten gab er daher am 11. Juni die Auskunft: Da viele der beseitigten Zeremonien für die Seligkeit des Menschen nicht von Belang seien, sollen sie diese liturgischen Änderungen – allerdings nicht die deutsche Verlesung von Evangelium und Epistel und die Austeilung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt – wieder rückgängig machen. Zugleich aber forderte der Rat die Pröpste auf, »von dem rechten weg des glaubens und ewangelion mit nichten ze weichen« 13. Die ultimative Forderung des Rats lautete also: im Glauben und in der Verkündigung gut lutherisch, im Kult und in den Zeremonien traditionell-katholisch. Die Pröpste aber ließen sich nicht mehr umstimmen und wiesen am 17. Juni das Ansinnen des Rats rundweg zurück. Daraufhin geschah eine unerwartete Wendung: Nachdem der Rat zuerst die Abschaffung des Messkanons, der Seelmessen und weiterer Zeremonien strikt abgelehnt hatte, gab er nun nach und duldete die Reformen der Pröpste, die diese durch eine Druckschrift Osianders 14 rechtfertigten.

Mit hohem Risiko tat der Nürnberger Rat damit einen Schritt, den in gleicher Lage die Räte von Frankfurt, Augsburg und Ulm damals noch nicht zu gehen bereit waren. Denn für alle gab es keinen Zweifel, dass die Drohungen des Kaisers ernst gemeint waren. Von sich aus hätte der Nürnberger Rat bei seiner prinzipiell vorsichtig taktierenden religionspolitischen Strategie daher auch nie ein derartiges Vorpreschen in der Kultfrage gutgeheißen.

8. Die Eskalation und das Einlenken des Rats


(Juni 1524)


Man kann das Umschwenken des Rats nur verstehen, wenn man berücksichtigt, was während dieser Junitage des Jahres 1524 im Stadt- und Landgebiet Nürnbergs vor sich ging. Mit der religiösen Gärung verband sich eine sozial-ökonomische Unruhe unter den ärmeren Schichten, in der man die Vorzeichen der Bauernaufstände des Frühjahrs 1525 sehen kann. Als am 2. Juni eine Bauerndelegation aus Poppenreuth, die Zehnterleichterungen forderte, auf dem Rathaus festgehalten wurde, fanden die Bauern Unterstützung bei der unteren Handwerkerschaft der Stadt. Eine große Menge von Gesellen, Lehrlingen und Dienstboten, Männer und Frauen, belagerten das Rathaus. Sie waren mit Messern und Hämmern bewaffnet und schrien den Ratsherren zu, sie sollten die Bauern sofort freilassen und die Freiheit von Steuern und Abgaben gewähren. Andernfalls werde man das Rathaus aufklopfen, den Reichen durch ihre Häuser laufen, die Ratsherren erschlagen und Zünfte errichten. 15 Der Rat ließ daraufhin die Bauerndelegation sofort frei und ergriff in den folgenden Tagen vielfältige Maßnahmen, um eine solch bedrohliche Situation künftig zu vermeiden und alle aufständischen Tendenzen im Keim ersticken zu können. Er verstärkte die militärischen Ordnungskräfte, versicherte sich der Rückendeckung durch die Handwerksmeister und Prediger und ließ zwei Rädelsführer hinrichten. Zugleich erleichterte er die Steuern und Zinsen für die Stadtbewohner und später auch die bäuerliche Abgabelast – mit der Folge, dass der Bauernkrieg 1525 nicht auf das Nürnberger Landgebiet übergriff. Der Rat reagierte also auf die Unruhen vom 2. Juni mit einer Politik flexiblen Einlenkens und einschüchternder Stärke.

