Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/2011

Spalte:

363-378

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Gregor Etzelmüller

Titel/Untertitel:

Das Alte Testament und die Ökumene der christlichen Liturgiefamilien

Obwohl die verschiedenen konfessionellen Traditionen darin über­einstimmen, dass die alttestamentlichen Zeremonialgesetze für die christliche Gemeinde keine Geltung mehr haben, sind die verschiedenen christlichen Liturgiefamilien maßgeblich durch alttestamentliche Überlieferungen geprägt, auch solche gesetzestheologischer Art. Eine genaue Betrachtung dieser Bezüge kann weitreichende Differenzen zwischen den verschiedenen christlichen Liturgietraditionen erklären. Insbesondere die der alttestamentlichen Tora eingeschriebene Differenz zwischen priesterschriftlicher und deuteronomischer Theologie, aber auch die Spannung zwischen enthusiastischen Aufbrüchen und sich ausbildenden Ordnungen haben sich dem Christentum und der Fülle seiner Liturgiefamilien bleibend eingeprägt.

1. Der Anschluss der Göttlichen Liturgie an die Jerusalemer Tempeltheologie1



Folgt man der griechischen Fassung der Göttlichen Liturgie, so führt bereits das erste Wort der Liturgen, »Gott, sei mir Sünder gnädig«2, und damit das erste biblische Zitat der Liturgie (wörtlich aus Lk 18,13) in den Tempel: »Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel« (Lk 18,10). Entsprechend betet der Priester noch vor der Ikonostase: »Herr, recke deine Hand aus deiner heiligen Wohnung und stärke mich für den bevorstehenden Dienst an dir« (GL, 4). Entsprechend spricht er, wenn er an den Altar tritt: »Ich will in dein Haus eingehen [Ps 5(LXX),8] und anbeten zu deinem heiligen Tempel [Ps 137(LXX),2]« (GL, 5).

Wenn in einer christlichen Liturgie die Kirche »Tempel«, der Mahltisch »Altar« und die Geistlichen »Priester« genannt werden, dann kann man vermuten, dass das Verständnis der so bezeichneten Größen »vom alttestamentlichen Tempelkult her geprägt« ist.3 So versteht sich die Göttliche Liturgie explizit als λειτουργία und greift damit jenen Begriff auf, der in der Septuaginta als »Fachausdruck für die priesterliche Kultausübung« fungiert.4 Auch wenn es sich bei der Göttlichen Liturgie um einen »unblutigen Gottesdienst« (GL, 4) handelt – womit die entscheidende phänomenolo­gische Differenz zum alttestamentlichen Tempelkult benannt ist–, legt die Vorbereitung der Liturgen nahe, den folgenden Gottesdienst als Tempelgottesdienst zu verstehen.

Dabei greift die Göttliche Liturgie nicht nur einzelne Texte aus tempeltheologischen Überlieferungen auf, sondern erweist sich in ihrer Sinngestalt als durch leitende Konzeptionen dieser Überlieferungen geprägt. Die Darstellung der intertextuellen Bezüge der Göttlichen Liturgie auf die Jerusalemer Tempeltheologie darf sich deshalb nicht nur auf Einzeltextreferenzen beschränken, sondern muss auch Systemreferenzen in den Blick nehmen. Solche Systemreferenzen können zwar nur im Gefolge von Einzeltextreferenzen identifiziert werden, um sie zu erschließen, ist es aber notwendig, »über die jeweils sicheren Zitate und Anspielungen hinaus auch solche von geringerem Wahrscheinlichkeitsgrad einzubeziehen, sofern sie in ein sich abzeichnendes Muster passen«. Denn es gibt intertextuelle Beziehungen, »›die nur im Gefolge anderer‹ als solche identifiziert werden können, und zwar deswegen, weil sie Teil eines Musters sind, das sich erst im Zusammenspiel zentraler und beigeordneter Elemente erschließt« 5.

So bezeichnet die Göttliche Liturgie den Altarraum nicht nur als Gottes Haus und heiligen Tempel, sondern setzt auch das tempeltheologische Raumverständnis voraus. Nach dem Selbstverständnis der Göttlichen Liturgie gehören sowohl der Altar als auch der Thron Gottes, zu dem die Liturgen hinzutreten, weder allein der irdischen noch allein der göttlichen Sphäre an. Einerseits kann der Altar – urchristlichem Brauch folgend (vgl. 1Kor 10,21) – als Tisch bezeichnet werden (vgl. GL, 51). Er ist als solcher materialiter in Raum und Zeit lokalisierbar. Andererseits wird in der Liturgie durchgängig betont, dass der Opferaltar seinen Ort »über den Himmeln« hat (vgl. GL, 13; 18; 20; 70). Wird so einerseits zwischen dem irdischen Altar und Gottes Opferaltar differenziert, so können andererseits beide miteinander identifiziert werden. So kann selbst in den liturgischen Handlungsanweisungen vom Altartisch als heiligem Opferaltar gesprochen werden (vgl. GL, 26). Zugang zum himmlischen Opferaltar findet sich demnach nur über den materiellen Altartisch, an dem die Liturgie vollzogen wird.

Dieselbe Polarität begegnet auch im Blick auf den Thron: Einerseits begegnet die Vorstellung, dass der Gottesdienst vor dem »furchtbaren Thron« des Herrn stattfindet (GL, 4). Dieser Thron wird durch den materiellen oberen Sitz symbolisiert. Andererseits kann Christus in der Eucharistie gebeten werden, von seinem himmlischen Thron der Herrlichkeit zu kommen, um die Gemeinde zu heiligen (vgl. GL, 74). Entsprechend kann die heilige Wohnung des Herrn einerseits mit dem Altarraum identifiziert (vgl. GL, 4), andererseits »oben bei dem Vater« verortet werden (vgl. GL, 74). Einen Hinweis, wie diese Polarität zu verstehen ist, gibt die Liturgie selbst, indem sie die Vorstellung vom Kerubenthroner aufgreift (vgl. GL, 39/51).

Nach 1Kön 6,23–28 hatte Salomo im Allerheiligsten des Jerusalemer Tempels zwei Cherubim aufstellen lassen, deren innere Flügel sich berührten. Dabei lässt das Gottesprädikat ›Kerubenthroner‹, das Bestandteil der Jerusalemer Kulttradition ist, vermuten, dass das Kerubenpaar als Thronsitz Gottes gedient hat.6 Der Kerubenthron ist also einerseits als ein materialiter in Raum und Zeit lokalisierbarer Thron zu verstehen. Andererseits kann der Kerubenthroner angerufen werden, vom Himmel her zu ›erscheinen‹ (Ps 80,2; vgl. V. 15), ist der Kerubenthron also eine himmlische Größe. Deshalb kann ebenso behauptet werden, dass der Kerubenthroner auf dem Zion (Ps 9,12; 132,13 f.) wie dass er im Himmel throne (vgl. Ps 2,4; 11,4; 33,14; 103,19; 123,1).

