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Ausgabe:

Juli/August/2011

Spalte:

792-795

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Moser, Paul K.

Titel/Untertitel:

The Evidence for God. Religious Knowledge Reexamined.

Verlag:

Cambridge: Cambridge University Press 2010. 280S. gr.8°. Kart. £ 16,99. ISBN 978-0-521-73628-2.

Rezensent:

»1. Necessarily, if a human person is offered and receives the transfor­mative gift, then this is the result of the authoritative power of a divine X of thoroughgoing forgiveness, fellowship in perf

Seit einigen Jahren ist vor allem im angloamerikanischen Raum der Trend zu beobachten, dass renommierte Philosophen analytischer Provenienz theologische Fragestellungen aufgreifen. So auch Paul K. Moser, Vorstand des Departments für Philosophie an der Loyola Universität Chicago, dessen neuestes Buch sich der Epistemologie des christlich-religiösen Glaubens widmet. Er knüpft damit nahtlos an seine 2008 erschienene Untersuchung »The Elusive God. Reorienting Religious Epistemology« an, wobei (analytische) Religionsphilosophie und (evangelisch orientierte) Fundamentaltheologie nicht voneinander abgegrenzt werden.
Seinen Überlegungen stellt M. eine Parabel voran, welche die Grundsituation des Menschen veranschaulichen soll. Man stelle sich vor, man habe sich bei einer Expedition in einer ausgedehnten und abgelegenen Wildnis verlaufen. Dort lauern vielfältige Gefahren und es scheint kein Entrinnen zu geben; man hat nicht nur jede Orientierung verloren, sondern auch der Nahrungsmittelvorrat ist bereits knapp. In dieser hoffnungslosen Situation entdeckt man unerwarteterweise eine alte baufällige Hütte. In ihr findet sich ein verstaubtes Radiogerät, das noch funktioniert, obwohl seine Batterien vermutlich fast aufgebraucht sind. Wie soll man sich in dieser Situation, in der man eigentlich einen vertrauenswürdiger Führer bräuchte, der einen aus der Misere befreien könnte, am besten verhalten?
M. unterscheidet diesbezüglich vier Grundoptionen (5–16): Die erste Option besteht darin, die Hoffnung auf Rettung aufzugeben. Dies entspricht der Haltung des praktischen Atheisten. Die zweite Option besteht darin, abzuwarten und zu hoffen, dass man wider Erwarten vielleicht doch noch entdeckt und gerettet wird. Das ist die Haltung des praktischen Agnostikers. Die dritte Option besteht darin, einfach draufloszugehen und zu hoffen, dass der eingeschlagene Weg zur ersehnten Befreiung führt. Diese Haltung wählt der praktische Fideist. Die vierte Option besteht darin, den Nahrungsmittelvorrat zu rationieren und nach objektiven Anhaltspunkten für eine mögliche Rettung Ausschau zu halten (»discerning evidence«). Dies lässt sich auf zweierlei Weise tun. Zum einen könnte man nach Wegen der Rettung ausschauen, welche die Absichten eines möglichen Retters nicht berücksichtigen (»purpose-neutral discerning of evidence«); etwa indem man in der Landschaft Anhaltspunkte sucht, die vielleicht doch noch eine Lokalisierung des eigenen Standorts auf der Wanderkarte ermöglichen. Zum andern könnte man Spuren suchen, die auf die Nähe eines Retters schließen lassen, der auf der Suche nach uns ist und dabei be­stimmte Ziele verfolgt (»telic discerning of evidence«).
M. gliedert seine Untersuchung entsprechend den vier geschilderten Grundoptionen des Menschen gegenüber der Gottesfrage: Im ersten Kapitel (46–87) setzt er sich mit dem nicht-theistischen Naturalismus auseinander. In der Auseinandersetzung mit D. Dennett u. a. argumentiert er dafür, dass die empirischen Wissenschaften einen metaphysischen Naturalismus nicht stützen. Es sei zudem schwer zu sehen, wie Intentionen oder Zwecke von Handelnden eliminiert oder reduziert werden könnten. Das zweite Kapitel (88–141) ist der Auseinandersetzung mit dem Fideismus gewidmet. In der Auseinandersetzung mit Autoren wie S. Kierkegaard, K. Barth und R. Bultmann gelangt er zum Ergebnis, dass der Fideismus letztlich nicht auf einer vertrauenswürdigen Evidenz, sondern auf einer willkürlichen Entscheidung gründet. Das gelte auch für A. Plantingas Reformed Epistemology, die M. als Form eines »argument-indifferent theism« bezeichnet, weil sie nicht verlange, dass der Gläubige einen vertrauenswürdigen Indikator für die Wahrheit religiöser Überzeugungen besitze (140). Das Projekt der natürlichen Theologie, das im dritten Kapitel (142–184) behandelt wird, greift nach M. grundsätzlich zu kurz, um den Glauben an den jüdisch-christlichen Gott zu rechtfertigen: Den durch nichts zu überbietenden Ehrentitel »Gott« verdiene nur ein anbetungswürdiges und somit moralisch vollkommenes Wesen, das alle Menschen – ihre Feinde eingeschlossen – vollkommen liebt und entsprechend handelt (182). Abgesehen davon würden die Argumente der natürlichen Theologie die falsche Art von Evidenz liefern. Es sei nicht zu erwarten, dass ein Gott, der in eine dynamisch-personale Beziehung mit seinen Geschöpfen eintreten will – sich dazu offenbaren, aber auch verbergen kann –, seine Existenz in einer statischen bzw. apersonalen Weise verbürgt (»spectator evidence«).
Im vierten Kapitel (185–230), auf das ich mich im Folgenden konzentriere, entwickelt M. seinen eigenen Argumentationsgang. Er argumentiert für eine Evidenz der Realität Gottes, die weder spektakulärer noch spekulativer Art ist. Sie scheint auch nicht mystischer Art im Sinne W. Alstons zu sein; zumindest beruft sich M. nirgends auf quasi-perzeptuelle Erfahrungen. Vielmehr verdankt sich die Evidenz der unmittelbaren Interaktion mit Gottes Geist, dessen Wirken im Gewissen des Menschen erfahren wird, und zu einer unmittelbaren personale Vertrautheit mit Gott führt (»I-Thou aquaintance«). Diese erfahrungsbasierte Evidenz lässt sich von jedermann erlangen, der sich ihr nicht verschließt. Es handelt sich – ähnlich wie bei Sinneserfahrungen – um eine nicht-propositionale Erfahrungsevidenz. Diese rechtfertigte nicht nur den Glauben, dass Gott existiert, sondern gewährleiste darüber hinaus auch ein unbedingtes Vertrauen gegenüber Gott. M. entwickelt infolge ein Argument für die epistemische Vertrauenswürdigkeit dieser Erfahrungsevidenz, das er als Schluss auf die beste verfügbare Erklärung in Anbetracht aller verfügbaren Evidenzen und Erfahrungen verstanden wissen will: