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Ausgabe:

Juni/2011

Spalte:

620-623

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Auld, A. Graeme, and Erik Eynikel [Eds.]

Titel/Untertitel:

For and Against David. Story and History in the Books of Samuel.

Verlag:

Leuven-Paris-Walpole: Peeters 2010. X, 397 S. gr.8° = Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium, 232. Kart. EUR 76,00. ISBN 978-90-429-2284-6.

Rezensent:

Alexander A. Fischer

Der Sammelband vereint Beiträge zweier Kolloquien aus dem Jahr 2006. Die erste Tagung, die unter der Leitung von E. Eynikel im Mai 2006 in Nijmegen stattfand, widmet sich dem Thema »Story and History in the Books of Samuel« und bietet Beiträge, die sich teils diachron mit den Möglichkeiten einer Rekonstruktion von Ge­schichte beschäftigen, teils synchron auf die Erzähltextebene be­ziehen. Bei dem zweiten Kolloquium handelt es sich um ein Se­minar zum Thema »The Books of Samuel. For and Against Da­vid?«, das unter dem Vorsitz von A. G. Auld auf dem internationalen SBL-Treffen an der Universität Edinburgh im Juli 2006 durchgeführt wurde. Die dort gehaltenen Vorträge beschäftigen sich mit der in der Samuelforschung immer wieder verhandelten Frage, welche Tendenzen in den biblischen Erzählungen wahrnehmbar sind und welche Ideologien dahinter sichtbar werden. Für die Publikation haben sich die Herausgeber dazu entschlossen, die Beiträge nach der kanonischen Reihenfolge der behandelten Texte bzw. Textbereiche neu zu ordnen. Um den übergreifenden Bogen deutlich zu machen, skizziert E. Eynikel einleitend die kontroverse Diskussion über die für den Sammelband relevante Frage, wie sich biblische Texte als erzählende Literatur und als historische Quelle zuein­-ander verhalten (1–7). – Der Band enthält die folgenden Einzelbeiträge:
J. Fokkelman (Leiden), »The Samuel Composition as a Book of Life and Death: Structural, Generic and Numerical Forms of Perfection« (15–46), skizziert sein durch synchrone Analyse gewonnenes und in vier umfangreichen Bänden (Narrative Art and Poetry in the Books of Samuel, 1981–1993) dokumentiertes Verständnis der Samuelbücher als ein literarisches Gesamtkunstwerk in 14 Akten. S. Bar-Efrat (Jerusalem) beginnt seine Studie »From History to Story: The Development of the Figure of David in Biblical and Post-Biblical Literature« (47–56) mit der Feststellung, dass sich über den historischen David kaum mehr sagen lässt, als dass er im 10 Jh. v. Chr. eine Dy­nas­tie gegründet hat. Konsequenterweise beschäftigt er sich mit dem literarischen David und beschreibt eine Entwicklungslinie, die von einem realistisch gezeichneten Bild Davids in den Samuelbüchern ausgeht und über seine Darstellung als idealer König und frommes Vorbild in den spät- und nachbiblischen Texten bis zu seiner kabbalistischen Deutung als Symbol einer höheren Welt führt. E. Eynikel, (Nijmegen) »Das Lied der Hanna (1Sam 2,1–11) und das Lied Davids (2Sam 22): Ein Vergleich« (57–72), bestimmt die Funktion der beiden am Anfang und Ende der Samuelbücher platzierten Lieder für den Interpretationsprozess.
Es folgen sechs Beiträge, die sich mit Texten aus dem Ersten Sa­muelbuch befassen: Christa Schäfer-Lichtenberger (Bethel), »ELLA, ARES und die Samuel-Überlieferung« (73–90), ermittelt im Bereich von 1Sam 1–7 eine Eliden-Lade-Erzählung (= ELLA), die im Nordreich entstanden sein und auf mündliche Überlieferung zurückgehen soll. Diese sei wahrscheinlich vom Autor/Redaktor der Eli-Lade- und Samuel-Überlieferungen (= ARES) noch vor-deuteronomistisch in den Zusammenhang eingebunden worden. J. Klein (Sibiu), »Für und wider das Königtum (1Sam 8–15): Figurenperspektiven und Erzählsystem« (91–112), kommt zu dem Ergebnis, dass im untersuchten Textbereich keine literarkritischen Schichtungen notwendig seien, weil sich die unterschiedlichen Stimmen zum Königtum den narrativen Figuren zuordnen lassen und diese teilweise auch ihren Standpunkt ändern. Demgegenüber ermittelt B. Halpern (University Park, PA), »The Historiography of Samuel« (113–122), im selben Textbereich zwei Quellen (A und B), deren historischer Gehalt unterschiedlich bewertet wird. K.-P. Adam (Chicago, IL), »Saul as a Tragic Hero: Greek Drama and Its Influence on Hebrew Scripture in 1 Sam 14,24–46 (10,8; 13,7–13a; 10,17–27)« (123–183), begründet ausführlich seine These, dass es im 4./3. Jh. v. Chr. durch den Einfluss der griechischen Tragödie zu Modifikationen in der Darstellung Sauls gekommen sei. G. Hentschel (Erfurt), »Die Verantwortung für den Mord an den Priestern von Nob« (185–200), und C. Carmichael (Ithaca, NY), »David at the Nob Sanctuary« (201–212), befassen sich in unterschiedlicher Perspektive mit 1Sam 21–22.
