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Ausgabe:

Mai/2011

Spalte:

492-494

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Leuze, Reinhard

Titel/Untertitel:

Das Christentum. Grundriss einer monotheis­tischen Religion.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010. 204 S. gr.8° = Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie, 125. Geb. EUR 71,95. ISBN 978-3-525-56358-8.

Rezensent:

Wolfgang Schoberth

Die quasi-religionswissenschaftliche Formulierung des Titels steht für den programmatischen Ansatz des Bandes, in dessen ers­tem und grundlegenden Teil ›das‹ Christentum »als spezifische Ausprägung des monotheistischen Glaubens« (13) gefasst wird. Das Vorgehen ist dann freilich nicht deskriptiv, sondern normativ. Dies wird noch offensichtlicher im zweiten Teil, der die Spezifik des christlichen Glaubens in der Offenbarung Gottes in Jesus Christus erkennt, sowie im dritten Teil (Kapitel III–IV), der die Kirche und ihre sakramentale Dimension thematisiert, »weil ohne sie nicht deutlich werden kann, was die Verwirklichung Gottes eigentlich bedeutet.« (16) Das Ziel ist somit ein präskriptiver Begriff des Chris­tentums, an dem sich die Wirklichkeit von Kirche und Glauben ausrichten soll.
Ausgangs- und Kernthese ist der Gedanke der Einheit und Selbigkeit Gottes, »ob ihn Juden, Christen oder Muslime anbeten« (10). Reinhard Leuze ist sich natürlich bewusst, dass sich »die Anhänger dieser Religionen unterschiedliche Vorstellungen von diesem Gott machen« (10); diese dürften zwar nicht nivelliert werden, sollen aber wiederum aus ihrer wesentlichen Einheit heraus verstanden werden. Weil diese offensichtlich nicht an der praktizierten Oberfläche der drei Religionen zu finden ist, soll sie im Denken gesucht werden: Das »Denken vereint, während die unreflektierte Frömmigkeit, sofern sie sich zum Standpunkt des eigenen partikularen Rechthabens verfestigt, spaltet und schlimme Konsequenzen im Gefolge hat« (13).
Die Darstellung gewinnt ihren Gegenstand und zugleich die Begründung für die Konzentration auf die ›monotheistischen Religionen‹, indem sie Offenbarung als Zentralbegriff setzt und definiert als »übernatürliche Mitteilung eines transzendenten Nu­mens, das den Menschen etwas sagt, was sie von sich aus niemals wissen können« (20). Damit ist es die große Aufgabe der monotheis­tischen Religionen, die Spannung zwischen Offenbarung und Transzendenz zu denken. Da diese letztlich nicht aufgehoben werden könne, ist die Pluralität der drei monotheistischen Religionen kein Defizit, weil »die Sichtweise anderer monotheistischer Religionen keine Verirrung, sondern eine notwendige Ergänzung darstellt« (39).
Die spezifisch christliche Weise, Offenbarung und Transzendenz Gottes zu verbinden, ist die Christologie: »Das Christentum hat die Transzendenz Gottes mit derselben Entschiedenheit festgehalten wie die anderen monotheistischen Religionen, es hat aber erkannt, dass die in ihrer Notwendigkeit nirgendwo bestrittene Offenbarung erst da ihre letztgültige Gestalt gewinnt, wo sie als Erscheinung den Menschen sichtbar wird.« (89) Ebendas geschieht in Leben und Passion Jesu Christi, in dem darum Gottes Zuwendung zu den Menschen in unüberbietbarer Weise Gestalt gewinnt (59).
Die Kirche Jesu Christi wiederum lebt von der Gewissheit, dass Christus nicht nur Überbringer des Wortes Gottes ist, sondern dieses selbst verkörpert. Diese Sichtbarkeit Gottes weiterzuführen, ist die Bestimmung der Kirche; darum steht das Sakrament im Zentrum der ekklesiologischen Überlegungen L.s. Der Singular ist nicht zufällig, weil eigentlich nur das Abendmahl Sakrament im vollen Sinn sein könne: »Inkarnation und Eucharistie vollenden die Bewegung der Vergegenständlichung, die in ihrem radikalen Vollzug das christliche Korrelat zu der Bewegung des Transzendierens bildet, die alle monotheistischen Religionen vereint.« (133) Dieser Vergegenständlichung dienen auch die sakramentalen Handlungen Taufe, Krankensalbung, Firmung bzw. Konfirmation, Ordination und Eheschließung. Auch wenn es dabei äußerlich zu einer Annäherung an die katholische Siebenzahl kommt, ist die inhaltliche Füllung, die L. gibt, durchaus nicht traditionell, sondern folgt aus seiner Überzeugung, »dass die grundlegenden existentiellen Gegebenheiten des menschlichen Daseins in ihrem religiösen Bezug deutlicher werden, wenn sie in dieser Weise für ein sakramentales Verständnis offen sind« (187).
Auch in diesen Schlussüberlegungen von L. zeigt sich das durchgän­gige Grundproblem, dass die Argumentation eigentümlich schwankt zwischen einer scheinbar distanzierten Außenperspek­tive, die das Christentum als Ausprägung eines allgemeinen ›mo­-notheistischen Glaubens‹ verstehen will, und einem durchaus ambitionierten christologischen Offenbarungsverständnis. Ganz ab­gesehen von der Frage, ob dieses mit jüdischen und muslimischen Perspektiven so einfach zu vermitteln wäre: Sollte das so wenig Auswirkungen auf die fundamentaltheologischen Voraussetzungen haben?
Wer skeptisch ist gegenüber dem vorgestellten Ansatz, wird enttäuscht, weil sich L., wie schon in »Religion und Religionen« (2004), auf eine Reflexion seiner Voraussetzungen und Methodik gar nicht erst einlässt, sondern Behauptungen an ihre Stelle setzt. Die Konstruktion eines allgemein einsichtigen Monothe­is­mus ist eben keineswegs so unproblematisch, wie es hier den Anschein haben soll. Dieses methodische Defizit beeinträchtigt dann auch die Argumentation in ihren einzelnen Teilen.