Diese brisante Konstellation erklärt, warum sich der Rat den kirchlichen Rechtsbruch der Pröpste und Prediger gefallen ließ und nicht darauf bestand, dass die tiefgreifenden kultischen Veränderungen von ihnen zurückgenommen würden. Der Rat sah, dass die renitenten Bauern und Handwerker ihre Forderungen mit dem Evangelium und der Befreiung von Menschensatzungen rechtfertigten und sich dabei auf die Prediger beriefen. Es war ihm daher wichtig, dass er die Pröpste und Prediger, die Führer der Reformation, auf seiner Seite hatte. Die Theologen sollten dem Volk klarmachen, dass das Evangelium um Christi willen das Gewissen von seelischen Belastungen befreie, nicht aber die Untertanen von äußeren, weltlichen Bindungen. Daher wollten es die Ratsherren nicht auf ein Zerwürfnis mit den Pröpsten und Predigern ankommen lassen. Eine Verweigerung der liturgischen Reformen hätte alle Kräfte der Gemeindereformation, auch die prinzipiell obrigkeitsloyalen und friedlichen, erbittert und damit die Situation auf breiter Ebene eskalieren lassen. In den Augen des Rats war die Gefahr eines innerstädtischen Konflikts und seines kommunalen Machtverlusts gravierender als die drohenden Sanktionen auf Reichsebene und von Seiten der Bischöfe. Es ist vor allem der Ratsschreiber Lazarus Spengler, der in diesem Sinne Überzeugungsarbeit bei den Ratsherren leistete, indem er ihnen einschärfte: Wenn ihr nach außen Kaiser und Bischöfen gegenüber klein beigebt, holt ihr den Teufel, den gewaltsamen Konflikt, in euer Haus. Einem Rat müssen die eigene Gemeinde und erst recht sein eigenes religiöses Gewissen und seine Christenpflicht näher stehen als die äußeren Mächte und die von ihnen drohenden weltlichen Nachteile. 16

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Nürnberger Reformation in ihren Anfängen keine Ratsreformation von oben war, sondern eine von den Predigern und den Flugschriftenverfassern, unter ihnen besonders Lazarus Spengler, mobilisierte Gemeindereformation, die den Rat so unter Druck setzte, dass er die reformatorische Umgestaltung des Gottesdienstes geschehen ließ. Der Rat war nicht Treibender, sondern Getriebener; das Gesetz des Handelns wurde ihm von unten, durch die reformatorische Bewegung seiner Untertanen, vorgegeben. Dies ist deshalb besonders zu un­terstreichen, weil Nürnberg keine Zunftverfassung hatte und normalerweise von der Patrizieroligarchie des Kleinen Rats sehr straff von oben nach unten regiert wurde. Es zeigt die kraftvolle Dynamik der breiten Volksreformation, dass sie sogar in einer Stadt wie Nürnberg die normalen Herrschafts- und Unterordnungsverhältnisse zeitweilig aushebeln konnte. Nachdem sich der Rat allerdings erst einmal auf den Weg der Neuordnung des Gottesdienstes eingelassen hatte, ergriff er immer stärker die Zügel der Reformation und zog sie in seine obrigkeitliche Regie – und dies durchaus aus innerer Überzeugung, denn mehrheitlich waren die Ratsherren schon 1521 bis 1524 vom Recht Luthers gegen die Kirche Roms und des Papstes überzeugt.

9. Der Übergang von der Gemeindereformation zur Ratsreformation und vom diplomatischen Lavieren zum öffentlichen Bekennen (Dezember 1524)


Der Rat ließ sich nun nicht mehr an der Unterstützung seiner Pröpste und Prediger, ihres Bruchs mit dem bisherigen Kirchenwesen und ihrer Pläne einer grundlegenden Neuordnung der kirchlichen Rechtsverhältnisse irremachen, auch dann nicht, als der Bamberger Bischof im September 1524 die Pröpste und den Augustinerprior exkommunizierte. Zwar entschuldigte sich der Rat zunächst noch gegenüber dem Bischof und dem kaiserlichen Statthalter damit, dass ihm durch die Unruhen im Volk und die akute Aufstandsgefahr die Hände gebunden seien. Das war kein purer Vorwand und doch zugleich verschleiernde Taktik. In den folgenden Monaten veränderte sich aber der religionspolitische Kurs des Nürnberger Rats vom diplomatischen Taktieren und Lavieren zum offenen Bekennen, indem er sich nun auch dem Kaiser gegenüber deutlich hinter die Reformation stellte. Nachdem in Deutschland bekannt geworden war, dass Karl V. von Spanien aus das geplante Nationalkonzil verboten hatte und bei Strafe der Reichsacht die strikte Durchführung des Wormser Edikts verlangte, schrieben die süddeutschen Reichsstädte, die auf Seiten der Reformation standen – wie Nürnberg, Straßburg und Ulm –, am 12. Dezember 1524 vom Ulmer Städtetag aus an den Kaiser nach Spanien. Dieser Brief, den offensichtlich Lazarus Spengler konzipiert hatte, kann als erstes öffentliches Bekenntnis innerhalb der Reformation auf Reichsebene gelten. Die Reichsstädte bekunden darin ihre gehorsame Treue zu Kaiser und Reich, um aber zugleich zu bekennen, dass sie dem Wort und Evangelium Christi bis in die »Grube« anhangen und es in Schutz nehmen wollen und sich das weder durch Kaiser und Reichsstände noch durch den Papst verbieten zu lassen gedenken. Dazu seien sie als Christen durch die Taufe verpflichtet. In Anlehnung an Luthers Zwei-Reiche-Unterscheidung halten sie fest: In weltlichen Dingen (»sovil unser leib und gut belangt«) will man dem Kaiser gehorsam sein und die reichsstädtische Tradition der Kaisertreue fortsetzen. Wo es aber um Gottes Wort, das »hail unserer seelen« und das Gewissen geht, wollen die städtischen Magistrate den reformatorischen Standpunkt auch gegen den Kaiser festhalten und sich seinen Mandaten widersetzen. 17 Das ist – ganz im Sinne Luthers – angewandte Zwei-Reiche-Lehre als Begründung der religionspolitischen Widerstandshaltung der Städte. Nürnberg hatte dafür eine Art Federführung übernommen.