Zehn Beiträge behandeln Texte aus dem Zweiten Samuelbuch: Ina Willi-Plein (Hamburg), »Keine Eroberung Jerusalems: Zu Stellung und Bedeutung von 2Sam 5 in der Davidhausgeschichte der Samuelbücher« (213–233), interpretiert Davids Umzug nach Jerusalem als einen nicht-kriegerischen Akt. Dazu postuliert sie für das Verb lkd »(eine Stadt) erobern« die spezielle Bedeutung »(mit dem Anspruch einer Verfügungsgewalt) besetzen« und deutet meṣūdā nicht als »Bergfestung«, sondern als »Speisekammer« im Sinne eines sicheren Nahrungsmitteldepots. Der Beitrag von W. Dietrich (Bern), »Die Überführung der Lade nach Jerusalem (2Sam 6): Ge­schichten und Geschichte« (235–253), der sich wieder stärker am Thema des Sammelbands orientiert, ermittelt den literarhistorischen Befund von 2Sam 6 und bestimmt den historischen Gehalt differenziert nach den erhobenen Schichten. R. Rezetko (Nijmegen), »David over Saul in MT 2 Samuel 6,1–5: An Exercise in Textual and Literary Criticism« (255–272), führt aus, dass MT-Lesarten in 2Sam 6,1–5 gegenüber anderen Textzeugen sekundär sind und tendenziell das positive Davidbild verstärken. Die beiden folgenden Beiträge sind als Referat und Korreferat aufeinander bezogen und lassen den Leser am wissenschaftlichen Gespräch teilhaben. T. A. Rudnig (Göttingen), »Außer in der Sache mit Uria, dem Hethiter (1Reg 15,5): Jahwes und Davids Gerechtigkeit in 2Sam 10–12« (273–292), begründet seine These, dass die David-Bathseba-Erzählung im 4./3. Jh. v. Chr. eine umfangreiche Theodizee-Bearbeitung er­fahren habe. S. Kreuzer (Wuppertal), »Literarkritik – Tendenzkritik – Theodizeebearbeitung: Zur exegetischen Methodik in den Samuelbüchern« (293–305), fragt kritisch nach, ob nach Abzug der Theodizeebearbeitung noch ein konsistenter Erzähltext übrig bleibt. Methodisch fordert er, dass tendenzkritische Beobachtungen nur dann den Ausschlag für eine redaktionskritische Entscheidung geben sollten, wenn ihre Relevanz zuvor durch die Konfrontation mit anderen Erklärungen überprüft worden ist. In einem weiteren Beitrag zu 2Sam 11–12 beurteilt St. L. McKenzie (Memphis, TN), »Ledavid (for David)! Except in the Matter of Uriah the Hettite« (307–313), die gesamte David-Bathseba-Erzählung als einen post-deuteronomistischen [sic!] Zusatz, der das an sich positiv orientierte Davidbild ins Negative wendet. Ausgehend von 2Sam 12,10–14 insistiert D. T. Lamb (Hatfield, PA), »The ›Eternal‹ Curse: Seven Deuteronomistic Judgment Oracles against the House of David« (315–325), auf den deuteronomistischen Unheilsankündigungen gegen die Davididen, die gegenüber der dominanten Dynastieverheißung zu wenig beachtet werden. Der französische Beitrag von J. Vermeylen (Lille), »La révolte d’Absalom comme événement historique« (327–345), rekonstruiert eine Grunderzählung 2Sam 11–19* aus salomonischer Zeit und beurteilt danach den Ab­salomaufstand als ein historisches Geschehen. Abschließend folgen nochmals ein Referat und Korreferat. A. F. Campbell (Parkville, Vic., Australien), »2 Samuel 21–24: The Enigma Factor« (347–358), charakterisiert die Schlusskapitel als einen abschließenden und davidkritischen Anhang, während A. G. Auld, »A Factored Response to an Enigma« (359–366), in ihnen ein frühes zusammenfassendes Porträt Davids erkennt, das seiner Darstellung in 2Sam 9–20 zeitlich vorausliegt.
Der Durchgang durch die verschiedenen Aufsätze hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Manche Beiträge geben wichtige Impulse für die angezeigte Diskussion. Andere wiederholen bereits bekannte Standpunkte und wieder andere berühren das übergreifende Thema nur en passant. Das ist nicht untypisch für Publikationen, die aus Konferenzen hervorgehen und eine Momentaufnahme der aktuellen und kontroversen Debatte geben möchten. Auch der vorliegende Sammelband erfüllt diesen Zweck, bedauerlich ist sein spätes Erscheinen. Abkürzungsverzeichnis, Autoren- und Stellenregister beschließen das Buch.