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Ausgabe: | April/2011 |
Spalte: | 459-461 |
Kategorie: | Ökumenik, Konfessionskunde |
Autor/Hrsg.: | Langer, Gerhard, u. Gregor Maria Hoff[Hrsg.] |
Titel/Untertitel: | Der Ort des Jüdischen in der katholischen Theologie. |
Verlag: | Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009. 333 S. m. 1 Abb. gr.8°. Geb. EUR 61,95. ISBN 978-3-525-69103-8. |
Rezensent: | Reinhard Leuze |
Diese Publikation ist aus einer Ringvorlesung hervorgegangen, die im Wintersemester 2006/2007 von der Salzburger Theologischen Fakultät veranstaltet wurde. Alle theologischen Disziplinen haben sich zusammengetan, um die Frage, was das Judentum für die christliche Religion bedeutet, aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Man kann dieses theologische Experiment nur begrüßen, zeigt es doch eine Fähigkeit der Kooperation, die bei theologischen Fakultäten nicht allzu häufig anzutreffen ist.
Die Probleme, die sich bei diesem Thema stellen, sind vielfältig und bedürfen einer differenzierten Analyse. Im Blick auf die Systematische Theologie hat U. Winkler die gestellte Aufgabe klar formuliert, wenn er die »Kongruenz von Israeltheologie und Religionstheologie« als »eines der wichtigsten Desiderate gegenwärtiger … Theologie« bezeichnet (261). Beide Komplexe in eine plausible Übereinstimmung zu bringen, scheint große Schwierigkeiten zu bereiten.
Nehmen wir als Beispiel K. Rahner, der unbestritten Bedeutendes für die Religionstheologie geleistet hat, aber, wie G. M. Hoff moniert, die theologische Dignität Israels einebnet, so dass es »im Strom einer allgemeinen Religionsgeschichte unterzutauchen« droht (93). Ob diese Kritik berechtigt ist, mag dahingestellt bleiben; sicher ist aber die als Bekräftigung gedachte Hinzufügung einer Anekdote aus dem Leben des großen Theologen (85) überflüssig und deplatziert.
Als Vertreter einer dezidierten Israeltheologie mag im Gegensatz dazu F. W. Marquardt genannt werden, der nicht in die Nähe einer pluralistischen Religionstheologie gerückt werden kann, wie es die Einleitung glauben machen will (12), aber U. Winkler zu Recht bestreitet (260), sondern einen Exklusivismus vertritt, der die christliche Religion ihres spezifischen Profils beraubt, um sie dann ohne große Mühe in die jüdische eingliedern zu können.
Wir sehen, dass dieses Buch im Blick auf den jüdisch-christlichen Dialog eine wertvolle Bestandsaufnahme bietet, während weiterführende Lösungen kaum sichtbar werden. So werden Möglichkeiten nicht genutzt, die gewünschte Verbindung von Israeltheologie und Religionstheologie dadurch zu erreichen, dass auf die singuläre Bedeutung Israels für die Konstitution und die Entfaltung des monotheistischen Glaubens verwiesen wird.
Natürlich geht die in diesem Buch verhandelte Thematik über ein Problem der systematischen Theologie entschieden hinaus. Der Horizont der Fragestellung kommt erst da in den Blick, wo man sich darüber im Klaren ist, dass eine christliche Beurteilung des Judentums nach der Shoah nicht dieselbe sein kann wie zuvor. Die Verfasser des Bandes sind sich dieser Tatsache bewusst. Damit bewegt sich aber die christliche Theologie in dieser Frage auf einem schmalen Grat: Sie muss auf der einen Seite alle antijudaistischen Klischees mit ihrer verheerenden Wirkungsgeschichte hinter sich lassen, darf aber andererseits die Unterschiede zwischen beiden Religionen nicht vernebeln, unkenntlich machen oder in einer allgemeinen Irenik zum Verschwinden bringen.
Eine Überwindung antijudaistischer Denkweisen finden wir in dem von G. Langer verfassten alttestamentlichen Beitrag. Zu Recht weist er darauf hin, dass zuerst »auch von Christinnen und Christen« dieses Buch »– auch ohne Christusbezug – zu lesen und zu hören« (33) ist. Damit wird die Usurpation der heiligen Schrift einer Religion durch eine andere vermieden. In einem zweiten Schritt darf die christliche Interpretation folgen; sie kann aber nicht den Anspruch erheben, die jüdische als eine überholte und damit verfehlte Auslegung abzulösen.
Problematischer scheinen mir die von M. Gielen verfassten Ausführungen zum Neuen Testament zu sein. Die Torahermeneutik des Paulus lässt sich nicht einfach unter den Begriff »innerjüdische Streitigkeiten« (68) subsumieren, mit dem Zweck, eine Abgrenzung der christlichen von der jüdischen Religion zu vermeiden (ebd.). Gerade hier wird deutlich, dass Paulus die systematische Grundlegung einer neuen Religion vollzieht, die nicht einfach als Fortsetzung der jüdischen betrachtet werden kann. Wenn man den allzu belasteten Begriff des Gesetzes vermeiden will, muss man doch daran festhalten, dass die Offenbarung Gottes im Judentum, ebenso wie im Islam, primär als Kundgabe des göttlichen Willens verstanden werden muss, während wir im christlichen Glauben die Enthüllung des göttlichen Wesens in den Mittelpunkt rücken.
In der Linie des neutestamentlichen Beitrags liegt auch die von G. M. Hoff als Fazit hervorgehobene Einsicht, »dass Jesus Jude und die neutestamentliche Literatur durch und durch jüdisch war« (106). Was soll das heißen? Natürlich waren Jesus und die Verfasser der neutestamentlichen Schriften Juden, aber die Intentionen Hoffs gehen weit darüber hinaus. Wie weit gehen sie wirklich? War die Begründung einer neuen Religion, eben der christlichen, ein Irrtum der Weltgeschichte?
Die Entstehung dieses Buches wurde durch einen Donnerschlag aus Rom unterbrochen: die mit der Zulassung des alten Ritus verbundene Neuformulierung eines Fürbittengebets für die Juden (139). Dass diese Maßnahme des deutschen Papstes der Intention aller Verfasser der vorliegenden Publikation diametral entgegengesetzt ist, bedarf keiner Erläuterung. Die Herausgeber betonen denn auch in ihrer Einleitung die Irritationen, die sie »bei Katholiken wie bei Juden« ausgelöst habe (11). R. Pacik gibt einen Überblick über die Geschichte der Formulierungen dieser Fürbitte (122–143) und geht dabei auch auf die Debatte ein, die die päpstliche Verlautbarung verursacht hat. Man könnte mehr erwarten: etwa ein Votum der Salzburger Theologischen Fakultät, das sich kritisch mit diesem neu formulierten Gebet auseinandersetzt. Aber vielleicht ist das eine Überforderung, die nur auf protestantischem Boden gedeihen kann.