Dieser reichspolitischen Entscheidung in der Religionsfrage blieb Nürnberg in den folgenden Jahren treu, wie seine wichtige Rolle auf dem Speyerer Reichstag 1526, seiner Unterzeichnung der Speyerer Protestation 1529 und der Confessio Augustana 1530 zeigen sollte. Auch innerstädtisch trieb der Nürnberger Rat nun die Reformation voran und setzte sich an die Spitze der kirchlichen Neuordnung, um das religiöse Vorwärtsdrängen der Gemeinde aufzufangen und zu kanalisieren.

Er folgte damit der dringenden Empfehlung des Juristen Scheurl, die lautete: Wenn die Obrigkeit nicht Hand anlegen will, muss sie besorgen, dass sich die Rotschmiede und Messermacher hinter St. Jakob – dort war die Unruhe am größten – erheben und selbst »reformacion« machen.18 Nachdem es so weit gekommen ist, »dass die Kinder auf der Gasse, zu geschweigen die Weiber schreien ›Schrift, Schrift!‹«, ist eine obrigkeitliche Klärung notwendig, die »Päps­te, Concilia, Väter, Tradition, Heiligkeit, Statut, Dekret, Gebrauch, alt Herkommen und alles, was nicht auf dem Wort Gottes gegründet ist, auf sich beruhen lässt und nur das reine Evangelium und die biblische Schrift ge­braucht; denn auf diesem Markt wird keine andere Münze gang und gäbe sein« 19.

10. Das Religionsgespräch (März 1525) als Basis


der Ratsreformation


Der Rat hätte als christliche Obrigkeit die religiösen Verhältnisse in der Stadt und ihrem Landgebiet ohne weitere Diskussionen neu gestalten und so seine Hoheit über die Kirche und in der Kirche im Alleingang wahrnehmen können. Das wollte er nicht, weil er angesichts der religiösen Spaltung in der Stadt und der altgläubigen Angriffe von außen seine Legitimationsbasis für die von ihm geplanten Reformationsmaßnahmen erweitern wollte. Er veranstaltete daher vom 3. bis 14. März 1525 nach dem Vorbild der Zürcher Disputationen von 1523 ein Religionsgespräch im großen Rathaussaal, sozusagen ein lokales Nürnberger Konzil, in das er auch die mehr als 260 Mitglieder des Großen Rats einbezog. Dieser wurde nur sehr selten, wenn es um grundlegende Entscheidungen für die gesamte Bürgerschaft ging, einberufen. Das Ergebnis dieser Diskussion um religiös kontroverse Glaubens- und Rechtsfragen zwischen der altgläubigen Partei, deren Sprecher die Bettelordensvertreter waren, und der reformatorischen Partei unter Führung Andreas Osianders stand – wie bei den zahlreichen anderen städtischen Disputationsveranstaltungen der Reformationszeit – von vornherein fest; denn der Rat hatte festgelegt, dass die Diskussions- und Entscheidungsgrundlage der Veranstaltung die Bibel allein sein sollte. Mit dem Schriftprinzip aber war das traditionelle katholische Kirchenwesen angesichts der scharfen reformatorischen Kontrastbildung von Schrift und Tradition kaum zu verteidigen.

