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Ausgabe:

Juni/2011

Spalte:

709-722

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Johannes Wischmeyer

Titel/Untertitel:

Konzepte, Funktionen und Kontexte
der Kirchengeschichtsschreibung in der Neuzeit

Neue Forschungen


Die kulturwissenschaftliche Wende hat in der jüngeren Vergangenheit das Selbstverständnis und die Fragestellungen der historisch orientierten Fächer grundlegend verändert. Die Erfahrung des disziplinären Wandels und die damit einhergehende Ernüchterung in Bezug auf modernisierungstheoretische Teleologien mag dazu beigetragen haben, dass sich das Interesse der Historiker an der Historiographiegeschichte deutlich belebt hat: Der Blick zu­rück in die Geschichte der Geschichtsschreibung führt die Vielfalt der Konzepte vor Augen, die je in ihrer Zeit der Auseinandersetzung mit vergangenen Gegenwarten dienen sollten. Die gegenwärtige historiographiegeschichtliche Rückbesinnung ist aber mehr noch in einem regelrechten Schub neuer Theorieansätze und Methoden begründet, mit deren Hilfe die Geschichte der Geschichtsschreibung ganz neue Konturen gewinnt. Einige stammen ihrerseits aus kulturwissenschaftlichen Diskussionszusammenhängen: Hier ist zunächst die auch innerhalb der Theologie breit rezipierte Debatte um das kulturelle Gedächtnis zu nennen. Weiter hat die praxeologische Neuorientierung der (Natur-)Wissenschaftsgeschichte dazu geführt, dass man sich allmählich ebenso für die Genese und Entwicklung der Geisteswissenschaften im Hinblick auf ihre prak­-tischen Kontexte interessiert. Nicht zuletzt ist in dem Bereich, den man früher als ›Geistesgeschichte‹ apostrophierte, eine lebhafte Theorie­diskussion im Gange: In wissenshistorischer Perspektive erscheint historiographisches Fachwissen als ein Werkzeug zur Modernisierung des intellektuellen Feldes. Gestützt auf überlegene Methodik, dringt es in Form von Begriffen, Konzepten und Metaphern in die traditionellen Professionsdisziplinen (vor allem Theologie und Jurisprudenz) ein und krempelt deren Wissens­ordnungen um. Die poststruk­turalistische Erzähltheorie, die Werke der Ge­schichtsschreibung als litera­rische Texte betrachtet und in sub­jektive narrative Repräsenta­tionen auflöst, hat nicht nur der Geschichtstheorie, sondern inzwischen auch der Historiographiegeschichte neue Horizonte er­öffnet. Schließlich wirkt die vor allem im deutschsprachigen Raum seit den 1980er Jahren geführte De­batte um den Historismus als eine intellektuelle Signatur der Moderne nach; die heuristische Kraft des Historismus-Konzepts scheint noch lange nicht ausgeschöpft. Diesen Ansätzen tritt außerdem – in vielen historiographiegeschichtlichen Arbeiten noch nicht genügend beachtet – eine intensive Diskussion um neue Methoden der Ideengeschichte bzw. der Intellectual History zur Seite. Erkenntnisfördernd wirkt außerdem – um die schlaglichtartige Einführung in den Kontext der allgemeinen Historiographiegeschichte abzuschließen – der internationale Vergleich von ideologischen Prägungen, Selbstverständnissen sowie gesellschaftlichen, politischen und wissenschafts­praktischen Kontexten der Historiker.
Die Themenwahl aktueller historiographiegeschichtlicher Ar­beiten spiegelt das epochenübergreifend stark gestiegene Interesse der Geschichtswissenschaften an der Religion wider: Eine große Zahl von Veröffentlichungen widmet sich der kirchlichen Historiographie und Religionsgeschichtsschreibung. Im Folgenden wird anhand ausgewählter Titel eine Übersicht über Erträge und aktuelle Tendenzen in der Erforschung der Kirchengeschichtsschreibung geboten, aus pragmatischen Gründen be­schränkt auf die Neuzeit ab der Epochenschwelle ca. 1500. Fremdsprachige Veröffentlichungen konnten nur eklektisch herangezogen werden. Die einzelnen Zeitepochen sind in jüngerer Zeit teilweise sehr unterschiedlich stark bearbeitet worden, so dass die Darstellung notwendig in einigen Perioden Schwerpunkte setzt. Um die Vielfalt der vorzustellenden Forschungsbeiträge zu strukturieren und vor allem die jeweils neuen und zukunftsträchtigen Aspekte zu er­schließen, werden fünf Dimensionen der Geschichte kirchlich-religiöser Historiographie unterschieden: eine ideengeschichtliche, eine erinnerungskulturelle, eine wissenschaftsgeschichtliche, eine literarische und zuletzt eine spezifisch theologische. Diese Leit­-dimensionen repräsentieren die wichtigsten theoretisch-me­tho­dischen Zugänge der aktuellen Forschung. Gleichzeitig schließen sie locker an die von Jörn Rüsen ins Spiel gebrachte disziplinäre Matrix der Historiographie an, die im interdisziplinären ge­schichtstheoretischen Diskurs häufig verwendet wird.1



