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Ausgabe:

Februar/1996

Spalte:

148 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Neef, Heinz-Dieter

Titel/Untertitel:

Gottes himmlischer Thronrat. Hintergrund und Bedeutung von sôd JHWH im Alten Testament.

Verlag:

Stuttgart: Calwer Verlag 1994. 96 S. gr. 8o = Arbeiten zur Theologie, 79. Kart. DM 28,-. ISBN 3-7668-3288-3.

Rezensent:

Bodo Seidel

Daß der Herr ’oben’ nicht ganz allein wohnt, weiß der Bibelkenner spätestens nach der Lektüre des Hiobbuches. Wie jedoch ist der exegetisch-historische Befund dieser spezifischen Wendung sôd JHWH zu beschreiben? ­ Es geht schlicht um das Bedeutungsspektrum des Begriffes sôd. Der Vf. legt eine kleine und knappe Studie vor, die kaum etwas zu wünschen übrigläßt. Die Begriffsgeschichte innerhalb atl. Literatur wird zu einem Stück immanent-atl. Theologiegeschichte. Freilich ist rein inhaltlich nicht alles so neu. Das kann aber auch nicht der Sinn des Büchleins sein. Es gibt vorhergehende Arbeiten: Fabry in BBB 50 (FS Bottweck, 1977); Saebø in THAT II (1976); Fabry in ThWAT V (1986).

Nun ist die Schwierigkeit generell die, daß die verschiedenen Bedeutungsgrößen von sôd (etymologisch am ehesten noch von ysd II Nif. abzuleiten) offenkundig weit auseinander zu liegen scheinen. Bekanntlich ist der eine Pol die änigmatische, fast metaphysische Größe ’Geheimnis’. Der andere dagegen ist eine konstituierte Gemeinschaft, eine zweckorientierte Begegnung von Personen ­ Ratsversammlung. Dabei kann die Bedeutung aber auch auf das Ergebnis der Ratsversammlung, auf den Plan/ Ratschluß der Versammelten abzielen. So erkennt man die bekannte und übliche Auffassung von sôd JHWH als ’Gottes himmlischer Thronrat’. Zu zeigen, wie denn die Pole der Bedeutung von sôd in Beziehung gesetzt werden können, ist die Aufgabe der Arbeit. Nach der Umschau im kanaanäischen Bereich (ugaritische, phönizische, aramäische Religion), die mit dem Ergebnis endet, daß wohl die kanaanäische Thronratsvorstellungen nicht ohne Einfluß auf Israel gewesen seien ­ der Thronrat sei hier wie dort der absoluten Position seines Herren unterstellt ­, wendet sich der Vf. der Begriffsbedeutung innerhalb des AT zu.

Die fünf verschiedenen Bedeutungen sind: (1.) "Schar/ Kreis/Gemeinschaft" (35 ff.) ­ die unspezifische Gemeinschaft einer Gruppe, in der sich nach Jer 15,17 z.B. der leidende Prophet nie befand, weil er nie Zugang zum Kreis der Scherzenden/ der Fröhlichen gefunden hatte; (2.) "Rat/Beratung/Ratsversammlung" (37ff.) ­ die konstituierte Gemeinschaft sich Beratender (z.B. Prov 15,22) zum Zwecke der Verfolgung eines Zieles; (3.) "Geheimnis" (39f.) ­ das "öffentliche oder private Geheimnis", das vertrauensvoll anvertraute oder verhandelte Wort, das nur im Frevel des verantwortungslosen Vertrauensbruchs in die Breite geführt wird (z.B. Prov 11,13; 20,19); (4.) "Gottesgemeinschaft/Gottes Geheimnis" (41 ff.) ­ die Übereinstimmung mit Gott oder dem Willen Gottes, auf die sich der falsche Prophet nur unrechtmäßig berufen kann (so Jer 23,22). Das setzt freilich voraus, daß sich der wahre Prophet tatsächlich im sôd JHWH befindet. (Dies ist freilich durch den Kontext, vor allem duch Jer 23,28, problematisch.) Mehrere Stellen allerdings geben deutlicher Auskunft: Gott teilt seinen Willen auserwählten Menschen (Knechten, Am 3,7) mit und bekundet so seine Treue. Aber die wegweisende Mitteilung ist dabei durchaus auch an das Phänomen der prophetischen Inspiration gebunden ­ und so versteht sich daraus nicht zuletzt auch der Geheimnischarakter des Jahwerates in doppelter Hinsicht. Geheimnisvoll ist der Bescheid an den Eingeweihten und geheimnisvoll ist wohl auch der Kreis der Eingeweihten. Freilich bezieht Ps 25,14 ’jeden Frommen’ ein. Ps 89,6 ff. spricht dann von jenem Kreis der ’Himmelswesen’ (qahal, V.6 und sôd, V. 8 offenbar parallel). Von hier zur (5.)"Gemeinde Gottes"(45 ff.) kann es nun kein großer Sprung sein. Ez 13,9 meint deutlich das Volk Israel, dem die strafwürdigen und aus der Gemeinschaft auszuschließenden falschen Propheten einen schlechten Dienst erwiesen haben. Der Fromme aber gehört zur Gemeinde vor Gott.

Der Vf. kommt nach den Erörterungen um die Wiedergabe von sôd in der Septuaginta und den Targumim und um das Vorkommen des Begriffs in Qumran zu seinem Resümee: Hier erkennt er eine vierstufige Bedeutungsgeschichte. Für die älteste Bedeutungssubstanz von sôd innerhalb des AT hält der Vf. die Stämmeversammlung, in der es um Beratung gehe. Die späte und schon stark theologisierte Auffassung von sôd zielt auf die Bedeutung einer von Verschwiegenheit, Treue, Loyalität konstituierten Gemeinschaft, die sowohl den himmlischen Thronrat bezeichnen könne, als auch die Gemeinde der vor Gott Stehenden sei. Dabei ist der ethische Anteil der späten Bedeutungsvariante zu berücksichtigen: Die Gemeinschaft der Gemeinsinnenden wird von Regeln bestimmt. Hierin unterscheide sich das AT vom Alten Orient. Das AT zeige die Offenheit der Gemeinschaft Gottes für den Frommen, der die Weisung Jahwes in Zuverlässigkeit und Treue bewahrt. Daher könne sôd auch (auch im Blick auf das NT!) ein Begriff für die Gemeinde werden.