Vorausgesetzt ist hier ein mythisch-symbolisches Raumverständnis, das bestimmte Orte in der Welt für die (von diesen Orten zu unterscheidende) hintergründige Sphäre der Gottheit transparent werden lässt und so diese an jenen Orten zugänglich macht.7 Entsprechend wird auch in der Göttlichen Liturgie die (himm­lische) Sphäre Gottes zugänglich. So betet der Priester im Eucha­-ristiegebet: »du hast nicht nachgelassen, alles zu tun, bis du uns in den Himmel gebracht« hast (GL, 63). Entsprechend heißt es am Ende der Liturgie: »Als lichtüberstrahlter Himmel hat sich die Kirche gezeigt, die alle Gläubigen zum Licht führt« (GL, 96). In dieser Formulierung lebt die altorientalische Vorstellung vom Tempel als Himmel auf Erden weiter. 8

Es ist dabei kein Zufall, dass diese Vorstellung ausgerechnet in einem Kontakion vom Weihefest der Auferstehungskirche in Jerusalem erscheint. Durch die Pilgerin Egeria sind wir darüber unterrichtet, dass man dieses Weihefest in Jerusalem an dem Tag feierte, der als Tag der Weihe von Salomos Tempel galt.9 In dieser Terminwahl drückt sich ein theologisches Verständnis aus, das die neu errichtete Kirche in Analogie zum Jerusalemer Tempel versteht. In seiner Ansprache zur Einweihung dieser Kirche dürfte Eusebius dieses Verständnis entfaltet haben. Zwar ist der Text nicht erhalten, doch sind die entsprechenden Gedanken des Eusebius durch seine Rede zur Einweihung der neu erbauten Basilika in Tyrus bekannt.10 »Eusebios vergleicht in der Rede die Kirche und ihren Erbauer, Bischof Paulinos, mit den alttestamentlichen Kultstätten und ihren Erbauern, mit dem heiligen Zelt und Bezalel, mit dem Tempel und Salomo, mit dem neuen Tempel und Serubbabel.«11

Wenn für die altorientalischen Tempeltheologien das irdische Heiligtum nicht einfach mit der Sphäre Gottes identisch ist, sondern die Texte zugleich sowohl an der Differenz als auch an der Einheit von irdischem Heiligtum und (himmlischer) Sphäre Gottes festhalten, dann muss die Gottheit stets neu die Differenz überwinden, um die Einheit zu setzen. Die Gottheit muss immer wieder vom Himmel herabsteigen, um in ihrem irdischen Heiligtum Wohnung zu nehmen. So heißt es in einem spätägyptischen Morgenlied aus Edfu: Horus »kommt vom Himmel Tag für Tag, um sein Bild zu sehen auf seinem Großen Thron. Er steigt herab auf sein Bild und gesellt sich zu seinen Kultbildern« 12. Soll heißen: »Die Götter ›wohnen‹ nicht auf Erden, was ein Zustand wäre, sondern sie ›wohnen ein‹, und zwar ihren Bildern: Das ist ein Vorgang, der sich zwar regelmäßig und immer wieder ereignet, dessen Realisierung aber von der Mitwirkung der Menschen, dem Kult abhängig ist.«13

Dieses Nebeneinander von Wohn- und Theophanievorstellung kennzeichnet auch die alttestamentliche Tempeltheologie und im Anschluss daran die Göttliche Liturgie. Wie im Psalter sowohl die Vorstellung begegnet, dass JHWH auf den Cherubim thront (Ps 99,1), als auch die, dass er auf einem Cherub daherfährt (Ps 18,11), so kann Christus in der Liturgie einerseits als der gepriesen werden, der auf den Cherubim sitzt (GL, 39), und andererseits als der, der auf dem Thron der Cherubim einherfährt (GL, 51). Der Sinn der Verknüpfung beider Traditionen wird deutlich, wenn man den liturgischen Ort bedenkt, an dem die Vorstellungen jeweils begegnen. Als der, der auf den Cherubim sitzt, wird Christus am Ende des Kleinen Einzugs gepriesen. Dass Christus auf dem Thron der Cherubim einherfährt, heißt es demgegenüber direkt vor dem Großen Einzug. Da beide Einzüge dasselbe Geschehen, nämlich das Kom men Christi (zum einen in seinem Wort, zum anderen in der Eucharistie) symbolisieren, kann man interpretieren: Während Christus am Ende des Einzugs in seinem irdischen Heiligtum ge­genwärtig ist, ist er am Beginn desselben im Kommen. Kleiner und Großer Einzug inszenieren das Herabkommen Christi zu dem Ort seiner erwarteten Gegenwart. Sie bringen so eine Vorstellung zum Ausdruck, die sich mit der altägyptischen Konzeption der Einwohnung der Gottheit in ihrem Kultbild vergleichen lässt. Wie jene Einwohnung so ist auch das Kommen Christi in der Göttlichen Liturgie ein Vorgang, der sich zwar regelmäßig und immer wieder ereignet, dessen Realisierung aber von der Feier der Liturgie abhängig ist.

Weil die Göttliche Liturgie die Kirche zu einem Himmel auf Erden werden lässt, wird in ihr mit der himmlischen Sphäre Gottes auch die himmlische Liturgie zugänglich. Die Entfaltung dieser Vorstellung in der Göttlichen Liturgie ist von der alttestamentlichen Hofstaatangelologie und der sich daraus entwickelnden Vorstellung eines (ständigen) himmlischen Gottesdienstes der En­gel zur Ehre Gottes geprägt.14 Die Göttliche Liturgie greift diese Vorstellung an zentralen Stellen – sowohl beim Kleinen und Großen Einzug als auch im Eucharistiegebet – auf. So heißt es etwa im Eucharistiegebet, dass vor Gott »Tausende von Erzengeln und Zehntausende von Engeln stehen, die Cherubim und die sechs­- flügeligen, vieläugigen, schwebenden und fliegenden Seraphim« und gemeinsam das Sanctus »singen, schreien, rufen und sprechen« (GL, 63).

Neben der Vorstellung eines himmlischen Gottesdienstes be­gegnet in der Septuaginta auch der Gedanke, dass die Engel im Tempelgottesdienst gegenwärtig sind. »In Ps 137[LXX],1 sind sie Zeugen der Anbetung JHWHs durch die Menschen im Tempel.«15 Entsprechend greift auch die Göttliche Liturgie nicht nur die Vorstellung eines himmlischen Gottesdienstes auf, sondern setzt sich selbst zu diesem in Beziehung. So bittet der Priester beim Kleinen Einzug, dass »mit unserem Einzug der Einzug der heiligen Engel geschehe, die mit uns die Liturgie vollziehen und mit uns deine Güte preisen« (GL, 34).

Indem in der Göttlichen Liturgie die (himmlische) Sphäre Gottes zugänglich wird, erhalten die Gläubigen in der Liturgie Zugang zu Gottes Angesicht. Die Vorstellung, dass der Gottesdienst vor dem Angesicht Gottes stattfindet, ist im Psalter breit belegt (vgl. Ps 22,28; 68,4; 86,9; 95,2; 141,2). Sie ist aufs Engste mit der – auch in der Göttlichen Liturgie wiederholt aufgegriffenen – Vorstellung vom Königtum Gottes verbunden.16 Wie bei der Hofstaatangelo-logie steht auch hier das altorientalische Hofzeremoniell prägend im Hintergrund. Wie die höfischen Formen den Zugang zum König regelten, so der Tempelkult den Zugang zu dem im Tempel thronenden Gott. Zur Audienz dieses Gottes zugelassen zu werden, wurde analog dem altorientalischen Hofzeremoniell mit dem Ausdruck »Gottes Angesicht schauen« beschrieben.17 Der Begriff be­zeichnet dabei die Erfahrung der Gnaden- und Segensfülle des in seinem Tempel residierenden Königsgottes.

Im Lichte dieser Überlieferung lässt sich die Kommunion in der Göttlichen Liturgie als Audienz des königlichen Gottes verstehen. In ihr treten die Gläubigen »zu Christus, unserem unsterblichen König und Gott«, und empfangen so Vergebung der Sünden und ewiges Leben (GL, 78/79). Und obwohl die Göttliche Liturgie, darin der Septuaginta folgend, den Terminus »das Angesicht Gottes schauen« vermeidet, bringt sie doch zum Ausdruck, dass die Gläubigen, indem sie in der Kommunion Zugang zur Gnaden- und Segensfülle Christi erlangen, das Heil sehen. So heißt es in den Schlussgebeten der Liturgen: »meine Augen haben dein Heil gesehen« (GL, 95; vgl. 91).