1. Ideengeschichtliche Dimension


Von jeher spielen methodisch mehr oder weniger konventionelle ideengeschichtliche Untersuchungen eine zentrale Rolle in der Historiographiegeschichte. In jüngster Zeit konzentrierte sich die Diskussion vor allem auf die Kirchengeschichtsschreibung des Reformationsjahrhunderts sowie auf kirchen- und religionsbezogene Aspekte der historistischen Geschichtskultur.
Initiiert unter anderem von einem Gemeinschaftsprojekt zur Historiographie des Reformationszeitalters unter Federführung von Bruce Gordon2, kam es zur verstärkten Beschäftigung mit theologischen Motiven und Hintergründen der frühen protestan­tischen Historiographie: Gordon sieht als deren Ausgangspunkt die den Protestanten gestellte Herausforderung, unter striktem Schriftbezug für die Jahrhunderte, in denen die Kirche als Institution von der Wahrheit abgewichen war, eine Kontinuität von Zeugen des göttlichen Wortes nachzuweisen, um für die protestan­tische Gemeinde eine identitätsstiftende historische Genealogie zu gewinnen. Matthias Pohlig hat die erste Phase lutherischer Ge­schichtsschreibung dementsprechend als einen Identitätsdiskurs beschrieben, dessen innere Pluralität es allerdings nicht zulasse, ihn vorschnell als in sich stimmige Ableitung aus den theologischen Hauptanliegen der lutherischen Reformation zu betrachten. 3 Pohlig bekräftigt die Ansicht, die frühe protestantische Historiographie sei in erster Linie apokalyptisch und moralisch ausgerichtet gewesen. Er differenziert gleichzeitig, vor allem mit Verweis auf Melanchthon, im Sinne einer »historiographischen Applikation der Zweireichelehre«4 klar zwischen den Genres von Universalgeschichte (die einem der Danielprophetie entlehnten Deutungsrahmen folgt) und auf die Sacra beschränkter Kirchengeschichte. Melanchthons Prägekraft für den protestantischen Geschichtsdis­kurs findet sich allgemein bestätigt: Mit dem von ihm zweimal herausgegebenen Chronicon Carionis verbinden sich Richtungsentscheidungen wie die Konzeption der drei Weltalter sowie der drei aufeinander folgenden Reiche. Die Historizität der biblischen und altkirchlichen Überlieferung versuchte er durch die systematische Einbindung außerchristlicher Quellen zu erhöhen. Die deutsche Geschichte als Schauplatz eines prinzipiellen Konflikts zwischen Kaisertum und dem auf weltliche Herrschaft zielenden Papsttum gewann für Melanchthon exemplarischen Charakter. 5 Pohlig entdeckt in der Historiographie ein insgesamt eher kulturell als dogmatisch kodiertes Luthertum. Er äußert die These, man könne streckenweise von einem gemeinprotestantischen Ge­schichtsbewusstsein sprechen. Jenseits der Reichsgrenzen wurden allerdings auch in protestantischen Gemeinwesen teils deutlich abweichende Identitätsdiskurse geführt – etwa mit protonationalem Akzent und unter Betonung der Idee des ›erwählten Volkes‹. 6
Neben einschlägig bekannten Historiographen wie Matthias Flacius (s. u.) sind auch weniger prominente Figuren ins Blickfeld der Forschung geraten, etwa Robert Barnes, der in seiner Päpstegeschichte mit als Erster systematisch nachzuweisen versuchte, wo die zeitgenössische römische Kirche im Widerspruch mit den Autoritäten ihrer eigenen Tradition stand, dabei selbst jedoch strikt den Standpunkt des reformatorischen ›sola scriptura‹ wahrte.7 Ob Barnes als ein früher Vertreter der ›Dogmengeschichte‹ gesehen werden kann, bleibt ebenso dahingestellt wie die These eines erheblichen Einflusses auf die Centuriatoren. Unumstritten ist die weite Verbreitung seiner Schriften in Europa, die auch als Folie für abweichende politische Forderungen dienen konnten. Auch die Originalität Johannes Sleidans wurde in jüngerer Zeit relativiert. Der Historiograph des Schmalkaldischen Bundes, der sich als gelehrter Jurist der objektivistischen Commentarii-Gattung be­diente, zeigte sich immerhin stärker als die meisten Zeitgenossen an den gesellschaftlichen und politischen Kontexten der Reformation interessiert. Eine neue biographische Studie rekonstruiert den Dialog, den er mit seinen zahlreichen Kritikern führte. 8
Nur im Vorübergehen kann die seit Längerem florierende Erforschung der Kirchenväterexegese in der Frühen Neuzeit gewürdigt werden. Irena Backus hat postuliert, dass protestantische – und hier besonders reformierte – wie römische Theologen historische Argumente nicht nur im Rahmen der konfessionellen Auseinandersetzung funktionalisierten, sondern dass sie sich genuin für die Geschichte der alten Kirche interessierten.9 Diese Einschätzung hat sich an vielen Beispielen – mit Schwerpunkten bei Persönlichkeiten wie Melanchthon oder Bellarmin – bestätigt.10 Jüngst hat Jean-Louis Quantin in einer faszinierenden ideengeschichtlichen Studie nachgewiesen, dass die hohe Affinität der anglikanischen Theologie zu patristischen Studien keineswegs von Anfang an ausgemacht war, sondern sich stufenweise über das gesamte 17. Jh. hin entwickelte, wobei die Kenntnis der Kirchenväter in antipuritanischer Wendung als Kennzeichen kirchlicher Konformität dienen konnte.11
In einem prinzipiell angelegten Beitrag hat Thomas Fuchs versucht nachzuweisen, inwiefern die Aufklärungshistoriographie zu einer Relativierung religiös-konfessioneller Deutungsansprüche führte und damit eine wissenshistorische Transformation einleitete.12 Kirchenkritik sei zwar als Impetus der Geschichtsschreibung bereits für das konfessionelle Zeitalter, ja für das Spätmittelalter charakteristisch – vor allem die protestantische Historiographie mit ihrer zentralen Stellung der Reformationsgeschichte habe hier Vorarbeit geleistet, da sie vorreformatorische Muster kirchlicher Autorität durch den Märtyrer- und Wahrheitszeugendiskurs unterminierte. Die Aufklärungshistoriographie betreibe jedoch systematisch die Desakralisierung und Enttraditionalisierung der Ge­schichte. Die These von Fuchs, dass die »Auflösung der Kirchengeschichte in der Historie und nicht in der Philosophie« in Deutschland eine Geschichtserzählung ermöglicht habe, »die deutlich zum Historismus führte«13, ist voraussetzungsreich und zeigt interdisziplinäre Perspektiven auf. Weniger ambitioniert wurde etwa auf die Bedeutung des Ketzerprozesses gegen Michel Servet als Lack­mustest für eine aufklärerisch-kirchenkritische Parteinahme in der Reformationshistoriographie des 18. Jh.s hingewiesen.14 Johann Lorenz von Mosheims Darstellung des Vorfalls bedeutet einen Bruch gegenüber vorhergehenden Interpretationen, da Mosheim jede Parteinahme ablehnt und die Verpflichtung des Kirchenhistorikers, historische Zusammenhänge aufzuzeigen, in den Vordergrund stellt.
Dirk Fleischer hat in einer Reihe von Studien die Dynamik der Aufklärungshistoriographie mit der Kategorie des ›Strukturwandels‹ interpretiert. Neben Mosheim rückt Fleischer besonders das Geschichtsverständnis Johann Salomo Semlers in den Mittelpunkt: »… mit seinen umfassenden geschichtstheoretischen Reflexionen hat Semler die Kirchengeschichte endgültig als Fachwissenschaft innerhalb des theologischen Fächerkanons begründet«.15 Semler habe nicht nur entscheidend dabei geholfen, in Deutschland die westeuropäischen Standards der Quellenkritik zu etablieren, sondern auch konzeptionell zwischen Geschichtsforschung und Ge­schichtsschreibung unterschieden. Er habe – und nun folgen Leitmotive des späteren Historismus – als Erster die Zeitgebundenheit jeder historischen Deutung realisiert, die Pluralität der je subjektiven historischen Deutungen durch unterschiedliche In­terpreten als Chance für einen Fortschritt der Forschung erkannt und die zukunftsträchtige Idee vertreten, dass sich die Vorstellungen der historischen Akteure – inklusive der Gottesidee – im Verlauf der Zeit stetig wandelten, was es wiederum für den Historiker notwendig mache, sich in die von ihm untersuchte Zeit zu ver­-setzen.
Im romantisch-frühhistoristischen Kontext steht Friedrich Schleiermachers kirchengeschichtliche Arbeit: Sie ist sich als ›Kunst‹ noch deutlicher ihres konstruktivistischen Charakters bewusst und hat das Aufgehen der Zeit in der Idee zum Ziel.16 Nach wie vor bleibt umstritten, was den Historismus des 19. Jh.s im Kern charakterisiert.17 Zentrale Denkfiguren sind in jedem Fall das Wechselverhältnis von Allgemeinem und Besonderem, ein organologisches Entwicklungskonzept sowie eine dialektische Beziehung zwischen dem Bewusstsein, dass der historische Kontext selbst den Bewertungsmaßstab für das untersuchte Geschehen abgeben solle, und dem ausgeprägten Sinn für eine aktualisierende Interpretation. Die Faszination für das historisch herausragende Individuum einerseits, für den ›organischen‹ Zusammenhang der Nationalkultur andererseits führte überall im protestantischen Europa zu einem neuen Interesse an Reformationsgeschichtsschreibung.
Ulrich Muhlack hat mehrmals auf die innere Nähe historistischer Geschichtsschreibung zu ›protestantischem‹ Denken hingewiesen: Bei Leopold von Ranke etwa gewinne der Historiker einen neuen Grad an Interpretationsfreiheit, indem eine göttliche Wahrheitsinstanz zwar affirmiert, im Interesse konfessioneller Unparteilichkeit jedoch rigoros auf die dem Historiker nicht zugängliche Transzendenzebene verschoben werde.18 Allerdings fanden historistische Denkmuster auch bei katholischen Kirchenhistorikern Eingang, etwa bei Ignaz von Döllinger: Nachdem dieser sich zö­gernd der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Rechtfertigungslehre als dem Zentraldogma der Protestanten geöffnet hatte, identifizierte er vor dem Hintergrund seiner negativen politischen und sozialen Gegenwartserfahrung die Trennung zwischen Frömmigkeit und Sittlichkeit als den organischen Kern der reformatorischen Theologie und wies ihr die Urheberschaft an einer entsittlichten Moderne zu. 19 Als Gegenprogramm zum Historismus kann demgegenüber die typologische Geschichtsschreibung des jungen John Henry Newman gesehen werden, die die englische Kirchenpolitik der Zeit um 1830 in die christologischen Auseinandersetzungen der vornizänischen Spätantike projiziert. Die Gegenwartsanalyse dient Newman nicht als Tiefenschicht der eigenen Interpretation, sondern bringt analog zur vormodernen ›mystischen‹ Interpretationsebene die figurative Wahrheit der Ge­schichte zum Ausdruck. Über alle Epochengrenzen hinweg sieht Newman die Geschichte von ›vertikalen‹ Verweisbeziehungen durchsetzt. Angesichts derartiger Vieldeutigkeit der Welt bleibt allein die katholische Kirche Garant einer übersubjektiven historischen Wahrheit. 20
Ein vielversprechendes neues Forschungsfeld bildet die Ge­schichtsschreibung der Erweckungsbewegung, die in mehreren Aspekten – etwa in der Annahme einer Stufenlogik der Geschichte, die historische Subjekte zu Akteuren in Gottes überzeitlichem Heilsplan werden lässt, im damit gegebenen Entwicklungsgedanken, in der Aufklärungskritik und im Sinn für das Transzendente – mit dem zeitgenössischen Historismus korreliert. Jan Carsten Schnurr gibt einen weitgreifenden Überblick über den Geschichtsdiskurs der deutschsprachigen erweckten Protestanten. 21 Schnurr skizziert ein begriffsgeschichtlich noch aufzuarbeitendes Inventar theologischer Leitkategorien wie Christus als ›Schlüssel der Weltgeschichte‹, den Tun-Ergehen-Zusammenhang, die Weltreiche-Lehre des Buches Daniel und vor allem die Reich-Gottes-Me­taphorik, die die vielen Gattungen erweckter Historiographie – prominent vor allem Missionsgeschichten und Biographien – prägten. Erweckte Autoren schöpften aus einer eigenen Genealogie ›gläubiger‹ Historiographie von Flacius über John Foxe, Johann Heinrich Reitz und Tersteegen bis zu Joseph Milner und Johann Jakob Heß.
Die freisinnige und vermittelnde protestantische Kirchengeschichtsschreibung im langen 19. Jh. stellt einen integralen Teil des Historismusdiskurses dar. Einzeluntersuchungen fehlen noch weitgehend. Kurz vor dem Erscheinen steht eine akribisch recherchierte Monographie, die das historiographische Programm Karl von Hases, die Entstehung seines Werkes und die Kontexte seiner wissenschaftlichen Arbeit darstellt.22 Der historistische Impuls reichte bis ins gemäßigt neukonfessionalistische Lager: Eine neue Studie zur Frühzeit des Erlanger und Leipziger Kirchenhistori­-kers Albert Hauck präsentiert reiches Quellenmaterial.23 In methodischer Hinsicht zeigt sie die Gefahren überambitionierter ideengeschichtlicher Interpretation: An Haucks Werk werden derart viele Assoziationen zur zeitgenössischen Historiographiediskussion herangetragen, dass das intellektuelle Profil des streng his­-torisch-genetisch arbeitenden Lutheraners relativ unspezifisch ausfällt.
Auch was das 20. Jh. betrifft, bestehen angesichts einer Vielzahl intellektuell profilierter Kirchenhistoriker große Interpretationsdefizite. Wertvoll wäre zum Beispiel eine intellektuelle Biographie Hans von Campenhausens24: Dort wäre im Detail zu rekonstruieren, wie der Heidelberger Patristiker die Harnacksche Institutionengeschichte zu intellektualisieren und damit »die Ge­schichte des antiken Christentums als Ensemble von Begriffs- und Ideengeschichten aus einer profiliert protestantischen Perspektive zu erzählen« versuchte.25 Unter Verzicht auf eine umfassende ideenhistorische Kontextualisierung, doch mit hoher Einfühlsamkeit schildert Giuseppe Alberigo den Werdegang Hubert Jedins und hebt dabei besonders die Phase der intellektuellen Formierung hervor.26 Großflächigere historiographiegeschichtliche Darstellungen sind bisher kaum über ein Resümee der Theorieprogramme hinausgekommen.27