Indem der Nürnberger Rat ein derartiges Religionsgespräch einberief, die Regeln festlegte und sich die Entscheidung über die Konsequenzen der Disputation vorbehielt, beanspruchte er eine Kirchen- und Religionshoheit, die er trotz aller bisher schon errungenen kirchlichen Hoheitsrechte im Spätmittelalter so weder besessen noch erstrebt hatte und die daher eine Innovation der Reformation war. Denn für mittelalterliche Begriffe war es unvorstellbar, dass eine Laiengemeinde in ihren politischen Vertretern über Fragen der theologischen Lehre und des Gottesdienstes entscheidet. Indem der Rat von Zürich, der Rat von Nürnberg und an­dere Gemeinden und Obrigkeiten dieses Recht für sich in An­spruch nahmen und realisierten, wandten sie Luthers neues Kirchenverständnis mit seinen Brennpunkten des allgemeinen Priestertums aller Getauften und der Gemeindekirche unter Gottes Wort auf die eigene Situation an.

Die Bürgergemeinde der einfachen Leute war beim Nürnberger Religionsgespräch durchaus präsent, zwar nicht im Rathaus, aber doch sehr vernehmlich unten vor dem Rathaus – in einer Weise, die sich der Rat, anders als am 2. Juli 1524, durchaus gefallen lassen konnte. In den Akten heißt es: Am ersten Tag des Gespräches »sammelte sich vor dem Rathaus eine große Volksmenge, um das Ende zu sehen; die Leute warteten auf die Mönche und hätten sie gerne zerrissen. Etliche schrieen, man solle ihnen die Mönche zum Fenster hinauswerfen; etliche hätten gesagt, man solle sie unter die Mönche lassen, sie wüssten recht mit ihnen zu disputieren.« 20

11. Die reformatorische Neuordnung bis zum Abschluss der Brandenburgisch-Nürnbergischen Kirchenordnung (1533)


Mit den Neuordnungsmaßnahmen, die der Nürnberger Rat auf das Religionsgespräch folgen ließ, kam er dieser antiklerikalen und besonders antimönchischen Volksstimmung entgegen. Er nahm das Reformverlangen der Prediger und Pröpste, des Ratsschreibers, der Stadtjuristen und der populären Reformationsbewegung auf und setzte es in aktive Religionspolitik um. Damit vollzog sich in Nürnberg ab Frühjahr 1525 der Wandel von der Volks- und Ge­meindereformation zur obrigkeitlichen Ratsreformation. Die Ratsherren handelten dabei im Bewusstsein, ihrer obrigkeitlichen Verantwortung und christlichen Gewissenspflicht zu folgen, indem sie für das Seelenheil der Stadtbewohner sorgten und so auch den Segen für das irdische Gedeihen der Kommune sicherten. Die Zeit der Flugschriften und Laientheologen, der vielfältigen Laienaktivitäten und Unruhen einschließlich der Beteiligung von Frauen am Reformationsprozess war nun vorbei – nicht zuletzt deshalb, weil die Laiengemeinde ihre religiösen und auch manche ihrer sozial-wirtschaftlichen Anliegen durch die nun folgenden Maßnahmen der Obrigkeit aufgenommen sah.

Der Rat schrieb für alle Gottesdienste der Stadt die Beseitigung des Messkanons vor. In allen Kirchen sollte evangelisch gepredigt werden. Alle Klöster sollten aus der Stadt und ihrem Landgebiet verschwinden. Dies war allerdings nur über einen längeren Zeit­raum hinweg zu realisieren, da der Rat mit Rücksicht auf die heikle Rechtslage nicht mit brachialer Gewalt vorgehen wollte, nicht alle Konvente aber dem Vorbild der Augustinereremiten folgten und sich selbst auflösten. Vor allem die Klarissen von St. Klara und die Dominikanerinnen von St. Katharina, die jeweils im 15. Jh. hohe Standards der regelstrengen Klosterreform und frommen litera­-rischen Bildung eingeführt hatten, erwiesen sich als widerstandsfähig und lehnten es ab, sich der Seelsorge der reformatorischen Prediger zu unterwerfen. Sie fühlten sich als »Bräute Christi« ihrem Gelübde der lebenslangen Treue verpflichtet. Die Äbtissin von St. Klara, Caritas Pirckheimer, berief sich dabei auf Luthers Grundsatz der Freiheit des Gewissens, die es verbiete, auf die Nonnen religiösen Zwang auszuüben. 21 Der Rat wählte den Weg, den renitenten Klöstern Neuaufnahmen zu verbieten und sie so im Laufe des 16. Jh.s aussterben zu lassen. Das Kirchen- und Klostergut wurde ebenso wie die Stiftungskapitalien dem Almosenkasten inkorporiert; aus ihm wurden nicht nur die Bedürftigen versorgt, sondern konnten nun vor allem auch das kirchliche Personal und das Schulwesen finanziert werden. Die Geistlichen wurden durch den Bürgereid in die Laiengemeinde integriert; ihre Exemption, d. h. ihre steuerlichen, wirtschaftlichen und juristischen Privilegien, wurde aufgehoben. Von ihren Konkubinen mussten sie sich alsbald entweder trennen oder sie heiraten. Die bischöfliche Jurisdiktion hatte von nun an in Nürnberg keine Gültigkeit mehr. Der Rat bündelte alle kirchlichen Ordnungs- und Leitungskompetenzen in seiner Hand. Sein spätmittelalterliches Streben nach dem obrigkeitlichen Kirchenregiment hatte sich so mit einer Schnelligkeit und Totalität erfüllt, wie es für ihn noch 1523 unvorstellbar war. Jetzt erst fiel die säkulare Bürgergemeinde vollständig mit der Kirchengemeinde zusammen, zumal Nürnberg 1498/99 alle Juden vertrieben hatte und bis weit ins 19. Jh. hinein dezidiert »judenfrei« blieb. Mittelalterliche Formen der Pluralität der Einwohnerschaft – Laien, Kleriker, Ordensleute, Angehörige der Dritten Orden und Beginen, Christen und Juden – sind einer frühneuzeitlich-konfessionellen Homogenisierung und »normativen Zentrierung« gewichen.