Nach Erich Zenger variieren die vielfältigen sprachlichen Bilder der alttestamentlichen Tempeltheologie im Grunde eine zentrale Idee: »Der Tempel ist als Ort der Gottespräsenz ein privilegierter Quellort von Leben und Heil. Wer im Tempelbereich selbst oder in seiner Nähe ist, partizipiert buchstäblich an der göttlichen Lebensmächtigkeit.«18 Diese Vorstellung überträgt die Göttliche Liturgie auf die von ihr erfüllten Gotteshäuser. Wo die Göttliche Liturgie gefeiert wird, findet man Zugang zum Königsgott und damit zu Leben und Heil. Verdichtet findet sich diese Einsicht im Wort des Priesters vor der Kommunion: »Siehe, ich trete zu Christus, unserem unsterblichen König und Gott. Es wird mir … dem Priester, der teure und allheilige Leib unseres Herrn und Gottes und Erlösers Jesu Christi mitgeteilt, zur Vergebung meiner Sünden und zum ewigen Leben« (GL, 78).

2. Die deuteronomische Kultreform und Zwinglis Reformen in Zürich



In seiner Schrift Action oder bruch des nachtmals von 1525 vergleicht Zwingli seine liturgischen Reformen explizit mit den Reformen Hiskias und Josias.19 Wie unter Josia das Passah wieder nach dem Buch des Bundes gefeiert wurde, so soll in Zürich das Herrenmahl wieder recht gefeiert werden.20

Die Josianische Kultreform21 hatte unmittelbare Auswirkungen auf den Jerusalemer Tempelkult. Indem Josia sämtlichen Kultvollzug auf den Jerusalemer Tempel beschränkt (vgl. 2Kön 23,8–15) und das Deuteronomium die Wallfahrtsfeste zeitlich vereinheitlicht (vgl. Dtn 16,1–17), versammelt sich dreimal im Jahr ganz Israel am Jerusalemer Tempel. Der »gemeinschaftsstiftende Rahmen desselben Heiligtums und der (annähernd) selben Zeit« versammelt »die einzelnen Familien und sozialen Schichten zur Einheit des ganzen Volkes, die im [Kult] ihren Ausdruck finden soll« 22. Ausdrücklich erwähnt die Erzählung vom Bundesschluss Josias, dass damals »ganz Israel« (2Kön 23,21) das Passah in Jerusalem gefeiert habe. In diesem Sinne dient die Kultzentralisation der Darstellung der Einheit des Volkes als Bundespartner Gottes.

Dabei zielt der Kult auf die Freude des Volkes. »Du sollst fröhlich sein an deinem Fest« (Dtn 16,14) – das ist das Leitmotiv der deuteronomischen Festtheorie.23 Dass Israel sich vor seinem Herrn freue – das ist der Sinn seiner Feste (vgl. Dtn 12,12.18; 14,26; 16,11.14 f.). Freude ist dabei als Dankbarkeit für empfangene Wohltaten verstanden (vgl. Dtn 16,11), die der Einzelne nicht individualistisch für sich vor Gott zum Ausdruck bringt, sondern inmitten der versammelten Gemeinde. Eben deshalb feiert ein jeder Israelit das Fest mit seiner Familie, aber auch seinen Sklaven, den Leviten, den Waisen und Witwen, die in seiner Nachbarschaft leben (vgl. Dtn 16,11.14). Dass es Sklaven gibt, wird hier zwar noch vorausgesetzt, aber im Fest wird die Sklavenhaltergesellschaft bereits transzendiert. Das soziale Elend der typischen Sozialfälle der antiken Welt – der Fremden, Waisen und Witwen – wird nicht länger im Kult ausgeblendet, sondern in der gemeinsamen Opfermahlzeit überwunden. Eben deshalb wird im Deuteronomium das gemeinsame Mahl zum Sinnhorizont des ganzen gottesdienstlichen Lebens (vgl. Dtn 12,7.8; 14,23.26; 27,7). Die Kultzentralisation und die Datierung der Feste schaffen den äußeren Rahmen dafür, dass ganz Israel sich als Einheit darstellen kann – aber erst im gemeinsamen Mahl wird diese Einheit sinnfällig realisiert. 24 Insofern an diesen Mahlfeiern die Fremden, Witwen und Waisen Anteil bekommen, werden diejenigen in die Einheit Israels integriert, die ansonsten ausgeschlossen bleiben. Im Kult kommt es zur Selbstdarstellung Israels als ge­schwis­terlicher Ge­meinschaft.25 Damit die normativen Implikate der gemeinsamen Feier für das Leben außerhalb des Tempels aber nicht bloß implizit tradiert werden, wird der Gottesdienst im Deuteronomium zum Ort des Lernens des Gesetzes. Alle sieben Jahre soll am Laubhüttenfest, wenn »ganz Israel … vor dem Angesicht des Herrn« versammelt ist (Dtn 31,11), das Gesetz verlesen werden (Dtn 31,10–13).26

Zwinglis Abendmahlsreform greift inhaltlich wesentliche Züge der deuteronomischen Festkonzeption auf. Gegenüber den schlichten Predigtgottesdiensten hatten die Abendmahlsfeiern in Zürich einen ausgesprochen festlichen Charakter. Inhalt dieses Festes ist der Dank: Die Feier des Nachtmahls ist konsequent als Danksagung konzipiert. Zwingli hat nicht nur in der Vorrede zu seiner Abendmahlsordnung das Abendmahl als »eyn dancksagung und frolocken« beschrieben (Z IV, 15, 10), sondern diesem Verständnis auch in der Liturgie Ausdruck gegeben. Wenn die Gemeinde das Gloria spricht, mit Lobsprüchen auf die Lesung antwortet und am Ende des Gottesdienstes in den Lobpsalm einstimmt, bringt sie Gott wiederholt Lob und Dank dar. In dieser fröhlichen Danksagung realisiert sich die die Einheit der Gemeinde auf sinnfällige Weise: »Die, welche ein und dieselben Sakramente brauchen, werden ein und dasselbe Volk und gleichsam eine heilige geschworene Gemeinschaft; sie gehen auf in einem Leib und einem Volk.« 27

Die Einheit der Gemeinde findet zunächst ihren Ausdruck darin, dass alle zusammen im Kirchenschiff die Kommunion empfangen. Die Unterscheidung zwischen Klerikern, die ihren Ort im Chor haben, und den Laien, die ihren Ort im Kirchenschiff finden, ist damit zugunsten der Darstellung der Einheit der Gemeinde aufgehoben. Die im Glauben begründete Gemeinschaft relativiert aber nicht nur die Unterscheidung von Geistlichen und Laien, sondern auch die von Herr und Knecht. Das wird besonders eindrück­lich, wenn bei der Feier des Nachtmahls, zu der die ganze Gemeinde versammelt ist, alle gemeinsam aus hölzernen Schüsseln und Bechern Brot und Wein empfangen (vgl. Z IV, 693, 26–30). Entsprechend wollte Zwingli auch die – in der deuteronomischen Festkonzeption bereits realisierte 28 – Gleichberechtigung von Männern und Frauen (in liturgischen Dingen) zum Ausdruck bringen, in­dem er Männer und Frauen mehrere liturgische Stücke im Wechsel sprechen lassen wollte, was aber der Rat nicht genehmigte (vgl. Z IV, 8). Wie die Israeliten sich bei den Wallfahrtsfesten als die eine Familie Gottes darstellten, so stellt sich in Zürich in den von Freude und Danksagung geprägten Abendmahlsfeiern die Bürgergemeinde als Gemeinde von Schwestern und Brüdern dar. Im Fest des Nachtmahls transzendiert die Gemeinde ihre gesellschaftlichen Differenzierungen und entdeckt, was sie im Glauben schon ist, nämlich der eine Leib Christi. Deshalb dankt die Gemeinde Gott im Abendmahlsgebet, dass du »uns durch dynen geyst in eynigkeit des gloubens zu einem dinem lyb gemacht hast« (Z IV, 22, 9 f.).