2. Erinnerungsdimension


Die Debatte um das kulturelle Gedächtnis, die sich im deutschsprachigen Raum mit den Namen Aleida und Jan Assmann verknüpft, hat das Augenmerk auf die kommemorative und damit identitätsstiftende Funktion der Geschichtsschreibung gelenkt. Diese bietet der Umgebungsgesellschaft feste Genealogien, die durch die Integration religiöser Themen noch an Bindekraft ge­winnen. Einschlägige Untersuchungen zur erinnerungskulturellen Dimension der Kirchengeschichtsschreibung weisen wieder­um zeitliche Schwerpunkte im 16. Jh. und, in besonders starker Häufung, in der Moderne auf.
Die Reformationsgeschichte wurde rasch in das kulturelle Gedächtnis eingeschrieben, nicht nur in der überregionalen Ge­schichtspublizistik, sondern auch im lokalen Raum der Städte, wo der konfessionelle Konflikt oft den Anstoß für eine städtische Chronistik gab. Ziel war die Herstellung konfessioneller Eindeutigkeit, indem nachträglich aus den in der Gegenwartserfahrung oft konfliktreichen Ereignissen ein stringentes Geschehen formuliert wurde – sei es von einer ›Nullpunktperspektive‹ aus oder dort, wo die Reformation scheiterte, im Sinne einer Wiederherstellungslogik. 28 – Wenige der bislang referierten Arbeiten stellen die Frage, inwiefern vergangene Vergangenheitsdeutung einen je spezifischen Erfahrungswandel wiedergibt, und analysieren dementsprechend dezidiert das Bild der Historiographen von ihrer eigenen Zeit. Martin Hille untersucht die altgläubigen Historiographen des Reformationsjahrhunderts mit dem Ziel, anhand der Vorsehungs-Semantik ihr ›Weltbild‹ zu rekonstruieren.29 Hier scheint es, zumindest in den populäreren Gattungen der Zeitchronistik, langfristig zu einer deutlicher wahrnehmbaren Säkularisierung gekommen zu sein als bei den Protestanten. Eine krisenhafte Mentalität herrschte vor, auch die katholische Reform scheint vorerst nicht zu einem Anstieg der Identifikation mit dem Papsttum geführt zu haben; nach dem Trienter Konzil entflochten sich die zuvor identischen Modelle von ›christianitas‹ und ›ecclesia‹. Letztere garantierte nach wie vor Identität, während deutlicher als bei den Protestanten nicht mehr der Kaiser, sondern das eigene Territorium als politische Identifikationsgröße diente.
Unter den Bedingungen des historistischen Geschichtsdiskurses seit spätestens 1800 wurde Kirchen- und Religionsgeschichte in besonderem Maße anfällig für theologie- und geschichtspolitische Instrumentalisierung. Dies gilt bereits im gelehrten theologiehis­torischen Rahmen: Der Vergleich mehrerer historiographischer Interpretationen eines Protagonisten der Kirchengeschichte stellt eine hervorragende Heuristik dar, um die feinen positionellen Unterschiede innerhalb einer Generation ebenso wie langfristige Akzentverschiebungen des theologischen Diskurses zu rekonstruieren. 30 Kirchenhistorisch gestützte Identitätskonstruktionen er­heben teilweise aber auch viel weitergehende Geltungsansprüche: Die kulturgeschichtlich interessierte neuere Gesellschafts­ge­schichte hat die sich im 19. Jh. formierenden europäischen Na­-tionen als – oft konfessionell definierte – ›Erinnerungsgemeinschaften‹ bezeichnet, die angesichts der ideologischen Unübersichtlichkeit der Moderne ihre Identität zunehmend im Bezug auf historische Meistererzählungen fanden. Franziska Metzger hat am Beispiel der Schweizer gezeigt, wie die revisionistische katholische Reformationsgeschichtsschreibung in Auseinandersetzung mit einer nationalliberal dominierten Geschichtskultur einen Kontinuitätsdiskurs anzettelte. Die Politik der katholischen Kantone sollte dabei als kontinuitätswahrend erwiesen werden, nicht nur in kirchlicher Hinsicht, sondern auch politisch vermittels der Erhaltung der alten Eidgenossenschaft. 31 Die katholische Historiographie spiegelte die Identitätskonstrukte der Gegenwart und gab ihnen Halt durch die Produktion kollektiver Erinnerung, indem sie die frühneuzeitliche Religionsgeschichte der Innerschweiz als Amalgam aus einheimisch wie ultramontan bestimmten Frömmigkeitsmomenten präsentierte und Erinnerungsorte wie etwa das Gedächtnis an Nikolaus von Flüe und Karl Borromäus mitgestaltete. Unter inhaltlich veränderten Vorzeichen sind derartige Muster auch in den protestantischen Staaten und Territorien zu beobachten. 32