Gottesdienst und Seelsorge blieben selbstverständlich Aufgabe der einstigen und neuen Geistlichen, sofern sie sich der reformatorischen Neuordnung anschlossen. Doch wurden sie fortan vom Rat als Kirchenbeamte angestellt und besoldet. Die für sie nun gültige Lehrnorm, ihre dienstlichen Aufgaben und die gottesdienstlichen Agenden wurden abschließend durch die Brandenburgisch-Nürnbergische Kirchenordnung von 153322 festgelegt.

Der Rat ließ sie in einem langwierigen und konfliktreichen Prozess durch seine Theologen, namentlich Osiander, und mit Hilfe des Schwäbisch Haller Reformators Johannes Brenz erarbeiten und machte sie dann für seine Pfarrerschaft in der Stadt und im reichsstädtischen Territorium verbindlich. Spengler sah darin die Krönung des Nürnberger Reformationswerks und seines eigenen beharrlichen und leidenschaftlichen Verlangens nach einer Kommune, die sich einmütig der biblischen Norm des Gotteswortes, seines gebietenden Gesetzes und seines tröstenden Evangeliums, unterstellt. Der Religionsdiplomatie des Ratsschreibers war es zu verdanken, dass die neue Kirchenordnung, die für andere Städte und Territorien vorbildlich wurde, gemeinsam mit den brandenburgisch-markgräflichen Fürstentümern Ansbach-Kulmbach be­schlossen werden konnte. Die Verbundenheit im Glauben und in der Konfessionspolitik konnte die traditionelle Feindseligkeit zwischen der Reichsstadt und den fränkischen Markgrafen überbrücken.

12. Die Anfänge der lutherischen Konfessionalisierung und das Ideal der religiösen Homogenität


Charakteristisch für die Religionspolitik des Nürnberger Rats und die Maxime seines Reformationskurses war seit 1525 insgesamt ein starkes Streben nach religiöser Homogenität in seinem Herrschaftsgebiet. Daher wollte er – durchaus im Sinne der evangelischen Prediger und des Ratsschreibers – alle Stadtbewohner nicht nur gegenüber der päpstlichen Seite auf das alleinige und exklusive Legitimationsprinzip der Hl. Schrift verpflichten, sondern auch auf die spezifisch lutherische Bekenntnisnorm, wie sie sich – im Gegenüber zu den Zwinglianern, Täufern und Spiritualisten – in den Jahren 1525 bis 1530 herausbildete. In diesem Sinne verfasste Lazarus Spengler 1527 wider die Altgläubigen und »Schwärmer« das wahrscheinlich erste Glaubensbekenntnis der Reformation als persönliches Privatbekenntnis, dessen Endfassung dann Luther 1535 in Wittenberg als vorbildliches Glaubenszeugnis zum Druck gab 23, wie Luther überhaupt das »Nürnbergische Exempel« einer Obrigkeit, die für »einerlei Predigt« sorgt, zur Nachahmung empfahl.24 Nur durch eine geschlossene Bekenntnishaltung, meinten die Stadt­obrigkeit und ihr Ratsschreiber, könne der innere Zusam­menhalt der Bürgerschaft gewährleistet und das Prosperieren der Reichsstadt unter Gottes Segen und in der Bewahrung vor seinem strafenden Zorn gewährleistet werden. Daher unterdrückte der Rat alle vom lutherischen Bekenntnis abweichenden Glaubensrichtungen in der Stadt, soweit sie öffentlich propagiert wurden; daher verbot er nach 1525 auch den Druck und die Verbreitung aller Schriften, die sich gegen die realpräsentische Abendmahlslehre Luthers wandten und ein zwinglianisch-oberdeutsches Abendmahlsverständnis vertraten; und daher reagierte Lazarus Spengler auch vehement ablehnend, als sein Kanzleischreiber Georg Frölich im Frühjahr 1530 ein Memorandum vorlegte, das die tolerante Freigabe aller friedlichen Religionsweisen in der Stadt forderte, um künftig die gewaltsame Eskalation von Glaubenskonflikten zu vermeiden und den konfessionellen Frieden zu sichern. 25 Während Huldrych Zwingli vor 1526 in Nürnberg viel gelesen wurde und – auch von Spengler – als politischer Reformationstheologe geschätzt war, wurde er nun zur Zielscheibe der offiziellen städtischen Konfessionspolemik.