Die Darstellung dieser Einheit des Leibes Christi steht nun freilich nicht einfach unverbunden der gesellschaftlichen Wirklichkeit gegenüber, sondern soll auf diese zurückwirken. Das Abendmahl wird zur Ermahnung, »christenliche liebe, trüw und diennstbarkeyt ye eins gegen dem andren ze halten« (Z IV, 694, 6 f.). Wie im Deuteronomium so dienen auch in Zürich die großen Jahresfeiern zum einen der Darstellung der Gemeinschaft, zum anderen dem Erlernen der Gottesfurcht (vgl. Dtn 14,23). Wegen der wohl auch die altisraelitische Festpraxis prägenden Einsicht, dass man nicht jede Woche ein Fest feiern kann, beschränkte man sich in Zürich auf drei bis vier Abendmahlsfeiern im Jahr.29 Dabei hätte es durchaus nahegelegen, aufgrund der behaupteten Analogie von Passah und Abendmahl das Abendmahl nur einmal im Jahr zu feiern. Es dürfte gerade die Weisheit der deuteronomischen Kultgesetze gewesen sein, die eine solche Reduktion des Abendmahls auf eine einzige Feier im Jahr als nicht angemessen erschienen ließ. Wenn Gott für das Volk des alten Bundes drei Jahresfeste angeordnet hat, dann sollte man im neuen Bund nicht weiser als Gott sein wollen und sich nur einmal im Jahr versammeln. Es liest sich wie eine Replik auf die römisch-katholische Praxis seiner Zeit, in der viele nur einmal im Jahr, nämlich an Ostern, die Kommunion empfingen, wenn Zwinglis Nachfolger, Heinrich Bullinger, im Blick auf Dtn 16,16 f. ausführt: »Einige aber glauben, es habe für diejenigen, die nur einmal im Jahr vor Gott erschienen sind, eine Dispens gegeben, so dass es erlaubt war, an den andern beiden Festen zu Hause zu bleiben. Ich glaube hingegen, dass die gläubigen Menschen selten eine derartige Dispens gebrauchten. Gott verspricht nämlich an einer andern Stelle, dass er das Gebiet und die materiellen Güter derjenigen, die zum Fest pilgern, verteidigen und beschützen werde.« 30 Es gibt demnach also keinen Grund, nur einmal im Jahr zur Versammlung des Volkes, zur Kommunion, zu kommen.

3. Das unvermittelte Nebeneinander von priesterschriftlicher und deuteronomischer Theologie als bleibende Signatur der christlichen Ökumene



In der Tora steht neben der deuteronomischen Kultkonzeption un­vermittelt die priesterschriftliche. Beiden gemein ist die Vorstellung, dass der Gottesdienst im Angesicht JHWHs gefeiert wird. Beide sind so, wie sie in der Tora stehen, als Tempeltheologien konzipiert. Was zwischen ihnen umstritten ist, ist dagegen die Frage nach der Notwendigkeit und den Aufgaben einer bestimmten Pries­terschaft. Die unterschiedlichen Antworten, die sich der Pries­terschrift einerseits, den dtn-dtr Texten andererseits entnehmen lassen, werden dabei in der Tora zu keinem Ausgleich gebracht. So wird der deuteronomischen Konzeption des Gottesvolkes als eines Königreiches von Priestern (vgl. Ex 19,6), in dem die Priester nicht mehr zwischen Gott und dem Volk vermitteln, sondern das Volk selbst die Opfer darbringt (vgl. Dtn 18,3), in der Tora zugleich massiv widersprochen (vgl. Num 16).31 Dieser offene Konflikt prägt bis heute den Pluralismus der christlichen Konfessionen. Neben jenen Konfessionen, die durch die deuteronomische Option geprägt sind, stehen solche, die der priesterschriftlichen Konzeption folgen.

So greift die Göttliche Liturgie, die auf vielfältige Weise an tempeltheologische Überlieferungen anschließt, auch die priesterschriftliche Unterscheidung von Priestern und Laien auf. Im Kontext der Darbringung der Eucharistie begegnet in den präanaphoralen Gebeten die hierarchische Unterscheidung von Priestern und Laien. So bittet der Priester im ersten Gebet der Gläubigen entsprechend den priesterlichen Opferweisungen (Lev 1–7), die alle Handlungen am Altar den Priestern vorbehalten sein lassen: »mach, daß wir würdig werden, dir Gebete und Fürbitten und unblutige Opfer für dein ganzes Volk darzubringen« (GL, 48). Im Proskomidiegebet wird dann das Handeln der Priester in Entsprechung zum Tun des Hohenpriesters am Versöhnungstag gesetzt. Wie dieser wegen der »unwissentlich begangenen Sünden … des Volkes« opfernd vor Gott trat (Hebr 9,7), so bringen die Priester in der Göttlichen Liturgie um der »Unwissenheit des Volkes« willen Gaben und geistliche Opfer dar (GL, 59). Im Anschluss an solche Aussagen kann verkannt werden, dass der Priester nicht für die Gemeinde, sondern mit der Gemeinde die Göttliche Liturgie feiert.

In der Tat ist diese Erkenntnis in der orthodoxen Theologie in den Hintergrund getreten, was auch Auswirkungen auf die Gestalt der liturgischen Feier hatte. So hat sich die Tendenz durchgesetzt, die Priestergebete nur noch leise zu sprechen, womit die Gebete ihren Gemeindebezug verloren. An die Stelle der Auferbauung der Gemeinde trat der korrekte Vollzug des priesterlichen Dienstes. Als Folge einer dem Priester zugeschriebenen Mittlerfunktion hat man zudem die Laienkommunion zunehmend als Kasualie missverstanden. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass heute das Dankgebet nach der Kommunion bereits nach der Priesterkommunion gesprochen wird. 32 Dieses Missverständnis wird durch den Rückgriff auf Jes 6 zur Ausdeutung der Kommunion verstärkt. Aus dem Gemeinschaftsmahl wird in Analogie zur Entsühnung Jesajas ein individuelles Entsühnungsritual.

Diese Entwicklungen in der orthodoxen Liturgiegeschichte machen eindrücklich auf die Gefahren eines Anschlusses an pries­terliche Tempeltheologien mit ihrer Unterscheidung von Priestern und Laien aufmerksam. Biblisch wird diesen Tendenzen durch die deuteronomische Tempel- und Kultkonzeption entge­gengewirkt. Doch die die Tora kennzeichnende Spannung von priesterschriftlicher und deuteronomischer Tempeltheologie ist in der Orthodoxie zugunsten der Ersteren aufgelöst worden. So hat – ganz auf der Linie der priesterlichen Opfergesetze von Lev 3, die nur am Opferaspekt des Schlachtopfers interessiert sind und die Praxis von dessen Verzehr implizit voraussetzen bzw. verschweigen – in der Geschichte der Orthodoxie der Opfercharakter den Mahlcharakter des Abendmahls verdrängt.

Der zunehmende Rückgang der Laienkommunion bis hin zu deren völligen Verdrängung hat dabei die Unterscheidung von Priestern und Laien weiter verfestigt und damit das im Prinzip durch die biblischen Überlieferungen provozierte permanente Rin­gen um die Frage, welche Konsequenzen aus der Heiligkeit der ganzen Gemeinde33 für die institutionalisierte Religion zu ziehen seien, zu einem Ende kommen lassen. Weil die orthodoxe Tradition aber die deuteronomische Kultkonzeption aus dem Blick verloren hat, ist ihre Gottesdienstpraxis den Gefährdungen der priesterschriftlichen Überlieferungen besonders ausgesetzt.

Bedenkt man die Formung der Göttlichen Liturgie durch tempeltheologische und priesterschriftliche Kultkonzeptionen einerseits und die Prägung reformierter Ordnungen durch die deuteronomische Festkonzeption andererseits, dann lässt sich m. E. sagen: Die Göttliche Liturgie ist auf das Gegenüber der reformierten Ordnungen ebenso angewiesen wie die priesterschriftlichen Überlieferungen des Alten Testamentes auf das Deuteronomium. Wie aber der Kanon die priesterschriftliche und die deuteronomische Kultkonzeption unvermittelt nebeneinander stehen lässt, so kann es auch in der gegenwärtigen Ökumene nicht darum gehen, diese Differenz im Sinne einer Einheitsliturgie und -kulttheologie zu überwinden. Demgegenüber scheint es mir angemessener, wechselseitige Lernprozesse zu initiieren, in deren Verlauf man sich dann darauf verständigen kann, wo in den einzelnen Traditionen Fehlformen vorliegen und wie diese abgebaut werden können.

