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Ausgabe: | Juni/2011 |
Spalte: | 698-700 |
Kategorie: | Religionspädagogik, Katechetik |
Autor/Hrsg.: | Mahling, Robert |
Titel/Untertitel: | Symboldidaktik und Zeichendidaktik zwischen Metaphysik und Moderne. Eine Debatte in der evangelischen Religionspädagogik. |
Verlag: | Jena: IKS Garamond – Edition Paideia 2010. 385 S. m. Abb. 8° = Studien zur Religionspädagogik und Praktischen Theologie, 1. Kart. EUR 31,80. ISBN 978-3-941854-07-9. |
Rezensent: | Bernhard Dressler |
Das Problem dieser Jenenser Dissertation deutet sich schon im eingangs formulierten Befund an: Kann man wirklich sagen, dass die im Wesentlichen von Peter Biehl und Michael Meyer-Blanck geführte »Debatte um Symbol- und Zeichendidaktik« die »Diskussion in der evangelischen Religionspädagogik bis in die Gegenwart hinein prägt« (12)? Hier wird die Bedeutung des Themas, die zu bagatellisieren der Rezensent durchaus kein Interesse hat, doch zu sehr aufgeladen. Und das gilt dann auch für die Art und Weise, wie seine kritische Erörterung im Einzelnen ausgeführt wird. Robert Mahling sieht nur »auf den ersten Blick … eine Debatte um didaktische Konzeptionen« und will »den hinter dieser didaktischen Ebene stehenden fundamentalen Streitpunkt erhellen«. Es gehe um einen »Streit um die Deutung der Wirklichkeit«. Während Biehl seine Didaktik letztlich im Rahmen eines traditionellen metaphysischen Weltbildes entwickele, beziehe sich Meyer-Blanck »auf ein kulturtheoretisches Wirklichkeitsverständnis«. Die Zeichendidaktik stelle »zugleich das metaphysische Denken und das damit verbundene transzendente Gottesbild in Frage« (12). Die Protagonisten der Zeichen- und Symboldidaktik hätten gewissermaßen selbst ihre grundsätzliche und in konträren Theologie- und »Wirklichkeits«-Konzepten wurzelnde Gegensätzlichkeit verkannt. Die Zeichendidaktik verstehe sich irrtümlich als eine Fortentwicklung der Symboldidaktik.
Vor dem Hintergrund dieser These werden in einem Teil A (»Das Wirklichkeitsverständnis von Symbol- und Zeichendidaktik«) die von M. in Anspruch genommenen Theoriehintergründe rekonstruiert. Dabei holt er zunächst sehr weit (weiter als es der hier erforderliche Klärungsprozess verlangt) zu einer philosophiegeschichtliche Rekonstruktion der »Ontologie« als »Lehre vom Sein« aus (Kapitel II), und untersucht dann in zwei »Fallstudien« (»Ontologische Theologie und Kulturtheologie«, Kapitel III) in entsprechender Frageperspektive einige Grundlinien der systematischen Theologie Tillichs und Michael Moxters semiotisch-phänomeno- logische Kulturtheologie, die M. nicht ganz zu Unrecht als den für Meyer-Blancks Zeichendidaktik erschließungskräftigen Theorierahmen ansieht. In einem nur wenig umfangreicheren Teil B (»Die Debatte um Symbol- und Zeichendidaktik«) liegt dann der Schwerpunkt auf didaktik-theoretischen Fragen, vor allem in Gestalt einer akribischen Darstellung der Positionen Biehls und Meyer-Blancks.
M. attestiert Biehl eine eklektizistische, inkohärente Symboltheorie und eine selektive Rezeption Tillichs. Dabei bleibe Biehl zwar »einem metaphysischen Weltbild verpflichtet« (219), »verzichte« aber gerade »auf die ontologischen Elemente von Tillichs Symbolbegriff« (157). Meyer-Blancks Kritik am ontologischen Symbolbegriff bei Biehl verkenne dessen Inkonsistenz und laufe deshalb ins Leere. Die »Brüche« zwischen Biehls anthropologischem und theologischem Symbolverständnis ließen sich auch didaktisch nicht überspringen. Deshalb, das ist der stärkste Einwand, scheitere die Symboldidaktik in der Praxis an ihren Ansprüchen. Hier ist die Kritik am plausibelsten. Die den Symbolen zugeschriebene Brückenfunktion zwischen lebensweltlichem Erfahrungshorizont und Theologie erfülle sich weder theoretisch noch praktisch.
M.s Kritik an Meyer-Blanck zeichnet sich bereits in seiner Erörterung des semiotisch-phänomenologischen Theorieentwurfs Michael Moxters (»Kultur als Lebenswelt«) ab. Moxter frage nicht nach der »universalen Wahrheit der christlichen Botschaft und dem Grund, aus dem die Gesamtheit der Wirklichkeit existiert« (115). Der christliche Glaube werde bei Moxter gar »von seinem Nutzen abhängig« gesehen, wodurch der Religionspädagogik eine »Orientierung am Marktmodell« nahegelegt werde. M. macht eine »Alternative von Kulturtheologie und metaphysischer Theologie« auf: »Prägt die christliche Wahrheit unser Wirklichkeitsverständnis oder prägt unser Wirklichkeitsverständnis die christliche Wahrheit?« (121 f.).