Die Bedingungen einer totalitären politischen Ideologie trugen nochmals erheblich zur Verschärfung von Deutungskonflikten bei. Dabei war etwa die Reformations­geschichts­schrei­bung in der DDR zusätzlich wiederholtem ideologischen Akzentwandel unterworfen. Da es sich bei den Reformatoren als Gedächtnisorten um erstrangige Objekte der staatlichen Ge­schichtspolitik handelte, wurde bei den Ideologiediskursen der Historiker die Dimension des öffentlichen Gedenkens stets mitbedacht.33 Die Staatshistoriker kämpften direkt oder indirekt mit der kirchenaffinen Kirchengeschichte um die Deutungshoheit. Auch sie zollten einer Spielart des Historismus Tribut, indem sie zwischen dem subjektiven Agieren historischer Subjekte und ihrer – identifikationsfähigen – objektiven weltgeschichtlichen Bedeutung differenzierten.



3. Wissenschaftsgeschichtliche Dimension


Noch relativ selten waren bislang die Produktionsbedingungen von Historiographie bzw. die Praxiskontexte der Geschichtsschreibung im Blick der Forschung. Dazu müssen unter anderem die enzyklopädische Einordnung der Kirchengeschichtsschreibung ins Wissenssystem, die Gattungen der Geschichtsschreibung, die Tätigkeitsprofile der Autoren und mögliche externe Einflüsse auf die Historiographieproduktion untersucht werden.
Pohlig hat etwa Universal- und Kirchengeschichte als voneinander klar unterschiedene Institutionen beschrieben, die trotz des geteilten prophetisch-biblizistischen Ansatzes jeweils charakteris­tische Produktions- und Rezeptionslogiken generierten. Die His­toriographie besaß außerdem nicht zuletzt Bedeutung als Hilfswissenschaft der Propheten- und speziell der Apokalypseexegese, weil die Offenbarung als eine Darstellung der gesamten Kirchengeschichte verstanden wurde. Hille weist darauf hin, dass die altgläubige Chronistik – mit merklichen inhaltlichen Folgen – seit der Mitte des 16. Jh.s von einer polemischen Funktion entlastet wurde, da die nun als eigenständige Disziplin aufgefasste Kontroverstheologie diese Aufgabe übernahm. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass der Eigenlogik der vielfältigen historiographischen Gattungen, die bereits im Reformationsjahrhundert bestanden – neben universalgeschichtlichen Werken und Chroniken Bio­graphien, thematische Monographien, Chorographien, Kompendien und Polemiken, Geschichtskalender und Apokalypsenkommen­tar e–, Rechnung getragen werden muss.
Weitere Fragen werden diskutiert: Erreichte die reformatorische Geschichtsschreibung entscheidende Innovationen in Sachen Quellenkritik und sonstiger Methodik? Pohlig zeigt sich skeptisch: Die Vereinbarkeit von Gelehrsamkeit und Identitätsstiftung sei am ehesten auf einem – anachronistisch gesprochen – ›mittleren‹ akademischen Niveau möglich gewesen.34 Die Arbeit an den Magdeburger Centurien wies immerhin, folgt man Martina Hartmann, ein vergleichsweise hohes quellenkritisches Niveau auf.35 Auch das jüngst in einer Edition zugänglich gemachte Konzept, das der Schwiegersohn Bullingers, Ludwig Lavater, für das Projekt einer Zürcher Reformationsgeschichte entwarf, beeindruckt durch scharfsinnige Überlegungen zur Begründung des Unternehmens, zur Quellensammlung, Stoffgliederung und Darstellungstech­nik.36 Den hohen historiographischen Standard der katholischen Reform im Barockzeitalter führt eine neue Studie zu den Acta Sanctorum vor Augen, die die Verfahren, die gelehrten Netzwerke, aber auch die kirchenrechtlichen Auseinandersetzungen der Bollandisten umfassend rekonstruiert.37
Wie groß war die Reichweite der frühneuzeitlichen Kirchengeschichtsschreibung? Chronikalische Schriften in der Volkssprache wurden Susanne Rau zufolge von weiteren Kreisen gelesen. Rau widmet sich besonders der Medialität der historiographischen Überlieferung, die auch im Zeitalter des Buchdrucks noch teilweise handschriftlich verlief – nicht nur aus ökonomischen Gründen und da sich die Texte teilweise an ein exklusives Publikum richteten, sondern auch wegen der Ergänzungsoffenheit der handschriftlichen Form. Dennoch postuliert Rau als langfristigen allgemeinen Trend der Reformationshistoriographie den Dreischritt »mündlich – schriftlich – gedruckt«. 38
Seit dem 19. Jh. geschieht die Arbeit der Kirchen- und Theologiegeschichte überwiegend im disziplinären Kontext der modernen Universitäten. Kirchengeschichte als Universitätsdisziplin partizipierte an lehrtechnischen Innovationen wie etwa dem For­schungsseminar, das einen Kristallisationspunkt wissenschaftlicher Schulbildung darstellte, wo aber auch den zukünftigen kirchlich-theologischen Praktikern Methodenstandards ebenso wie gehobenes Bildungswissen vermittelt wurden.39 Weitere Institutionen wie Zeitschriften, Wissenschaftsverbände, Konferenzen und Buchreihen prägen die moderne Wissenschaftspraxis und bilden ein kaum überschaubares Untersuchungsfeld. Umfassend wurde vor einiger Zeit die französische Christentumsgeschichtsschreibung im 20. Jh. wissenschaftshistorisch beleuchtet: Das entsprechende Themenheft der ›Revue d’histoire de l’Église de France‹ ist eine Fundgrube an Informationen und bietet Abteilungen zu den gesellschaftlichen Kontexten, zur Erschließung der Quellencorpora, zu wichtigen thematischen Forschungsfeldern, zu zentralen Forschungsinstitutionen und sogar zu den Fehlstellen, die sich in der historischen Rückschau zeigen. 40 Der deutsche Verein für Reformationsgeschichte, dessen Gründungsgeschichte im eigent-lichen Sinn noch zu schreiben bleibt, hat anlässlich eines Jubiläums ebenfalls einen wissenschaftshistorischen Sammelband vorgelegt.41 Auf katholischer Seite geschah Ähnliches von Seiten der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und der einschlägigen Reihe der ›Reformationsgeschichtlichen Stu-dien und Texte‹. Interessant ist hier die Information, dass der Gründer Joseph Greving in der Anfangsphase eng mit protestan­tischen Institutionen und Forschern wie Otto Clemen und Walter Friedensburg zusammenarbeitete.42 Dagegen lässt sich die Forschungssituation der jüngs­ten Generation womöglich eher so be­schreiben, dass zwar die interkonfessionelle Kooperation deutlich zurückging, aber immerhin die Auseinanderentwicklung theologischer und allgemeinhistorischer Reformationsgeschichtsschreibung nach 194543 teilweise rückgängig gemacht wurde.
Viele Darstellungen der Geschichte kirchlich-religiöser Historiographie bringen nicht angemessen zum Ausdruck, dass deren identitätsstiftende Funktion sich oft auf ambivalente Weise mit der Vereinnahmung für kirchen-, theologie- oder offen machtpolitische Interessen vermischt. Für das 16. Jh. kann man zwar mit Pohlig eine Funktionalisierung der kirchlichen Historiographie im Rahmen der territorialen Konfessionalisierung bezweifeln. Viele historiographische Unternehmungen wurden dagegen ausdrück­lich vor dem Hintergrund kirchlicher Besitzstandswahrung oder kirchenrechtlicher Reformimpulse entwickelt.
Einen weiteren Aspekt disziplinexterner Eingriffe stellen die Mechanismen von Zensur und Abgrenzung dar, die für den katholischen Bereich auch in Bezug auf die Kirchengeschichtsschreibung untersucht wurden. Die römische Indexkongregation beschäftigte sich nicht in erster Linie mit missliebigen fremdkonfessionellen Historikern44, sondern sie versuchte, im eigenen theologischen Lager Abweichungen zu verhindern und durch Ausgrenzung und Verbote die kirchliche Zeitgeschichtsschreibung von vornherein in institutionskonforme Bahnen zu lenken.45 Auf der Basis eines netzwerktheoretisch angelegten Forschungsprojekts hat Olaf Blaschke jüngst zu zeigen versucht, inwiefern die katholische Zeitgeschichtsforschung der Nachkriegszeit – mit Auswirkungen bis in die unmittelbare Gegenwart – von derartigen Lagerinteressen geprägt war.46