13. Der bewahrende und moderate Kurs


der Nürnberger Reformation


So sehr es der Nürnberger Obrigkeit um ein konfessionell homogenes Herrschaftsgebiet ging, so gemäßigt und konservativ war doch andererseits im Vergleich mit anderen evangelischen Obrigkeiten ihre konkrete Durchführung der Reformation. Während die Theologen, insbesondere Osiander, und die Juristen auf eine strenge Bestrafung der Täufer, die nicht widerriefen, drangen und in schweren Fällen sogar für die Todesstrafe plädierten, wie sie das Reichsrecht vorschrieb und beispielsweise auch Philipp Melanchthon forderte, begnügte sich der Rat mit der Inhaftierung und Ausweisung hartnäckiger Täufer. 26 Die traditionelle Ohrenbeichte mit der Nötigung, die einzelnen Verfehlungen zu benennen, wurde zwar abgeschafft; beibehalten wurde aber die Einzelbeichte, die es den Seelsorgern ermöglichte, sich über den Glaubensstand ihrer Beichtkinder zu informieren und sie persönlich über das rechte Christenleben zu belehren. Mit der Abschaffung der Heiligenfeste ging der Rat längst nicht so weit, wie die Prediger es verlangten. Ebenfalls nicht durchsetzen konnten sich die Theologen mit ihrem Vorhaben, in der Kirchenordnung das Recht der Geistlichen zur Kirchenzucht, insbesondere zum Ausschluss vom Abendmahl, zu verankern; denn der Rat wollte auf keinen Fall eine eigene kirchliche Jurisdiktion neben seiner obrigkeitlichen dulden. Damit hatte er die Bevölkerung auf seiner Seite, die deutlich machte, dass man sich zwar als Untertan des Rats, nicht aber der Prediger verstehen wolle. Die Zeiten der päpstlichen Tyrannei seien endgültig vorbei.

Auch in der Bilderfrage beschritt der Rat – darin nicht völlig im Einklang mit den Predigern und im Gegensatz zu manchen bilderfeindlichen Tendenzen in der Gemeinde – einen sehr gemäßigten Weg.27 Ein obrigkeitlich angeordnetes Entfernen religiöser Bildwerke aus den Kirchen, wie es planmäßig etwa in Zürich, Straßburg und Ulm vorgenommen wurde, lehnte er rundweg ab – auch die Entfernung solcher Bilder, die einen offenkundigen Bezug zur altgläubigen Heiligenverehrung hatten. Die Kirchenbilder waren größtenteils von Patriziern gestiftet worden. Die Familientradition war den Ratsherren offensichtlich wichtiger als ein bilderstürmerisches Vorgehen gegen den alten Kult. Entscheidend war für sie, dass mit den Bildern kein Kult mehr getrieben wurde, dass die Bilder also keine Macht mehr über die Seelen der Gläubigen hatten. Das war eine typisch lutherische Einstellung. Als de

Summary

The essay offers a survey of the preconditions, driving forces, progress and character of the Reformation in the imperial city of Nuremberg, including excursions into the later 16th century. Par­-ticular emphasis is put upon the definition of specific tensions – between the exemplary role Nuremberg played within the framework of municipal Reformation in general and its specific status; between the lines of continuity extending from the Middle Ages to the time of the Reformation and the revolutionary character of the occurrences separating the churches; between a broad communal Re­formation »from below« and councilary Reformation »from above«; between leading laymen (such as Lazarus Spengler) and prominent theologians (such as Andreas Osiander); between an urge towards confessional/Lutheran homogeneity and a moderate commit­ment to religious denominations; and between the initial as­sumption of leadership in religious politics on the imperial level (until 1529) and a more guarded position concerning the later Protestant policy of alliances and militarization of the confessional conflict.