In einem solchen Lernprozess sollten die reformierten Kirchen die orthodoxen darauf aufmerksam machen, dass die priesterschriftlichen Überlieferungen, obwohl sie primär an den von den Priestern darzubringenden Opfern interessiert sind, in ihre Op­­­fersystematik ein Opfer aufgenommen haben, bei dem ein Laie als Subjekt erscheint, nämlich das Toda-Opfer (Lev 7,11–15; vgl. 22,29).34 Dieses wird als Gemeinschafts-Schlachtopfer dargebracht, so dass der gemeinsame Verzehr des Großteils des Opfertieres einen zentralen Aspekt dieses Opfers darstellt. Die Bestimmungen zum Toda-Opfer lassen damit eine Feiergestalt erkennen, die im We­sentlichen derjenigen entspricht, auf die das Deuteronomium zielt.

Die Göttliche Liturgie schließt in ihrem Selbstverständnis ganz wesentlich an diese Opferform an. Wenn in der Göttlichen Liturgie die Eucharistie als Lobopfer (θυσία αἰνέσεως) verstanden wird (vgl. GL, 62), dann wird deutlich, dass die Göttliche Liturgie die Eucharistie in Entsprechung zum alttestamentlichen Toda-Opfer versteht. In der Septuaginta ist αἴνεσις Übersetzung von הדת und θυσία αἰνέσεως Übersetzung von הדת־חבז. Für das Toda-Opfer ist aber gerade die Verständlichkeit des Gebetes und die Einheit von Darbringung und Gemeinschaftsmahl charakteristisch. Eben deshalb können im Lichte des biblischen Toda-Opfers das stille Sprechen der Priestergebete und die Praxis, das Dankgebet nach der Kommunion bereits nach der Priesterkommunion zu sprechen, als Fehlformen aufgedeckt werden, die es abzubauen gilt. Die Erinnerung daran, dass sich die Göttliche Liturgie in Analogie zum alttes­tamentlichen Toda-Opfer versteht, ermöglicht den or­thodoxen Kirchen in Treue zur eigenen Tradition und in Verantwortung gegenüber der Fülle der biblischen Überlieferungen eingespielte Fehlentwicklungen in der eigenen Tradition zu benennen und an ihrer Überwindung zu arbeiten. Umgekehrt bedarf die reformierte Tradition mit ihrer gleichsam deuteronomischen Konzentration auf das Wort, das Hören und Lernen, der Erinnerung an den sinnenfälligen Reichtum alttestamentlicher Kultformen, wie ihn die Göttliche Liturgie bewahrt.

Zwar greift die reformierte Tradition mit der Betonung des religiösen Lernens wiederum einen deuteronomischen Impuls auf, doch kommt es, indem Lernen auf kognitive Prozesse reduziert wird, zugleich zu einer Unterbestimmung gegenüber dem Deuteronomium. Nach diesem wird im Kult nämlich auf zweifache Weise gelernt: zum einen durch das kognitive Verarbeiten der vorgetragenen Inhalte, zum anderen durch das Erlebnis des Rituals als solchem (vgl. Dtn 31,12 f.)35. Wenn die Israeliten nach Dtn 14,23 den Zehnten ihrer Jahresernte verspeisen sollen, damit sie JHWH fürchten lernen, wird deutlich, dass sie nicht nur durch das Hören auf das Wort, sondern ebenso durch das Feiern ihrer Feste lernen.36

Wo religiöses Lernen demgegenüber auf kognitive Prozesse re­duziert wird, steht die Religion in der Gefahr, die Anbetung ganz in die Innerlichkeit zu verlegen. In der Tat ist das die Gefährdung der reformierten Konfession von ihren Anfängen an. So war für Zwing­li der angemessene Ort für die Anbetung – er verwies auf Mt 6,6 – das private Kämmerlein: »Wärest du andächtig, so wärist [du] al­lein« (Z II, 349, 23). Demgegenüber ist mit dem Deuteronomium zu betonen: Religion lebt vom gemeinsamen Fest. Gerade deshalb realisiert sie sich immer auch in komplexen sinnenfälligen Ritualen, wie sie insbesondere jene Kirchen pflegen, die sich primär an der priesterschriftlichen Konzeption orientieren.

4. Funktionales oder spirituelles Gottesdienstverständnis?



Die Differenz zwischen deuteronomischer und priesterschriftlicher Kultkonzeption begegnet freilich nicht nur als Differenz zwischen den Konfessionen, sondern auch im Ringen um die rechte Gottesdienstgestalt innerhalb einzelner Konfessionen. Sie steht ebenso hinter der innerkatholischen Diskussion um die Frage, welche Konsequenzen aus der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils zu ziehen seien, wie hinter der in der evangelischen Theologie wiederholt geführten Diskussion, ob der Gottesdienst funktional oder spirituell zu verstehen sei. In beiden Diskursen geht es um die Frage, ob der Gottesdienst der Erhaltung und Stärkung des Glaubens oder der Anbetung Gottes dienen solle.

Die deuteronomische Festkonzeption, die die Verantwortung für den Kult in die Hände der freien Israeliten legt, lässt sich funktional rekonstruieren: Indem Israel sich bei den Wallfahrtsfesten als große Familie darstellt und erfährt, werden die auf Egalität abstellenden Rechtssetzungen des Deuteronomiums durch den Kult gestützt.37 Zwar umfassen auch die priesterschriftlichen Op­ferordnungen zahlreiche Rituale, die eine bestimmte Funktion erfüllen – so erlaubt etwa das Sündopfer, Unrecht, das aus Unwissenheit bzw. ohne Absicht geschah, zu thematisieren und aufzuarbeiten –, doch geht das Interesse der priesterschriftlichen Überlieferungen weit über solch funktional rekonstruierbaren Rituale hinaus. Das zeigt sich nicht zuletzt an den täglichen Opfern, die weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollzogen werden und sich in einer säkularen Perspektive nicht mehr funktional rekonstruieren lassen. Sobald man die Ebene der Selbstbeschreibung verlässt, erschließt sich nicht mehr, warum ein unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollzogenes Opfer die Welt am Laufen halten sollte. Deshalb begegnet in den modernen Auseinandersetzungen die Differenz zwischen der priesterschriftlichen und der deuteronomischen Kultkonzeption als Differenz zwischen einer kommunikativ-funktionalen und einer sog. spirituellen, bewusst nicht funktionalen Bestimmung des Wesens des Gottesdienstes.

Um die oftmals festgefahrenen Diskussionen wieder zu verflüssigen, ist darauf hinzuweisen, dass weder das Deuteronomium den Gottesdienst vollständig funktionalisiert noch die priesterschriftliche Überlieferung allein auf die täglichen, verborgenen Opfer abstellt. Nach dem Deuteronomium, das sämtlichen Kult auf den Jerusalemer Tempel konzentriert, ist es für die Wallfahrtsfeste von höchster Wichtigkeit, dass sie »vor JHWH« gefeiert werden. Wir wissen zwar nicht, wie diese Gegenwart Gottes liturgisch inszeniert wurde, aber sie wurde zumindest durch den Tempelbau ar­chitektonisch markiert. »Die liturgische ›Lust vor J’hwe‹ kann also nicht metaphorisch aufgefasst werden, sondern ereignet sich in der räumlichen Gegenwart J’hwes, in unmittelbarer Nähe zu dem im Jerusalemer Heiligtum anwesenden Gott.«38

Umgekehrt integriert die priesterschriftliche Überlieferung die großen Wallfahrtsfeste in ihre Opferkalender. Insbesondere Lev 23 stellt dabei heraus, dass die Feste JHWHs als »heilige Versammlung« gefeiert werden sollen. Die Versammlungen dienen zwar da­zu, Opfer darzubringen (vgl. nur 23,37), aber diese Opfer sollen eben nicht unter Ausschluss der Gemeindeöffentlichkeit vollzogen werden. Die Opfer sind also auch in der priesterschriftlichen Überlieferung nur die eine Seite des Festes, »und zwar diejenige, die der genaueren Festlegung bedurfte, woran vor allem die Priesterschaft ein Interesse haben musste. Die andere Seite war und blieb die Beteiligung der feiernden Menschen am Fest« 39.