4. Literarische Dimension


Der Austausch mit Literatur- und Textwissenschaften hat die ge­schichtstheoretische Diskussion seit Längerem grundlegend ver­-ändert: Als ein neues Paradigma hat sich dort die narratologische bzw. erzähltheoretische Analyse von historiographischen Texten etabliert. Hier ergab sich rasch eine enge Verbindung mit der His­toriographiegeschichte, da diese innerhalb des narratologischen Theoriediskurses als »Kontroll-, Revisions- und womöglich Innovationsinstanz« dient.47 Zunehmend wird aber die literarische Dimension der Geschichtsschreibung auch aus genuin historiographiegeschichtlichem Interesse in den Blick genommen. Un­terschiedliche Zugangsweisen sind möglich: Im Mittelpunkt kann die detaillierte Auswertung einer literarischen Gattung stehen. So misst etwa Irena Backus der Biographik eine zentrale Rolle bei der konfessionellen Identitätsbildung zu, wobei sie gewichtige Unterschiede zwischen Wittenberger und oberdeutschen Reformatorenbiographien festhält: Die Schweizer stellen häufiger Kollektive dar, nehmen deutlicher Anleihen bei der antiken Biographik und stilisieren die Reformatoren zu nationalen Heroen. 48 Pohlig hat gezeigt, dass auch Predigtsammlungen erstrangige Zeugen des Geschichtsdiskurses sein können. Die narratologische Perspektive macht aufmerksam für Kohärenzstrategien, die sich oft auch in schlichten Gattungsmustern finden lassen, etwa in der frühneuzeitlichen Annalistik.49 ›Meistererzählungen‹ sind also kein Proprium des Historismus.
Im Zusammenhang der Diskussion um die katholische Historiographie, die nicht dem Historismus zugerechnet werden kann, hat Markus Sandl auf grundlegende Unterschiede im Geschichtsverständnis hingewiesen. Anstatt mit dem Historismus die theologische Dimension der Geschichte im Spannungsfeld zwischen menschlichem Welt- und Selbstbezug zu suchen, setze der Katho­-lizismus auf eine »Historiographie der Präsenz«50. Dies habe un­mittelbare Auswirkungen auf die literarische Form, die vom Paradigma des Regestenwerks bestimmt sei: Im Gegensatz etwa zu Ranke gehe es der katholischen Kirchengeschichtsschreibung nicht um ein Transzendieren der Quelle zugunsten einer Deutung. Die historiographische Produktion in Form gedruckter Quellensammlungen solle vielmehr dabei helfen, »die ursprünglichen Artefakte in ihrer verbalen und verdinglichten Materialität zu rekonstruieren und sie als Denkmäler einer hermeneutisch nicht einzuholenden Vergangenheit neu einzusetzen« 51. Bald akzeptierte man jedoch innerhalb des katholischen Geschichtsdiskurses allgemein die Notwendigkeit einer Interpretationsperspektive. Nachdem auch die universelle Gültigkeit quellenkritischer Darstellung ak­zeptiert war, verlegte sich der konfessionelle Antagonismus bezeichnen­derweise auf Aspekte der stilistischen Darstellung: Der katholische Papsthistoriograph Ludwig von Pastor etwa formulierte das Ziel, Rankes Papstgeschichte durch ein Mehr an Quellen wie an kri­-tischer Literatur überflüssig zu machen. Zudem setzte er sich be­wusst wo immer möglich von Rankes Wortwahl und erzähle­rischem Duktus ab, um auf buchstäblich jeder, also auch auf der sprachlichen Ebene überlegene Seriosität zu demonstrieren. 52