Fussnoten:

1) Wichtige Quellen und Forschungsliteratur zur Nürnberger Reformation: Andreas Osiander d. Ä.: Gesamtausgabe, hrsg. von Gerhard Müller und Gottfried Seebaß, 10 Bde., Gütersloh 1975–1997; Lazarus Spengler: Schriften (bis März 1530), hrsg. von Berndt Hamm, Wolfgang Huber und Gudrun Litz, 3 Bde., Gütersloh 1995, 1999, 2010 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 61.70. 84); Quellen zur Nürnberger Reformationsgeschichte. Von der Duldung liturgischer Änderungen bis zur Ausübung des Kirchenregiments durch den Rat (Juni 1524 – Juni 1525), hrsg. von Gerhard Pfeiffer, Nürnberg 1968 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns 45); Reformation in Nürnberg. Umbruch und Bewahrung, Ausstellungskatalog, Nürnberg 1979; Berndt Hamm: Bürgertum und Glaube. Konturen der städtischen Reformation, Göttingen 1996; Ders.: Lazarus Spengler (1479–1534). Der Nürnberger Ratsschreiber im Spannungsfeld von Humanismus und Reformation, Politik und Glaube. Mit einer Edition von Gudrun Litz, Tübingen 2004 (Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe 25); Gerhard Pfeiffer (Hrsg.): Nürnberg – Geschichte einer europäischen Stadt, München 1971; Gottfried Seebaß: Das reformatorische Werk des Andreas Osiander, Nürnberg 1967 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns 47); Ders.: Stadt und Kirche in Nürnberg im Zeitalter der Reformation, in: Bernd Moeller (Hrsg.): Stadt und Kirche im 16. Jahrhundert, Gütersloh 1978 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 190), 66–86; Heinrich Richard Schmidt: Reichsstädte, Reich und Reformation. Korporative Reichspolitik 1521–1529/30, Stuttgart 1986 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 122); Günter Vogler: Nürnberg 1524/25. Studien zur Geschichte der reformatorischen und sozialen Bewegung der Reichsstadt, Berlin-Ost 1982.