Das Deuteronomium und die priesterschriftlichen Texte verdeutlichen so je für sich, dass es im Anschluss an die alttestamentliche Tora keineswegs um eine Alternative zwischen der funktionalen und spirituellen Dimension des Gottesdienstes gehen kann. Das Deuteronomium und die Priesterschrift repräsentieren vielmehr zwei unterschiedliche Hierarchisierungen dieser beiden Di­mensionen. Indem die Tora zudem das Deuteronomium mit den priesterschriftlichen Überlieferungen verbindet, entwirft sie eine Gottesdiensttheologie, für die die Verbindung der funktionalen mit der spirituellen Dimension des Gottesdienstes normativ ist. Im Lichte des alttestamentlichen Kanons erscheinen damit sowohl rein funktionalistische Bestimmungen des Gottesdienstes (also eine völlige Säkularisierung des Gottesdienstes) als auch eine Konzentration des gottesdienstlichen Lebens allein auf die Anbetung als reduktionistisch. Das Nebeneinander von priesterschriftlicher und deuteronomischer Tradition in der Tora ermöglicht freilich bleibend unterschiedliche Hierarchisierungen der beiden Dimensionen des Gottesdienstes.

5. Zum Nebeneinander von geordneten und enthusiastischen Gottesdienstformen


Indem sowohl die orthodoxen als auch die reformierten Tradi­tionen zentral an alttestamentliche Gesetzesüberlieferungen an­schließen, bekunden sie ein gemeinsames Interesse an geordneten Gottesdienstformen. Die Geschichtsbücher des Alten Testamentes zeigen freilich, dass Israel nicht immer in solch institutionalisierten Formen Gottesdienst gefeiert hat. Gerade an den Schwellen­situationen der israelitischen Kultgeschichte hatte der Gottesdienst viel stärker emotionale, ja geradezu karnevaleske Züge.

So verbanden sich in der Frühzeit mit der Bundeslade vermutlich Kultformen, die von enthusiastischer Freude geprägt waren (vgl. 1Sam 6,13.19 [LXX]). Diese Festfreude zog auch David in ihren Bann, so dass dieser, als er die Lade nach Jerusalem brachte, vor dem Herrn zu »springen und tanzen« begann (2Sam 6,16, vgl. 5.14).40 Die Freude schuf sich Ausdruck in (ekstatischem) Tanz und lärmender Musik (vgl. 2Sam 6,5.15), in Opfern (vgl. 2Sam 6,18) und im gemeinsamen Festessen (vgl. 2Sam 6,19). Außerhalb der Bundesladetradition bezeugt das Buch Esra enthusiastische Gottesdienstformen im Kontext der Grundsteinlegung des zweiten Tempels: »Und das ganze Volk jauchzte laut beim Lobe des Herrn, weil der Grund zum Haus des Herrn gelegt war. … Viele aber jauchzten mit Freuden, so dass das Geschrei weit erscholl. Und man konnte das Jauchzen mit Freuden und das laute Weinen im Volk nicht unterscheiden; denn das Volk jauchzte laut, so dass man den Schall weithin hörte« (Esra 3,11–13). 41

Die altisraelitische Kultgeschichte weist freilich die Tendenz auf, diese emotionale Seite des gottesdienstlichen Lebens in geordnete Formen einzufügen und so abzukühlen. Zwar macht das Deuteronomium das ›Sich-Freuen‹ zum Leitwort seiner Kultkonzeption, doch wird zugleich der Festfreude ihre ekstatische Dimension genommen. Die stärkere Konzentration auf die Opferseite des Kultes in den priesterschriftlichen Überlieferungen hat diese Tendenz zur Formalisierung des Gottesdienstes und der Verdrängung ek­statisch-enthusiastischer Elemente noch verstärkt.

Man kann in dieser Entwicklung die »Unentrinnbarkeit der Gestalt« erkennen und aus dieser Entwicklung normativ ableiten, dass der Gottesdienst der Kirche »der wohlgeordneten … Gestalt niemals entbehren kann«42. In der Tat scheint es ein Gesetz der Liturgieentwicklung zu geben, nach dem sich im Laufe der Zeit bestimmte Formen verfestigen und so bestimmte Ordnungen einstellen. Dennoch ermöglichen die in der Bibel festgehaltenen Er­innerungen an die enthusiastischen Gottesdienstformen der Schwellenzeiten der biblischen Kultgeschichte immer wieder, dass enthusiastische Formen Eingang in den jüdisch-christlichen Traditionsraum gewinnen und sich dann auch als biblische Formen darstellen können. Neben die ›Unentrinnbarkeit der Gestalt‹ tritt damit durch die Erinnerung an die emotional-enthusiastischen Gottesdienstformen der Schwellenzeiten die stete Möglichkeit, die eingespielten Formen zu durchbrechen.

In der Tat waren es genau die genannten biblischen Überlieferungen, die es den frühen amerikanischen Methodisten ermöglichten, gegenüber ihren Kritikern die Biblizität ihrer enthusias­-tischen Gottesdienstformen auszuweisen.43 Wenn sie ob ihrer Gottesdienste kritisiert wurden, hielten die amerikanischen Me­thodisten ihren Kritikern die Erinnerung an David und Esra entgegen: »When the ark was coming, King David came running, And dancing before it, in Sripture we’re told. When the Jewish nation had laid the foundation, To rebuild the temple at Ezra’s command, Some wept and some praised, such noise there was raised, Twas heard afar off and perhaps through the land.«44 Dabei liegt das kritische Potential der Erinnerung an die enthusiastische Gottesdienstpraxis nicht nur in ihrer Infragestellung eingespielter Gottesdienstformen, sondern zugleich in ihrer umfassenderen Kritik an den hinter diesen Gottesdienstformen stehenden Gesellschaftsformen. Schon David musste sich, als er knapp bekleidet vor der Lade her tanzte und das Ehrsystem des alten Jerusalems durchkreuzte, den Spott der Jerusalemer Elite gefallen lassen: »Wie herrlich ist heute der König von Israel gewesen, als er sich entblößt hat, wie sich die losen Leute entblößen« (2Sam 6,20), woraufhin David freilich er­widert: »Ich will noch geringer werden als jetzt …, aber bei den Mägden, von denen du geredet hast, will ich zur Ehre kommen« (V. 22).

Entsprechend führte die Prägung des gottesdienstlichen Lebens durch die enthusiastischen Formen der Frühzeit im frühen amerikanischen Methodismus zugleich zur Revitalisierung von deren sozialkritischem Potential. Wenn in den methodistischen Gottesdiensten ein Mann weinend und schreiend auf dem Boden lag und auf das Gebet einer Frau hin zur Bekehrung kam, dann war das Ehrsystem der Südstaaten völlig auf den Kopf gestellt. Ebenso überwanden emotionale Reaktionen die diskriminierenden Schranken zwischen Schwarzen und Weißen. Waren diese in den Gottesdiensten gewöhnlich getrennt, so kamen sie in den emotionalen Reaktionen zusammen. Diese durchbrachen nicht nur die eingespielten Got­- tesdienstformen, sondern zugleich die dahinter stehenden Ge­sellschaftsformen. Die emotionalen Reaktionen der Schwarzen ver­-deutlichten den weißen methodistischen Predigern, dass »God has wrought a most glorious work on many of their souls and made them witnesses that he is no respecter of persons.«45 Als Konsequenz konnten deshalb in den methodistischen Gottesdiensten auch Schwarze verkündigende Funktionen ausüben – und verdammten die frühen amerikanischen Methodisten die Sklaverei als Sünde.46