Vor diesem Hintergrund wendet M. in immer neuen Anläufen gegen Meyer-Blanck ein, dass sich die »Wahrheitsfrage« mit dem »nominalistischen« Konzept Umberto Ecos, auf das sich die Zeichendidaktik vorrangig bezieht, nicht klären lasse. Zudem »degradiere« Meyer-Blanck die Semiotik zur »Hilfswissenschaft der Religionspädagogik« (258). Bei ihm zeichne sich »ein Bruch zwischen Theologie und Didaktik ab, dessen Ursache … darin zu sehen ist, dass die Religionspädagogik hier primär als pädagogische Disziplin gesehen wird, die einen ihr fremden – nämlich theologischen – Inhalt zu vermitteln hat« (264 f.). Damit werde »die ursprüngliche Einheit von Wirklichkeitsdeutung und Theologie aufgegeben« und es bleibe offen, »wie kulturtheoretisch von Auferstehung, Sünde oder Vergebung zu reden wäre« (13 f.). Dagegen fordert M. eine Religionsdidaktik, die »als Didaktik der Theologie selbst theologischer Gebrauch« wäre. Das kann man so nur sehen, wenn man die christliche Religion nicht als eine kulturelle Praxis begreift, sondern als eine sich der kulturtheoretischen Analyse letztlich entziehende metaphysische Wahrheit. Unverständlich bleibt mir der Verdacht, mit der Zeichendidaktik werde der Glaube als »Für-wahr-halten« von »Sachverhalten« statt als Gottvertrauen missverstanden. Dieses Missverständnis wird doch eher von jener Art metaphysischem »Wahrheitsanspruch« befördert, dessen Verlust M. durchgängig beklagt. Es geht ihm ausdrücklich um eine »ontologische Wahrheit« im Sinne einer »adaequatio rei et intellectus« (316.341 u. ö.). Man wüsste gerne, wie sich heute eine solche Art Metaphysik noch begründen und ausbuchstabieren lässt, statt nur abstrakt-allgemein gegen Semiotik und Kulturtheorie behauptet zu werden. Dass, wie M. konstatiert, in semiotischer Perspektive Zeichen selbst die Wirklichkeit »sind«, ergibt sich keineswegs aus einem Zeichenbegriff, der von einer Wirklichkeit jenseits der Zeichen »absieht« (19).
M.s Einwände wären nur dann triftig, wenn es im christlichen Glauben um sachverhaltsförmige Aussagen ginge, deren Wahrheitsanspruch adäquationstheoretisch zu verstehen wäre. Einen solchen, wie ich meine: obsoleten, Wahrheitsanspruch fordert M. zwar immer wieder ein, liefert selbst aber keine andere Begründung als den Hinweis auf die angeblich defizitären Geltungsansprüche einer kulturtheoretisch ausbuchstabierten Theologie. M. verkennt, dass sich in der christlichen Religion, will sie nicht in vorneuzeitliche Vorstellungen zurückfallen, die Vorstellungsgehalte nicht von den Vollzugsformen abzulösen sind. Der mehrdeutige Modus, in dem religiöse Wahrheitsansprüche vertreten werden, bleibt der Wahrheitssemantik eben nicht äußerlich. Es geht um die Performanz relationaler Bewahrheitungen und nicht um die Feststellbarkeit propositionaler Aussagen.
Seine Alternative deutet M. nur kurz an (353 f.): Es gehe darum, die Schüler im Religionsunterricht in den »theologischen Code« einzuführen und ihnen – so im Anschluss an H. Hanisch – zu konsistenter Begriffsbildung zu verhelfen. Genau so aber kann der für christlich-religiöse Kommunikation konstitutive Zusammenhang von Modalität und Semantik und die damit verbundene Ambiguität religiöser Zeichen gerade nicht erschlossen werden. Die semiotisch geforderte Suspendierung der Wahrheitsfrage eröffnet didaktisch die Möglichkeit, Schülern im Religionsunterricht einen Sinn für den Modus religiöser Kommunikation zu erschließen, ohne sogleich den Verdacht zu evozieren, es gehe um die Zustimmungsbereitschaft für klerikale Richtigkeitsansprüche. Wie weit dann die Geltung der christlichen Religion in einem Leben außerhalb der Schule als tragfähig erlebt und anerkannt wird, liegt ohnehin außerhalb der Reichweite didaktischer Entscheidungen.
Das Buch hat über weite Strecken etwas Rezensionsartiges und verzichtet auf eigene konstruktiv-produktive Impulse zum Thema. Ermüdende Redundanzen erleichtern nicht gerade die Lektüre. Insgesamt neigt M. zu plakativen Entgegensetzungen und überscharfen Urteilen. Dennoch kann man den Band und seine teilweise detaillierten Einsichten in einen religionsdidaktischen Diskurs mit Gewinn lesen, wenn man sich auf die recht plakativen Theoriealternativen M.s nicht einlässt.