Für wertvolle Hilfe bei der Endredaktion des Aufsatzes danke ich meiner Frau Dr. Gudrun Litz (Stadtarchiv Ulm), meiner studentischen Mitarbeiterin Franziska Gruber und meinen Freunden Heida und Siegfried Ziegler.
2) Zum Nürnberger »Ehrbarkeitshumanismus« vgl. Hamm: Lazarus Spengler (s. Anm. 1), 1–71, besonders 18–44.
3) Bernd Moeller: Die Reformation und das Mittelalter. Kirchenhistorische Aufsätze, hrsg. von Johannes Schilling, Göttingen 1991, 109 (erstmals 1959).
4) Zu diesen elf Bildern, die Dürer zwischen 1492 und 1521, sieben davon ab 1511, geschaffen hat, vgl. Berndt Hamm: Religiosität im späten Mittelalter, Tübingen 2011 (= Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 54), 155 f.234–236.241–243.
5) Staupitz’ Adventspredigten von 1516 erschienen zum Jahresbeginn 1517 in der lateinischen Fassung des Autors und in der deutschen Übersetzung von Christoph Scheurl bei dem Nürnberger Drucker Friedrich Peypus; Edition beider Fassungen von Lothar Graf zu Dohna, Richard Wetzel und Albrecht Endriß: Johann von Staupitz: Libellus de exsecutione aeternae praedestinationis / Ein nutzbarliches büchlein von der entlichen volziehung ewiger fürsehung, Berlin/New York 1979 (= Johann von Staupitz: Sämtliche Schriften 2).
6) »[…] alii Pauli discipulum, immo linguam, alii evangelii praeconem et verum theologum cognominant.« Scheurl an Luther vom 2. Januar 1517, WA.B 1, 84,14–16.
7) Lazarus Spengler: Schriften, Bd. 1, 94,12–95,7 (aus seiner Schutzrede für Luther von 1519, siehe unten bei Anm. 9).
8) »Doctor Lazarus Spengler Norinbergensis unus est qui evangelium invexit in Norinbergam, et hactenus, ut in ea maneret, unus effecit.« WA.TR 2, 296,28–297,2 (Nr. 2020). Vgl. WA.TR 5, 132,30–133,2 (Nr. 5426): »Es liget mechtig viel an einem gutten stadtschreyber in einer stadt, wenn etwas sol ausgerichtet werden. Ich halte, wenn Lazarus Spengeler zu Nurnbergk gethan [= es darauf anlegt] hette, das euangelion were so bald nicht auff gangen. Die stadtschreiber thun, wie es die propheten vorzceitten thetten bey den konigen.«
9) Edition in: Lazarus Spengler: Schriften, Bd. 1 (s. Anm. 1), 75–102 (Nr. 6).
10) So Spengler in der Präambel, zitiert nach: Emil Sehling (Hrsg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bd. 11/1: Bayern: Franken, bearb. von Matthias Simon, Tübingen 1961, 23: »Durch den glauben wurd ein mensch gerecht, lebendig und selig. Ime ist auch nichts mer not dann sölchen glauben zu beweisen. Ja, wo der glaub im menschen ist, da kann er nit verborgen pleiben, sondern pricht offentlich heraus und alles, was er lebt, würkt und tuet, das richtet er in des negsten nutz, demselben rätlich und hilflich zu sein, wie er sieht, das ime Christus getan hat.«
11) Edition in: Lazarus Spengler: Schriften, Bd. 1 (s. Anm. 1), 398–405 (Nr. 22). Das heutige Gesangbuch (EG 620) enthält nur noch vier der neun Strophen.
12) Edition in: Hans Sachs: Die Wittenbergisch Nachtigall. Spruchgedicht, vier Reformationsdialoge und das Meisterlied Das walt Got, hrsg. von Gerald H. Seufert, Stuttgart 1974, 9–40 (Zitat: 16,3).
13) Quellen zur Nürnberger Reformationsgeschichte (s. Anm. 1), 5 f., RV 22.
14) Andreas Osiander: Grund und Ursach […], verfasst vor dem 17. Juni 1524, im Druck erschienen am 23. Oktober 1524; Edition in: Andreas Osiander: Ge­samtausgabe (s. Anm. 1), Bd. 1, 175–254 (Nr. 20).
15) Vgl. Schmidt: Reichsstädte (s. Anm. 1), 156.
16) Vgl. a. a. O., 162 f.
17) Zum Städtebrief an den Kaiser vgl. Hamm: Bürgertum und Glaube (s. Anm. 1), 107–110.
18) Zitiert nach Seebaß: Stadt und Kirche (s. Anm. 1), 74.
19) Christoph Scheurl nach Gottfried Seebaß: Die Reformation in Nürnberg, in: Reformation in Nürnberg, Ausstellungskatalog (s. Anm. 1), 105–112: hier 109.
20) Zitiert nach Seebaß: Stadt und Kirche (s. Anm. 1), 75.
21) Vgl. die Quellennachweise bei Hamm: Lazarus Spengler (s. Anm. 1), 277 mit Anm. 97–99, sowie Barbara Steinke: Paradiesgarten oder Gefängnis? Das Nürnberger Katharinenkloster zwischen Klosterreform und Reformation, Tü­bingen 2006 (Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe 30).
22) Edition in: Andreas Osiander: Gesamtausgabe (s. Anm. 1), Bd. 4, 37–181 (Nr. 176).
23) Edition des Spenglerschen Glaubensbekenntnisses in seinen drei Fassungen von 1527, 1529 und 1533 in: Lazarus Spengler: Schriften (s. Anm. 1), Bd. 2, 115–142 (Nr. 48).
24) Luther in seinem Brief an Kurfürst Johann von Sachsen vom 9. Februar 1526; WA.B 4, 28,23–28 und 29, 45–47 (Nr. 978).
25) Edition von Frölichs Memorandum und der Reaktion Spenglers samt anderen Stücken dieser Kontroverse in: Lazarus Spengler: Schriften, Bd. 3 (s. Anm. 1), 365–412 (Nr. 143–151).
26) Vgl. Hans Dieter Schmid: Täufertum und Obrigkeit in Nürnberg, Nürnberg 1972 (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 10).
27) Zum Folgenden vgl. Gudrun Litz: Nürnberg und das Ausbleiben des »Bildersturms«, in: Bildersturm – Wahnsinn oder Gottes Wille?, Ausstellungskatalog Bern/Strasbourg, hrsg. von Cécile Dupeux, Peter Jezler und Jean Wirth, Zürich 2000, 90–96.
28) Vgl. Hartmut H. Kunstmann: Zauberwahn und Hexenprozeß in der Reichsstadt Nürnberg, Nürnberg 1970 (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 1).
29) Vgl. Pfeiffer: Nürnberg (s. Anm. 1), 167.