5. Theologische Dimension


Das Verhältnis der Theologie- wie der Dogmengeschichte zur stärker an allgemeinhistorischen Leitkategorien orientierten Kirchengeschichte zählt seit Anbruch der Moderne zu den Grundproblemen der Disziplin. Die immer wieder in wissenschaftssystematischer Absicht diskutierte Frage53 interessiert auch in historio­graphiegeschichtlicher Perspektive: Wo verliefen die disziplinären Grenzen, worin unterschieden sich Erkenntnisinteressen und Ob­jekte, welche Darstellungsformen wurden jeweils be­vorzugt? Diese Fragen können nur beantwortet werden, wenn sie auf den je­-weiligen enzyklopädischen Gesamtkontext einer vorfindlichen Theologie erweitert werden.
Die spezifisch ›theologische‹ Dimension der Fragestellungen liegt vor allem darin, dass sich – anders als auf allen zuvor thema­tisierten Feldern – Allgemeinhistoriker vorerst wohl kaum auf derartige Forschungskontexte einlassen werden, in denen syste­-matisch handhabbares theologisches Fachwissen benötigt wird. Wenn sich auch die Systematische Theologie, teilweise noch weitere theologische Disziplinen an der Erforschung der Theologie- und Dogmengeschichte zumindest der Moderne, zum Teil aber auch weiter zurückliegender Epochen beteiligen, so ist demgegenüber ausschließlich die ›zünftige‹ Kirchen- und Theologiegeschichtsschreibung gefragt, sobald es darum geht, diese Beiträge zur theologischen Geschichtsschreibung ihrerseits in historischer Perspektive zu untersuchen. 54
Diese Herausforderung bietet der historischen Erforschung der Kirchengeschichtsschreibung die Chance zur methodischen Profilierung im Sinne einer theologischen Ideengeschichte: Zu­nächst müssen jeweils durch wissenschaftshistorische Analysen – beispielsweise durch die serielle Untersuchung von Vorlesungsverzeich­nissen, Bibliographien, Zeitschrifteninhalten sowie von programma­tischen Vorworten zu Monographien und Handbüchern– die Voraussetzungen geschaffen werden, um in einem zweiten Schritt die vergangenen Diskurse der Theologie- und Dogmengeschichte zu rekonstruieren. In diesem Zusammenhang ist es für die historiographiegeschichtlich orientierte Kirchengeschichte notwendig, sich aktuelle ideengeschichtliche Methodenstandards zu eigen zu machen. In Übernahme eines Leitprinzips der Intellectual History sollte sie sich beispielsweise deutlicher von einer Analyse von Einzeltexten verabschieden und verstärkt gattungsspezifische Textcorpora und Autoren jenseits der ›Höhenkammliteratur‹ berücksichtigen. Komparatistische Perspektiven sollten häufiger zum Einsatz kommen, das Interesse an der internationalen Dimension historiographischer Diskurse könnte stärker sein.
Inhaltlich wird es darum gehen, die Interpretation der je indi­-viduellen historiographischen Programmatik der untersuchten Kirchenhistoriker mit der Analyse ihrer jeweiligen positionellen Ausrichtung sowie des zeitgenössischen intellektuellen Kontexts zielgenau zu verknüpfen. Dasselbe gilt für die politischen Orien­tierungen der Kirchenhistoriker, welche noch weit mehr in ihrer Rolle als als bürgerliche Gelehrten-Intellektuelle gewürdigt zu werden verdienen.55 Vielversprechende Themen warten mehr als genug, hier seien lediglich zwei zufällig assoziierte genannt: der starke Einfluss der dialektischen Theologie auf die Lutherforschung seit den 1930er Jahren56 oder die kirchlich-theologischen Kontexte der ökumeneorientierten katholischen Lutherforschung nach dem Zweiten Weltkrieg. Wie man sich bei der historischen Rekonstruktion einer noch aktuellen historiographischen Debatte verheben kann, wenn theologisches Ressentiment die Feder leitet, zeigt ü­rigens ein Beitrag zur Protestantismusgeschichtsschreibung der ›Münchner Schule‹ Trutz Rendtorffs.57



6. Fazit


In der Gesamtsicht tritt das Erklärungspotential historiographie­geschichtlicher Ansätze zutage. Es liegt weit jenseits der begrenzten Erwartungen, die sich mit Termini wie ›Forschungs-‹ oder ›Rezeptionsgeschichte‹ verbinden. Die Beschäftigung mit ihrer Eigengeschichte erschließt der Kirchen- und Theologiegeschichte vielmehr ein großes Reservoir an theologisch-historischen Deutungsperspektiven. Die Auseinandersetzung mit den Vergangenheitsdeutungen einer selbst vergangenen Gegenwart ermöglicht dem Historiker, seine eigene Standortgebundenheit zu erkennen und die Angewiesenheit auf normative Erkenntnisinteressen und Deutungskategorien, seien sie explizit oder implizit, zu akzep­-tieren.
In seinen unübertroffenen ›Epochen der kirchlichen Ge­schichtsschreibung‹ sieht es Ferdinand Christian Baur dementsprechend als Ziel der historiographiegeschichtlichen Reflexion, »aus der Masse des Einzelnen, in das sich die geschichtliche Forschung vertiefen muss, nicht ohne die Gefahr, sich auch zu sehr in das Einzelne zu verlieren, auf der andern Seite auch wieder zu dem Allgemeinen sich zu erheben, zu den Ideen, welche die leitenden Gesichtspunkte und die leuchtenden Sterne auf der weiten Fahrt durch die Strömungen der Jahrhunderte sein sollen.« 58









Fussnoten:

