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Ausgabe:

Juni/2011

Spalte:

680-681

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Schmahl, Nadine

Titel/Untertitel:

Das Tetragramm als Sprachfigur. Ein Kommentar zu Franz Rosenzweigs letztem Aufsatz.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2009. XI, 237 S. gr.8° = Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie, 55. Lw. EUR 79,00. ISBN 978-3-16-150101-2.

Rezensent:

Doris Hiller

Bei der hier zu besprechenden Arbeit handelt es sich um eine 2008 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn angenommene Dissertation. Im Fach Systematische Theologie ge­schrieben, in die Reihe »Hermeneutische Untersuchungen zur Theo­logie« aufgenommen, entzieht sich die Arbeit von Nadine Schmahl doch einer genauen Verortung in einen bestimmten Fachbereich. Es handelt sich, wie der Untertitel anzeigt, in weiten Teilen um einen Kommentar zu Franz Rosenzweigs Aufsatz »›Der Ewige‹. Mendelssohn und der Gottesname«, ergänzt um die Edition einer kommentierten Ausgabe dieses Textes im 4. Kapitel des Buches. Die dieser Edition vorangestellten drei Kapitel spannen einen Bogen von den Fragen einer Namenstheorie zu einer Namenstheologie, die mit den Thesen aus Rosenzweigs Texten begründet wird.
Eingangs beschäftigt sich die Vfn. mit grundsätzlichen sprachphilosophischen, sprachanalytischen und theologischen Fragen zur Sprachfigur des Namens. Dem analytischen Zweig der Sprachphilosophie folgend hält die Vfn. dort eine zum Teil trennende, zum Teil einseitig aufgelöste Unterscheidung von Name und Kennzeichnung fest und resümiert kurz ein Entweder-Oder hinsichtlich Name und Wort. Diese Opposition findet sich auch in der linguistischen Namensforschung, jedoch noch einmal differenziert zwischen nomen proprium und nomen appellativum und deren Übergangsformen. Götternamen werden dort allerdings eindeutig als Eigennamen gewertet. Jedoch – so die Vfn. – übersieht die Linguistik hinsichtlich des Tetragramms dessen Konjugationsmöglichkeit (Ex 3,14), die sonst bei Eigennamen nicht vorkommt. Für die Namenstheorie konstatiert die Vfn. deshalb eine unbefriedigende Antwort auf die Frage nach der Eigenart des alttestamentlichen Gottesnamens. Die rhetorisch ausgesprochene Hoffnung auf eine Lösung des Problems bei Rosenzweig wird dann in den folgenden beiden Kapiteln darstellend und argumentierend erfüllt.
Ein kurzer Forschungsüberblick zeigt, dass vor allem Rosenzweigs »Stern der Erlösung« im Fokus des Interesses steht. Wenn dazu auch der Text »Der Ewige« in den Blick genommen wird, dann meist nur entweder in seinem ersten Teil zur Übersetzung des Gottesnamens oder in dessen zweitem Teil zur Offenbarung des Gottesnamens. Die Vfn. weist werkgeschichtlich überzeugend nach, dass beide Aspekte in der Namensfrage zusammengehören, insofern Offenbarung ein Sprachvorgang ist. Das Tetragramm erweist sich so als sprechende Sprache (76), in der die Spannung zwischen Name und Wort unaufgelöst bleiben muss (125).
Wer beim Lesen der Arbeit wesentlich die Auseinandersetzung oder Aufnahme exegetischer Studien zu Ex 3,14, sprachanalytische Untersuchungen zur performativen Rede oder hermeneutische Ansätze zum sprachlich verfassten Kommunikationsgeschehen in und mit Texten vermisst, sei darauf hingewiesen, dass dort zwar methodologische Strategien und theologische Konkretionen zur Analyse des Tetragramms zu finden wären, dies aber nicht im Sinne der Vfn. und ihrer Rosenzweig-Interpretation wäre. Für sie ist das Tetragramm das Grundwort aller Sprache, das als das »früheste Unsprachliche des Sprachlichen in der Sprache« (146) seine Interpretation in sich enthält. Allerdings ist für diese These die dauernde Wiederholung dessen, dass Offenbarung ein Sprachgeschehen ist, nicht überzeugend. Auch die am Ende formulierten sprachwissenschaftlichen und -philosophischen, theologischen, übersetzungstheoretischen und hermeneutischen Herausforderungen sind einseitig aus der Rosenzweig-Studie abgeleitet und für eine Neuformulierung der »Grundaussagen der Rechtfertigungslehre« (189) im Ausgang der Namenstheologie Rosenzweigs bietet die Arbeit kaum überzeugende Anhaltspunkte.
In der Tat begehrt der Lesende bei einer Arbeit, die auf dem Umschlag allein mit dem Titel »Die Sprachfigur des Tetragramms« ausgewiesen ist, genau darüber etwas zu erfahren, wie auch die Vfn. im Vorwort bemerkt. Mit der akribischen Analyse der Texte Rosenzweigs ist zumindest die Begehrlichkeit geweckt worden, im sprachphilosophischen wie theologischen Kontext weiter nach einer Antwort auf die biblische Ausgangsfrage »Was ists um seinen Namen?« zu suchen. Die Arbeit selbst dürfte vor allem der Rosenzweig-Forschung zu weiterer Erkenntnis über Entstehung, Intention und Wirkung seines Werkes verhelfen.