Entsprechend schufen die enthusiastischen Formen auch in den Gottesdiensten der Azusa-Street-Erweckung eine Rassen-, Ge­schlechter- und Bildungsdifferenzen transzendierende Gleichheit: »In the revival in Los Angeles, white bishops and black workers, men and women, Asians and Mexicans, white professors and black laundry women were equals – and that was in 1906.«47 Diese Gleichheit zeigte sich etwa darin, dass Gottesdienstbesucher in der Azusa Street sich küssten und umarmten – und zwar unabhängig von Geschlechter- und Rassenschranken. Wie sehr damit das amerikanische Ehrsystem auf den Kopf gestellt war, zeigt die Reaktion von Charles Parham, der entsetzt war, zu sehen, dass »men and women, whites and blacks, knelt together or fell across one another; frequently, a white woman, perhaps of wealth and culture, could be seen thrown back in the arms of a ›buck nigger,‹ and held tightly thus as she shivered and shook in freak imitation of Pentecost. Horrible, awful shame!« 48

Durch die Revitalisierung der enthusiastischen Gottesdienstformen, wie sie insbesondere in den Schwellensituationen der bib­lischen Kultgeschichte lebendig waren, hat die amerikanische revival tradition und in deren Resonanzfeld die Pfingstbewegung der Ökumene nicht nur eine Fülle leibnaher Gottesdienstformen er­schlossen, sondern auch das kritische Potential dieser biblischen Erinnerungen bleibend als Herausforderung in den ökumenischen Dialog eingebracht.

Summary


The pluralism of the Christian liturgical families is still charac­ter­ized, on the one hand, by the coexistence of Priestly and Deuter­o­nomic theology in the Torah and, on the other, by the contrast which shaped Old Testament cultic history between emotional outbreaks and the carefully structured order which has prevailed. Just as the canon presents the Priestly and Deuteronomic concepts of the cult next to one another without further commentary, the contem­porary ecumenical community cannot aim to eliminate differences by creating a homogenized liturgy and an uniform liturgical theology. On the contrary, it seems more appropriate to me that we initiate mutual learning processes which make it possible to agree about where defects and distortions exist within indi­-vidual traditions and how these might be remedied.

With their regress to the enthusiastic forms of the Old Testament cultic history, the American Methodists (and in their wake the Pentecostal movement) have enriched the ecumenical situation. The critical potential of enthusiastic forms of worship from the Bible lies not only in the way they call into question well-re­hearsed forms of worship, but also in their comprehensive critique of the societal structures lurking behind these forms of worship.

Fussnoten:

