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Ausgabe:

Februar/1996

Spalte:

142 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Cheney, Michael

Titel/Untertitel:

Dust, Wind and Agony. Character, Speech and Genre in Job.

Verlag:

Stockholm: Almquist & Wiksell Intern. 1994. XII, 323 S. gr. 8o = Coniectanea Biblica. Old Testament Series, 36. Kart. SEF 284,­ ISBN 91-22-01603-1.

Rezensent:

Hans Strauß

Die theologische Dissertation aus Lund möchte jedenfalls nicht primär das Buch Hiob historisch-kritisch aufbauend exegesieren, sondern vom Informationsgehalt der Endgestalt der Texte aus der nachexilischen Periode (500-300 v. Chr.) im Rahmen seines sozialgeschichtlichen Milieus ausgehen und von der Beobachtung seiner Makrostrukturen zu den Mikrosyntagmata und Soziolinguismen fortschreiten. Historisch-kritische Ergebnisse werden dabei natürlich aufgegriffen bzw. ausgewählt, aber nicht mehr diskutiert, sondern umgreifenden Fragestellungen dienstbar gemacht, die aufgelistet sind und, ungefähr dem Duktus der Kapitel entsprechend, instruktiver als die Wiedergabe von Einzelbeobachtungen resp. "Ergebnissen" in das Verständnis der Absichten des Autors einführen können (hier und da erlaubt sich der Rez. in Klammern bereits eine sachlich hoffentlich noch etwas weiterführende Bemerkung).

Als bewegende Ausgangsfrage könnte man die wichtige Überlegung ansehen, wie das Buch Hiob überhaupt von den Zeitgenossen wohl charakterisiert werden konnte ­ als Drama, als Ausdruck des Zweifels ("sceptical text"), als (etwas abirrende) Heiligenlegende oder als der redliche Versuch, das theologische Problem des Bösen zu lösen. Darauf gibt der Vf. selbst die ­ u.E. nach zutreffende ­ Antwort, daß das Buch Hiob gar nicht unter einer dieser Formen subsumiert werden könne, sondern als den Leser unmittelbar mit einzubeziehendes Beziehungsgeflecht mehrerer dieser Gattungen und Motive anzusehen sei. Daraus ergibt sich deren Differenzierung in weiteren Fragestellungen: Wie wäre der Grundstandpunkt des Hiob-Erzählers (Autors?) zu formulieren, und wo liegen die Hauptinteressen des "Erzählers"? (So klar bestimmte theologische Positionen wie in Hiob zutage treten und auch Priorität gewinnen, kann man überhaupt nach einem Erzähler und dessen Hauptanliegen fragen, muß man nicht von vornherein mit der Dokumentation einer mehrphasigen Diskussion im Kreise von Weisen rechnen, als deren Sprecher dann Hiob und u.a. auch Elihu auftreten?!). Ch. weist dafür vor allem auf das "tension pattern", die weisheitliche Gattung des diskursiven Wettstreits, hin. Weiter fragt Ch.: Wie verhalten sich die Ansprüche je derer, die im Buch Hiob das Wort ergreifen, zu denen des Erzählers? Werden alle Freunde Hiobs gleichwertig in ihren Diskussionbeiträgen dargestellt oder gibt es da eine Bevorzugung? (Ist hier die vorliegende Dialogform auch nach antikem Verständnis nicht überfragt?!) Ist das Auftreten Elihus befremdlich ("comic") oder ernsthaft und lehrreich? (Die Frage wäre sachgemäßer zu stellen als die nach erkennbaren Gründen für die Einfügung der Elihureden durch den Hiobkreis!). Was bedeutet es, daß "Hiob" durch den Erzählrahmen geographisch außerhalb Israels angesiedelt wird? Sind die Sprecher im Buch durchweg als Nicht-Israeliten dargestellt? (Sind sie überhaupt näher dargestellt?!) Haben die bekannten sprachlichen Eigentümlichkeiten (hap. leg.!) direkt etwas mit Rollen(-verteilung) und Stellenwert zu tun? Hat jeder der Freunde seinen eigenen Stil und können charakteristische Unterschiede benannt werden? Wie verhält sich die Gattung des Buches Hiob zu seinem Aussagewillen? Mit welchen Konsequenzen lassen sich bestimmte Arten von Monologen differenzieren und verteilen? Wie ist das Verhältnis zwischen dem Helden der alten Hiobtradition und dem Hiob (nun) des biblischen Buches? Was erklärt Gott eigentlich mit "Job spoke rightly concerning me", wenn Hiob solche unziemlichen Aussagen über Gott macht? Was macht den Grundzusammenhang zwischen Aussagewillen des Erzählers und dem der anderen Sprecher im Buch aus?

Wie hier und da angedeutet, kann man gerade konsequentermaßen nicht alle Fragestellungen ­ ebenso natürlich die Antworten ­ der Dissertation angesichts der Textverhältnisse als präzise genug fundiert ansehen. Dieser "literal social personal" approach nach Rollen, Reden und Gattungen, auch im Kontext entsprechender altorientalischer Literatur, der die historisch-kritische Fixierung eines unveränderlichen Textsinns vermeiden möchte, kann seinerseits auch auf einige formgeschichtliche Festlegungen nicht verzichten und muß sich davor hüten, traditionsgeschichtliche Dimensionen zu überspielen und einzuebnen.

Doch wird man mit dieser Auslegungsweise auch keine Alternative aufrichten ­ geschweige denn hüben wie drüben voneinander kaum Kenntnis nehmen (im Lit.-Verz. sind z.B. so wichtige Hiob-Kommentare wie die von K. Budde, G. Hölscher oder F. Horst ebensowenig erwähnt wie die zahlreichen sprachlichen Arbeiten von M. Dahood), sondern sich vielmehr anregen lassen, über einer oftmals etwas atomisierten Analyse der Hiobtexte die Funktion derselben im Zusammenhang des Ganzen sowie nicht gleich am Tage liegende Bezüge innerhalb des Buches nicht aus den Augen zu verlieren.