1) Rüsen unterscheidet als Aspekte der Historiographie lebensweltliche Interessen, Theorien bzw. Deutungsperspektiven, Forschungsmethoden und lebensweltliche Funktionen historischen Wissens sowie – mit besonders konstitutivem Rang – Formen der Repräsentation (vgl. Rüsen, Jörn: Von der Aufklärung zum Historismus. Idealtypische Perspektiven eines Strukturwandels, in: Horst Walter Blanke, Jörn Rüsen [Hrsg.], Von der Aufklärung zum Historismus. Zum Strukturwandel des historischen Denkens, Paderborn u. a. 1984 [Historisch-Politische Diskurse 1], 15–57).
2) Gordon, Bruce [Hrsg.]: Protestant History and Identity in Sixteenth-Century Europe: Volume 1: The Medieval Inheritance; Volume 2: The Later Reformation, Aldershot 1996 (St. Andrews Studies in Reformation History 1/2).
3) Pohlig, Matthias: Zwischen Gelehrsamkeit und konfessioneller Identitätsstiftung: Lutherische Kirchen- und Universalgeschichtsschreibung 1546–1617, Tübingen 2007 (Spätmittelalter und Reformation N. R. 37). – Auch umgekehrt scheint im Luthertum die theologische Lehrbildung wenig durch die Historiographie beeinflusst worden zu sein; vgl. demgegenüber zum reformierten Kontext Hotson, Howard: The Historiographical Origins of Calvinist Millenarianism, in: Protestant History and Identity in Sixteenth-Century Europe (s. o.), Vol. 2, 159–181.
4) Pohlig, Zwischen Gelehrsamkeit und konfessioneller Identitätsstiftung (s. o.), 498.
5) Bollbuck, Harald: Universalgeschichte, Kirchengeschichte und die Ordnung der Schöpfung: Philipp Melanchthon und die Anfänge der protestantischen Geschichtsschreibung, in: Humanismus und europäische Identität, hrsg. v. Günter Frank, Ubstadt-Weiher 2009 (Fragmenta Melanchthoniana 4), 125–152; zu Bullingers prinzipiell ähnlichem Ansatz vgl. Moser, Christian: Die Evidenz der Historie: Zur Genese, Funktion und Bedeutung von Heinrich Bullingers Universalgeschichtsschreibung, in: Heinrich Bullinger, hrsg. v. Emidio Campi u. Peter Opitz, Zürich 2007 (Zürcher Beiträge zur Reformationsgeschichte 24), 459–491.
6) Vgl. nur Nice, Jason A.: ›The Peculiar Place of God‹. Early Modern Representations of England and France, in: The English Historical Review CXXI (493) (2006), 1002–1018.
7) Maas, Korey D.: The Reformation and Robert Barnes: History, Theology and Polemic in Early Modern England, Woodbridge 2010 (Studies in Modern British Religious History 23).
8) Kess, Alexandra: Johann Sleidan and the Protestant Vision of History, Aldershot 2008 (St. Andrews Studies in Reformation History).
9) Backus, Irena: Historical Method and Confessional Identity in the Era of the Reformation (1378–1615), Leiden 2003 (Studies in Medieval and Reformation Thought 94).
10) Frank, Günter, Leinkauf, Thomas, u. Markus Wriedt [Hrsg.]: Die Patristik in der frühen Neuzeit: Die Relektüre der Kirchenväter in den Wissenschaften des 15. bis 18. Jahrhunderts, Stuttgart-Bad Cannstatt 2006 (Melanchthon-Schriften der Stadt Bretten 10).
11) Quantin, Jean-Louis: The Church of England and Christian Antiquity: The Construction of a Confessional Identity in the 17th Century, Oxford 2009 (Oxford-Warburg Studies).
12) Fuchs, Thomas: Das Ringen mit der Tradition: Die Kritik an Kirche und Religion in der Historiographie der Aufklärungsepoche, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 55 (2003), 121–137.
13) A. a. O., 136.
14) Ludwig, Frieder: Kirchengeschichte als Ketzergeschichte: Die Hinrichtung Michael Servets in Genf vor 450 Jahren und die Anfänge der neueren kirchlichen Historiographie im 18. Jahrhundert, in: Theologische Zeitschrift 59 (2003), 113-136.
15) Fleischer, Dirk: Geschichte und Sinn: Johann Salomo Semler als Ge­schichtstheoretiker, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 56 (2008), 397–417; hier: 417; vgl. außerdem vor allem ders.: Zwischen Tradition und Fortschritt: Der Strukturwandel der protestantischen Kirchengeschichtsschreibung im deutschsprachigen Diskurs der Aufklärung (2 Bde.), Waltrop 2006 (Wissen und Kritik 22).
16) Vgl. Gerber, Simon: Geschichte und Kirchengeschichte bei Schleiermacher, in: Zeitschrift für neuere Theologiegeschichte 17 (2010), 34–55; hier: 37–39.
17) Vgl. den mit dem Verebben der jüngeren Diskussion koinzidierenden Überblick von Murrmann-Kahl, Michael: »… wir sind der Herr Überall und Nirgends« (F. Th. Vischer): Historismusdebatten im letzten Jahrzehnt, in: Theologische Literaturzeitung 126 [2001], 233–256.
18) »Die protestantische Unterordnung unter den unerforschlichen Gott schlug da gewissermaßen um in eine neue Form historiographischer Selbstgewissheit.« – Muhlack, Ulrich: Die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung des Indexverfahrens gegen Rankes Papstgeschichte, in: Rankes »Päpste« auf dem Index, hrsg. v. Hubert Wolf, Dominik Burkard u. Ulrich Muhlack, Paderborn u. a. 2003 (Römische Inquisition und Indexkongregation 3), 169–201; hier: 196.
19) Leonhardt, Stefan: »Zwei schlechthin unausgleichbare Auffassungen des Mittelpunktes der christlichen Religion«: Ignaz Döllingers Auseinandersetzung mit der Reformation, ihrer Lehre und deren Folgen in seiner ersten Schaffensperiode, 2. Aufl., Göttingen 2008 (Göttinger Beiträge zur Theologie 1).
20) Wilson, James M.: Doctrinal Development and the Demons of History: The Historiography of John Henry Newman, in: Religion and the Arts 10 (2006), 497–523; vgl. zur affirmativen katholischen Historiographie der zweiten Jahrhunderthälfte Schaefer, Richard: True and False Enlightenment: German Scholars and the Discourse of Catholicism in the Nineteenth Century, in: The Catholic Historical Review 97 (2011), 24–45.
21) Schnurr, Jan C.: Geschichtsdeutung im Zeichen des Reiches Gottes: Historiographie- und begriffsgeschichtliche Anmerkungen zur Geschichtsliteratur der protestantischen Erweckungsbewegung im Vormärz, in: Historische Zeitschrift 291 (2010), 353–383; vgl. demnächst ders.: Weltreiche und Wahrheitszeugen: Geschichtsbilder der protestantischen Erweckungsbewegung in Deutschland 1815–1848, Göttingen 2010 (AGP 57).
22) Herbst, Magdalena: Karl von Hase als Kirchenhistoriker: Diss. theol. Jena 2010 (erscheint voraussichtlich 2011 bei Mohr Siebeck).
23) Teubner, Martin: Historismus und Kirchengeschichtsschreibung. Leben und Werk Albert Haucks (1845–1918) bis zu seinem Wechsel nach Leipzig 1889, Göttingen 2008 (FKGD 94).
24) Vgl. Markschies, Christoph: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Ideengeschichte – zum Werk Hans von Campenhausens, in: Hans Freiherr von Campenhausen, hrsg. v. Christoph Markschies, Heidelberg 2008 (Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 43), 9–27; hier: 17 f.
25) Löhr, Winrich A.: Kirchengeschichte zwischen historischer Rekonstruktion und Gegenwartsorientierung: Hans von Campenhausen als Historiker und Theologe, in: ebd., 61–86; hier: 65.
26) Alberigo, Giuseppe: Hubert Jedin als Kirchengeschichtsschreiber 1900–1980: »Ein dürres Blatt, mit dem der Wind der Weltgeschichts spielt« (Lebensbericht 85), in: Die Erforschung der Kirchengeschichte, hrsg. v. Heribert Smolinsky, Münster 2001 (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 61), 19–43.
27) Vgl. den wegen seines europäisch-vergleichenden Zugriffs dennoch verdienstvollen Jubiläumsband des ARG 100 (2009), der im Überblick die Entwick­lung der Reformationsgeschichtsschreibung seit ca. 1945 darstellt.
28) Vgl. Rau, Susanne: Geschichte und Konfession: Städtische Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur im Zeitalter von Reformation und Konfessionalisierung in Bremen, Breslau, Hamburg und Köln, Hamburg 2002 (Hamburger Veröffentlichungen zur Geschichte Mittel- und Osteuropas 9).
29) Hille, Martin: Providentia Dei, Reich und Kirche: Weltbild und Stimmungsprofil altgläubiger Chronisten 1517–1618, Göttingen 2010 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 81).
30) Vgl. nur Köpf, Ulrich: Melanchthon in der Kirchen- und Dogmengeschichte des 19. Jahrhunderts, in: Melanchthon und die Neuzeit, hrsg. v. Günter Frank, Stuttgart-Bad Cannstatt 2003 (Melanchthon-Schriften der Stadt Bretten 7), 147–165.
