Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Mai/2011

Spalte:

533-534

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Scheunemann, Jan [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Reformation und Bauernkrieg. Er­in­nerungskultur und Geschichtspolitik im geteilten Deutschland.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2010. 322 S. gr.8° = Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, 11. Geb. EUR 38,00. ISBN 978-3-374-02760-6.

Rezensent:

A. B.

Der vielfältig gehaltvolle Band dokumentiert eine von der Stiftung Luthergedenkstätten im März 2009 veranstaltete Tagung, die sich das Ziel gesetzt hatte, »Reformation und Bauernkrieg als wesentliche Bestände deutscher Erinnerungskultur und zugleich als Themen deutsch-deutscher Geschichtspolitiken [zu] identifizieren« (5). In 19 exemplarischen Einzelbeiträgen wird das komplexe Themenfeld auf ganz unterschiedliche, doch jedes Mal anregende Weise beleuchtet.
Den Anfang bilden drei grundsätzliche bzw. übergreifende Studien, darunter die kluge methodologische Analyse der Forschungsfelder »Erinnerungskultur und Geschichtspolitik« (E. Wolfrum). Geschichtspraktische Anschaulichkeit gewinnt der nicht selten ideologisch stilisierte Antagonismus zwischen Martin Luther und Thomas Müntzer durch eine interpretierende Erhebung der ihnen in der DDR gewidmeten »Straßen- und Ehrennamen« (J. Sänger) sowie durch eine Inspektion der ihnen dort zuteil gewordenen Musealisierung (J. Scheunemann). Ganz besonderes In­teresse verdienen die Berichte zweier namhafter Zeitzeugen: B. Moeller erin­nert an aparte Hintergründe und Begleitumstände der großen Nürnberger Luther- und Reformationsausstellung von 1983, und S. Bräuer rekonstruiert die Frühphase der in der DDR zwischen marxistischen und nichtmarxistischen Reformationshistorikern entstandenen Kontaktpflege, an der er selbst beteiligt gewesen ist.
In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s waren die anfallenden Luther- und Reformationsjubiläen einer doppelten Bipolarität ausgesetzt: einerseits dem Wettbewerb zwischen kirchlichen und staatlichen Institutionen, andererseits der durch die deutsche Zweistaatlichkeit begründeten Konkurrenz. In dieser Hinsicht gewinnt die Erinnerung an das Lutherjubiläum von 1946 (J. Schilling) besonderen Reiz. Lehrreiches Vergnügen bereitet, neben anderem, insbesondere die quellengesättigte Besinnung auf das deutsch-deutsche Luthergedenken von 1983 (P. Maser). Weitere Schwerpunkte des Bandes liegen in der Fokussierung auf die damals in beiden Teilen Deutschlands, nämlich in Mühlhausen und Böblingen, gegründeten Bauernkriegsmuseen sowie in der historiographischen Würdigung einer regionalen, an den gewiss prominentesten Beispielen Erfurt und Wittenberg exemplifizierten Luther-Erinnerung.
Der ansprechende, in umsichtiger Auswahl bebilderte Band wird durch ein (nicht vollständiges) Orts- und Personenregister erschlossen. Es ist zu wünschen und wohl auch zu erwarten, dass er innerhalb der Publikationsflut, welche durch die allenthalben Kräfte und Mittel bindende memoriale Fixierung auf das Jahr 2017 schon jetzt ausgelöst worden ist, weit über den Tag hinaus Bestand haben wird.