1) Zum Folgenden vgl. G. Etzelmüller, ... zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn. Eine biblische Theologie der christlichen Liturgiefamilien, Frankfurt 2010, Kapitel 2.
2) F. von Lilienfeld (Hrsg.), Die Göttliche Liturgie des Hl. Johannes Chrysos­tomus mit den besonderen Gebeten der Basilius-Liturgie im Anhang. Griechisch-Deutsch, OIKONOMIA 2 – Heft A, Erlangen 22000 [fortan: GL], 1.
3) H. G. Thümmel, Versammlungsraum, Kirche, Tempel, in: B. Ego u. a. (Hrsg.), Gemeinde ohne Tempel/Community without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels und seines Kultes im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, WUNT 118, Tübingen 1999, 489–504, 501.
4) P. Wick, Die urchristlichen Gottesdienste. Entstehung und Entwicklung im Rahmen der frühjüdischen Tempel-, Synagogen- und Hausfrömmigkeit, BWANT 150, Stuttgart u. a. 2002, 24.
5) A. Merz, Die fiktive Selbstauslegung des Paulus. Intertextuelle Studien zur Intention und Rezeption der Pastoralbriefe, NTOA 52, Göttingen-Freiburg 2004, 108.
6) So O. Keel, Jahwe-Visionen und Siegelkunst. Eine neue Deutung der Ma-­jes­tätsschilderungen in Jes 6, Ez 1 und Sach 4, SBS 84/85, Stuttgart 1977, 24 f.; vgl. B. Janowski, Keruben und Zion. Thesen zur Entstehung der Zionstradition, in: Ders., Gottes Gegenwart in Israel. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments, Neukirchen 1993, 247–280, 272.
7) Vgl. F. Hartenstein, Die Unzugänglichkeit Gottes im Heiligtum. Jesaja 6 und der Wohnort JHWHs in der Jerusalemer Kulttradition, WMANT 75, Neukirchen 1997, 15 f.58.64.
8) Vgl. B. Janowski, Der Himmel auf Erden. Zur kosmologischen Bedeutung des Tempels in der Umwelt Israels, in: Ders./B. Ego (Hrsg.), Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kontexte, FAT 32, Tübingen 2001, 229–260. Entsprechend heißt es in der Liturgieerklärung des Patriarchen Germanus: »The church is an earthly heaven in which the supercelestial God dwells and walks about« (Germanus of Constantinople on The Divine Liturgy. The Greek Text with Translation, Introduction and Commentary by P. Meyendorff, Crestwood 1984, 57; gr.: 56).
9) Vgl. Itinerarium Egeriae 48, 2; Text und Übersetzung in Aetheria, Itinerarium/Egeria, Reisebericht. Mit Auszügen aus Petrus Diaconus, De locis sanctis/Die heiligen Stätten, übersetzt und eingeleitet von G. Röwekamp, FC 20, Freiburg u. a. 1995, 304 f.
10) Vgl. Eusebius von Caesarea, Kirchengeschichte, hrsg. von H. Kraft, Darmstadt 1967, 413–430 (h. e. 10, 4, 2–72).
11) Thümmel, Versammlungsraum, 499; vgl. J. Wilkinson, Jewish influences on the early christian rite of Jerusalem, in: Le Museon 98 (1979), 347–359, 350 f.
12) Zitiert nach J. Assmann, Ägypten. Theologie und Frömmigkeit einer frühen Hochkultur, Stuttgart u. a. 21991, 52.
13) Assmann, Ägypten, 53.
14) Vgl. B. Ego, Im Himmel wie auf Erden. Studien zum Verständnis von himmlischer und irdischer Welt im rabbinischen Judentum, WUNT II/34, Tü­bingen 1989, 17–23, sowie die große Thronsaalvision in der Offenbarung des Johannes (Offb 4 f.).
15) A. Schenker, Götter und Engel im Septuaginta-Psalter. Text- und religionsgeschichtliche Ergebnisse aus drei textkritischen Untersuchungen, in: E. Zenger (Hrsg.), Der Septuaginta-Psalter. Sprachliche und theologische Aspekte, HBS 32, Freiburg u. a. 2001, 185–195, 192.
16) So F. Hartenstein, Das ›Angesicht Gottes‹ in Exodus 32–34, in: M. Kö­-ckert/E. Blum (Hrsg.), Gottes Volk am Sinai. Untersuchungen zu Ex 32–34 und Dtn 9–10, VWGTh 18, Gütersloh 2001, 157–183, 160; vgl. bereits F. Nötscher, ›Das Angesicht Gottes schauen‹ nach biblischer und babylonischer Auffassung, Darmstadt 21969, 77.
17) Vgl. F. Nötscher, Angesicht, 77.94.177 f.
18) E. Zenger, Wer wird Segen empfangen? Psalm 24: Übersetzung und Auslegung, in: BiKi 58 (2003), 71–80, 72.
19) H. Zwingli, Aktion oder Brauch des Nachtmahls, Zürich 1525, in: Huldreich Zwinglis Sämtliche Werke IV, hrsg. von E. Egli u. a., CR 91, Leipzig 1927 [fortan: Z IV], 1–24, 13, 14 f.
20) Zum Folgenden vgl. Etzelmüller, Gottesdienste, 368–371.388–409.
21) Zur Historizität der Josianischen Kultreform vgl. C. Uehlinger, Gab es eine joschijanische Kultreform? Plädoyer für ein begründetes Minimum, in: W. Groß (Hrsg.), Jeremia und die ›deuteronomistische Bewegung‹, BBB 98, Weinheim 1995, 57–89.
22) Vgl. G. Braulik, Leidensgedächtnisfeier und Freudenfest. ›Volksliturgie‹ nach dem deuteronomischen Festkalender (Dtn 16,1–17), in: Ders., Studien zur Theologie des Deuteronomiums, SBAB 2, Stuttgart 1988, 95–121, 113; M. Köckert, Ein Volk befreiter Brüder. Das Gesetz als Lebensordnung Israels im Deuteronomium, in: Ders., Leben in Gottes Gegenwart. Studien zum Verständnis des Gesetzes im Alten Testament, FAT 43, Tübingen 2004, 21–45.
23) Vgl. G. Braulik, Die Freude des Festes. Das Kultverständnis des Deuteronomium – die älteste biblische Festtheorie, in: Ders., Studien zur Theologie des Deuteronomiums, SBAB 2, Stuttgart 1988, 161–218, 180.
24) Vgl. Köckert, Volk, 37; N. Lohfink, Die Kultreform Joschijas von Juda. 2. Kön 22–23 als religionsgeschichtliche Quelle, in: Ders., Studien zum Deuteronomium und der deuteronomistischen Literatur II, SBAB 12, Stuttgart 1991, 209–227, 224; viele anregende Beiträge von Georg Braulik und Nobert Lohfink zum Thema »Altes Testament und Liturgie« finden sich in dem Sammelband Braulik, Georg, u. Norbert Lohfink: Liturgie und Bibel. Gesammelte Aufsätze. Frankfurt a. M.: Lang 2005. 638 S. gr.8° = Österreichische Biblische Studien, 28. Kart. EUR 82,70. ISBN 3-631-54513-4. Leider sind in diesen Band die hier zitierten grundlegenden exegetischen Arbeiten nicht aufgenommen. Erst diese Arbeiten machen aber verständlich, wie Braulik und Lohfink im Anschluss an die deuteronomische Festkonzeption eine Alternative zu einer allein auf die Anbetung konzentrierten Liturgie entwerfen.
25) Vgl. I. Willi-Plein, Opfer und Kult im alttestamentlichen Israel. Textbefragungen und Zwischenergebnisse, SBS 153, Stuttgart 1993, 132 f.
26) Vgl. K. Finsterbusch, Weisung für Israel. Studien zu religiösem Lehren und Lernen im Deuteronomium und in seinem Umfeld, FAT 44, Tübingen 2005, 287–294.
27) Vgl. Z VI, V, 161, 2–5: »Qui enim unis eisdemque sacramentis utuntur, una eademque gens ac sancta quedam coniuratio fiunt in unum corpus, inque populum unum coeunt« (Übersetzung oben nach E. Saxer, Huldrych Zwingli. Ausgewählte Schriften. In neuhochdeutscher Wiedergabe mit einer historisch-biographischen Einführung, GKTG 1, Neukirchen 1988, 175).
28) Vgl. G. Braulik, Durften auch Frauen in Israel opfern? Beobachtungen zur Sinn- und Festgestalt des Opfers im Deuteronomium, in: Ders., Studien zum Deuteronomium und seiner Nachgeschichte, SBAB 33, Stuttgart 2001, 59–89; F. Crüsemann, Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes, München 1992, 291–294.
29) Zwingli sah zwar vier Feiern vor, doch ist fraglich, ob die Herbstkommunion in Zürich überhaupt gefeiert wurde (vgl. M. Jenny, Die Einheit des Abendmahlsgottesdienstes bei den Elsässischen und Schweizerischen Reformatoren, SDGSTh 23, Zürich 1968, 69 f.).
30) H. Bullinger, Dekaden 1549–1551, Heinrich Bullinger Schriften III, hrsg. von E. Campi u. a., Zürich 2006, 617.
31) So Crüsemann, Tora, 413–419; R. Albertz, Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit II, GAT 8/2, Göttingen 1992, 527–530.
32) Vgl. K. C. Felmy, Vom urchristlichen Herrenmahl zur Göttlichen Liturgie, OIKONOMIA 39, Erlangen 2000, 108.
33) Die Heiligkeit des ganzen Volkes haben auch die priesterschriftlichen Texte nicht bestritten (man vgl. nur Lev 22,32 f. und dazu Crüsemann, Tora, 350–355; vgl. 416). Entsprechend versteht auch die Göttliche Liturgie die ganze Gemeinde als »königliches Priestertum« (GL, 103).
34) Vgl. R. Rendtorff, Leviticus. 1. Teilband Leviticus 1,1–10,20, BK. AT III/1, Neukirchen 2004, 249; J. Milgrom, Leviticus 1–16. A New Translation with Introduction and Commentary, The Anchor Bible, New York u. a. 1991, 413.
35) Zu dieser Deutung von Dtn 31,12 f. vgl. Finsterbusch, Weisung, 292 f.
36) Vgl. I. Breitmaier, Lehren und Lernen in der Spur des Ersten Testamentes. Exegetische Studien zum 5. Buch Mose und dem Sprüchebuch aus religionspädagogischer Perspektive, Beiträge zum Verstehen der Bibel 8, Münster 2004, 134 f.
37) So M. Welker, Recht in den biblischen Überlieferungen in systematisch-theologischer Sicht, in: G. Rau u. a. (Hrsg.), Das Recht der Kirche. Band 1. Zur Theorie des Kirchenrechts, FBESG 49, Gütersloh 1997, 390–414, 402 f.
38) G. Braulik, Von der Lust Israels vor seinem Gott. Warum Kirche aus dem Fest lebt, in: I. Baumgärtner u. a. (Hrsg.), Den Himmel offen halten. Ein Plä­doyer für Kirchenentwicklung in Europa. Festschrift für Paul M. Zulehner, Innsbruck-Wien 2000, 92–112, 106.
39) R. Rendtorff, Die Entwicklung des altisraelitischen Festkalenders, in: J. Assmann (Hrsg.), Das Fest und das Heilige. Religiöse Kontrapunkte zur Alltagswelt, Studien zum Verstehen fremder Religionen 1, Gütersloh 1991, 185–205, 202 f.
40) Vgl. dazu O. Keel, Davids ›Tanz‹ vor der Lade, in: BiKi 51 (1996), 11–14.
41) Auch wenn man dem Buch Esra kaum historische Aussagekraft zusprechen darf (vgl. R. G. Kratz, Das Judentum im Zeitalter des Zweiten Tempels, FAT 42, Tübingen 2004, 58 f.), gibt es doch Auskunft über die Situation des nachexilischen Judentums, wenn auch einer späteren Zeit, nämlich der Zeit seiner Entstehung (vgl. a. a. O., 59).
42) So P. Brunner, Zur Lehre vom Gottesdienst der im Namen Jesu versammelten Gemeinde. Neudruck mit einem Vorwort von J. Stalmann, Leiturgia NF 2, Hannover 1993, 269 f.
43) Zur Gottesdienstpraxis der frühen amerikanischen Methodisten vgl. L. Ruth, A little heaven below. Worship at early Methodist Quarterly Meetings, Nashville 2000; Etzelmüller, Gottesdienste, 253–298.
44) Dialogue Song, ›Methodist and Formalist‹, aus: The Hesperian Harp, hrsg. von W. Hauser, Philadelphia 1848, abgedruckt bei C. A. Johnson, The Frontier Camp Meeting. Religion’s Harvest Time [1955], Dallas 21985, 262–264, 263.
45) The Journal of Joseph Pilmore. Methodist Itinerant for the years August 1, 1769 to January 2, 1774, hrsg. von E. Maser und H. T. Maag, Philadelphia 1969, 74.
46) Vgl. J. H. Wigger, Taking heaven by storm. Methodism and the rise of popular Christianity in America, Urbana-Chicago 2001, 125–172.
47) W. J. Hollenweger, The Black Roots of Pentecostalism, in: A. H. Anderson/ ders. (Hrsg.), Pentecostals after a Century. Global Perspectives on a Movement in Transition, Sheffield 1999, 33–44, 41.
48) Zitiert nach C. M. Robeck Jr., The Azusa Street Mission and Revival. The Birth of the Global Pentecostal Movement, Nashville 2006, 141.