31) Metzger, Franziska: Religion, Geschichte, Nation: Katholische Ge­schichtsschreibung in der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert – kommunikationstheoretische Perspektiven, Stuttgart 2010 (Religionsforum 6).
32) Vgl. nur Laube, Stefan u. Karl-Heinz Fix [Hrsg.]: Lutherinszenierung und Reformationserinnerung, Leipzig 2002 (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt 2); zu den Niederlanden: Paul, Herman: De Reformatie-herdenking van 1917: Historische beeldvorming en religieuze identiteitspolitiek in Nederland, Zoetermeer 2004 (Jaarboek voor de geschiedenis van het Nederlands protestantisme na 1800 12); Niet, Johan de, Paul, Herman and Bart Wallet [Hrsg.]: Sober, Strict, and Scriptural: Collective Memories of John Calvin, 1800–2000, Leiden 2009 (Religious History and Culture Series 2).
33) Dähn, Horst: Martin Luther und die Reformation in der Geschichtswissenschaft der DDR, in: Lutherinszenierung und Reformationserinnerung (s. o.), 373–390; Fleischauer, Alexander: »Die Enkel fechten’s besser aus«: Thomas Müntzer und die Frühbürgerliche Revolution – Geschichtspolitik und Erinnerungskultur in der DDR, Münster 2010.
34) Pohlig, Zwischen Gelehrsamkeit und konfessioneller Identitätsstiftung (s. o.), 501.
35) Hartmann, Martina: Matthias Flacius Illyricus, die Magdeburger Centuriatoren und die Anfänge der quellenbezogenen Geschichtsforschung, in: Catalogus und Centurien, hrsg. v. Arno Mentzel-Reuters u. Martina Hartmann, Tübingen 2008 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 45), 1–17; vgl. dies.: Humanismus und Kirchenkritik: Matthias Flacius Illyricus als Erforscher des Mittelalters, Stuttgart 2001 (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 19). – Die ausgeklügelte Wissenschaftsorganisation des Centurienprojekts mit einem Autorenkollektiv um den eigentlichen Promotor Johannes Wigand, das sich auf spezifische arbeitsteilige Methoden verpflichtet hatte, und einem Netzwerk von Quellenbeschaffern – obgleich man sich insgesamt doch meist mit der Benutzung von Druckausgaben zufrieden gab – ist seit Kurzem Gegenstand eines an der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel angesiedelten Forschungsprojekts, das vor allem die Materialsammlungen für die unveröffentlichten Bände der Centurien XIV bis XVI auswerten soll.
36) Moser, Christian: Geschichtskonzeption und -methodologie: Dokumente zur Zürcher Historiographie des Reformationszeitalters, in: Zwingliana 33 (2006), 93–154.
37) Sawilla, Jan M.: Antiquarianismus, Hagiographie und Historie im 17. Jahrhundert: Zum Werk der Bollandisten: ein wissenschaftshistorischer Versuch, Tübingen 2009 (Frühe Neuzeit 131); aus den Veröffentlichungen im Rahmen des groß angelegten Wiener Forschungsprojekts zur Kirchengeschichtsschreibung der katholischen Frühaufklärung vgl. nur: Wallnig, Thomas: Bernhard Pez und die Mauriner: Die Entstehung eines gelehrten Kontaktes im Spannungsfeld zwischen Vorbildhaftigkeit und Anregung, in: Érudition et commerce épistolaire, hrsg. v. Daniel-Odon Hurel, Paris 2003 (Textes et traditions 6), 153–175.
38) Rau, Geschichte und Konfession (s. o.), 445.
39) Vgl. Verf.: »Das Geschichtliche auszuschließen sei doch gegen das christl. Gefühl« – Karl von Hases Jenaer Seminar 1850–1883 als Tradierungsort liberaler Bürgertheologie, in: Zeitschrift für Neuere Theologiegeschichte/JHMTh 13 (2006), Heft 2, 227–240, und die anschließende Edition.
40) Vgl. nur mit Blick auf Institutionen und Medien: Julia, Dominique: Sources nouvelles, sources revisitées: Le traitement des sources dans l’historiographie religieuse du XX siècle, in: Revue d’histoire de l’Église de France 86 (2000), 409–436.
41) Schorn-Schütte, Luise [Hrsg.]: 125 Jahre Verein für Reformationsgeschichte, Gütersloh 2008 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 200).
42) Walter, Peter: »Reformationsgeschichtliche Studien und Texte«: Vergangenheit und Zukunft einer wissenschaftlichen Reihe, Münster 2008 (Katho­-lisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 68), 15 f.
43) Vgl. Kaufmann, Thomas: Die deutsche Reformationsforschung seit dem Zweiten Weltkrieg, in: Archiv für Reformationsgeschichte 100 (2009), 15–47.
44) Vgl. jedoch Muhlack, Die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung des Indexverfahrens gegen Rankes Papstgeschichte (s. o.).
45) Burkard, Dominik: Gelenkte Geschichtsschreibung?: Das 1. Vatikanische Konzil und der Index der verbotenen Bücher, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 96 (2001), 240–289.
46) Blaschke, Olaf: Geschichtsdeutung und Vergangenheitspolitik: Die Kommission für Zeitgeschichte und das Netzwerk kirchenloyaler Katholizismusforscher 1945–2000, in: Freie Anerkennung übergeschichtlicher Bindungen, hrsg. v. Thomas Pittrof u. Walter Schmitz, Freiburg i. Br. 2010 (Rombach Wissenschaften. Reihe Catholica 2), 479–521.
47) Fulda, Daniel, Erschrieben oder aufgeschrieben?: Zu einigen Problemen der aktuellen Historiographieforschung, in: Historisches Jahrbuch 120 (2000), 301–316; hier: 305.
48) Backus, Irena D.: Life Writing in Reformation Europe: Lives of Reformers by Friends, Disciples and Foes, Aldershot 2008.
49) Rau, Geschichte und Konfession (s. o.), 523.
50) Sandl, Markus: Heilige Stagnation: Mediale Konfigurationen des Stillstands in der großdeutsch-katholischen Geschichtsschreibung des frühen 19. Jahrhunderts, in: Historische Zeitschrift 258 (2007), 529–563; hier: 538.
51) A. a. O., 548.
52) Verf.: Objektivitätsideal zwischen Toleranz und Revisionismus: Leopold von Ranke und Ludwig von Pastor als Historiographen des Papsttums, in: Toleranz und Identität. Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein zwischen religiösem Anspruch und historischer Erfahrung, hrsg. v. Kerstin Armborst-Weihs u. Judith Becker, Göttingen 2010 (VIEG.B 79), 253–272.
53) Vgl. nur Kinzig, Wolfram: Brauchen wir eine Dogmengeschichte als theo­logische Disziplin?, in: Historiographie und Theologie, hrsg. v. Wolfram Kinzig, Volker Leppin u. Günther Wartenberg, Leipzig 2004 (Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte 15), 181–202; die jüngere protestantische Dis­kussion schildert aus katholischer Perspektive Dahlke, Benjamin: Theologiegeschichtsschreibung: Ein Versuch, in: ThGl 97 (2007), 226–238.
54) Vgl. nur den aktuellen Beitrag: Wallraff, Martin: Evangelium und Dogma: Zu den Anfängen der Gattung Dogmengeschichte (bis 1850), in: Biblische Theologie und historisches Denken, hrsg. v. Martin Kessler u. Martin Wallraff, Basel 2008 (Studien zur Geschichte der Wissenschaften in Basel N. F. 5), 256–278; gerade mit Blick auf die katholische Diskussion kann das 19. Jahrhundert allerdings nur mit Einschränkungen als »das Saeculum der Dogmengeschichte« bezeichnet werden (a. a. O., 257). Womöglich hilft es weiter, die ebenfalls normativ orientierten Disziplinen der Rechts- und der Wirtschaftswissenschaft – die ihrerseits den dogmengeschichtlichen Ansatz kennen – vergleichend einzubeziehen.
55) Vgl. maßstabsetzend Kaufmann, Thomas: »Anpassung« als historiographisches Konzept und als theologiepolitisches Programm: Der Kirchenhistoriker Erich Seeberg in der Zeit der Weimarer Republik und des »Dritten Reiches«, in: Evangelische Kirchenhistoriker im »Dritten Reich«, hrsg. v. Thomas Kaufmann u. Harry Oelke, Gütersloh 2002 (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie 21), 122–172.
56) In dieser Hinsicht bleiben bei Burger, Christoph: Theologiegeschichtliche Darstellungen zur Reformation seit dem Zweiten Weltkrieg, in: Archiv für Reformationsgeschichte 100 (2009), 326–349, noch offene Fragen.
57) Rasmussen, Arne: Historiography and Theology: Theology in the Weimar Republic and the Beginning of the Third Reich, in: Kirchliche Zeitgeschichte 20 (2007), 155–180; demgegenüber abgewogen Kranich, Sebastian: Christentumsgeschichte contra Theologische Kirchengeschichte: Beobachtungen zu einem Streit, in: Christentumstheorie, hrsg. v. Klaus Tanner, Leipzig 2008 (Theologie – Kultur – Hermeneutik 9), 55–81.
58) Baur, Ferdinand Christian: Die Epochen der kirchlichen Geschichtsschreibung (1852), in: Klaus Scholder [Hrsg.], Ausgewählte Werke in Einzelausgaben 2, Stuttgart-Bad Cannstatt 1963, 5.